– Und? Habt ihr schon einen Nachmieter?
Ein Mann im Anzug und eine Frau mit stark blondierten Haaren laufen vor mir.
– Ja, ne. Ik will da schon jemanden empfehlen, den ik ruhijen Jewissens empfehlen kann. So ordentlische Leute. Die meisten, ne, die sind ja heutzutage naja.
– Ach?
– Ja, die jungen Leute im Haus!
– Junge Leute?
– Ja, ne. Zum Beispiel jestern. Da komm ik nach Haus und da steht die Wohnungstür vonne Nachbarn offen. Ik guck da rin, aber war niemand da. Die andere Nachbarin hat dann jesacht, die sin mit ihrem Kind inne Notaufnahme. Da haben die vermutlisch verjessen die Tür zuzuziehen. Da jeh ich also rein, kann ja nich die Tür zuziehen, am Ende haben die jar keenen Schlüssel bei sisch, ja und da such isch in der Wohnung den Schlüssel… und meine Jüte, wie es da ausjesehen hat! Diese Unordnung. Mit dem kleenen Kind! Allet liescht da rum. Sowas haste noch nich jesehen!
Dat die Menschen ditte nich auf Kette kriegen. Ich meine, die sind zweie! Aber dit is ja überalle so. Meine andere Nachbarin sacht och immer: „Mensch Bärbel, tut mir so leid, aber es is total unaufjeräumt.“ Und ik denk mir dann immer, wat is bloß los mit de junge Leut. Nix kriejen die jebacken. Ik hatte doch och zwei kleene Kinder und ik war alleene und dann hab ik och noch 40 Stunden jearbeitet… hab ik doch och allet jeschafft. Und beschwert hab ik mir och nich. Dat muss doch jehen. Ik versteh‘ et einfach nich.
Ihr Monolog über die unfähigen, jungen, verweichlichten, jungen Leute ging dann noch eine Weile. Ich war wirklich kurz davor mich einzumischen, aber dann wäre ich wohl ungefähr so übergriffig wie sie gewesen.
Ich verstehe solche Menschen nicht. Also die, die sich drum scheren, was in der Privatsphäre anderer passiert, wenn es sie doch gar nicht betrifft. Ich meine, was geht sie es bitte an wie viel Zeug am Boden bei den Nachbarn liegt und ob die da Wäscheberge haben oder ungewaschenes Geschirr rumsteht?
Noch weniger verstehe ich Menschen nicht, die sich selbst als Maßstab nehmen und dann darüber schimpfen, wenn andere Menschen nicht ihre Kapazitäten haben oder nicht hart zu sich sind.
Sie hatte zwei kleine Kinder, die Wohnung war immer picobello aufgeräumt und sie hat Vollzeit gearbeitet! Herzlichen Glückwunsch! Was hat das aber mit dem Lebensmodell und der Belastbarkeit anderer tu tun?
Ich habe den Eindruck, dass Menschen, die an ihre Grenzen kommen, gerade von solchen Menschen (Jetzt reiß dich doch mal zusammen! Früher ging das auch! Geschadet hat uns das nicht!) noch mehr unter Druck gesetzt werden. Von den Ansprüchen, von der Härte.
Für wen soll eine Wohnung bitte aufgeräumt sein? Für die Nachbarin hinter der anderen Wand? Für „die Gesellschaft“, die aufgeräumte Wohnungen mag?
Eine unaufgeräumte Wohnung, nichtgefaltete Wäsche, ein benutztes Glas am Esstisch … all das scheint für manche bedrohlich. Eine Bedrohung ihres Lebenskonzeptes. Bestimmt ist es für solche Menschen tatsächlich auch nicht einfach neben Kindern, Job und sonstigen Verpflichtungen alles auf 100% laufen zu lassen. Wahrscheinlich schneiden sie sich das aus dem eigenen Sein sozusagen. Sie betreiben vermutlich Raubbau an sich und ihren eigenen Bedürfnissen, an ihrem Glück zuletzt?
Und wenn man dann sieht, dass andere sich gestatten diese Selbstausbeutung nicht zu betreiben, dann ist das offenbar eine Bedrohung, gegen die man sich wehren muss, die man bewerten muss, die man schlecht machen muss.
Vermutlich möchte man nicht sehen, dass es auch einfacher gegangen wäre. Womöglich hätte man sogar ein glücklicheres Leben gehabt ohne den Perfektionimus?
Also liebe junge, verlotterte Familien mit den unaufgeräumten Wohnungen: ich hoffe, euch geht es gut und ihr sitzt abends in dem Chaos, lasst Sauberkeitsnormen Normen sein und erfreut euch des Lebens.
„Können Sie mir sagen, ob es heute Abend stürmen wird?“
Die alte Dame auf der Seebrücke schaut mich fragend an. Ich warte auf die Kinder.
Die letzten Tage hab ich immer wieder in die Wetter App gestarrt und versucht herauszubekommen, wann es regnet und wann nicht und dabei festgestellt, dass das Wetter am Meer zu schnell wechselt als dass die Vorhersage wirklich zuverlässig wäre.
„Leider nein, ich habe es aufgegeben in die App zu schauen. Das ändert sich am Meer zu schnell.“
„Sie haben ja eigentlich Recht.“ Sie hält ein Handy nach oben, das aussieht wie eine Vergrößerung eines Handys. Lediglich das Display ist ungewöhnlich klein.
„Ich würde so gerne eine Wetter App haben. Aber ich kann mit meinem Seniorenhandy nur meine Kinder und die Taxizentrale anrufen. Nicht mal Fotos kann ich machen.“
Sie senkt das Telefon und zuckt mit den Schultern. „So ist das als Seniorin. Ich bin hier mit einer Seniorengruppe. Mitgehangen mitgefangen. Heute machen wir einen Ausflug nach Zingst. Morgen müssen wir Bingo spielen.“
Sie wirkt alles andere als vorfreudig.
„Ach, Bingo. Das kann Spaß machen. Und falsch machen kann man ja nichts. Die lesen Zahlen vor und wenn die Reihe voll ist, muss man laut schreien. In Berlin spielen das viele jungen Leute freiwillig.“
Sie seufzt. „Jedenfalls soll es heute Abend ordentlich stürmen, hab ich gehört.“
Wir schauen beide zum Himmel, der strahlend blau ist.
„Ach, das glaube ich nicht. Sieht doch richtig schön aus im Moment, oder?“
***
„Heutzutage schreibt doch keiner mehr Postkarten! Nur noch diese Emälz!“
Die elegante Dame am Nebentisch, die etwas übertrieben geschminkt ist, rümpft die Nase. „Total unpersönlich finde ich das.“
Ihr Begleiter, ein alter Herr um die 80 im Dreiteiler hebt die Schultern. „Ich kann keine mehr schreiben. Meine Schrift ist zu zittrig. Das kann niemand mehr lesen.“
„Schreibst du dann Emälz?“ Sie spricht das bei jedem Aussprechen mit der selben Verachtung aus.
„Ja, allerdings ist mir das Tippen zu anstrengend. Ich diktiere sie in Siri.“
„Wie bitte?“
„Siri.“
„Siri?“
„Ja, das ist ein Programm, da kann ich rein diktieren. Am Ende verbessere ich nur noch die Fehler.“
„Das geht einfach so?“
„Ja. Manchmal geht Siri auch einfach so an und fragt, ob sie helfen kann.“
Die beiden schweigen kurz.
„Siri?“ Fragt die Dame wieder.
„Ja. S – I – R – I.“
Die ältere Dame notiert sich die Buchstaben in einem kleinen Notizbuch mit Blättern, deren Rand vergoldet ist.
„Was ist Siri denn genau?“
„Ein Programm in meinem iPad. Ich stelle mein iPad in einen Leseständer und dann drücke ich zwei Mal die Taste „Fn“ und muss nur noch sprechen.“
Der Mann im Ausgehanzug spricht noch länger über Siri. Die Unpersönlichkeit von Emails ist kein Thema mehr.
***
„Ich brauche das alles nicht! Ich komme schon immer ohne diesen ganzen Schnickschnack zurecht. Das ist doch Lebenszeitverschwendung. Und dumm wird man dabei auch.“ Der alte Mann schüttelt den Kopf und pickt mit der Gabel ein Stück Torte auf.
Seine Gesprächspartnerin schaut ihn einen Moment prüfend an: „Ich komme mit dem Navi überall hin. Ich liebe das. Ausserdem ist das Internet ein Weg meiner Familie nahe zu sein. Meine Tochter schickt mir fast täglich Fotos. So viele schöne Bilder hätte ich früher nie zu Gesicht bekommen.“
Die Dame mit den rot gefärbten Haaren lächelt. Ihre Falten sind wunderschön
***
Seit ein paar Stunden sind wir mit unseren Rädern unterwegs. Ich bin total erschöpft. Das letzte Stück fahren wir auf dem Ostseeradwanderweg. Rechts von uns ist ein Campingplatz. Die Karawane stehen fein säuberlich in Reih und Glied. Ich trete angestrengt in die Pedale. Das mit dem Wind an der Ostsee ist ja auch kein Spaß.
Hinter mir ein Klingeln.
Ich fahre noch weiter rechts ran.
Ein Rentnerpärchen überholt mich.
Wwwwwwwwwwwww!
Ja. So ein E-Bike hätte ich echt auch gerne. Sehnsüchtig schaue ich den beiden hinterher.
Dieses Mal habe ich mich überreden lassen und im Urlaub mehr als 50 Euro pro Nacht ausgegeben. Das Resultat lässt sich sehen: Eine geräumige Ferienwohnung mit zwei Bädern.
Wer Kinder hat, weiß, dass zwei Bäder wirklich höchster Luxus sind. Man kann einfach auf Toilette gehen und wenn (wie immer) genau in diesem Moment eines der Kinder schreiend vor der Tür steht und verkündet, es müsse auch superdringend, ein Aufschub wäre auf keinen Fall möglich, die sofortige Einpullerung drohe, dann kann man ganz entspannt schreien: „NIMM DAS ANDERE BAD *********!!11!“
Im Vergleich zu den Ferienunterkünften, die wir aber bislang hatten, gibt es weitere Luxusbotschafter.
Da wäre zum einen das Feature Deko.
Die Wohnung verfügt z.B. über eine Vitrine mit Innenbeleuchtung. Am Tag des Einzugs, habe ich voller Freude ausgerufen: „Oh, schaut! Eine Vitrine!“
Die Kinder kamen interessiert angerannt und fragten: „Vi-trin-e? Was ist das?“ und Kind 3.0 betätigte dann gefühlte zweihundert Mal den Lichtschalter für die Innenbeleuchtung, während ich erklärte was eine Vitrine ist.
Da wir hier keinen Internetempfang haben, musste ich übrigens ohne googeln erklären. Meine letzte Vitrine hatte ich Anfang der 90er im Haushalt meiner Eltern gesehen. Ein schwerer Mahagonischrank, der nach Holzpolitur roch und einige, sehr bunte und sehr hässliche Bleikristallgläser und das Hochzeitsgeschirr beherbergte.
(Sie sehen schon, man kommt aus dem Erklären gar nicht mehr raus. Bleikristallgläser und Hochzeitsgeschirr…)
Ich versuchte es also mit: Eine Vitrine ist ein einsehbarer Schrank, der bestimmte Gegenstände des Haushalts, die aus irgendeinem Grund besonders sind, zur Schau stellt.
Auch sonst ist die Wohnung mit zauberhaften Details ausgeschmückt, die ganz sicherlich zu dem etwas übertriebenen Mietpreis beigetragen haben:
Die Ferienwohnung ist ein einziger Dekotraum
Kunstblumen, Vorhänge aus Kunstfasern, Klimbimbehängung an den Fenstern und aparte Skulpturen.
Die ersten Tage unseres Aufenthalts habe ich darüber nachgedacht, ob die Menschen, die diese Dinge erworben haben, tatsächlich finden, dass diese Gegenstände schön im Sinne von ästhetisch sind.
Ich gelangte dann aber zu der Einsicht, dass das unmöglich der Fall sein kann. Niemand kann diese Art Schmuck schön finden.
Was wäre aber die Alternative?
Kein Schmuck? Ok. Das ginge. Die meisten Anbieter von Ferienwohnungen, die weniger als 50 Euro pro Nacht kosten, verzichten vollständig auf Dekoration.
Nur – so schrieb ich ja schon zu Beginn – kostete diese Wohnung eben etwas mehr und der gehobene Anspruch braucht offensichtlich mehr als nur zwei Bäder.
Also schöne Deko kaufen?
Natürlich nicht. Man stelle sich die Diebstahlquote vor. Eine Ferienwohnung mit ausgesprochen ansehnlicher Deko ist ein fortwährendes Finanzrisiko.
Kaum hat man etwas schönes gekauft, zieht ein Ferienwohnungsgast ein, der nicht an sich halten kann und ein oder zwei Stücke der schönen Deko beim Auszug einsteckt und so tut als hätte es besagten Gegenstand nie gegeben.
Die Vermietenden müssten ständig nachkaufen.
Bei einer Saison von Mai bis September (5 Monate a 4 Mieterwechsel) und jeweils zwei entwendeten Gegenständen im Wert von 15 Euro beläuft sich der Schaden schon auf 600 Euro.
Würde man nun ständig die Deko nachrüsten, so schlüge sich das langfristig sicherlich auf den Mietpreis nieder, was dann aber bedeuten würde, dass man im Grunde mehr Deko kaufen muss, um den teureren Preis zu rechtfertigen und schwups befindet man sich ein einer Mietpreisspirale an der niemanden gelegen sein kann.
Also verzichtet man auf schöne Deko, kauft preisfreundliche Baumarktdeko und sorgt somit dennoch für kuschelige Ferienwohnungsatmosphäre.
Ganz einfach.
(Wie gesagt, hab ich durch anstarren der Deko in nur vier Tagen durch Nachdenken rausgefunden. Ich sag den Kindern ja immer, dass Nachdenken wirklich bei fast allen Problemen hilft. Es lohnt sich!)
Jedenfalls: Zwei Bäder und etwas Deko machen einen Mietpreis natürlich auch noch nicht fett.
Als weiteres Luxusfeautuere verfügt die Wohnung über Fernsehempfangsgeräte in jedem Zimmer. Wirklich in jedem Zimmer.
Die Kinder waren so begeistert, dass im Kinderzimmer ebenfalls ein Fernseher steht, dass sie die ersten Tage fasziniert den schwarzen Bildschirm anstarrten. Erst als die erste Woche fast vergangen war, fragten sie, ob sie das Gerät mal anschalten könnten.
Im Urlaub soll man ja alle fünfe mal gerade sein lassen und bekanntermaßen kann erfolgreiche Medienerziehung nur dann stattfinden, wenn der Umgang mit dem Medium erlernt wird. Das wiederum ist nur möglich, wenn man nicht verbietet sondern kontrolliert konsumiert.
Also an dem Tag im August an dem Bodenfrost angesagt war, sagte ich zu den Kindern: „Heute müsst ihr nicht schwimmen gehen, heute schauen wir fern!“
Erwartungsfroh schalteten wir also das Gerät an und schauten irgendwas. Ehrlich gesagt, kann ich mich wirklich nicht erinnern – denn das eigentlich interessante ist nämlich gar nicht das Programm sondern das sind – Sie ahnen es – die Werbepausen dazwischen.
Werbepausen sind ungemein faszinierend. Erstens sind sie unfassbar lang. Kind 3.0 lies sich in der ersten Werbepause (es war ja ahnungslos) wimmernd über die Bettkante fallen, es wollte doch sooo gerne weiter schauen, aber als die Geduld zu Ende war, war leider die Werbepause immer noch nicht am Ende… einfühlsam erklärte ich dass Werbepausen manchmal sehr, sehr lange gingen, dass das Kind aber tapfer durchhalten müsse, wenn es das Fernsehprogramm bis zum Ende schauen wolle.
Kind 3.0 gab sich einen Ruck, ging eine Runde im hauseigenen Schwimmbad schwimmen und kehrte pünktlich zum Ende der ersten Werbepause wieder.
Nach wenigen Stunden, also direkt am Ende des Zeichentrickfilms, den wir anschauten, schauten mich die Kinder verstört an.
„Mama, du bist alt. Warum tust du nichts dagegen? “
Kind 2.0 war bereits ins Bad geeilt und untersuchte meine Cremevorräte (also die eine Tube, die ich mitgenommen hatte).
„Keine Cremes mit Hyaluron? Nichts mit Repair-Komplex, kein Collagen-Boost? Nicht mal Skin Recovery oder Smoothing Effekt?“, stellte es mit leicht zitternder Stimme fest.
Kind 3.0 rollten schon wieder die Tränen über das Gesicht: „Aber Mama! Die sieben Zeichen der Hautalterung?“
Jetzt war ich auch alarmiert!
Trockenheit!
Große Poren!
Fältchen!
Pigmentflecken!
Schlaffheit!
Verlust an Lipiden! (OMG! WOHIN GEHEN DIE LIPIDE???)
Verlust an Collagenen (auch sie… einfach fort?)
Die Kinder kontrollierten mein Gesicht. Zumindest fünf Zeichen waren eindeutig identifizierbar. Wobei man bei den Pigmentflecken ja sagen muss, in meinem Alter weiß man eben nicht so genau, ob es sich um jugendliche Sommersprossen oder älterliche Altersflecken handelt – deswegen ist Pigmentfleck ein sehr klug gewählter Begriff. Sowas hat ganz bestimmt jede/r.
Mit 7 Zeichen der Hautalterung ist man noch harmlos dabei, wie Google beweist
Da saßen wir bedröppelt und besorgt.
Nicht nur, dass mir bis vor einigen Tagen gar nicht klar war, wie es um mich und meine Haut steht, weil ich lieber Pokémon Go gespielt habe, als mich um meine Makel zu kümmern – nein – wir haben das alles als völlig normal hingenommen.
Ich dachte: ich bin jetzt über vierzig. Da hat man das ein oder andere Fältchen. Das Doppelkinn erschlaffft langsam, die Nasolabialfalte wird tiefer.
Ich war sozusagen einfach so im Reinen mit mir.
Ein bisschen zu viel Speck am Bauch, Falten im Gesicht, gelegentlich glanzloses Haar.
Hingenommen habe ich diese Veränderung.
Naja ICH – WIR alle haben das.
Wir dachten, es gäbe einen Unterschied zwischen Kindheit, Jugend, Adoleszenz und Alter, der sich auch in unterschiedlichem Aussehen niederschlägt.
Die Werbung hat uns aber glücklicherweise die Augen geöffnet und zwar gründlich.
Ich bin ein einziger Makel. Eine Schande. Der Archetyp von Unperfektion.
NATÜRLICH geht das nicht. NATÜRLICH kann ich nicht einfach altern und gar Übergewicht bekommen. Was hab ich mir nur dabei gedacht! Ich kann doch Eiweißshakes trinken, hungern, Bodyshapeunterwäsche tragen, ergraute Haare färben, Falten wegcremen und meinen Teint mit Makeup perfektionieren!
Ich verschwinde dann mal kurz im … Moment! Eines der Kinder ruft. Oh? Hier gibt es ein Pikachu! Oh wie toll! Boah! Mit 354 WP!
Kennt ihr diese American Football-Filme, in denen die Spieler zu Beginn des Spiels mit angespannten Muskeln in einem Kreis stehen, ihre Köpfe zusammen stecken und sich dann ermutigende Dinge zuschreien und dann irgendwelche rhythmische Urlaute von sich geben (naja eher brüllen)?
So stehe ich unter der Dusche. Also nicht immer und auch nicht mit zehn anderen Frauen – aber in der Vorurlaubszeit, wenn ich darüber nachdenke, wie viele Sachen ich mitnehmen kann.
Beziehungsweise korrekter wäre es ja zu sagen nicht mitnehmen kann.
Es ist nämlich so, dass wir mit dem Auto in den Urlaub fahren und ich neulich auf Twitter erfuhr, dass mein Freund einen Polo fährt.
Bislang dachte ich immer, er fährt einen Golf (Ganz genau gesagt, dachte ich immer, er fährt ein nicht weiter spezifiziertes silbernes Auto).
Was das für eine Rolle spielt? Eine ziemlich relevante. Denn 280 Liter statt 380 Liter [1] Platz im Kofferraum, das bedeutet v.a. Verzicht.
Im Grunde sind die 280 Liter schon mit dem Allernötigsten gefüllt. Playstation, Rechner, iPads, diverse Ladekabel, extra Fotokamera, Gameboys, Ball, Kartenspiele, Brettspiele, Strandmuschel, Sonnenschirm, Picknickdecke, Sandspielzeug, Bademäntel, Onesies, Milchschäumer, Kaffeemaschine, Sandwichmaker, Crepesbereiter, Popcorn-Maschine.
Zack. Voll. Und da ist noch nicht mal Kleidung dabei. Der 14 Tage Wetterbericht kommt uns da auch nicht entgegen und prophezeit von Regen bei 18 Grad bis prallen Sonnenschein bei 30 Grad alle Variationen.
So spart man sich einen halben Koffer pro Person
Andererseits – was soll’s. Platz im Kofferraum gibt es ohnehin nicht. Also werden wir alles übereinander anziehen – also zumindest diejenigen, die nicht das Auto steuern, denn ich habe errechnet, dass man die Arme, wenn man alle Kleidungsstücke, die man bei dieser Wetterlage benötigt, übereinander anzieht, nur noch in einem 90 Grad Winkel parallel zum Körper abstrecken kann. Es wird sogar schwierig werden die Körpermitte so zu knicken dass man sich hinsetzen kann.
Für die Kinder vielleicht nicht so ein großes Problem. Die kann man hinten übereinander schichten und anschnallen. Vermutlich ist das sogar ziemlich sicher, weil sie ja gut gedämmt sind.
Der oder die Beifahrerin muss von der FahrerIn an der Beifahrertür in Position gebracht werden und dann ganz sanft mit dem Fuß und etwas Druck aufs Bein in die Sitzposition gedrückt und dann mit den Sitzgurten fixiert werden.
Bleiben nur die Badsachen. Zahnbürste und Zahnpasta ok, diese beiden Utensilien kommen auf jeden Fall mit – doch dann fängt es schon an. Kann man mehrere Wochen ohne Zahnseide leben? Ohne Mundspülung?
Was ist mit den Schminksachen? Und die Spülungen, Shampoos und Duschgels? Was mit Körpercremes und Bodyscrubs?
Und in meinem Alter: die Medikamente (und das sind wirklich nicht wenige). Wo sollen die hin?
Während ich über all diese Dinge also nachdenke und im Kopf plane, wie ich nur mit dem allerwichtigsten auskomme, schreie ich mir so wie diese Footballspieler Mut zu. HUG HUG HUG! DU SCHAFFST DAS. EIN PAAR WOCHEN URLAUB NUR MIT ZAHNBÜRSTE. EIN SHAMPOO FÜR ALLE. DUSCHEN KÖNNEN WIR UNS AUCH DAMIT! HUG HUG HUG!
[1] Sie erwarten von einem Menschen, der Autos aus Desinteresse nur anhand ihrer Farbe unterscheidet doch nicht eine Differenzierung von Unterarten und Baujahren der Polo und Golfreihe, nein? Gut.
Die Kinder sind ganz hervorragend gelungen bislang. Ich würde mir jetzt sehr gerne auf die Schulter klopfen und mich loben, doch ich glaube, das hat andere Gründe.
Erstens, sie sind schon perfekt geboren.
Und zweitens: Sie haben jeweils fünf Jahre den wunderbarsten Kindergarten der Welt besucht.
Rein rechnerisch, da muss man ehrlich sein, haben sie mit den Erzieherinnen und Erziehern (ja! Wir haben tatsächlich auch Männer!) deutlich mehr Zeit verbracht als mit mir. Jeden Wochentag acht Stunden nämlich. Mit mir haben sie an einem Wochentag nur 5,5 Stunden verbracht.
Ich weiß, dass es Menschen gibt, die bei diesem Gedanken den Kopf schütteln. Wie kann man nur! Wie kann man nur das arme, kleine Kind so früh und so lange fremdbetreuen lassen?
Ich gebe zu, bevor ich nach Berlin kam, dachte ich auch, sowas machen nur irgendwelche egomanen Menschen, die ihre Kinder aus undefinierbaren Gründen bekommen. Vielleicht einfach als Statussymbol?
In Berlin aber, da wird man meist wie ein Auto angeschaut, wenn man z.B. sagt, dass man mehr als 12 Monate Elternzeit nimmt: „Ja habt ihr euch denn nicht um einen Kindergartenplatz gekümmert?“
Tja. Ich habe es z.B. nicht geschafft die Kinder im August zu gebären. Vielleicht haben sie noch keine Kinder und wissen deswegen gar nicht, dass man Kinder nur im August bekommen sollte? Ich gebe zu, ich wusste das auch nicht. Hab sie einfach unterjährig bekommen und mich nicht nach dem Kindergartenjahr gerichtet.
Dabei ist es eigentlich ganz logisch. Wenn niemand wegzieht, gibt es für jedes eingeschulte Kind genau einen Platz und der startet im August.
Wusste ich nicht. Deswegen war Kind 3.0 z.B. steinalt als es eingewöhnt wurde. 18 Monate nämlich. Kind 2.0 hingegen 11 Monate.
Doch zurück zum Anfang.
Als ich schwanger wurde, begab ich mich auf Kindergartenplatzsuche. Auf gefühlten 200 Listen stand ich, von keiner Einrichtung bekam ich eine Zusage.
Dann machte um die Ecke ein Kindergarten neu auf. Das war allerdings schon 10 Monate nach der Geburt von Kind 2.0
Ich lief also mit Kind 2.0 rein und fragte nach einem freien Platz. Während ich mit der Leiterin sprach, krabbelte Kind 2.0 an mir vorbei, setze sich im Bastelraum auf einen der Miniaturstühle und begann zu basteln.
„Was hast du denn? Ein Mädchen oder ein Junge?“
Ich werde diesen Moment nie vergessen. So lange war ich schon auf der Suche, mir lag auf der Zunge zu sagen: „Was braucht ihr denn? Wir bekommen das noch umerzogen im Fall der Fälle.“
War dann aber gar nicht nötig. Das Geschlecht passte. Ich bekam das pädagogische Konzept in die Hand gedrückt und sollte mich Ende der Woche wieder melden.
Kind 2.0 hingegen war schon komplett integriert und lies sich nur widerstrebend mitnehmen.
Abends las ich das Konzept und dachte: „Himmel, wenn die hier 50% von dem gebacken bekommen, dann ist das der beste Kindergarten der Welt.“
Acht Jahre später kann ich sagen, sie haben jede gottverdammte Zeile umgesetzt. Jede.
Die tatsächliche Eingewöhnung mit Kind 2.0 war dann v.a. eine Entwöhnung für mich. In einem zehn Tage Programm lernte ich, dass mein Kind sich für andere Menschen als für mich begeisterte und das auch völlig OK so war.
Die Erzieherinnen waren sehr einfühlsam und geduldig mit mir.
Die Eingewöhnung mit Kind 3.0 dauerte ebenso lange. Allerdings hatte ich da schon kapiert, dass Kinder v.a. andere Kinder toll finden. Die Schwierigkeit war, Kind 3.0 an Abläufe zu gewöhnen. Bislang lebte ich nämlich mit Kind 3.0 so in den Tag hinein. Für nichts gab es eine feste Zeit. An einen regelmäßigen Mittagsschlaf war nicht zu denken.
Als das Kind am vierten Tag immer noch nicht in der Kita schlief, war ich etwas verstört. Doch auch hier hatten die Erzieherinnen Geduld mit mir.
Währenddessen gewöhnten sie Kind 3.0 an feste Punkte im Tagesprogramm. Kind 3.0 gab dann an Tag sieben nach, bestand aber darauf, dass alle Schlaflieder miaut wurden.
Als ich einmal im Nebenzimmer saß und eine der Erzieherinnen „Guten Abend, gute Nacht“ in „miau-miau miau miau miaumiau, miaumiaumiaaau iauuu“ singen hörte, zerschmolz mein Herz.
Meine Kinder waren so wunderbar dort aufgehoben. Es gibt keine Worte. Die Erzieherinnen und Erzieher sind für mich Engel*. Ihre Geduld, ihre Herzenswärme und ihr unbedingter Wille die Kinder zu begleiten und erblühen zu lassen, sie lassen sich nicht in Worte fassen.
Ganz besonders freue ich mich, dass die Erzieherinnen und Erzieher frei jeder Genderklischees sind. Jedes Kind durfte sich interessieren für was es sich interessieren wollte. Es gab keine Mädchenfarben, keine Jungsspielsachen, keine unnötigen Zuschreibungen. Wollte ein Junge Prinzessin sein, dann war er es. Wollten die Mädchen Fussball spielen, dann haben sie das gemacht.
Die Kinder wurden immer mit ihren Eigenheiten und Besonderheiten wahrgenommen. Als Individuen ernst genommen.
Wenn Kind 3.0 von irgendeinem Thema begeistert war, dann durfte es das im Kindergarten ausleben, hier: Pokémon
Die Kinder durften alles ausprobieren und bekamen immer Antworten. Es wurden Socken eingepflanzt, um ein für alle Mal zu klären, ob Socken an Bäumen wachsen. Es wurden sich Filme zum Thema Urknall angeschaut und wochenlang wurde jede Frage zu Rochen beantwortet. Es wurde gekocht, gebacken, gemalt (bei Kind 3.0 gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt, gemalt), gebastelt, gesungen, gelacht, geredet.
Es war für jedes Gefühl Platz, es gab immer Respekt und Liebe.
Jedes Kind wurde angenommen.
Ja, angenommen – das ist eigentlich das Stichwort.
Die Kinder kommen aus dem Kindergarten und wissen: Ich bin richtig, wie ich bin. Ich glaube, mehr kann man sich von einem Kindergarten (ach was, von irgendeinem nahestehenden Menschen) nicht wünschen.
Dafür bin ich so unendlich dankbar!
Wenn die Kinder später noch verhunzen – am Kindergarten lag’s nicht. So viel ist klar.
*schon das dritte Religionsding, ich bin einfach beseelt!
Wir ziehen alle weiße Hemden und Krawatten an. Gleich gründen wir ein Unternehmen.
Ich trage einen Kopf aus Schaumgummi, der fast so groß ist wie der Rest meines Körpers. „TURBOKAPITALISMUS IST VIEL SCHÖNER ALS SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT!!!“, schreie ich aus vollem Halse und laufe Kreise.
In der Lobby kann man Geschäfte anbandeln. Nicht alle sind 100% sauber.
Warum ich das tue? Um Punkte für meine Fähigkeit Lobbyismus zu sammeln. Die Lobbydame braucht nämlich Aktien. Damit ich die bekomme, muss ich das tun, was ich gerade tun. Hat mir der Schatzmeister aus dem Tresor befohlen.
Tatsächlich bekomme ich nach Ausführung meiner Aufgabe einen schönen Stapel Aktien ausgehändigt und laufe wieder zur Lobbydame. Ich händige ihr zwei Stück aus.
„Nur zwei?“, fragt sie.
„Ja, Sie haben ja nur gesagt, dass sie Aktien brauchen. Zwei ist Plural. Haben Sie mehr erwartet?“
„Naja, drei hätte ich schon gerne gehabt, aber das ist jetzt auch egal.“
Sie hebt ihr iPad und erhöht meinen Wert für Lobbyismus. YES! Die geklauten Aktien übergebe ich einem Mitspieler. „Mach‘ sie zu Geld!“, raune ich ihm zu.
Moment! Wovon rede ich da eigentlich?
Am Samstag habe ich bei „Monypolo – Liebe Dein System“ mitgespielt. Eine Art Mitmach-Theater. Es gibt ca. 20 Schauspielerinnen und Schauspieler, die feste Aufgaben haben, ein paar Regeln und geschätzte 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Eine davon bin ich.
Ich habe gerade mit fünf anderen Spielerinnen und Spielern ein Unternehmen im Bereich Dienstleistung gegründet. Wir haben das Monopol in diesem Bereich. Die anderen waren mehr an der Rüstungs- und Pharmaindustrie interessiert. Einige arbeiten auch im Bereich Textil, Energie oder Lebensmittel.
Jetzt müssen wir Kapital bilden und unsere Fähigkeiten ausbauen. Je höher die Fähigkeiten, desto höher der Ertrag.
Ich absolviere also Aufgaben ohne Ende um irgendwie zum Gedeihen meines Unternehmens beizutragen. Meine Kolleginnen machen was ähnliches, glaube ich jedenfalls, so richtig haben wir uns nicht abgesprochen. Unternehmensstil „diffus“ haben wir in unser Gründungsformular eingetragen, das wir bei der Kammer eingereicht haben. Das trifft es ganz gut.
Das Spiel läuft mehrere Marktzyklen durch. Jeder Zyklus hat 90 Tage, die Tage laufen in einer Projektion runter wie ein Countdown.
Unsere Firma dümpelt so dahin. Mittelfeld.
Jeder Zyklus wird mit einer Bilanz beendet. Die Herren der Kammer verlesen dann die Ergebnisse, senken oder erhöhen Steuern oder verlesen andere Regeländerungen.
Man erahnt an der Ausstattung des Tresors, dass das Geld nicht nur in die Firmen fließt.
„Wer Platz 2 ist, ist egal. Es zählt nur der erste Platz. Es gibt keine zweiten.“, verkündet der Mitarbeiter der Kammer.
In der Zwischenzeit gab es Fusionen. Ein Pharma-Rüstungskonzern steht an der Marktspitze.
OK! Ich muss an meiner Skrupellosigkeit arbeiten. Dafür muss ich einem Spieler sein Plüschschweinchen klauen. Diplomatie brauche ich auch! Fast scheitere ich an meiner Aufgabe: Ich muss einen Tisch korrekt eindecken. Irgendwas von innen nach außen, Dessertlöffel nach oben, aber der Rest?
Immer noch zu wenig Geld. Wir beschließen also Investoren aufzusuchen.
Nicht unbedingt einladend, der Vorraum zur Finanzierung
Nicht gerade freundlich diese Finanzierungsräume. Wir werden gemeinsam eingesperrt, das Licht wird aus gemacht, an den Wänden erscheinen in neonfarben Sprüche. Wir haben 60 Sekunden unser Unternehmen vorzustellen. Wie in diesen Realityshows.
45.000 bekommen wir, allerdings wollen die Investoren zu 40% am Gewinn beteiligt werden.
Wir versuchen zu handeln und obwohl unser CEO (den es in der Zwischenzeit gibt) sehr eloquent ist, setzen wir uns nicht so richtig durch.
Den Bereich Innovation sollen wir ausbauen. Alles klar, denke ich, und laufe zum Labor, wo das geht. Zu meiner großen Freude muss man dort basteln. Einen ganzen Wirtschaftszyklus bastle ich also.
Sport im Schaumgummibecken. Hab schon weniger anstrengendes gemacht.
Dann muss ich nach Übersee, wo ich in einem Schaumgummipool Sport machen muss (ich schwitze!) und dann am Strand Treibgut einsammele, um daraus Schmuck zu fertigen.
Unser Kapital allerdings will einfach nicht wachsen.
Ich verdächtige einen meiner Kollegen, dass er im Tresor, wo er öfter ist, unser Geld verspielt. Dort kann man nämlich dem Glücksspiel frönen…
Eine Spielstunde später verstehe ich etwas peinlich berührt, dass ich das ganze Geld ausgegeben habe. Wie im echten Leben kostet Fortbildung nämlich eine Menge Geld. Der Ausbau meiner Fähigkeiten, die in der Zwischenzeit sehr gut ausdifferenziert sind, hat schlappe 50.000 gekostet.
Upsi. Fährigkeiten erwerben kostet Geld. Ich hab aus Versehen ziemlich viel Geld ausgegeben.
Im letzten Spielzyklus erkennen wir, dass wir nicht mehr gewinnen können. Wir entscheiden unseren gesamten Kapitalwert an der Bar zu verjubeln (das geht!).
„Was hast du eigentlich gemacht ausser unsere Finanzierung klar zu machen? Hast du deine Eloquenz noch anders einsetzen können?“, frage ich meinen Freund, der auch mit dabei war.
„Ich musste jemanden unangenehme Dinge durch die Blume sagen. Dafür habe ich eine Vase mit Blumen vor mein Gesicht gehalten und einer fremden Frau gesagt, dass ihre Augenringe wie kleine Teetassen aussehen.“
Ich muss lachen und sonst?
„Habe ich versucht die Spielregeln zu verstehen und habe verhandelt.“
Wir stoßen mit unserem Bier an. Die anderen Firmenmitglieder haben in der Zwischenzeit einen Fusionierungsvertrag gegengezeichnet. Gut, dass die nicht die TAN Liste für Firmenaktionen haben. Bestimmt wäre ich sonst entlassen worden.
Ich hatte am Samstag viel Spaß bei Monypolo. Leider war das auch schon die letzte Vorstellung. Letztes Jahr hat das Team, „Das Spiel des Lebens“ angeboten. Nächstes Jahr wird es wieder etwas geben. Folgt den Spielemachern Prinzip Gonzo doch auf Twitter oder abonniert deren Newsletter oder den des Ballhaus Ost. Dann könnt ihr 2017 auch mitmachen.
Sechs Stunden war ich heute mit Marcus Richter unterwegs (der u.a. Radiojournalist für Digitales und Spiele ist). Das hat sich gelohnt. Ich habe viel gelernt und zwei Level geschafft.
Hier und da habe ich schon etwas gelesen und im Vorfeld bereits meine eigenen Erfahrungen gemacht, aber weil ich so einen Spaß hatte, teile ich mein Wissen einfach mal.
Es gab nämlich eine Menge, was ich nicht wußte.
Wie levele ich am schnellsten?
Um bei Pokémon Go ein Level höher zu kommen, muss man Erfahrungspunkte sammeln.
Ich nehme an, die meisten sind schon bei Level 10. Um bis Level 15 zu kommen, braucht man pro Level 10.000 Erfahrungspunkte. Level 15 auf Level 16 15.000 Erfahrungspunkte, dann bis Level 19 jeweils 25.000, danach wird es mit 50.000, 75.000 und 100.000 (usw.) richtig anstrengend.
Erfahrungspunkte bekommt man im Wesentlichen durch den Besuch von Pokéstops, durch das Fangen von Pokémons oder aber, wenn man Pokémon entwickelt.
Die Punkte schlüsseln sich grob wie folgt auf (keine vollständige Liste):
Ein Pokémon das 1. Mal fangen: 600 Punkte
Ein Pokémon fangen, das man schon mal gefangen hat: 100 Punkte
Pokéstops leeren: 50 Punkte
Ein Pokémon das 1. Mal entwickeln: 1000 EP
Ein Pokémon von der 1. in die 2. Stufeentwickeln: 500 EP
V.a. das Entwickeln von Pokémon lohnt sich also (da man das Fangen von unbekannten Pokémon ja leider nicht planen kann).
Das Prinzip lautet also: möglichst viele Pokémon fangen (und erstmal behalten!), die wenig Bonbons kosten bei der Entwicklung. Allen voran ist das z.B. Taubsis und Hornlius. Beide kosten 12 Bonbons um sie in die nächste Stufe zu entwickeln.
Da warten viele Erfahungspunkte
Jetzt kommt der Trick: Setzt man ein Glücksei (schaut mal in euren Items nach) ein, so verdoppeln sich die Punkte.
Hat man ausreichend Pokémon gesammelt, kann man in 30 min (solange ist das Glücksei aktiv) locker 1-2 Level schaffen (kommt natürlich drauf an in welchem Level man ist, denn jedes höhere Level benötigt mehr Erfahrungspunkte). Ich war Level 14 und habe es nach unserer Wanderung heute in das 16. Level geschafft.
Schaut euch vorher an, welche Pokémon ihr entwickeln könnt und wie viel Bonbons ihr braucht. Verschickt dann alle Pokémon, die ihr nicht entwickeln könnt und zwar bevor ihr das Glücksei einsetzt. Das spart wertvolle Zeit.
Entwickelt ihr Pokémon von der selben Art, nehmt die, welche die meisten WP haben.
Rein von den Erfahrungspunkten her sollte man also möglichst viele Pokémon von Stufe 1 auf Stufe 2 bringen. Allerdings sollte man sich strategisch überlegen, ob nicht doch ein Pokémon von Stufe 2 auf Stufe 3 entwickelt werden sollte.
Es kostet zwar mehr Bonbons (bei den Taubogas 50 wenn man ein Tauboss möchte, von Taubsi auf Tauboga allerdings nur 12 Bonbons!), es kann aber unter Umständen ein stärkeres Pokémon mit mehr Wettkampfpunkten (WP) entwickelt werden.
Speziell für die Taubsis gibt es bereits einen Taubsi-Rechner.
Wisst ihr, wie ihr sehen könnt, ob ein entwickeltes Pokémon ein bereits vorhandenes Pokémon der selben Evolutionsreihe überholt?
Man sieht es an der Position des Punktes auf dem Bogen hinter dem Pokémon. Im Bild sieht man gut, dass der Traumato den bereits vorhandenen Hypno in Sachen WP überholen wird.
Also hier einfach abwägen, ob man mehr Wettkampfpunkte haben möchte oder mehr Erfahrungspunkte.
Wie viele Pokémon man zu Bonbons verarbeitet, welche Pokémon in welcher Stufe man weiterentwickelt, ist nicht ganz einfach, wenn man ein paar Duzend hat. Ich habe mir eine Liste geschrieben und so in 12 Minuten 13 Pokémon weiter entwickelt.
Die restlichen 18 Minuten kann man Pokéstops abgrasen und Pokémons fangen – denn auch hier werden, wie oben erwähnt, die Erfahrungspunkte verdoppelt.
Warum überhaupt ein hohes Trainerlevel erreichen?
Ganz einfach: Je höher das Trainerlevel, desto mehr WP können die Pokémon haben, die ihr findet. Das stärkste Pokémon, das ich bislang gefunden habe, hatte über 500 WP!
Wo finde ich denn am meisten Pokémon?
In Berlin ist die Antwort leicht. Da wo es viele Touristen gibt und möglichst viele Pokéstops eng aneinander stehen.
Ich kann da z.B. das Sowjetische Ehrendenkmal in der Straße des 17. Juni empfehlen. Da stehen drei Pokémonstops aneinander, die eigentlich nonstop mit Lockmodulen ausgestattet sind.
Wir saßen so lange da, dass uns das Taubsi, Rattfatz und Hornliu einfangen irgendwann langweilig wurde.
Viele andere touristischen Ecken sind ebenfalls ständig mit Lockmodulen besetzt. Die Gegend um den Reichstag, das Brandenburger Tor und unter den Linden etc. ist sehr ergiebig.
Wie finde ich Pokémons, die ich noch nicht habe (oder haben will)?
Pokémons, die man noch nicht hat, erscheinen unten rechts als grauer Schatten. Die Anzahl der Schritte deutet an, wie weit sie entfernt sind. Nur: Woher weiß man, in welche Richtung man laufen muss?
Man dreht sich ganz langsam um die eigene Achse und folgt dem pulsierenden Kreis um den Trainer herum. Wenn die Richtung korrekt ist, pulsiert die graue Anzeige unten grün zurück.
Wer es ganz genau wissen will, der kann auch Pokévision benutzen. Auf dieser Karte wird die genaue Position der Pokémon einer bestimmten Umgebung angezeigt und es gibt auch eine Zeitangabe, wie lange sie dort zu finden sind.
Das ist ein bisschen gecheatet, aber naja.
Der Akku! Der Akku, er geht so schnell leer! Was kann ich tun?
Nun. Wenn man wirklich ein paar Stunden unterwegs ist, dann wird man um eine Powerbank nicht drumrum kommen. Ein bisschen Strom spart ihr durch: Helligkeit des Displays runterregeln, Stromsparmodus des Handys aktivieren und in Pokémon Go unter Einstellungen das Häkchen bei Batteriesparer setzen.
Wie besetze ich eine Arena?
Dieses Ding mit der Arena ist echt kompliziert. Ich habs von alleine überhaupt nicht verstanden. Lacht mich ruhig aus… Meine erste Erkenntnis war: Man muss tatsächlich kämpfen.
Wusste ich nicht, ich dachte, das wird irgendwie über die Wettkampfpunkte ermittelt.
Weil das Thema wirklich komplex ist, hier meine Tageserkenntnisse in Stichpunkten. Details findet ihr anderswo (z.B. hier).
Man kann kämpfen (aufs Display tippen)
Man hat eine Sonderattacke (wenn der blaue Balken unter dem Lebensbalken voll ist, lange aufs Display drücken)
Man kann ausweichen (nach rechts oder links wischen)
Hat man gewonnen, muss man die Arena besetzen! (Da muss man manchmal schnell sein, deswegen das stärkste Pokemon nicht an die erste Kampfposition, sondern an die letzte, so könnt ihr mit dem stärksten Pokémon die Arena besetzen)
Wenn man die Arena besetzt hat, kann man den Verteidigungsbonus im Shop claimen.
Wenn man denkt, dass man es schafft mehrere Arenen gleichzeitig zu besetzen, im Shop erst den Verteidigungsbonus claimen, wenn man die maximale Anzahl an Arenen besetzt hat (es gibt dann mehr Goldmünzen und Sternenstaub).
Einmal im Shop einen Sieg geclaimt, wird das Ganze für 20 Stunden gesperrt. Egal wie viele Arenen ihr in dieser Zeit noch erobert – ihr bekommt nichts mehr dafür.
Ist man im gleichen Team, kann man zu mehreren Personen eine Arena angreifen. Wichtig ist, dass man relativ gleichzeitig GO drückt. Man hat dann auch mit deutlich weniger WP eine gute Chance zu gewinnen.
Um eine Arena zu besetzen, muss man so lange kämpfen, bis das Prestige der Arena auf Null gesenkt wurde. Das bedeutet oft, dass man mehrere Male ran muss.
Je nach Level der Arena gibt es mehr als ein Pokémon in der Arena. Man kann sich alle anschauen, indem man über das Display wischt.
Hat die Arena bereits die Farbe des eigenen Teams, kann man immerhin noch trainieren. Dafür gibt es Erfahrungspunkte.
Hat die Arena ein hohes Level und ist von der eigenen Teamfarbe besetzt, kann es sein, dass es noch einen freien Platz gibt. Schaut nach. So kann man auch ohne Kampf eine Arena besetzen.
Pokémon, die eine Arena besetzen, stehen in dieser Zeit nicht für weitere Kämpfe oder Aktionen zur Verfügung.
Man sieht, dass eine eroberte Arena besiegt wurde, wenn das eigene Pokémon wieder da ist.
Nach den Kämpfen muss man die Pokémon (bei Items) wiederbeleben und heilen.
Hab ich sonst noch Tipps?
So schön, die Augmented Reality Funktion ist, es ist viel einfacher Pokémon zu fangen, wenn man sie ausstellt.
Wenn man den Pokéball in eine Richtung kreist und dann in die andere wirft, hat man einen Curveball. Den Curveball erkennt man an den Glitzersternchen. Trifft man mit einem Curveball, erhält man für das Fangen eines Pokémons mehr Erfahrungspunkte.
Lasst eure Kinder ran. Die lernen wahnsinnig schnell, welches Pokémon welche Fähigkeit hat und gegen welches andere Pokémon besonders effizient eingesetzt werden kann. Echt jetzt.
1995 habe ich Abitur gemacht. 1975 bin ich geboren.
Natürlich hatte ich in der Schule auch Geschichte und dadurch einen groben Plan, welche Krisen die Welt, welche Krisen Deutschland in meiner Kindheit und Jugend durchlebt hat.
Tatsächlich aber war ich bis in die 90er im Großen und Ganzen sorglos. Es gab nur wenig, das ich aktiv mitbekommen hatte. Tschernobyl (1986) zum Beispiel. Für mich als Kind bedeutete das eine zeitlang Spielplatzverbot und wir hörten auf Pilze zu sammeln, etwas, das ich als Kind sehr gerne mit meinen Eltern gemacht habe.
Ich bin in Bayern groß geworden und wir hatten einen Hund, was bedeutete, dass wir jeden Sonntag lange Spaziergänge im Wald gemacht haben.
In der Herbstzeit haben wir die Spaziergänge genutzt, um Pilze zu sammeln. Trompetenpilze, Steinpilze, Maronen hauptsächlich. Wir haben alle Pilze in einen Korb gepackt und sind dann zu einer alten Frau, die sich mit Pilzen sehr gut auskannte. Sie kam mir damals wie eine Hexe vor.
Ich erinnere mich an eine kleine, sehr faltige, gebeugte Frau, die uns an einem Steintor erwartete. Sie schaute sich an, was wir gesammelt hatten, sortierte die ungenießbaren Pilze aus, behielt einen kleinen Anteil für sich und dann gingen wir nach Hause, machten die Pilze sauber und kochten sie.
Mit Tschernobyl war das vorbei.
Dann in den 90ern, ich war schon im Gymnasium und hatte das Fach „Politik und Zeitgeschichte“ belegt, sorgten wir uns als der zweite Golfkrieg (1990) ausbrach.
Genau in diesem Sommer war ich mit meinen Eltern in Istanbul bei Freunden zu Besuch. Diese hatten große Angst vor möglichen Folgen und Eskalationen. Ich meine mich düster zu erinnern, dass sie sogar mit Gasmasken und anderen Sachen ausgestattet waren, um sich vor Biowaffen zu schützen. Sie baten uns Istanbul zu verlassen und zurück nach Deutschland zu gehen.
Sonst war meine Kindheit und Jugend völlig unbeschwert. Ich habe nichts mitbekommen.
Wie ging es damals meinen Eltern?
Heute, da ich selbst Mutter bin, frage ich mich, wie das damals für meine Eltern war. Haben sie sich ständig gesorgt? Waren sie geschockt von dem was passierte? Wie viel bekamen sie mit?
Vom Kalten Krieg (von der Nachkriegszeit bis 1989) hörte ich beispielsweise wirklich erst im Geschichtsunterricht.
Auch für den Deutschen Herbst (1977) war ich natürlich viel zu klein. Aber wie haben sich meine Eltern gefühlt?
Was will ich eigentlich sagen? Ich will sagen, ich bin voller Sorge. Ich weiß auch gar nicht, was mich am meisten sorgen soll. Die Aussicht auf einen Präsidenten Trump? Die Zustände in den „Flüchtlingsländern“? Der Terror, der langsam über Spanien und Frankreich nach Europa zieht? Dass Europa langsam zerbricht? Die Zustände in der Türkei? Schießereien in den USA? Amokläufe in Frankreich? In Deutschland?
Den Putsch in der Türkei und den Amoklauf in Nizza und auch den in München habe ich auf Twitter mitbekommen. Ich wurde überflutet von Nachrichten und Fotos. Das Problem ist nur: die Nachrichten sind im Grunde alle inhaltslos. Die meisten Bilder sind verstörend, für die Menschen vor Ort vielleicht sogar gefährlich und ich kann ihren Wahrheitsgehalt nicht ausmachen. Trotzdem fällt es mir schwer nicht durch meine Timeline zu scrollen.
Das erste Mal war ich auch froh, dass Facebook diese „markiere, dass du dich in Sicherheit befindest“-Funktion hat. Denn ich habe sowohl Freunde in Nizza als auch in München.
Gestern habe ich mich gefragt, ob 2016 wirklich ein schlimmes Jahr ist oder ob einfach die Transparenz höher ist. Ob mich Nachrichten leichter erreichen.
Ich habe erst seit knapp zehn Jahren ein Smartphone und Accounts bei facebook, Twitter und Co.
Davor war alles ruhig. Ich hatte nicht mal einen Fernseher.
Durch Twitter wird jede Katastrophe zum 11. September
Mit Ausnahme des 11. Septembers 2001 habe ich nie etwas live mitbekommen. Wenn etwas passierte, dann habe ich das morgens in den Schlagzeilen der Zeitungen gelesen, die in den Kiosken auslagen.
Wie hypnotisiert saß ich am 11. September vor dem Fernseher eines Freundes. In Dauerschleife sah ich Flugzeuge in das World Trade Center fliegen. Immer und immer wieder. Stundenlang.
Dann sah ich irgendwann Menschen aus den Gebäuden springen. Kleine, schwarze Flecken. Diesen Anblick werde ich nie vergessen. Erst da habe ich den Fernseher abgeschaltet.
Durch Twitter sind quasi alle Katastrophen, alle Anschläge, alle Amokläufe so nah wie der 11. September. Das ist unerträglich und hilft niemanden.
Deswegen wünsche ich mir die Zeit zurück, in der mich Zeitungen am nächsten Morgen oder Tag erst informierten. Ich wünsche mir die Zeiten zurück in denen Journalisten nicht senden und posten sondern nachdenken und recherchieren dürfen.
Ich will mir nicht von einzelnen Tweets angetrieben in Panik Infos auf Wikipedia selbst zusammensuchen und versuchen zu erahnen wie sich Geschehnisse auswirken könnten.
Ich möchte, dass es weiterhin Experten gibt und zwar Experten, die sich jahrelang mit einem Thema beschäftigt haben, die Zusammenhänge und Akteure kennen, die über ihre Wortwahl nachdenken können. Die Durchatmen dürfen und sich überlegen, ob sie wirklich von Terror sprechen müssen, ob es wirklich hilfreich ist irgendein Land zu benennen, in dem womöglich die Eltern eines Täters geboren wurden.
Ich möchte keine Experten, die Experten werden, weil sie vor Ort ein Foto posten.
Kann Journalismus bitte wieder mehr sein als die schnellste Mutmaßung zu äußern und das erste Foto zu veröffentlichen?
Wirklich.
Die Liveticker, die Bilder, nichts davon ist hilfreich.
Ich werde deswegen in Zukunft das tun, was ich als Kind bei Löwenzahn gelernt habe – abschalten (und dann abwarten bis es fundiertere Analysen und Schilderungen gibt).
Nachträgliche Ergänzung:
„Die Zeitläufte sind leider so, dass öffentlich-rechtliche Sender mittlerweile fast im Monatsrhythmus an den Pranger gestellt werden, wenn sie nicht ohne Zögern und ohne Zeitbegrenzung „drauf gehen“. […]
Es ist niemandem geholfen, wenn die Öffentlich-Rechtlichen sich mit ihren traditionell ausgestrahlten Programmen auf ein Rattenrennen mit Social Media einlassen. Oder Netzfunde unreflektiert weitergeben.“