Batzen

Seit meinem 28. Lebensjahr bin ich nahezu komplexfrei. Sehr hartnäckig hielt sich mein Batzen-Komplex. Die Induzierung des Komplexes ist eindeutig nachvollziehbar und betrifft auch andere weibliche Mitglieder meiner Familie.
Als ich nämlich ein Baby war und aussah wie eine zusammengestauchte Weißwurst, nannte meine Mutter meine dicken Ringelfettbeinchen Bätzchen.
Das Fett verwuchs sich, doch das Wort verlor lediglich seine Verniedlichung. Wenn ich heute Bilder aus meinen Teenagerzeiten sehe, hätte ich ob meiner wunderbaren langen und sehr schlanken Beine locker bei den Bewerberinnen von Germanys Next Topmodel mitstaksen können. Dennoch nannte meine Mutter meine Beine Batzen.
Das war zu viel für meine zarte, pubertierende Teenagerseele. Die Batzen folgten mir an jeden Ort. Sätze wie „Ach, im Bikini kommen Deine schönen Batzen so richtig zur Geltung“ oder „Der Rock betont Deine Batzen ganz bezaubernd“ ließen mich einen ausgesprochenen Schlabberhosenfreund werden.
Als ich neulich mein Kind wickelte, entwich mir tatsächlich: „Ohhhh, Du hast ja süße Bätzchen!“ Ich habe mich sofort mehrere Stunden ausgepeitscht.

Plöp – da wars

In fast jeder Familie gibt es die Tradition, dass die Mutter Jahr für Jahr die Geschichte der Geburt am Geburtstag des Kindes berichtet. So kommt es, dass man spätestens nach zehn Jahren Berichterstattung das Gefühl hat, man weiß wirklich jedes Detail über diesen Tag.
Als meine Mutter beispielsweise mutmaßte, ich würde nun bald geboren werden, packte mein Vater sie voller Elan in den Fiat 500 und raste mit Höchstgeschwindigkeit – sämtliche roten Ampeln missachtend – ins Krankenhaus. Dort verabschiedete er vorfreudig seine Ehefrau und bat sie, ihn telefonisch zu informieren, sobald ich geboren sein würde.
Meine Mutter bekam ein bisschen Lachgas und zwanzig Stunden später erblickte ich das Licht der Welt. Ich war gelb und es war der heißeste Tag Mitte der 70er Jahre.
Pünktlich um 15.09 Uhr ruft mich meine Mama nun jedes Jahr an und erzählt diese Geschichte. Jahr für Jahr für Jahr.
Jetzt habe ich eine eigene Geschichte, die ich meinem Kind erzählen kann. Wunderbar! Und noch besser. Ich kann sie auch meiner Mutter erzählen. Jahr für Jahr für Jahr!
An meiner Geschichte zeigen sich übrigens sowohl Charakter als auch Zeitgeistunterschiede. Zur Geburt fuhr ich nämlich mit der Tram. Der Geburtszeitpunkt war exakt auf den Terminkalender des vielbeschäftigten Vaters abgestimmt und ich erledigte das Ganze, gerechnet von der ersten Wehe bis zum Erscheinen des Kindes, in 2.5 Stunden. Die Hebamme hatte 13 Uhr vorhergesagt, doch da versagten meine deutschen Gene und ich gebar mit fünf Minuten Verspätung.
Kind 1.0 sagte beim Anblick des Geschwisters: „Hätte ich mir nicht so zerquetscht vorgestellt, aber Hauptsache der Charakter stimmt.“
Dies ist die Geschichte, die ich Kind 2.0 bis an mein Lebensende erzählen werde.

Döner macht schöner, Falafel aber auch

Es gibt bestimmte Gerichte, die sollte man zu einem ersten Kennen lernen nicht unbedingt essen. Allen voran Spinataufläufe und kakaobepudertes Tiramisu. Die Auswirkungen auf die Optik des Gebisses sind nicht anders als unschön zu bezeichnen.
Ebenso sollte man auf Döner und/oder Falafelbrote verzichten. Selbst wenn der Liebste sich als ausgesprochner Zwiebel- und Knoblauchliebhaber zu erkennen gegeben hat.
Denn abgesehen davon, dass das Gesicht einen weißen Soßenanstrich erhält und man sich noch Stunden später von den Soßenresten in der Nase ernähren kann – ist auch die Kleidung höchst gefährdet. Erfahrungen zeigen, dass man im Grunde nur 50% eines jeden Döners wirklich essen kann. Denn physikalisch gesehen verhalten sich Döner im Handraum wie Schiffe auf dem Wasser. Was oben drückt wird unten verdrängt, d.h. was man an der oberen Seite vermeintlich abbeißt, wird nur nach unten gedrückt und purzelt von da direkt auf die modische Bluse. Erst wenn man ausreichend Nahrung für Tauben und sonstiges Stadtgetier auf dem Boden verteilt hat, bekommen die Zähne tatsächlich Nahrung zu greifen, die dem Verdauungstrakt zugeführt werden kann.
Sollte man beim ersten Date dennoch nicht auf Döner und Falafel verzichten wollen, sind an Handhabungsalternativen zu denken. Es empfiehlt sich z.B. eine Plastikschutzhülle über dem Fladenbrot oder sich selbst zu stülpen. Alternativ ist ein Mixstab mitzuführen, mit dessen Hilfe man das Gericht zerhexselt und in einem mitgebrachten Becher genüsslich durch ein Röhrchen schlürfen kann
Ansonsten empfehle ich diese Auffangvorrichtung, die ursprünglich entwickelt wurde, um Hundekacke direkt vom Po abzuzapfen. Da Hundebesitzer, v.a. jene, die kamelgroße Exemplare besitzen, in der Regel keinen Gebrauch von solchen nützlichen Erfindungen machen, könnte man sich das vielleicht um Mund und Döner spannen?

Dein Hund, Deine Kacke

Aus dem Jobleben kennt man das. Ein neues Tool soll eingeführt werden. Das Tool würde alle Prozesse transparenter, einfacher und weniger fehleranfällig machen. Allerdings müssten die Mitarbeiter dafür geschult werden. Da das Zeit kostet, arbeitet man beharrlich mit dem alten System weiter. Die Ausrede: Ich konnte die Kettensäge leider nicht benutzen weil ich keine Zeit hatte, die Gebrauchsanweisung zu lesen. Deswegen fälle ich weiter mit der Axt.
Ähnlich verhält es sich mit dem Hundekotentsorgungsproblem in Berlin. Das Ordnungsamt kann leider aufgrund von Kosten so gut wie keine Mitarbeiter freistellen, die Bußgeldbescheide gegen Hundebesitzer ausstellen, die ihre zum Teil phänomenal großen Hundehaufen auf Gehwegen, öffentlichen Grünanlagen und Spielplätzen „vergessen“.
Es fehlt das Geld, die Mitarbeiter einzustellen.
Ich bin wirklich kein Matheass, aber wie kann das sein?
Im Jahr 2006 zählt Berlin 108.509 (gemeldete) Hunde. Wenn man also annimmt, dass die jeden Tag einmal durchschnittlich 200 Gramm kacken, hat man pro Tag stolze 21,7 Tonnen Ausscheidungen.
Gefühlt werden davon 80% an Stellen platziert werden, die dafür nicht vorgesehen sind. Macht bei einem hypothetischen Strafgeld von 50 Euro pro Haufen 4,3 Millionen Euro am Tag.
Klar, erwischt bestenfalls nur jeden zehnten Missetäter. Macht nur noch schlappe 434.936 am Tag. Bei einem Monat von dreißig Tagen sind das lediglich 13 Millionen Euro. Ziehen wir jetzt 80% Verwaltungs- und Personalkosten ab, blieben noch 2,6 die man als Gehalt für die Ordnungswächter vergeben könnte.
Und davon kann man niemanden einstellen? Schade eigentlich.
Hätte ich nicht Muxmäuschenstill gesehen. Ich hätte viele schöne Ideen, wie man rücksichtslose Hundebesitzer davon überzeugen könnte, dass es unschön ist, überall Kacktretminen zu verteilen.
Vielleicht einfach alle gemachten Hundehäufchen mit Fähnchen, welches durch Bild und Adresse des Besitzers geziert wird, verschönern?
Alle Exkremente aufsammeln, horten und dann, wenn genug da ist, um einen ansehnlichen Hügel zu formen, direkt vor deren Wohnungstür ablegen?
Und übrigens, wenn jemand das tolle „Ich zahle doch Hundesteuer, dafür muss die Stadt sich um den Hundedreck kümmern“-Argument vorbringen möchte.
Ich zahle auch Steuern, kacke aber nicht in Parks und auf Spielplätze.

Die seltsame Karriere eines Kuchens

In meiner Kindheit gab es keine Tabus. Zumindest nicht was das Tortenessen anging. Es wurde für normal gehalten, Babys ab der ca. zweiten Lebenswoche Buttercremeröllchen zuzufüttern. Und was soll ich sagen? Geschadet hat es uns nicht, nicht wahr?
Aufgrund eines Gesinnungswandels wird den eignen Kindern die ersten sechs Lebensjahre jegliche Süßigkeitsaufnahme verweigert. Der Geschmack soll sich erst entfalten und da ist eine zuckergetränkte Torte Teufelswerk.
Es sei denn natürlich es handelt sich um (Bio-)Möhrenkuchen. Der ist schließlich gesund wie jedes andere Bioprodukt auch. Den kann man bedenkenlos geben und seltsamerweise hat der Möhrenkuchen sich aus seinem Schattendasein der 70er Jahre erhoben.
Wenn ich mich versuche an Möhrenkuchen in meiner Kindheit zu erinnern, kann ich nur sagen: Es gab ihn nicht. Kurz vor Anbruch meiner Pubertät habe ich mal von ihm gehört und geekelt habe ich mich bei dem Gedanken an Möhrenkuchen sehr. Wer macht denn Gemüse in Kuchen?
Möhrenkuchen? Den gab es in den ersten 25 Lebensjahren nur ein einziges Mal bei einer Geburtstagsfeier einer Schulfreundin.
Die war aber ohnehin total crazy. Statt Mayonnaise-Thunfisch-Sandwiches und Marmeladentoaste hatte die in den Schulpausen rohes Gemüse dabei. Widerwärtig. Anette tat mir so leid. Wussten ihre Eltern denn nicht dass man Gemüse kochen muss?
Da sie zuhause aber allerlei Kleingetier hielt, hatte sie trotzdem Freunde und so landete ich schließlich auf ihrer Geburtstagsfeier, bei der es Möhrenkuchen gab. Grässlich. Da halfen auch keine Stallkaninchen und Meerschweinchen mehr. Ab da war Anette alleine.
Sie hat vermutlich das erste möhrenkuchenvertreibende Café im Prenzlauer Berg eröffnet und ist jetzt reich.

Hmmm, so gesund!