Was noch?

Im Blog komme ich ja selten zu irgendwas, was nicht heißt, dass ich gar nichts mache (also außer arbeiten und Serien schauen äh mich um meine Familie kümmern). Deswegen trage ich einfach mal zusammen, was es außerdem noch so gibt von mir:

Geschriebenes

Bei sofatutor habe ich z.B. darüber geschrieben, warum Modern Family die (un)perfekte Familienserie ist.

Gesprochenes

Regelmäßig unregelmäßig podcaste ich mit drei sehr schnuffigen Menschen bei DerWeisheit.de zu weltbewegenden Themen wie Mode, Terror und Sex (ja, meine Güte, man muss ja für Traffic sorgen…).

Einmalig war ich Gast beim Picknick am Wegesrand Podcast mit Gregor Sedlag und Caspar Clemens Mierau und wir haben über Star Wars gesprochen und zwar als Nerd, als Neueingestiegene und als völlig Unbefleckter.

Eigenlob stinkt ja, aber… *hüstel* ich finde den Podcast selbst wirklich sehr hörenswert, weil ich wirklich mal im Thema war und es auch super spannend ist, was Gregor und Caspar aus ihren Perspektiven zu den Star Wars Filmen berichten. Immerhin habe ich jetzt final gelernt, dass Star Wars kein Science-Fiction ist, was vieles von meiner bislang eher nicht vorhandenen Begeisterung erklären kann.

Wenn man Science Fiction mag, sollte man diesen Podcast ohnehin öfter mal hören…

Außerdem gibt es Gelesenes!

Am 20. März in Stuttgart im Merlin um 11.30 Uhr – ihr könnt sogar eure Kinder mitbringen! Ich bereite dazu eine 200 Powerpointfolien umfassende Präsentation vor, die kurz in die Familienverhältnisse einführt, so dass ihr auch gerne Menschen mitbringen könnt, die weder mich noch mein Blog kennen!

Am 19. April in Hannover um 20 Uhr, u.a. mit der großartigen Ninia LaGrande. Ich habe außerdem gehört, es gibt Gesang an diesem Abend.

Und einen Vortrag im Rahmen der denkst Familienbloggerkonferenz am 23. April in Nürnberg werde ich auch halten: Es wird um Privatheit gehen.

Apropos Lesungen: Wenn mir die Anfahrt und ggf. eine Übernachtung erstattet wird, komme ich eigentlich überall hin.

Und was mich besonders freut: Gewonnenes

Nämlich den Goldenen Blogger 2015 für mein Buch „Sehr gerne, Mama, Du Arschbombe“. Das ist für sich alleine genommen schon super toll und ich danke allen, die mich gewählt haben, von Herzen. Ich überlege jetzt allerdings, ob ich mich zur Ruhe setze, da ich letztes Jahr ja schon „Bestes Tagebuch-Blog 2014“ geworden bin oder ob wir es 2016 noch mit unserem Weisheits-Podcast in die Liste der Nominierten schaffen. Man muss ja Ziele im Leben haben, oder?

Wo Brüste zu sehen sind, kann es keine Kompetenz geben

Darüber und über andere Themen spreche ich in der 2. Folge der 2. Staffel des Der Weisheit Podcasts.

Am Ende haben wir als Hausaufgabe bekommen bis zum nächsten Mal etwas Unvernünftiges zu tun. Unvernünftig sein fällt mir ziemlich schwer, ich habe mir deswegen schon ein paar Tipps eingeholt. Ob ich davon wirklich was tun werde … ich bin mir noch unsicher:

  • Zum Einschlafen ein Conni Buch lesen
  • Kommentarspalten unter Feminismus-Artikeln lesen
  • Ein Namenstattoo vom aktuellen Schwarm machen lassen
  • Kind 4.0 machen

https://twitter.com/2kindchaos_mo/status/603810546429857792

Scoyo Elternabend Thema Vereinbarkeit am 19. Mai um 21 Uhr

Im Rahmen der Vorbereitungen für das Gespräch am Scoyo Elternabend, habe ich mir einige Gedanken gemacht.

Vereinbarkeit, was genau bedeutet das eigentlich?

Ich sehe Vereinbarkeit in einem größeren Rahmen also nicht nur bezogen auf Familie vs. Job. Für mich hat Vereinbarkeit etwas mit einem Miteinander zu tun und Miteinander bedeutet immer, dass nicht alle gleichermaßen und zu jeder Zeit ihre persönlichen Interessen und Bedürfnisse durchsetzen können. Für mich konkret als Mutter bedeutet das schlicht, der erste Schritt zum Thema Vereinbarkeit ist tatsächlich, dass ich lerne meine eigenen Bedürfnisse, da wo nötig, zurück zu stellen. Je nach Selbständigkeitsgrad der Kinder beispielsweise gehört es für mich zum Muttersein* meine persönlichen Bedürfnisse zurückzustellen und in erster Linie die der Kinder zu erfüllen.

Die Kunst ist es nur, dass man dran bleibt und sich die Freiräume, die dann irgendwann wieder entstehen zurück holt und dass man versucht die Verantwortung zu verteilen. (Nicht alle haben die Möglichkeit dazu – das ist mir klar. Manchmal fehlt der Partner, manchmal die Familie, manchmal gibt es keine oder nur mangelnde Kinderbetreuung.).

Eng mit dem Thema Vereinbarkeit sehe ich das Thema Perfektionismus verbunden. Ich schrieb bereits darüber. Mein Plädoyer lautet: Nicht darüber nachdenken was man so macht, sondern darüber, was einem persönlich gut tut. Konkret: es muss nicht immer frisch gekocht werden, es ist OK wenn die Kinder mal eine halbe Stunde fernsehen, eine Packung Würstchen fürs Kindergartenbuffet statt der selbst gemachten Quiche ist auch ausreichend. Das alles spart Zeit, schafft Freiräume, entlastet und gibt Platz. Ich glaube, meine Kinder wollen lieber eine entspannte Mutter als eine selbst gebackene dreistöckige Geburtstagstorte.

Weitere Tipps (und ich weiß auch hier, das ist aufgrund der finanziellen Situation nicht möglich für alle Familien… aber da wo es möglich ist, einfach mal darüber nachdenken wohin das Geld fließt): Lieferdienst statt selbst einkaufen (irre Zeit- und Stressersparnis), vielleicht eine Putzfrau einstellen, outsourcen wo es nur geht.

Was den Job angeht (auch hier lebe ich im Paradies…), wenn irgendwie möglich, einen Arbeitgeber suchen, der:

  • Flexible Arbeitszeiten
  • Home Office
  • Teilzeitmodelle
  • Überstundenausgleich

bietet. Dessen Unternehmenskultur ergebnisorientiert ist und der die Leistung nicht über eine Präsenzkultur definiert.

Auch beim Job ist es oft so, dass man nicht alles gleichzeitig haben kann. Für mich war es im Familienkontext immer wieder eine Frage wie viel uns z.B. Geld vs. Flexibilität wert ist. Kleinere Arbeitgeber sind oft nicht die Topbezahler der Branche, machen aber vieles durch die Arbeitsbedingungen wieder wett.

Als Mitarbeiterin bin ich selbst Teil der Unternehmenskultur und kann bestimmte Dinge unterstützen, die Familienfreundlichkeit fördern. Wenn ich z.B. selbst Meetings organisiere, biete ich keine Termine vor 10 und nach 15 Uhr an.

Ich versuche auf meine Kommunikation zu achten. Ich höre z.B. oft beim Thema Home Office sowas wie „Ach, da bist du ja nicht da“, das nervt mich kolossal, denn ja, ich bin physisch nicht da, aber ich arbeite. Ich bin per Mail, per Telefon und über den Chat erreichbar. Wenn also Kolleginnen im Home Office sind, bemühe ich mich umgekehrt so mit ihnen zu arbeiten, wie ich es tun würde, wenn sie ein Büro weiter sitzen und vermeide solche Bemerkungen.

Ich dokumentiere meine Arbeit so gut es geht. (Im Grunde versuche ich Arbeitsprozesse so zu gestalten, dass der Prozess an sich eine ordentliche und nachvollziehbare Dokumentation hervorbringt. Sowas stützen Systeme wie Wikis oder Ticketsysteme, aber das ist ein großes, eigenes Thema). Ich poche auf verteilte Verantwortung im Sinne einer Vertreterregelung.

Wichtig ist es für mich auch, Kinder in allen Lebenssituationen willkommen zu heißen. Egal, ob ich in einem Vortrag sitze und ein Baby weint, ein/e KollegIn ein Kind mal mit ins Büro oder jemand sein brabbelndes Kleinkind mit in eine Kunstausstellung nimmt. Wenn ich bemerkte, dass sich jemand wegen vermeintlich störender Kinder zurück ziehen will, versuche ich die Person zum Bleiben zu motivieren. Zumindest versuche ich klar zu signalisieren: Geräusche, Getrappel etc. das alles ist OK für mich. (Ein schönes Beispiel für dieses Verhalten habe ich neulich im Netz gefunden).

Es gibt ziemlich viel was man selbst tun kann, um eine familienfreundliche Atmosphäre zu schaffen und alles hat schlicht und ergreifend mit gegenseitiger Rücksichtnahme und dem Zurückstellen eigener Bedürfnisse zu tun.

Darüber hinaus sind für mich klare Absprachen mit dem Partner wichtig. Das hat bei uns – so traurig es klingen mag – bis zur Trennung nicht so gut geklappt. Es gab zwar Eckpfeiler über die wir uns in Sachen Job und Familie verständigt haben, aber vieles war implizit. To keep a long story short: Am Ende hatte ich das starke Gefühl von ungerechter Verteilung und mein Partner das Gefühl überzogener Ansprüche an ihn.

Mit der Trennung hat sich das interessanterweise verändert und wir sind beide zufriedener. Wir haben glasklare Absprachen, die Befüllung des gemeinsamen Kalenders klappt und die Informationen fließen zuverlässiger.

Deswegen meine Empfehlung: Schon vor dem Kinderbekommen klar absprechen und zwar auch die Details. Es ist einfach sich über Hol- und Bringsituation abzusprechen. Die tatsächliche Belastung habe ich immer in den Alltagsthemen empfunden. Das mag lächerlich klingen, aber ich bin an der Verantwortung für die kleinen Dinge in die Knie gegangen, weil wir nie darüber geredet haben: Fingernägel schneiden, neue Sportschuhe kaufen, wer besorgt das Geschenk für die Einladung des Kindes zu einem Kindergeburtstag, wer denkt an den Rucksack für den Ausflug, wer an die Wechselwäsche, was ist mit dem Schlafsack, der für die Kitaübernachtung benötigt wird, wer geht mal wieder mit dem Kind zum Haare schneiden, was bringen wir zum Schulsommerfest mit, wer besorgt es., wer macht den Vorsorgetermin für die nächste U-Untersuchung aus, wer geht mit dem Kind dahin… Tausend kleine Dinge eben.

Deswegen lohnt es sich wirklich mal eine Liste zu machen was es alles zu erledigen gibt und sich dann fest abzusprechen welches Thema wem gehört (man kann es Themen auch rotierend belegen, Hauptsache es ist gibt klare Verantwortlichkeiten).

Ich könnte ganze Romane schreiben über das Thema. Wenn man mich aber bitten würde mich auf die wesentlichen Tipps zu beschränken, würde ich folgendes sagen:

  • Perfektionismus fahren lassen.
  • Aufgaben verteilen (auf alle verfügbaren Menschen. Den Partner, andere Familienmitglieder, Freundinnen und Freunde, Erzieherinnen und Erzieher und am Ende – je nach Alter der Kinder: auf die Kinder)
  • Selbständigkeit der Kinder fördern (dazu gehört z.B. Rahmenbedingungen schaffen, damit das geht z.B. räumliche Nähe der Schule und damit des Freundeskreises, keine Aktivitäten, die verlangen, dass man die Kinder durch die Gegend fahren muss etc.)
  • Nicht zu vergessen: Sich für Politik zu interessieren, wählen gehen, an Demos teilnehmen und so versuchen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen – Kinderbetreuung etc. – zu verbessern.

Und wenn das jemand liest und denkt: Ich hab ja keine Kinder, mich geht das nichts an… Am Ende geht es nämlich nicht um Kinder- oder Familienfreundlichkeit. Es geht immer um Menschenfreundlichkeit. Das sollte man sich vor Augen führen. Es geht bei Vereinbarkeit nicht um Eltern und Kinder. Sondern um seelische Gesundheit und dem Anrecht eines jeden auf ein gutes Leben. Egal, ob man sich um die eigenen Kinder kümmert, ob man sich um Pflegebedürftige kümmert oder ob man einfach Zeit für sich braucht.


 

*Ich schreibe vom Muttersein, weil ich eine Mutter bin, ich denke aber, das selbe gilt natürlich fürs Vatersein (sofern man diese Rolle ernst nimmt zumindest).

Weitere Lesetipps:

Die geschätzte Béa Beste schreibt über Vereinbarkeit:

Vielleicht geht es nicht um Vereinbarkeit von Kinder und Karriere – sondern um Vereinbarungen unter Menschen

Annelu in Kind und Karriere – geht das? scheibt: „Es ist sicherlich möglich, Kinder und Karriere miteinander zu vereinbaren, dabei ist aber das Tempo entscheidend. Es kann nicht parallel alles im gleichen Tempo stattfinden. Mal geht eines besser, mal das andere.“

Herzleiden

In Vorstellungsrunden sage ich gerne, dass mein Blog mein Verdauungsorgan ist. Das finden alle ekelig und der Raum raunt gerne leise üüüüääähhh – aber ich finde diese Analogie sehr treffend. Leider ist sie nicht von mir, sondern von Felix Schwenzel, das sage ich dann auch ab und zu dazu – aber jetzt ist es googelbar. „Mein Blog ist mein Verdauungsorgan“ ist ein Zitat von Felix Schwenzel und es ist wahr.

An dieser Stelle möchte ich meinen Krankenhausaufenthalt im Sommer verdauen.

Erzähle ich die Geschichte von Anfang an und beginne mit: „Alles fing mit Rückenschmerzen an.“ verursache ich bei meinem Gegenüber immer ein besonders gutes Gefühl. Rückenschmerzen habe ich sehr oft. Seit ich Kinder habe eigentlich andauernd und wenn ich mich belastet fühle, dann merke ich das an meinen Rücken am besten. Ich war also im Urlaub, alleine mit den Kindern im tiefsten Bayern an einem See und hatte unglaubliche Rückenschmerzen, die mich nachts wach hielten und mir tagsüber wirklich schlechte Laune machten. Ich war stinksauer. Ich hatte Urlaub! Ich wollte mich wohl fühlen und entspannen. Abends hatte ich ein bisschen Fieber und ganz ehrlich, normalerweise wäre ich nicht zum Arzt gegangen, aber weil ich meinen Urlaub genießen wollte, hoffte ich, der Arzt könne mir irgendein Knallermedikament verschreiben, das ich nehme – eine Chemiekeule die innerhalb von 24 Stunden wirkt.

Ich ging also zu einem Arzt, der zufällig Internist war, schilderte meine Beschwerden und der kräuselte die Stirn. Ein EKG und ein Bluttest später wollte der Arzt gerne, dass ich sofort ins Krankenhaus gehe.

Meine Kinder konnte ich bei einem lieben Freund abgeben und dann fuhr ich ins Krankenhaus. Zehn Minuten nach der ersten Untersuchung wurde ich an alle möglichen Geräte angeschlossen und durfte mich nicht mehr eigenständig bewegen. Mein Herz schlug im Ruhezustand 130 Mal pro Minute. 70 bis 80 Schläge sind normal, ich war also tachykard. Die Blutwerte legten nahe, dass ich einen Herzinfarkt gehabt haben könnte. Ich war völlig schockiert. Ich bin 39 und gehöre in keine der bekannten Risikogruppen. Ich habe keine Vorbelastungen, kein Übergewicht, kein Cholesterin, ich rauche nicht, ich nehme nicht die Pille. Temperamentmäßig gleiche ich eher einer geschlossenen Eisdecke als einem Vulkan.

Es folgte eine Herzkatheteruntersuchung. Ich war sehr beunruhigt. Man muss da so ein Zettelchen unterschreiben was alles passieren könnte und ich sage mal so: Man will nicht dass etwas passiert. Die Ärzte beruhigten mich: „Alles sehr unwahrscheinlich, nichts davon wird bei ihnen eintreffen.“ Ich glaube ab da habe ich durchgeweint. Der Satz „alles sehr unwahrscheinlich“ hatte für mich keine Bedeutung mehr seit eine liebe Freundin eine Woche zuvor von einem LKW überrollt worden war.

Man bot mir freundlicherweise Scheissegaltropfen für die Untersuchung an und ich kann sie sehr empfehlen. Für den Herzkatheter sucht der Arzt sich am rechten Arm eine Stelle am Handgelenk und schiebt dann den Schlauch bis zum Herzen um sich dann mit Hilfe von Kontrastmittel die Koronararterien anzuschauen. Der Kardiologe sagte: „Das Suchen und Schneiden ist ein wenig unangenehm, aber das wird ihnen egal sein.“ Er hatte recht. Es war mir völlig egal. Im Vergleich zu einer Magenspiegelung ist eine Herzkatheteruntersuchung ein Wellnesstreatment. Ich kanns sehr empfehlen.

Die Untersuchung zeigte, dass ich keinen Herzinfarkt gehabt hatte, sondern lediglich eine Herzmuskelentzündung. Auch nichts was man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Um mir zu verdeutlichen wie ernst es ist, teilte man mir meinen Troponinwert mit. Troponin ist ein Protein, welches (laienhaft gesagt) das Herz bei einer Muskelschädigung ins Blut freisetzt. Wenn ich mich recht erinnere, sollte der bei höchstens 14 (unter 20 auf jeden Fall) liegen. Mein Wert war bei 1800. Das fand ich, ohne den blassesten Schimmer von irgendwas zu haben, beeindruckend.

Ich kam auf die Überwachungsstation und musste da beinahe zehn Tage bleiben, bis die Werte wieder im grünen Bereich waren. Die Infektion ist viral. Deswegen kann man medikamentös nichts tun. Man wartet einfach ab und beobachtet.

Ohne Ablenkung, an piepsende Geräte angeschlossen, hatte ich viel Zeit über den Tod und das Leben nachzudenken. Aufmunternde Bemerkungen der pragmatisch veranlagten Ärzte: „Keine Sorge! Schlimmstenfalls hilft immer noch eine Herztransplantation!“, gaben mir weiteren Anlass nachdenklich zu sein.

Unvergessen bleibt eine Visite. Die Ärzteschar, alles Männer in ungefähr meinem Alter, stellten sich wie die Sternsinger vor mir auf und zählten auf, was ich die nächsten Wochen und Monate nicht mehr tun dürfte. „Sport auf keinen Fall!“, „Keine Treppen steigen!“, „Einkaufen besser nicht!“, „Meiden sie Hausarbeiten!“. Dann gab es eine Pause und die Ärzte schauten sich gegenseitig an. Einer sagte: „Normalweise müssen wir das nicht thematisieren, weil die Standardpatientin eher um die 80 ist…“ Räuspern „Aber… in ihrem Fall…“ Ich wartete gespannt. Der Assistenzarzt wurde ein Stück nach vorne geschubst. In übertrieben beiläufigem Tonfall sagte er: „In ihrem Fall: Sie dürfen sechs Wochen keinen Sex haben.“ Schweigen. Der zweite Arzt dann: „Und danach nur normalen.“ Alle stehen unschlüssig rum und ich frage mich, ob ich nochmal nachfrage, was genau normaler Sex ist und was dann gegebenenfalls unnormaler Sex wäre, den ich ja nicht haben dürfte.

„Immerhin ist das Wetter schön…“ überbrückt einer der Ärzte die Gesprächspause. „Mit etwas Glück werden sie noch rechtzeitig entlassen, so dass sie auch etwas davon haben.“

Seitdem denke ich über normalen Sex nach und wie ich die Ansage hätte auslegen sollen. Vielleicht war das ja gar kein Verbot Sex zu haben sondern eine Option für einen schönen Tod? Ich habe wirklich viel über den Tod nachgedacht. Eher gesagt, über die Art zu sterben. Das tut man automatisch, wenn Freunde sterben, man selber fast stirbt und man das Zimmer mit Menschen teilt, die Herzinfarkte oder Aneurysmen haben. Das Alter und all seine Gebrechen, das ist keine verlockende Perspektive. Leider sind die sechs Wochen vorbei und damit die Chance auf einen schönen Tod erstmal verstrichen. Man soll halt immer zuhören und nachdenken, wenn Ärzte was sagen. Ansonsten YOLO.

Dating

Jaja, ich weiß. Ihr seid alle vergeben, habt Kinder, Partner. So ist das in unserem Alter. Bei mir ist es länger schon nicht mehr so und ich bin mir nicht sicher, wie gut ich das finde. Das dauerhafte Alleinesein, meine ich jetzt – denn alles andere, das habe ich mir ausgesucht. Das ist gut so und gegen freie Wochenenden habe ich gar nichts. Rumgammeln, die Zeit einfach verstreichen lassen, nicht alles sofort machen, weil hinterher vielleicht keine Zeit mehr ist und sonst alles liegen bleibt, sich türmt und dann nicht mehr zu bewältigen ist.
Ich schlafe aus – bis 8 manchmal – einmal habe ich es geschafft sogar bis 9.30 Uhr zu schlafen.
Ich bade, niemand kommt in dieser Zeit aufgeregt ins Badezimmer gerannt, muss Pipi, lässt die Tür geöffnet oder möchte, dass ich schnell eine Puppe anziehe oder einen Bagger repariere. Das Bad bleibt warm, ich höre Podcasts von morgens bis abends und habe das Gefühl, dass ich bald so schlau bin, dass ich in jeder beliebigen Dokumentation im Privatfernsehen als Expertin heran gezogen werden könnte.
Ich gehe alleine ins Kino, muss mich nicht absprechen. Ich gehe alleine einkaufen, alles geht zehn Mal so schnell. Neulich habe ich mir sogar ein Kleidungsstück gekauft – nur für mich. Ich bin los und wollte mir ein Kleid kaufen und kam mit einem Kleid für mich zurück, nicht mit drei Kleidungsstücken für die Kinder, nicht mit irgendwas praktischem. Nur für mich. Ich hab es angezogen, ganz neu, mich gefreut, es ist nicht nur bequem und zweckmäßig, es hat keine Flecken, es ist einfach nur für mich.
Das habe ich ein paar Monate gemacht und es war schön und jetzt frage ich mich, so auf die 40 zugehend: wars das?
Podcasts, Kinobesuche, Museumsführungen, werde ich schrullig werden, vielleicht ein bißchen misanthrop, warten dass die Kinder ausziehen (sind nur noch 15 Jahre oder so, das vergeht schnell, das weiß ich) oder lerne ich vielleicht doch noch jemanden kennen?
Ich frage also meine alleinstehenden Freundinnen: Wo lernt ihr neue Menschen kennen?
Online, na klar. Also melde ich mich in diversen Portalen an, schreibe Zeug in mein Profil, lade Bilder hoch und lese anderer Leute Profile.
Alles sehr interessant, stundenlang lese ich. Alles Künstler, Musiker, Kreative. Alle Bodytype fit oder athletic. Keiner normal oder gar overweight.
Ab und an habe ich eine Nachricht in meinem Postfach. „Hallo, kannst du dir vorstellen, dich mit einem jüngeren Mann zu treffen?“. Ich schaue ins Profil. Nun jünger ja, aber 20? Ich stelle mir vor, wie ich mit 20 war und dann stelle ich mir vor, ich müsse mich mit einem in diesem Alter unterhalten. Dann muss ich lachen, denn unterhalten wollen die sich gar nicht, das ist mir klar. Tagelang nichts anderes als diese 20jährigen, die wirklich niedlich aussehen und ich frage mich, haben die wirklich mal eine getroffen, die so alt ist wie ich?
Ich ändere irgendwas in meinem Profil und plötzlich nur noch Nachrichten von über 50jährigen. Eine fertige Frau wollen sie kennenlernen, aber eine ohne Ballast. Hübsch wäre ich für mein Alter.
Und ich frage mich warum kann ich nicht einfach nur hübsch ohne diesen Zusatz sein und wie viel Ballast ich habe. Gibt es 40jährige ohne Ballast?
Also lese ich wieder Profile. Es ist möglich die Männer zu filtern. Raucher „nein“ gebe ich an und überlege. Berlin „ja“. Ich könnte noch angeben wie groß sie sein sollen, wie schwer, welches Einkommen. Seltsam finde ich das. Katzenliebhaber. Hundeliebhaber. Nur nach Kaninchenfreunden kann man nicht filtern.
Viele Männer meines Alters wollen Kinder. Ich will keine mehr. Darf ich die dann treffen? Wollen die eigene oder meine und was ist wenn ich meine gar nicht teilen will?
Ich lese und lese und schaue mir die Bilder an und plötzlich fällt mir auf, die wollen alle in den Wald. Selfies mit Bergen im Hintergrund, sie sitzen vor ihren Zelten, in Booten, stehen in Wanderschuhen vor grünen Landschaften. Naturverbunden sind sie. Das wahre Leben wollen sie. Nicht dieses Leben im Internet. Nicht diese Technik. Nicht diese Internetsüchtigen. Man muss sich auch mal anschauen können, miteinander sprechen, Real Life eben.
Mich fröstelt ein bißchen.
Sie wollen in die Natur oder wenigstens ans Meer für immer. Sie hassen die Stadt, den Lärm, die Hektik, können der Geschäftigkeit nichts abgewinnen.
Einmal treffe ich einen. Wir trinken Wein und unterhalten uns den ganzen Abend. Ich finds nett. Am nächsten Tag bekomme ich ein freundliches Absageschreiben: Es hätte nicht gefunkt, obwohl ich doch so lustig und klug sei, auch gut aussehe etc. pp. aber es sei halt nicht die große Liebe.
Ich frage mich, ob das so sein muss. Ob man die große Liebe erwarten muss, obs drunter nicht geht, ob es sich gar nicht lohnt jemanden zu treffen, wenn man nicht davon ausgeht, dass es die große Liebe sein könnte.
Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick? Das ist eine der Fragen im Datingportal. 80% schreiben: Ja!
Sechs Dinge, die du unbedingt brauchst in deinem Leben. Aus einer Laune heraus schreibe ich Gaffatape und Heißklebepistole in die Liste. Zwei wirklich praktische Dinge.
Die Zuschriften werden danach nicht passender. Hastig lösche ich die beiden Dinge wieder aus meiner Liste.
Was ich hier suchen würde? Jemanden, den ich noch nicht kenne. Das reicht nicht. Ich solle mir mal Gedanken machen. Etwas spezifischer müsse es schon sein. Sonst lohne sich ein Treffen doch gar nicht.
Aha, eine Checkliste brauche ich. Verstehe. Humor wäre toll. Aus den 90ern ist mir aus einer Bärbel Schäfer Sendung der denkwürdige Satz: „Der Mann, der wo mich lieben tut, sollte Humor haben und sauber sollte er sein“ hängen geblieben. Schreibe ich den in mein Profil? Mindestens 1,80 sollte er sein, ist klar. Bodytype athletic. Millionen verdienen. Keinen Ballast haben, bloß keiner mit Androidhandy, bio soll er kaufen, nie Bundfaltenhosen tragen und wenn ich dann noch angebe: kein Bart, dann gewöhne ich mich mal lieber ans Alleinsein. Mein Potential zum Schrulligwerden ist ohnehin stärker als mein Wille zur Geselligkeit.

Fußball, ein Rant

Vor Wochen hätte ich mich noch schlapp gelacht, wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich mal über Fußball bloggen möchte. Möchte ich aber.

In letzter Zeit habe ich mich nämlich mit der Frage beschäftigt, warum ich Fußball nicht leiden kann. Man fühlt sich während der WM sehr schlecht, wenn man sich nicht für Fußball begeistern möchte. Wie eine Außenseiterin, eine Spielverderberin, eine Spaßbremse. Und noch schlimmer, weil die Kinder sich dem auch nicht entziehen konnten, mache ich sie zu Außenseitern, wenn wir das ganze Trara nicht mitmachen. Keine Chance mit irgendwas gegenzuhalten wenn wir keine Aliens sein wollen. Sie werden von den Erzieherinnen in Schule und Kindergarten mit Deutschlandfahnen angemalt. Panini-Karten überall. Die Kinder erzählen sich die Fußballspiele. Selbst kleine Kinder dürfen die späten Spiele sehen.

Also mitmachen oder der Arsch sein?

Warum hab ich überhaupt was gegen Fußball?

Erstens: Ich finde es wahnsinnig langweilig. Riesiges Spielfeld und fast nichts passiert. Ein Tor. Zwei Tore. Wow.

Im Gegensatz dazu unterhält mich Handball oder Basketball ganz gut. Auch wenn da mein Auge für vieles zu langsam ist. Hä? Schrittfehler? Einmal geblinzelt – Tor. Kurz mal den Schuh gebunden. Tor.

Es mag sein, dass Fußball interessanter ist, wenn man was von Team-Strategien etc pp versteht, tue ich aber nicht – also: langweilig.

Zweitens: Irgendwas mit Geschlecht. Für die männlichen Vereine/Nationalteams interessieren sich viel mehr als für die weiblichen. Sie werden gefeiert bis zum Gehtnichtmehr. Ist das in anderen Sportarten auch so? Leichtathletik? Tennis (Meine Wahrnehmung sagt nein). Warum ist das so? Spielen die Frauenfußballerinnen wirklich auf einem anderen Niveau? Ist das bei Tennis anders?

Drittens: Die Feindschaften.

Gosh! Jeder Bundesligaverein hat irgendeinen Feindverein. Warum? Warum kann man nicht Schalke-Fan sein und die Borussia-Fans und/oder Fußballer lieb haben? Ich hab den Eindruck, dass dieser Feindschaftsquatsch ein großer Teil der Fußballkultur ist und das nervt mich.

Viertens: Der Fan als solches

Und zwar, das Klischee des Fans, das ich über die Massenmedien mitbekomme. Aggressiv, randalierend, besoffen, erhöht sich durch die Erniedrigung anderer. Sind mir persönlich Fans anderer Sportarten in dieser Art im Bewusstsein? Der grölende Golf-Fan? Aggressive Snooker-Fans?

„Boah, nuf, du nervst ja voll, welche Sportart gefällt dir denn?“ (Nicht dass das jemand in den Kommentaren sagen muss).

Nun, ich liebe Capoeira. Ich hab schon mal darüber geschrieben. Capoeira ist ein friedlicher Sport mit hohen Frauenanteil. Es geht um Akrobatik und Kommunikation, es geht um Musik, Rhythmus und Gemeinschaft. Es gibt kein dissen der Frauen, keines der weniger Talentierten, keines der Schwächeren.

Und ja, ihr dürft euch freuen, dass WIR Weltmeisterin sind. Aber muss denn die Welt stehen bleiben weil WM ist? Der Unterricht beginnt später? Kinospätprogramm wird gestrichen? In der U-Bahn wird der Spielstand durchgegeben? Wie bescheuert ist das denn? Schön fände ich es, wenn ich trotz Fußball weiterleben kann wie bisher. Oder wenn das Theater bei jeder verdammten Sportart gemacht wird. Dann freuen sich nämlich auch mal die Curlingfans wenn die S-Bahn den Spielstand der Curling-Liga durchgibt!

Mich haben in Bamberg die katholischen Prozessionen, die über Lautsprecher in die Straßen gebrüllt werden auch schon immer genervt. Der Bischof darf fürbitten bei 120 dB aber wehe jemand baute eine Moschee und man verhielte sich diesbezüglich genauso!

Also entweder alle oder keiner. Und wenn gefeiert wird, dann nehmt doch den Dreck wieder mit und beschießt mich nicht mit Feuerwerkskörpern.

Und was das Gaucho-Gate angeht: Ich fands voll daneben.

Ich hab, während ich gemeinsam mit den Kindern die Spiele angeschaut hab, ständig gesagt: Ihr könnt euer Team bejubeln, aber es ist absolut nicht nötig die anderen runter zu machen. Egal, ob andere das auch machen. Ob das vielleicht nicht so gemeint war. Ob das Tradition hat. Ob die Sitten beim Fußball eben so sind. Oder ob ihr das nicht angefangen habt.

Deswegen was den Gaucho-Tanz angeht:

Der Tanz an sich war nicht rassistisch. Er war aber geschmacklos, unüberlegt und überflüssig, und wertet die Gegner ab. Das sollten die Spieler einer Mannschaft nicht nötig haben, die 

a) Weltmeister sind.
b) für Fairplay einstehen sollten, auch außerhalb des Sports.
c) sich ihrer Vorbildfunktion dieser Tage durchaus bewusst sein sollten.

Amen (ich freue mich auf viele pöbelige Kommentare, mein Adrenalinlevel ist gerade in Stimmung).

Augen und Ohren zuhalten und NANANANA schreien, lässt das Wahlergebnis leider nicht weggehen

Am Wochenende viel über das Infinite-Monkey-Theorem nachgedacht. Es besagt, dass ein Affe, der unendlich lange zufällig auf einer Schreibmaschine herumtippt, fast sicher alle Bücher in der Nationalbibliothek Frankreichs schreiben wird.

Wenn ich es also richtig verstehe, geht es darum, dass diese Werke also nicht Ergebnis unglaublichen Intellekts oder Talentes sind, sondern im Grunde hm… ein Zufallsprodukt, das früher oder später irgendwer hervor gebracht hätte.

Das fiel mir ein, als ich mir die Wahlergebnisse des U18 Projektes angeschaut habe.

 

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Im U18 Projekt können Kinder JEDEN Alters neun Tage vor den tatsächlichen Bundestagswahlen wählen gehen. Im Vorfeld dieser Wahlen, werden verschiedene Informationsangebote rund um die Parteien, deren Kandidaten und Programme geboten.

Natürlich nehmen hauptsächlich Teenager an dem Projekt teil. Der Tabelle der Altersverteilung kann man aber auch entnehmen, dass Einjährige teilgenommen haben. Faszinierend. Abgesehen davon, dass die sehr wahrscheinlich nicht lesen konnten, haben die es immerhin geschafft zwei Kreuze an die richtige Stelle zu machen – also gültig zu wählen. Gleiches gilt für die Zwei-, Drei- und Vierjährigen. Ob die tatsächlich darüber Auskunft geben können WAS sie eigentlich gewählt haben und v.a. auch WARUM sie das gewählt haben, wäre auch spannend zu wissen.

Für mich ist das Wahlergebnis der U18 Wahl ziemlich erschütternd. Ich kann mir gut vorstellen, warum Kinder „Piraten“ (12,1%) wählen. Eine Partei, die  „Dinosaurier“, „Ritter“ oder „Elfen“ heißen würde, würde bei dieser Zielgruppe sicherlich ähnlich gut abschneiden. Auch kann ich den hohen Anteil für die Grünen (17,0%) gut nachvollziehen. Unter Natur, Umweltschutz, Friedensbewegung (gibts die nach den 90ern eigentlich noch?) können sich Kinder wahrscheinlich auch was vorstellen. Was aber ist mit der CDU (27,1%!), der SPD (20,4%) und den Linken (7,8%). Das würde mich wirklich interessieren!

Leider haben meine Kinder an der U18 Wahl nicht aktiv teilgenommen, weil ich erst nach den Wahlen von dem Projekt erfahren habe. (Kind 1.0 kannte das Projekt übrigens und ist aus Politikverdrossenheit gar nicht erst hingegangen, wie wir durch Nachfragen erfahren haben, Kind 2.0 hätte die Grünen gewählt, weil es die Natur liebt und Kind 3.0 findet die Piraten cool weil die Messer haben und schreien, kann sich aber auch gut vorstellen die FDP zu wählen, denn gelb ist seine Lieblingsfarbe und die gelben Ballons sind schon sehr schick…)

Jedenfalls wie auch immer diese Ergebnisse zustande kommen … um das Infinite-Monkey-Theorem an den Haaren herbei zu ziehen – vielleicht ist das alles einfach nur Ergebnis irgendwelcher Zufallsentscheidungen? Knick Knack ein Paar Synapsen knistern und schwupps hat man ein Kreuzchen bei einer Partei gemacht.

Ich gestehe ganz ehrlich: Ich habe viel gelesen, den Wahl-O-Mat gemacht, war auf der Abgeordnetenwatch Seite etc. und habe mich trotzdem fünf Meter vor dem Wahllokal bei meiner Zweitstimme umentschieden, weil mir erst da schuppenartig von den Augen fiel, dass es so oder so eine absolute Mehrheit für die CDU/CSU geben würde oder aber eine große Koalition. Beides furchtbar.

In der Wahlkabine starrte ich dann ein bisschen auf meinen Wahlzettel und fragte mich, warum die Position der Parteien bei der Zweitstimme eigentlich nicht durchpermutiert werden. Anstatt dessen stehen die Parteien mit den meisten Stimmen immer oben. Ist das denn korrekt so? Gibt es nicht eine Art Tendenz immer das anzukreuzen, was oben ist, weil man vielleicht gar nicht bis unten liest? (Es sei denn natürlich man hat sich vorher schon entschieden was ganz anderes zu wählen, dann sucht man aktiv danach). Wäre es dann nicht neutraler die Reihenfolge der Platzierungen nach einem Zufallsprinzip zu erzeugen?

Jedenfalls. Ich hab jetzt nicht die Wahlergebnisse der letzten 40 Jahre durchgeschaut – aber vielleicht gibt es ein Quarter-Choice-Theorem, das 60% der Verteilung von Wahlergebnissen vorhersagt und der Rest, das ist dann wirklich der Anteil an Menschen, die einen Grund haben ihr Kreuz an eine bestimmte Stelle zu setzen?

Ich bin so schrecklich deprimiert über das Wahlergebnis. Ich habe gelernt: Deutschland – das sind nicht die Großstädte. Deutschland – das ist schon gar nicht Berlin. Ich lebe in einer beschaulichen Filterbubble.

Bildschirmfoto 2013-09-23 um 08.43.40

Immerhin nicht nur im Internet sondern auch im RL. Das Wahlergebnis in meinem Kiez, ist wenigstens ganz hübsch (siehe Grafik links).

Den anderen Menschen drücken offensichtlich ganz andere Themen. Das Wahlergebnis zeigt, Themen wie anlasslose Vorratsdatenspeicherung, Einschränkung der Grundrechte durch einen Überwachungsstaat, eine innovative Familienpolitik, die auch Chancengleichheit im Beruf begünstigt und Mindestlohn – das ist alles wurscht oder zumindest von völlig anderen Vorstellungen und Wünschen geprägt.

Ich habe gehört, dass die U18 WählerInnen v.a. von der Führungspersönlichkeit von Angela Merkel beeindruckt waren. Das scheint bei den Ü18 WählerInnen nicht anders zu sein.

Angela Merkel ist der Fels in der Brandung. Sie steht Sachen einfach aus. Aus der Kohlära kenne ich das noch. Abwarten und Tee trinken und in der Zwischenzeit alles verkniffen weglächeln. Anscheinend ist es aber das was die Menschen wollen. Beharrlichkeit, Ausdauer, Vorhersehbarkeit. Die CDU hat ein Gesicht. Es lässt sich ein stabiler Erwartungshorizont bilden und es ist nicht zu befürchten dass irgendetwas unvorhersehbares passiert. Das überhaupt etwas passiert.

Ich wünsche mir eine Minderheitenregierung der CDU/CSU. Auf die 5 (?) fehlenden Plätze ist doch geschissen. Sollen die das mal unter sich ausmachen. Bleibt die Hoffnung, dass die CDU/CSU dann in vier Jahren keinen Sündenbock hat, dem sie alle Fehler und nicht getroffenen Entscheidungen in die Schuhe schieben kann. Und es wäre für mich auch höchst spannend zu sehen, was mit der schönen Einigkeit der Union passiert, wenn die sich wirklich mal an Themen reiben.

Ich kann nicht Nichts tun

FotoDie Familie ist bereits in den Urlaub gefahren. Ich bin somit das erste Mal seit zehn Jahren wieder mehr als zwei Nächte ohne Mann und Kinder.
Ich hatte ursprünglich geplant mich in dieser Zeit zu erholen. Im Grunde habe ich außer arbeiten gehen keine Punkte im Pflichtprogramm. Dooferweise habe ich entdeckt, dass ich noch 4 Kinogutscheine habe, die sehr bald ablaufen. Also bin ich drei Mal ins Kino gegangen. Natürlich wollte ich vor dem Entspannen alles erledigt haben, das mich irgendwie vom Entspannen abhalten könnte. Also habe ich die Wohnung geputzt. Vier Stunden lang. Endlich mal ohne Kinder, die immer rumwuseln. Podcasts habe ich nebenher gehört. Dann habe ich zwei Zeitschriften gelesen. Meine Schuhe geputzt. Kommt man ja sonst nie zu. Ich war fahrradfahren und joggen. Blogartikel habe ich sortiert. Tagebuch für die Kinder geschrieben. Schließlich erinnere ich mich nie an etwas wenn ich es nicht aufschreibe und wenn meine Kinder eigene Kinder bekommen, dann will ich ihnen alle Fragen beantworten können. Ein Buch habe ich gelesen. Die alte Pflanze im Bad entsorgt. Den Balkon aufgehübscht. Ein Paar Folgen unterschiedlicher Serien geschaut. Das Kinderzimmer ausgemistet. Die Kindersachen sortiert (Verschenken, Erinnerungen, Flohmarkt, ebay). Ich habe jedes YouTube-Video angeschaut, das mir in die Timeline gespült wurde. Ich habe mich so gelangweilt, dass ich mir die Zehennägel lackiert habe. War einkaufen, habe den Pfand weggebracht und bin in die Bibliothek gegangen. Ich habe intensiv darüber nachgedacht, wen ich zur Bundestagswahl wähle (weiterhin nicht die Piraten, aber auch nicht das, was ich eigentlich wählen würde, ginge es nach dem Wahlprogramm).
Ich habe sogar das 300 Teile Puzzle von Kind 2.0 fertig gepuzzelt, einfach weil es da lag.
Das waren die ersten 1,5 Tage ohne Familie – wobei ja noch relativ viel vom Abend des 1,5. Tages übrig ist. Acht Stunden geschlafen habe ich übrigens auch.
FÜNF weitere Tage stehen mir noch bevor.
Ich habe mir schon mal fünf Bücher bereit gelegt. Aber was mache ich mit dem Rest?
Mein Leben hat die Geschwindígkeit des TGVs und plötzlich soll ich Hausboot fahren?
Das geht einfach nicht.
Ich brauche Programm!