32c3 mit Kindern, Tag 2 und 3

IMG_5607IMG_5604Haben wir es letztes Jahr kaum vor 12/13 Uhr zum Kongress geschafft, „mussten“ wir dieses Jahr jeden Tag spätestens um 10 Uhr da sein. Das war wirklich schwierig, was höchst erstaunlich ist, denn sonst sind wir jeden Tag um 7.30 Uhr einsatzbereit.

Tag 2 jedoch war Junghackertag und der startete eben um 10 Uhr. Wir hatten dann tatsächlich Glück früh da zu sein und konnten Kind 2.0 ohne längere Wartezeit abgeben. Die Schlange nach uns war ziemlich lang. Wir haben auch später ab und an Kinder getroffen, die erzählt haben, dass sie auf der Warteliste stehen und wahrscheinlich gar nicht am Workshop teilnehmen könnten. Ich hatte unser Kind 2.0 schon ein paar Tage vor dem Junghackertag angemeldet. Ich empfehle ohnehin mit Kindern das Kongressprogramm schon vorher zu studieren. Erstens – weil es Dinge gibt, zu denen man die Kinder voranmelden sollte (z.B. die Wristbands und den Junghackertag) und zweitens weil es schöne Workshops gibt, zu denen man Material mitbringen muss (z.B. die Druckwerkstatt und dafür brauchte man bedruckbare Kleidungsstücke).

Ergebnisse der Druckwerkstatt
Ergebnisse der Druckwerkstatt

Zweiter Tipp übrigens: Alles ausdrucken! Ab Tag 1 war das Wiki down. (Für das Programm genügt die App, aber vieles rund um das Thema Kinder war nicht mehr erreichbar, was dann ein wenig bedauerlich ist).

Aber zurück zum Junghackertag: Kind 2.0 hat sich entschlossen einen Pentabug zu bauen. Ein Pentabug ist ein Microcontroller-gesteuerter Vibrationsroboter. Er bewegt sich, leuchtet und (zu meiner großen Freude, siehe FURBYS) dudelt laut.  Uns wurde der Pentabug als eines der anspruchsvolleren Projekte vorgestellt. Vermutlich weil man dafür löten muss. Kind 2.0 hatte noch nie gelötet, ist aber geduldig und klebepistolenerfahren und wir entschieden dann, dass das ausreicht. Tatsächlich stimmte das. Kind 2.0 hat sehr sauber gelötet und großen Spaß dabei.

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Ich hatte schon einige Male versucht Kind 2.0 mit dem Thema Programmieren in Kontakt zu bringen, weil ich denke, Programmieren können wird in der Zukunft so hilfreich sein wie Englisch können.

Im Rahmen des Girls Days hatte ich mich etwas mit Scratch auseinandergesetzt. Scratch ist eine sehr einfache, visuelle Programmiersprache, bei der die einzelnen Befehle wie kleine Puzzleteilchen zusammengeschoben und ausgeführt werden können. Es gibt dafür eine große Menge Tutorials und wenn man das Grundprinzip verstanden hat, hat man in weniger als einer Stunde zum Beispiel ein eigenes Pong programmiert.

Die teilnehmenden Mädchen des Girls Day hatten mit Scratch sehr viel Spaß und ich hatte gehofft, dass das bei Kind 2.0 auch so sein könnte. Die Begeisterung hielt sich allerdings in Grenzen. Kind 2.0 ist eher „hands on“. Wenn elektrische Geräte in unserem Haushalt kaputt gehen, hat es Freude daran diese auseinander zu nehmen. Wann immer es was zum Schrauben gibt, Kind 2.0 ist dabei.

Vor einigen Wochen habe ich dann „programmierbare“ ferngesteuerte Steckdosen geschenkt bekommen, die mir Kind 2.0 konfiguriert hat. Da ist dann bei mir der Groschen gefallen. Kind 2.0 möchte tatsächlich Zusammenhänge „begreifen“ im Sinne von bestenfalls haptisch erfahren. Die fernsteuerbaren Steckdosen haben lediglich einige Nupsis, die man so einstellt, dass die Tasten auf der Fernbedienung den einzelnen Steckdosen zugeordnet werden können. Zuletzt verstellt man den Default-Code der Steckdose, damit die Nachbarn, die vielleicht auch fernsteuerbare Steckdosen haben, nicht aus Versehen fremde Geräte ansteuern können. Alles sehr einfach und genau deswegen kindergeeignet.

Ganz ähnlich funktionieren die Projekte, die die Kinder am Junghackertag zusammenbauen können.

Neben dem Pentabug konnte man übrigens noch ein Drawdio, ein Zombadge, eine Alarmanlage oder einen Rappelzappel bauen.

Ein weiterer, sehr schöner Effekt des Pentabugs war übrigens, dass andere Kinder und Erwachsene Kind 2.0 immer wieder angesprochen haben: Oh, was hast du denn da? Hast du das selbst gemacht? Wie macht man das? Wie funktioniert das?

Kind 2.0 hat viel Anerkennung für seine Arbeit bekommen und war sehr stolz. Wir werden jetzt auf jeden Fall mal schauen, was es im Rahmen von Jugend hackt so gibt (dafür könnte es allerdings noch etwas früh sein…) und prüfen, wie wir das nun begeisterungsentflammte Kind unterbekommen. Vielleicht ist es sogar möglich Chaos macht Schule an unsere Schule zu bekommen. Wer noch andere Tipps für uns hat, immer her damit!

Den Rest des Tages haben die Kinder einfach im Kidspace verbracht. Da hing für den nächsten Tag ein Zettel zum „Malroboter bauen“.

Auch das ein super Workshop. Kind 3.0 ist so begeistert, dass wir wohl bald drölfzig Malroboter haben werden (dabei wollte ich doch keine Haustiere!). In ca. zwei Stunden hat Kind 3.0 (während ich gemütlich in dem Vortrag von Kai Biermann und Martin Haase saß) einen kleinen Malroboter gebaut. Angetrieben wird er durch die Vibrationen eines Milchschäumers. Der Körper besteht aus einem Plastiksuppenteller und seine Standbeine sind Filzstifte. Dieses Grunddesign kann man dann schmücken und bekleben wie man möchte. Wenn man nun die Stiftkappen abzieht und den Roboter auf ein großes, weißes Papier stellt, kritzelt er fröhlich Kreise.

Image-1 (1)Nach unserem obligatorischen Mittagessen haben die Kinder sich noch T-Shirts bedruckt und Kind 3.0 hat fremden Menschen einen Vortrag zur Herstellung von Malrobotern und zukünftigen Modellen gegeben.

Bis fast um Mitternacht haben die Kinder am 3. Tag durchgehalten und protestierten erneut, dass wir nach 14 Stunden (!) schon nach Hause gehen wollten.

 

Alles in allem haben die Kinder dem Kongress die Note 1- gegeben. Minus, weil er nur 4 Tage dauert…

IMG_5722Ich kann wirklich allen Interessierten empfehlen die Kinder mitzunehmen. Ideal ist die Altersspanne 8-14 würde ich denken. Da können sie eigenständig unterwegs sein und an vielen Workshops teilnehmen. Darunter bietet der Kidspace genug Unterhaltung. Im Grunde ist das wie 4 Tage Smaland. Über 14 scheint es nicht so viel zu geben, bzw. die Projekte scheinen sich zu wiederholen, wenn man schon öfter am Kongress war. Rechner mitnehmen, spielen (eigene Spiele am Rechner, Minecraft, Pong, Tetris), chillen, auf Entdeckungstour gehen, Fotos machen – das geht auf jeden Fall auch für über 14jährige, denke ich.

Ansonsten: Wenn man Sorge um gesunde Ernährung hat, vielleicht was ordentliches zu Essen mitnehmen. Für Pommes, Crepes und Limo ist gesorgt.

Pommes
Wenn es keine Nackten Nudeln gibt, essen wir auch gerne nur Pommes

 

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tl;dr: Ich würde jederzeit wieder mit Kindern auf den Chaos Communication Congress.


Tag 0 und Tag 1 habe ich auch verbloggt

 

Sind die „neuen Mütter“ die besseren Väter?

„Es ist wirklich so toll, dass deine Frau euren Kleinen am Mittwoch Nachmittag abholt!“ sagt Peter begeistert zu seinem Freund Steve. Seiner Tanja ist das leider nicht möglich.

Sie ist Teamleiterin in einem großen Konzern. Auch wenn man da eigentlich auf Familienfreundlichkeit setzt, ab Teamleiterebene ist es einfach nicht mehr möglich schon am frühen Nachmittag nach Hause zu gehen. Tanja hat schließlich eine Vorbildfunktion, da sieht es einfach nicht gut aus, wenn sie schon um 16 Uhr verschwindet. Sie würde das wirklich gerne machen. Das ein oder andere Gespräch hatte sie mit ihrem Chef schon. Am Ende war aber klar: Es geht nicht.

Glücklicherweise waren sie so flexibel dass Peter zuhause bleibt. „Man hat die Kinder schließlich nicht um arbeiten zu gehen!“, sagt Peter. Trotzdem ist es natürlich toll, wenn auch die Mutter sich an der Kindererziehung beteiligt. Es ist ja außerdem nicht so, dass Tanja nichts tut. Wann immer es geht, kümmert sie sich um die Kinder. Abends, wenn sie um 20 Uhr müde und erschöpft von der Arbeit kommt, liest sie vor.

Peter denkt an Steves Frau. Die hat durchgesetzt einen Nachmittag mit den Kindern zu verbringen. Sie gehört zu den sogenannten „Neuen Müttern“. Ava, so heißt sie, sind die Kinder einfach eine Herzensangelegenheit. Sie geht einmal in der Woche mit ihnen auf den Spielplatz. Aber das ist bei weitem nicht alles. Sie wechselt sich mit Steve auch am Elternabend ab. Sie weiß, was die Kinder gerne essen und auch wenn ihr gesunde Ernährung wichtig ist, drückt sie mal ein Auge zu: Pommes mögen schließlich alle. Ava ist eine entspannte Mutter. Das hat sie Steve voraus. Steve ist oft unentspannt und streng. Hat ganz eigene Vorstellungen wie das mit den Kindern zu laufen hat. „Dabei finden es die Kinder eigentlich ganz schön, wenn man mal fünfe gerade sein lässt.“ sagt Ava schmunzelnd.

Es war für Steve und Ava nicht immer leicht.

Ava hat mit ihrem Chef viele Diskussionen führen müssen, aber am Ende war klar: Direkt nach der Geburt der Kinder bleibt sie zwei Monate zuhause. Beide waren sich schon vor der Geburt einig: für die Bindung zu den Kindern ist es elementar, dass beide Elternteile präsent sind.

Am Anfang war es anstrengend für Ava. Aber sie hat die Zähne zusammen gebissen und ist nachts auch aufgestanden, um den Nachwuchs zu füttern. Steve durfte dann weiterschlafen. Schließlich hat er den Frühdienst übernommen.
Schwierig wurde es erst nach Ablauf der 8wöchigen Elternzeit: Durch den wenigen Schlaf war Ava unkonzentriert auf der Arbeit. „Das kann ich mir nicht leisten,“ sagt sie. Man merkt ihr das Bedauern an. „Am Ende haben wir uns entschieden, dass die Kinder bei Steve schlafen und ich im Gästezimmer. Irgendwann wird das sicherlich anders, aber jetzt müssen wir das so regeln. Als Kompromiss schmiere ich morgens die Schulbrote. Das entlastet Steve wenigstens ein wenig.“

Wenigstens das mit dem Abholnachmittag konnte Ava durchsetzen. „Ich möchte das unbedingt, schließlich liebe ich meine Kinder!“ Unter der Hand erzählt uns Ava: Außerdem ist es nicht immer leicht Steve die Kinder abzunehmen. Sie würde viel mehr machen, wenn Steve sie machen lassen würde. Aber Steve lässt Ava ungern auf sein Territorium. „Alleine wie Ava die Kinder manchmal anzieht!“ Steve winkt lachend ab „Da passt kein Kleidungsstück zum anderen.“

Aber am Ende des Tages ist Steve froh eine Frau wie Ava zu haben. Das Familienmodell von Peter wäre ihm nichts. Doch das würde Steve seinem Freund Peter nicht sagen, der hat es sich schließlich ausgesucht und jeder Mensch muss für sich entscheiden, wie es am Besten klappt Familie und Job unter einen Hut zu bekommen.

 


 

Andere Gedanken zum aktuellen Spiegeltitel: „Sind Väter die besseren Mütter?“ nachzulesen bei Jochen König „Der Spiegel und die Väter“ oder Leitmedium „Väter sind auch nur Eltern„. Zum Begriff „Maternal Gatekeeping“ habe ich auch schon mal was geschrieben.

[Vorlesegeschichte für Kinder] Ein Weihnachtsgeschenk für Mama und Papa

Ilva trifft auf ein sprechendes Eichhörnchen. Dass das am Ende sogar sprechen kann, wundert sie dann irgendwie auch nicht sonderlich.
Eine weihnachtliche Vorlesegeschichte, für Kinder ab hmmm 5 (?)

Ilva blickte aus dem Fenster. Es hatte angefangen zu schneien und sie beobachtete die Schneeflocken wie sie durch die Luft wirbelten und sich lautlos auf dem Fensterbrett niederließen. In zwei Tagen war Weihnachten, das wusste Ilva obwohl sie erst fünf Jahre alt war.

Ilva dachte an letztes Jahr. Da hatte der Weihnachtsmann ihr ein Fahrrad geschenkt. Ein blaues mit einer Tigerlampe vorne und Speichenklickern. Sie konnte es kaum aushalten, es auszuprobieren und als endlich der Schnee geschmolzen war, fuhr sie jeden Tag mit ihrer Mama zum Kindergarten. Egal ob es kalt war oder regnete.

Bei dem Gedanken an Mama, dachte sie wieder an Heilig Abend. Mama und Papa hatten komischerweise nichts vom Weihnachtsmann bekommen. Sie konnte sich das nicht erklären. Eigentlich waren die beiden ganz lieb gewesen. Also einigermaßen. So lieb wie Mamas und Papas eben sein können. Manchmal hatten sie schon rumgemeckert. Morgens zum Beispiel, wenn Ilva bummelte oder am Nachmittag wenn Ilva keine Lust hatte aufzuräumen. Das übliche eben. Am Ende des Tages aber waren Mama und Papa eigentlich immer lieb. Sie lasen ihr und ihrer Schwester eine Gute Nacht Geschichte vor und kuschelten dann mit ihnen. Dann machten sie das Licht aus und sangen noch für jedes Kind ein schönes Lied. Also Papa sang ein schönes Lied. Mama summte dazu weil sie oft den Text vergaß. „Aber Text vergessen kann doch kein Grund sein keine Geschenke zu bekommen?“, grübelte Ilva. So streng war der Weihnachtsmann bestimmt nicht. Was aber war passiert? Ilva starrte angestrengt zum Baum der ihrem Zimmer gegenüber stand. Eine große Kastanie, die jetzt im Winter ganz kahl war. Die Blätter waren alle abgefallen.

Ob Mama und Papa vielleicht vergessen hatten einen Wunschzettel zu schreiben? Das konnte sich Ilva gut vorstellen. Die beiden waren immerzu beschäftigt und selbst am Geburtstag äußerten sie auf Nachfrage nur ganz doofe Wünsche. Mama sagte immer, sie wünsche sich liebe Kinder! Als ob Ilva und ihre Schwester nicht ohnehin total liebe Kinder wären. Und Papa sagte auch nie was vernünftiges. „Was wünschst du dir zum Geburtstag Papa?“ „Weltfrieden. Ansonsten bin ich glücklich.“ Was konnte Ilva schon zum Weltfrieden beitragen? Wenn Mama und Papa dem Weihnachtsmann auch so blöde Antworten gegeben hatten, war ja klar, dass sie nichts bekommen würden.
Ilva fand das gemein. Mama und Papa sollten auch etwas bekommen. Was wenn der Weihnachtsmann dieses Jahr wieder nichts unter den Baum stellte? Sie überlegte. Vorsichtshalber würde sie den beiden ein kleines Geschenk besorgen. Nur was für eins?

Während sie nachdachte, fiel ihr im Baum gegenüber ein Eichhörnchen auf. Es hatte graublaues Fell. Ilva schaute ganz genau hin. Das Eichhörnchen wirkte irgendwie aufgeregt. Es sprang von einem Beinchen auf das andere und Ilva hätte schwören können, dass es mit seinen Vorderpfoten Zeichen gab. Es wedelte die Tatzen hin und her und fuchtelte durch die Luft. Komisches Eichhörnchen.

Ilva blinzelte und plötzlich war das Eichhörnchen verschwunden. Gerade als sie sich ein Buch suchen wollte, hörte sie ein leises Klopfen am Fenster. Sie erschrak, doch als sie zum Fenster schaute, sah sie dort das Eichhörnchen. Sie ging ganz langsam ganz nah an die Glasscheibe. Das Eichhörnchen schien nicht scheu zu sein. Im Gegenteil es schaute Ilva interessiert an. „Lass mich rein!“ Ilva wäre vor Schreck fast umgefallen. Das Eichhörnchen konnte sprechen? So als ob das Eichhörnchen zusätzlich Gedanken lesen könnte, sagte es: „Ja, ja. Ich kann sprechen. Lass mich rein jetzt!“ Eigentlich durfte Ilva die Fenster nicht öffnen, aber dieses Mal machte sie eine Ausnahme. Schließlich begegnet man nicht alle Tage einem sprechenden Nagetier. Vorsichtshalber kippte sie das Fenster nur einen Spalt. Gerade weit genug damit das Eichhörnchen durchschlupfen konnte.

„Hallo, ich bin Nusser. Wie heißt du?“, das Eichhörnchen blickte Ilva fragend an.

„Ich bin Ilva.“

„Hallöchen. Danke fürs Aufmachen. Irgendwie ist mir diesen Winter ständig kalt. Ich weiß auch nicht.“

Ilva starrte das Eichhörnchen an. Es entstand eine unangenehm lange Gesprächspause.

„Und du so?“, fragte das Eichhörnchen.

„Ich … äh ich…“ Ilva wusste erst nicht was sie sagen sollte, aber dann kamen die beiden ins Gespräch und Ilva erzählte unter anderem davon, dass sie gerade darüber nachgedacht hatte, ihren Eltern ein Weihnachtsgeschenk zu machen, weil die letztes Jahr nichts bekommen hätten. Sie erzählte auch, dass sie noch keine Idee hatte, was sie schenken könnte. Nusser und Ilva unterhielten sich sehr gut und bald kam schon raus, dass die Eltern im Flur gerne die Raufasertapete entfernen und ihn gelb streichen würden. Eindeutig keine Arbeit für ein Kind.

„Aber für ein Eichhörnchen“, fand Nusser. „Na gut, für ein handwerklich begabtes Eichhörnchen…“

Ilva fand das logisch. Wenn es sprechende Eichhörnchen gab (was sie noch nicht wusste), musste es auch handwerklich begabte Eichhörnchen geben (was sie bislang auch nicht wusste). Jetzt mussten die beiden lediglich einen Plan machen, wann und wie genau der Flur verschönert werden sollte. Nachts, das war schnell klar, es sollte schließlich eine Überraschung sein. Ilva müsste es nur fertig bringen und die Haustür in der Nacht zum Heiligen Abend geöffnet lassen. Nusser hatte versprochen die Wandfarbe und alles nötige zu besorgen, nur passte das freilich nicht durch ein gekipptes Fenster. Ilva war sich erst nicht sicher, ob man Wohnungstüren ausnahmsweise offen stehen lassen sollte – aber irgendwie musste der Weihnachtsmann ja auch in die Wohnung, um die Geschenke unter den Baum zu legen und deswegen würde das bestimmt in Ordnung gehen.

Als alle Feinheiten geplant waren, holte Ilva noch ein paar Nüsse aus der Küche und den flauschigen Pelzmantel ihrer Barbie, mit der sie ohnehin nie spielte und gab sie Nusser mit. Nusser schien sichtlich zufrieden und verabschiedete sich fröhlich: „Bis übermorgen!“
Ilva war in der Nacht zu Heilig Abend noch aufgeregter als sonst. Das half ihr wach zu bleiben, bis ihre Eltern schlafen gingen. Sie wartete noch ein paar Minuten und stand dann ganz leise auf und schlich sich in den Flur.

Annika Kuhn
Illustration: Annika Kuhn

Ihr war ein wenig mulmig zumute als sie die Haustür öffnete. Beim Anblick von Nusser, der schon mit einem großen Eimer gelber Farbe bereit stand, war sie sehr erleichtert. Nusser wollte schon losplappern, aber Ilva legte ihren Finger vor die Lippen. „Pscht!“ Das Eichhörnchen nickte und schob sehr leise den Farbeimer in den Flur. Dann bat es um einen Eimer Wasser. Wie gut, dass die Wohnung zwei Etagen hatte und die Eltern ohnehin so gut wie nie was hörten wenn sie schliefen! Ilva füllte einen Eimer mit Wasser. Das Eichhörnchen tauchte seinen Puschelschwanz in das Wasser und bespritzte die Wände mit Wasser. „Man muss die Raufasertapete einweichen, weißt du? So richtig nass!“ Nusser holte immer wieder Wasser nach und veranstaltete eine unfassbare Sauerei. Ilva zweifelte langsam ein bisschen, ob das mit der Flurrenovierung die richtige Idee war.

Eine Stunde später war Nusser fertig. „Hast du ein paar Würmer? Ich bin ganz schön hungrig und das muss jetzt erstmal einweichen.“ „Leider nein. Vielleicht Pilze?“ „Ja, Pilze gehen auch.“

Ilva holte außerdem noch einige Löffel Müsliflocken und eine kleine Portion Cornflakes und so saßen die beiden im pitschnassen Flur und machten ein Nachtpicknick.

Dann, ohne jede Vorwarnung sprang Nusser plötzlich auf und hüpfte an das Ende der Wand, das oben an der Zimmerdecke endete und ließ sich mit ausgefahrenen Krallen bis zum Boden gleiten. Dabei löste sich tatsächlich die Tapete in großen Stücken. Ilva war erstaunt. Wie hypnotisiert beobachtete sie Nusser wie der so nach und nach den ganzen Flur bearbeitete.

Am nächsten Morgen wachte Ilva zusammengerollt auf dem Boden des Flurs auf. Sie musste über das Beobachten des Eichhörnchens so müde geworden sein, dass sie eingeschlafen war. Schließlich war es außerdem sehr spät geworden. Nusser hatte ihr eine Decke übergelegt. Ilva rieb sich ihre Augen und wollte sich gerade das Ergebnis der nächtlichen Bemühungen anschauen, als ihre Eltern in den Flur traten.

„Was es ist denn hier los?“, wunderte sich Mama.

„Das gibt’s ja nicht! Wie hast du das denn gemacht???“, Papa war völlig außer sich.

Tatsächlich, der Flur war fertig und erstrahlte im wunderschönsten Sonnengelb. Alles war sauber und nirgends waren Raufaserreste zu sehen.

Als Ilva sich wieder gefasst hatte – sie war ja selbst sehr überrascht – sagte sie: „Das, das war nicht ich!“

„Sondern?“, fragte Papa.

„Ja, das würde ich jetzt aber auch gerne wissen!“, schob Mama nach.

Ilva überlegte kurz. Die Sache mit Nusser war vielleicht wirklich ein bisschen verrückt.

„Das war der Weihnachtsmann!“

Mama und Papa waren etwas sprachlos, aber dann lachten alle. Mama und Papa gingen davon aus, dass der große Sohn von Papa und seiner ersten Frau geholfen hätte und sagten deswegen nichts weiter. Das war auch OK, das mit dem Eichhörnchen hätten sie vermutlich ohnehin nicht geglaubt. So freuten sich alle und gingen frühstücken.

Ilva bekam noch oft Besuch von Nusser und sie wurden richtig gute Freunde. Es ist wirklich eine gute Sache ein handwerklich begabtes Eichhörnchen zum Freund zu haben!


 

Die Illustration der Geschichte ist von Annika Kuhn, das ist die Dame, die auch das wunderschöne Buch „Pinipas Abenteuer“ bebildert hat. Nur so als Tipp… falls ihr noch was schönes zu Weihnachten sucht.

 

Pinipa_Cover

P.S. Ich schreibe ja sehr gerne Kindergeschichten zum Vorlesen. Da dachte ich, ich könnte ja mal eine am 1. Adventssonntag veröffentlichen. Ich würde mich freuen, wenn ihr sie euren Kindern vorlest und mir Feedback dalasst, ob die Kinder sich unterhalten gefühlt haben. Mein großer Traum ist es eines Tages ein Kinderbuch zu schreiben…

12 von 12 im September

Der 12. fällt auf einen Samstag. An Samstagen übe ich im Bett bleiben und zwar bis mindestens 8.30 Uhr! Den Kindern habe ich Müsli in die Küche gestellt. Jedenfalls habe ich das versprochen. Punkt 6 Uhr schreit Kind 3.0 deswegen: „Wo is das Müsli, Maaaammmaaaa???“

Tja. Hätte ich das mal lieber am Abend rausgestellt. Bis 7 Uhr wälze ich mich noch im Bett hin und her, dann hole ich mir einen Kaffee. (Weil so oft gefragt wurde, die hübschen Rules-Tassen kann man sich bestellen).

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Wir fahren heute Mittag mit dem Berliner Familienpass zum Märkischen Lamahof in Mittenwalde. Die Fahrt dorthin ist theoretisch nicht so weit. Auch wenn ich immer mit Navi fahre, schaue ich mir vorher die Strecke an. Das würde Manfred Spitzer so wollen.

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Leider sind Theorie und Praxis zwei unterschiedliche Dinge. Die tatsächliche Fahrt ist ein Höllenritt durch alle Verkehrsknotenpunkte Berlins, weil die Warschauer Straße gesperrt ist und ich nicht über den Plänterwald raus auf die Autobahn fahren kann.

Ich habe meinen Führerschein seit ich 18 bin, aber ich bin nie zur leidenschaftlichen Autofahrerin geworden. Ich fahre wenn ich fahren muss. V.a. aber weil Kind 2.0 mal fragte: „Mama, dürfen Frauen in Deutschland eigentlich auch Autofahren?“.

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Wir haben genug Puffer eingeplant und stehen jetzt ein bisschen am Parkplatz rum und schauen uns Frösche am Wegesrand an.

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Dann gehts los! Die ganze Gruppe, sieben Familien laufen zur Lama und Alpaka-Weide. Die Alpakas sehen aus wie überdimensionierte Pudel. Wenn sie rennen, wackeln ihre Puschel.

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Je nach Größe des jüngsten Kindes werden einem ein Lama (größer) oder ein Alpaka (kleiner) zugeteilt. Wir bekommen Mogwli, einen 13 jährigen Mischling.

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Die Kinder führen die Tiere selbst. Wir machen eine kleine Wanderung und ein Gruppenbild.

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Die Gegend dort ist wunderschön. Nächsten Sommer kommen wir zum Schwimmen her.

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Nach vier Stunden sind wir zurück. Ich bin total unterzuckert. Wir springen ins Auto und rasen nach Berlin, um dort Pizza essen zu gehen.

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Danach gehen die Kinder ganz Alpaka beseelt ins Bett und wir spielen noch eine Runde Playstation. Das Spiel wurde uns ziemlich oft empfohlen. Ich finde es bislang eher langweilig. Wie lange muss man spielen, bis es los geht? Kommt da mehr als Teenieklischeehorror?

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Das Miniaturwunderland

Ne, der Artikel ist nicht gesponsert (schade, ich würde da gerne einziehen oder zumindest ein paar Tage verbringen, um all das zu sehen und zu erfahren, was man verpasst hat, weil man nur vier Stunden dort war), aber mein tldr zum Miniaturwunderland in Hamburg lautet: Geht da hin! Warum seid ihr da noch nicht gewesen? Husch!

Es ist großartig im Miniaturwunderland. G R O S S A R T I G!

Es ist ausdrücklich erwünscht dort Fotos zu machen. Es gibt Handyaufladestationen. Alle sind freundlich. Man kann sich Speicherkarten kaufen, wenn man die eigene Karte aus Versehen voll geknipst hat. Man kann alles sehen, auch wenn es proppenvoll ist und das gilt auch für Kinder in allen Größen.

Was wirklich bemerkenswert ist: es ist liebevoll gemacht und es geht den Betreibern nicht um Gewinnmaximierung – das merkt man in jedem Detail.

Z.B. kann man sehr gut dort eine Pause im hauseigenen Café machen ohne arm zu werden. Die Plätze sind so gestaltet, dass man sich von den Eindrücken und der drohenden Reizüberflutung etwas erholen kann. Ginge es um maximalen Umsatz, hätte man gut und gerne die doppelte Menge Sitzplätze in die Räume pferchen können. So hat man das Gefühl abgeschieden in kleinen Zugabteilen zu sitzen und darf mit (im Zweifel) angeschmodderten Händen das Buch zur Ausstellung lesen.

Es war toll! Man kann sich in acht Abschnitten auf 1.300 qm 13 km (!) verlegte Schienen anschauen. Der längste Zug ist über 14 Meter lang!
Die Zahlen sind einfach irre. Im Abschnitt der Schweiz z.B. wurden 4 Tonnen Gips und 15 Tonnen Stahl verbaut. Der Abschnitt Skandinavien hat eine 33.000 Liter fassende Nordsee, die Ebbe und Flut simuliert.

Ich könnte ja noch stundenlang diese Zahlen zitieren. Allein schon wie die Schifffahrt umgesetzt wurde! Es ist gar fantastisch. Und diese Detailliebe. Die Autos blinken beim Abbiegen. Die Flugzeuge heben ab. Es gibt Heißluftballons mit kleinen Flammen. Es gibt Männer, Frauen, Kinder, Aliens, Große, Kleine, Dicke, Dünne.

Kinder kann man im Grunde da abstellen. Die können auf die Ballustraden klettern (es gibt extra Stellflächen) oder über den Boden kriechen und sich dort die eingelassenen Zugstrecken in den Treppen und Wänden anschauen. Sie können unter die Wasseroberfläche schauen und unterirdische Tropfsteinhöhlen oder die geheime Area 51 bestaunen.
Es gibt zahlreiche Knöpfchen, die Dinge fahren oder leuchten lassen.
Es gibt sogar einen Wechsel zwischen Tag und Nachtbeleuchtung. Es gibt „Suchbildchen“ ach und überhaupt! Bringt mich zum Miniaturwunderland zurück.

Kühe

mondlandung

bepackt

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Ich will hier nie wieder weg. #miniaturwunderland #hamburg #b Adern #miwula

Ein von @monoxyd gepostetes Video am

#planespotter #miwula

Ein von @monoxyd gepostetes Video am

Die Videos sind alle vom Monoxyd

Ach P.S. Wenn man keine Lust auf Warten hat, einfach online ein Zeitfenster reservieren, dann kommt man gleich rein.

P.P.S. Die Toiletten übrigens – ein Elterntraum! Wir mussten 7x hin, weils da so schön ist. Normalerweise hasse ich es gefühlte Stunden gelangweilt darauf zu warten, dass die Kinder fröhlich rufen „FEEEERTICH!“. Weil die Toiletten aber so hübsch mit kleinen Kästchen mit winzigen Figürchen dekoriert waren, hätte ich stundenlang dableiben können. SOOO schön!

Muddi sagt was zum Muddi-Interview

So, ihr lieben Hasis! Ich sach jetzt mal als Muddi was zum LeFloid Interview mit der Kanzlerin.

Tatsächlich regen mich die herablassenden Kommentare, die ich auf Twitter dazu lese auf. Zuallererst: Ohne die re:publica 2013 wäre das Phänomen LeFloid völlig an mir vorbei gegangen. Ich bin 40. Ich bin zu alt für YouTube. Diese Bussibussi Haul Videos, die Beauty Channels, die Lets Plays… ich kann sie nicht ertragen. Genauso wenig LeFloid mit seinen LeNews. Die zack-zack Schnitte, das Gefuchtel und diese Sprache – das ist nicht auszuhalten für mich (ich rufe das aus meinem gepolsterten Schaukelstuhl und fuchtele mit einem Stock dazu)! Aber das ist egal. ICH bin nicht die Zielgruppe, ich bin zu alt, ich muss das nicht verstehen und nicht gut finden. Allerdings muss ich das kennen. So. Weil es interessiert nämlich meine Kinder und zwar brennend.

So wie mich als Kind und Teenager bestimmte Dinge interessiert haben, die meine Eltern nicht beschäftigt haben. Ich überlege mal kurz, was mich interessiert hat: türkisfarbene Bomberjacken mit übergroßem Fellkragen und schlabbrige Diesel Tyler Jeans, Bonnie Bianco, das Musikmagazin Formel Eins, der Atari meines Schulfreundes, den ich nur anschauen, nicht anfassen durfte, die Bücher von Wolfgang und Heike Hohlbein, Zungenküsse muss das sein? Ist doch ziemlich ekelig, oder?

Warum ich das aufzähle:

a) Meine Eltern hat das (in meiner Wahrnehmung) nicht besonders interessiert
b) Das waren nicht gerade die hochgeistigen Themen der 80er Ära

Zurück zu LeFloid: die Kinder interessieren sich für diesen Typen, sind regelrecht Fan, schauen regelmäßig was er macht und denken nach über das was er erzählt. Ohne LeFloid würden sie ziemlich sicher nicht über aktuelle (politische) Themen Bescheid wissen und eine Meinung dazu haben, die man auch mit ihnen diskutieren kann.

Wieder zurück zu mir: Ich bin politikverdrossen. Die Haltung der großen Parteien zu Themen, die mir wichtig sind (z.B. Netzpolitik, Familienpolitik, Europapolitik, Asylpolitik), sind für mich unerträglich.
Ich bin ein Kind der Kohlära und wie es mir scheint, steuern wir mit Frau Merkel auf eine ziemlich ähnlich unbewegliche und konservative Ära zu. Wenn sich jetzt meine Kinder für Politik interessieren – was soll ich dagegen haben?

Ich rechne es LeFloid hoch an, dass er schafft nicht unwesentlich viele Kinder und Jugendliche für Politik und Tagesgeschehen zu interessieren. Punkt.

Zum Interview selbst. Da sitzt ein 27jähriger YouTuber, der mit der Bundeskanzlerin spricht. Ich halte mich für klug und kritisch aber ich habe zuletzt in meinem Gespräch mit Murkudis gemerkt wie wahnsinnig schwierig es ist, kritisch zu bleiben, wenn jemand einem sympathisch ist, seine Sache gut verkauft und ein Kommunikationsprofi ist. ICH möchte kein kritisches Interview mit Frau Merkel führen. Ich habe sie einmal live gesehen und war geschockt, wie sympatisch sie rüberkam, obwohl sie über die Aufhebung der Netzneutralität in Deutschland sprach. Hinterher hätte ich mir gerne das Hirn mit Kernseife ausgewaschen und mich drei Mal geohrfeigt, aber die Frau ist ein Medienprofi.

Ich glaube, es ist extrem schwierig ein kritisches Interview zu führen. Die Grenze es dann überhaupt führen zu dürfen stelle ich mir eng vor. Man hat also vermutlich die Wahl zwischen einem gefälligen Mittelweg oder gar keinem Interview und in diesem Licht hat LeFloid das gut gemacht.
Zumal, er wirkte auf mich wirklich sehr gut vorbereitet. Es gibt andere Formate von „Journalisten“, welche versuchen die Medienglätte von Politikerinnen und Politikern zu knacken, indem sie sich doof stellen und sich wie ein Kasper benehmen. Ich konnte mir dieses Format nicht anschauen. Zu viel Gekasper für zu wenig überraschenden Output.

Für mich ist dieses Interview nicht der Untergang des Journalismus, es ist der Anfang eines Dialogs.

Und wenn ich LeFloid einen Verbesserungstipp geben müsste, das hat Leitmedium bereits sehr gut formuliert: „Ein paar Interview-Kniffe hätten das Gespräch bei gleichem Inhalt wahrscheinlich weniger zustimmend wirken lassen. LeFloid sagt oft “absolut!” an Stellen, die eigentlich nicht passen. Ich kenne das aus meinen Podcasts: Man möchte dem Gegenüber mitteilen, dass man zuhört und verstanden hat. Für ZuhörerInnen wirkt es aber wie eine inhaltliche Zustimmung. Es ist besser, hier auf ein leises Nicken zu setzen: Das hört man nicht, aber GesprächspartnerInnen sehen, dass man ihnen weiterhin folgt.

Das habe ich auch so empfunden. Das „absolut“ war in vielen Fällen gar keine Zustimmung sondern eine Worthülse. Jede weitere Kritik an der Sprache ist albern. Ob jemand sagt „Ja, cool“ oder „Frau Bundeskanzlerin, ich verstehe ihren Punkt“, das ist doch egal.

Deswegen: Ich fands gut. „LeNews“ war bislang nicht bekannt ein kritisches Medienformat zu sein (ich glaube, es läuft unter Boulevard-Magazin), den Anspruch, dass das Interview nun aber kritisch investigativ sein sollte, kann ich nicht nachvollziehen. LeFloid war gut vorbereitet, er hat eine Diskussion angestoßen und er hat sogar die Eltern der Kinder und Jugendlichen erreicht.

 

Scoyo Elternabend Thema Vereinbarkeit am 19. Mai um 21 Uhr

Im Rahmen der Vorbereitungen für das Gespräch am Scoyo Elternabend, habe ich mir einige Gedanken gemacht.

Vereinbarkeit, was genau bedeutet das eigentlich?

Ich sehe Vereinbarkeit in einem größeren Rahmen also nicht nur bezogen auf Familie vs. Job. Für mich hat Vereinbarkeit etwas mit einem Miteinander zu tun und Miteinander bedeutet immer, dass nicht alle gleichermaßen und zu jeder Zeit ihre persönlichen Interessen und Bedürfnisse durchsetzen können. Für mich konkret als Mutter bedeutet das schlicht, der erste Schritt zum Thema Vereinbarkeit ist tatsächlich, dass ich lerne meine eigenen Bedürfnisse, da wo nötig, zurück zu stellen. Je nach Selbständigkeitsgrad der Kinder beispielsweise gehört es für mich zum Muttersein* meine persönlichen Bedürfnisse zurückzustellen und in erster Linie die der Kinder zu erfüllen.

Die Kunst ist es nur, dass man dran bleibt und sich die Freiräume, die dann irgendwann wieder entstehen zurück holt und dass man versucht die Verantwortung zu verteilen. (Nicht alle haben die Möglichkeit dazu – das ist mir klar. Manchmal fehlt der Partner, manchmal die Familie, manchmal gibt es keine oder nur mangelnde Kinderbetreuung.).

Eng mit dem Thema Vereinbarkeit sehe ich das Thema Perfektionismus verbunden. Ich schrieb bereits darüber. Mein Plädoyer lautet: Nicht darüber nachdenken was man so macht, sondern darüber, was einem persönlich gut tut. Konkret: es muss nicht immer frisch gekocht werden, es ist OK wenn die Kinder mal eine halbe Stunde fernsehen, eine Packung Würstchen fürs Kindergartenbuffet statt der selbst gemachten Quiche ist auch ausreichend. Das alles spart Zeit, schafft Freiräume, entlastet und gibt Platz. Ich glaube, meine Kinder wollen lieber eine entspannte Mutter als eine selbst gebackene dreistöckige Geburtstagstorte.

Weitere Tipps (und ich weiß auch hier, das ist aufgrund der finanziellen Situation nicht möglich für alle Familien… aber da wo es möglich ist, einfach mal darüber nachdenken wohin das Geld fließt): Lieferdienst statt selbst einkaufen (irre Zeit- und Stressersparnis), vielleicht eine Putzfrau einstellen, outsourcen wo es nur geht.

Was den Job angeht (auch hier lebe ich im Paradies…), wenn irgendwie möglich, einen Arbeitgeber suchen, der:

  • Flexible Arbeitszeiten
  • Home Office
  • Teilzeitmodelle
  • Überstundenausgleich

bietet. Dessen Unternehmenskultur ergebnisorientiert ist und der die Leistung nicht über eine Präsenzkultur definiert.

Auch beim Job ist es oft so, dass man nicht alles gleichzeitig haben kann. Für mich war es im Familienkontext immer wieder eine Frage wie viel uns z.B. Geld vs. Flexibilität wert ist. Kleinere Arbeitgeber sind oft nicht die Topbezahler der Branche, machen aber vieles durch die Arbeitsbedingungen wieder wett.

Als Mitarbeiterin bin ich selbst Teil der Unternehmenskultur und kann bestimmte Dinge unterstützen, die Familienfreundlichkeit fördern. Wenn ich z.B. selbst Meetings organisiere, biete ich keine Termine vor 10 und nach 15 Uhr an.

Ich versuche auf meine Kommunikation zu achten. Ich höre z.B. oft beim Thema Home Office sowas wie „Ach, da bist du ja nicht da“, das nervt mich kolossal, denn ja, ich bin physisch nicht da, aber ich arbeite. Ich bin per Mail, per Telefon und über den Chat erreichbar. Wenn also Kolleginnen im Home Office sind, bemühe ich mich umgekehrt so mit ihnen zu arbeiten, wie ich es tun würde, wenn sie ein Büro weiter sitzen und vermeide solche Bemerkungen.

Ich dokumentiere meine Arbeit so gut es geht. (Im Grunde versuche ich Arbeitsprozesse so zu gestalten, dass der Prozess an sich eine ordentliche und nachvollziehbare Dokumentation hervorbringt. Sowas stützen Systeme wie Wikis oder Ticketsysteme, aber das ist ein großes, eigenes Thema). Ich poche auf verteilte Verantwortung im Sinne einer Vertreterregelung.

Wichtig ist es für mich auch, Kinder in allen Lebenssituationen willkommen zu heißen. Egal, ob ich in einem Vortrag sitze und ein Baby weint, ein/e KollegIn ein Kind mal mit ins Büro oder jemand sein brabbelndes Kleinkind mit in eine Kunstausstellung nimmt. Wenn ich bemerkte, dass sich jemand wegen vermeintlich störender Kinder zurück ziehen will, versuche ich die Person zum Bleiben zu motivieren. Zumindest versuche ich klar zu signalisieren: Geräusche, Getrappel etc. das alles ist OK für mich. (Ein schönes Beispiel für dieses Verhalten habe ich neulich im Netz gefunden).

Es gibt ziemlich viel was man selbst tun kann, um eine familienfreundliche Atmosphäre zu schaffen und alles hat schlicht und ergreifend mit gegenseitiger Rücksichtnahme und dem Zurückstellen eigener Bedürfnisse zu tun.

Darüber hinaus sind für mich klare Absprachen mit dem Partner wichtig. Das hat bei uns – so traurig es klingen mag – bis zur Trennung nicht so gut geklappt. Es gab zwar Eckpfeiler über die wir uns in Sachen Job und Familie verständigt haben, aber vieles war implizit. To keep a long story short: Am Ende hatte ich das starke Gefühl von ungerechter Verteilung und mein Partner das Gefühl überzogener Ansprüche an ihn.

Mit der Trennung hat sich das interessanterweise verändert und wir sind beide zufriedener. Wir haben glasklare Absprachen, die Befüllung des gemeinsamen Kalenders klappt und die Informationen fließen zuverlässiger.

Deswegen meine Empfehlung: Schon vor dem Kinderbekommen klar absprechen und zwar auch die Details. Es ist einfach sich über Hol- und Bringsituation abzusprechen. Die tatsächliche Belastung habe ich immer in den Alltagsthemen empfunden. Das mag lächerlich klingen, aber ich bin an der Verantwortung für die kleinen Dinge in die Knie gegangen, weil wir nie darüber geredet haben: Fingernägel schneiden, neue Sportschuhe kaufen, wer besorgt das Geschenk für die Einladung des Kindes zu einem Kindergeburtstag, wer denkt an den Rucksack für den Ausflug, wer an die Wechselwäsche, was ist mit dem Schlafsack, der für die Kitaübernachtung benötigt wird, wer geht mal wieder mit dem Kind zum Haare schneiden, was bringen wir zum Schulsommerfest mit, wer besorgt es., wer macht den Vorsorgetermin für die nächste U-Untersuchung aus, wer geht mit dem Kind dahin… Tausend kleine Dinge eben.

Deswegen lohnt es sich wirklich mal eine Liste zu machen was es alles zu erledigen gibt und sich dann fest abzusprechen welches Thema wem gehört (man kann es Themen auch rotierend belegen, Hauptsache es ist gibt klare Verantwortlichkeiten).

Ich könnte ganze Romane schreiben über das Thema. Wenn man mich aber bitten würde mich auf die wesentlichen Tipps zu beschränken, würde ich folgendes sagen:

  • Perfektionismus fahren lassen.
  • Aufgaben verteilen (auf alle verfügbaren Menschen. Den Partner, andere Familienmitglieder, Freundinnen und Freunde, Erzieherinnen und Erzieher und am Ende – je nach Alter der Kinder: auf die Kinder)
  • Selbständigkeit der Kinder fördern (dazu gehört z.B. Rahmenbedingungen schaffen, damit das geht z.B. räumliche Nähe der Schule und damit des Freundeskreises, keine Aktivitäten, die verlangen, dass man die Kinder durch die Gegend fahren muss etc.)
  • Nicht zu vergessen: Sich für Politik zu interessieren, wählen gehen, an Demos teilnehmen und so versuchen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen – Kinderbetreuung etc. – zu verbessern.

Und wenn das jemand liest und denkt: Ich hab ja keine Kinder, mich geht das nichts an… Am Ende geht es nämlich nicht um Kinder- oder Familienfreundlichkeit. Es geht immer um Menschenfreundlichkeit. Das sollte man sich vor Augen führen. Es geht bei Vereinbarkeit nicht um Eltern und Kinder. Sondern um seelische Gesundheit und dem Anrecht eines jeden auf ein gutes Leben. Egal, ob man sich um die eigenen Kinder kümmert, ob man sich um Pflegebedürftige kümmert oder ob man einfach Zeit für sich braucht.


 

*Ich schreibe vom Muttersein, weil ich eine Mutter bin, ich denke aber, das selbe gilt natürlich fürs Vatersein (sofern man diese Rolle ernst nimmt zumindest).

Weitere Lesetipps:

Die geschätzte Béa Beste schreibt über Vereinbarkeit:

Vielleicht geht es nicht um Vereinbarkeit von Kinder und Karriere – sondern um Vereinbarungen unter Menschen

Annelu in Kind und Karriere – geht das? scheibt: „Es ist sicherlich möglich, Kinder und Karriere miteinander zu vereinbaren, dabei ist aber das Tempo entscheidend. Es kann nicht parallel alles im gleichen Tempo stattfinden. Mal geht eines besser, mal das andere.“

Die tägliche Übung

Ich weiß nicht genau, wann „man“ (=ich) sich dieses seltsame Verhalten aneignet, aber ich glaube, es war irgendwann zu Schulzeiten. Da hängt man mit Freundinnen ab und erzählt sich gegenseitig was alles doof ist. Ich erinnere mich schon in der 5. Klasse meine Haare doof gefunden zu haben. Und dann habe ich mir einen schönen Blumenstrauß an stetig wechselnden Komplexen zugelegt. Nase zu groß, Kinn zu hervorstehend, Füße häßlich, Arme zu dick. Eigentlich völlig egal. Es gab lediglich eine Stelle, die ich immer super fand. Leider war die nur 4 Quadratzentimeter groß (Ein winziges Stück Haut rechts und links an den Hüften – warum ich ausgerechnet diese Stelle immer toll fand, das weiß der Fuchs).

Nachdem meine Freundin und ich uns ständig gegenseitig erzählt haben, was wir an uns doof und hässlich fanden, sind wir in der Pubertät dazu übergegangen Sachen an anderen doof und häßlich zu finden. Wir verbrachten fortan unsere Freizeit damit uns mit anderen zu vergleichen und das herauszustellen, das nicht perfekt war. Perfekt im Sinne von den Abbildungen der Zeitschriften, die wir lasen oder der Fernsehsendungen und Musikvideos, die wir anschauten (geschmackvolle Dinge wie Cinderella 80 mit Bonnie Bianco!).

Irgendwann hat das aufgehört. Ich glaube, weil ich nicht mehr so viel Freizeit, keinen Fernseher und v.a. Zugang zum Internet hatte. Genau weiß ich es aber nicht.

Viel hat sich auch mit dem Mutterwerden und Vorbildseinwollen geändert. Ich habe das gewohnheitsmäßige Gejammere über meinen unperfekten Körper einfach eingestellt. Ich habe aufgehört mich ständig zu vergleichen und ich versuche meinen Kindern ein positives Körpergefühl zu vermitteln. In der Geo Wissen „Mütter“, S. 21 ist ein schönes Bild zu sehen, das Mutter und Tochter im Handtuch bzw. nackt zeigt. Darunter steht „Ein positives Körpergefühl der Mutter beeinflusst auch die Eigenwahrnehmung der Tochter […] in Israel war es üblich, in Unterwäsche in der Wohnung herumzulaufen oder miteinander im Bad zu sein.“ Es wird auch erwähnt, dass viele (in den USA) ihre eigene Mutter noch nie nackt gesehen haben. Das ist nicht nur in den USA so. Ich kenne viele FreundInnen, die ihre Eltern noch nie nackt gesehen haben. Diese Vorstellung fand ich schon als Kind total verrückt.

Jedenfalls was ich eigentlich sagen wollte. Man kann sich diese negative Brille wirklich abgewöhnen. Am Anfang erscheint es wie eine alberne, gedankliche Turnübung. Man sagt sich einfach immer das Gegenteil von dem was man als Automatismus im Kopf hat. Dann sucht man mal bewusst nach Dingen, die man toll an sich und auch an anderen findet.

Jetzt bin ich bald 40 und mir ist das alles ziemlich egal. Ich schaue auch kaum noch in den Spiegel. Ich fühle mich gut und bin manchmal so absurd zufrieden mit mir, dass ich mich frage, warum konnte ich das nicht vorher haben? Ab und an wundere ich mich noch über Fotos, die ich von mir sehe, weil ich da gar nicht aussehe, wie ich mir mich eigentlich vorstelle.

Lediglich mein Kind 2.0 hat plötzlich Fragen zu meiner Imperfektion:
„Diese Falten an der Nase zum Mund, hat die jeder erwachsene Mensch?“
„Stört dich dein dicker Bauch nicht?“
„Dein Po ist ganz schön fett! Das haben aber nicht alle Erwachsenen, oder?“

Kind 2.0 ist offenbar in die Phase gewachsen, in der Körper keine Werkzeuge mehr sind, sondern irgendwie bewertet werden müssen.
Ich finde das erschütternd.
Mein Kind ist die Sportskanone der Familie. Total drahtig und besteht quasi nur aus Muskeln. Isst wie ein Vögelchen und klettert den ganzen Tag auf Bäume und plötzlich fragt es mich beim Abendessen: „Findest du mich dick?“
Am liebsten wäre ich aufgesprungen und hätte diesen Gedanken energisch aus dem Kind rausgeschüttelt.
Stattdessen frage ich: „Wieso fragst du das?“
„Ich weiß nicht. Ich finde mich auch nicht dick. Aber die Mädchen in der Schule sagen sowas.“

Es ist so ekelhaft, warum kommt das offenbar automatisch? Ich würde das alles so gerne von meinen Kindern fernhalten, aber ich fürchte, das geht einfach nicht. Mir fällt auch nicht so richtig ein, was ich dagegen tun kann, ausser ein gutes Vorbild zu sein und immer wieder darüber zu sprechen.

In dem Zusammenhang bin ich in dieser Woche auf zwei schöne Beiträge im Netz gestoßen:

Lisa Rank schreibt in ihrem Blogbeitrag „What you see is what you see“ über ihr erstes graues Haar und man möchte sie küssen.

Und Katrin Rönicke beantwortet bei Freisprecher die Frage „Bin ich schön?“

Ich wünschte wirklich die Welt wäre voll mit solchen Menschen, dann müsste sich mein Kind nicht solche Fragen stellen.