Neuigkeiten aus dem frisch duftenden Freudental

20130921-163446.jpgNoch vor wenigen hundert Jahren glaubte man, dass die Berührung einer menstruierenden Frau Wein sauer mache, Bier umschlagen und Milch gerinnen lassen könne. Ferner würden Spiegel trübe werden und Metalle rosten, wenn eine menstruierende Frau sie anschaute.

Auch Mitte der 90er war „Die Geschichte der Menstruation [immer noch] eine Geschichte voller Missverständnisse…„. Wenn ich 2013 durch die Hygieneabteilung einer Drogerie laufe, sehe ich noch keine wesentliche Verbesserung. Denn die Frau scheint nicht nur menstruierend eine Zumutung zu sein. Die Frau als solches müffelt offenbar permanent aus dem Schritt. Nicht anders kann ich es deuten, wenn gut ein Drittel aller Produkte zur täglichen Hygiene – Slipeinlagen & Co. – mit Gerüchen versetzt ist, die nicht besser riechen als die kleinen Tannenbäumchen, die man sich ins Auto hängt, weil dort geraucht wird oder man gedenkt regelmässig nasse Hunde zu transportieren.

Produkte dieser Art werfen so viele Fragen auf. Wer benutzt sie und warum? Aber auch: wer entwickelt sie und warum?

Der ganzen Idee muss doch irgendein Irrglaube in altchristlicher Tradition zugrunde liegen (nachzulesen im Alten Testament im 3. Buch Mose), der die Frau als unrein ansieht – v.a. dann wenn sie ihre Tage hat. Aber da diese Gerüche ja nicht nur auf Binden sondern auch auf Slipeinlagen appliziert werden, scheint es da um eine generelle tiefsitzende, dem weiblichen Geschlecht anhaftende, Unreinheit zu gehen.

Ich stelle mir vor, wie solche Produkte entstehen. In meiner Phantasie sehe ich einen Sitzungsraum mit verglasten Wänden. Um einen großen Tisch sitzen mehrere Produktmanager. Eine Sekretärin serviert Kaffee und wünscht sich an einen anderen Ort, während ein Teil der Männer in Krawatten angestrengt auf ein Flipchart schauen. Vorne steht ein weiterer Mann, der über die weibliche Anatomie und den Zyklus referiert. Niemals nennt er die Dinge beim Namen. In dem Raum wurde noch nie das Wort „Vagina“ oder „Blut“ ausgesprochen. Er redet von „da unten“ und von „Monatsfluss“.

Einige der Herren schauen sich die Fußballergebnisse vom Wochenende an. Dann – plötzlich – hat einer eine Erleuchtung. „PARFENG!“ ruft er aus. „Parfum! Frauen lieben Parfum.“ Ein weiterer schreckt hoch. „BLUMEN!“ Ein Dritter wie von der Tarantel gestochen „JA! Blumenduft im Schritt!“

Und so war das parfümierte Hygieneprodukt für Frauen entstanden! Alle zufrieden! So schön!

Für meinen Teil finde ich diese Produkte absolut grauenhaft. Ich meine, da steht ja nicht mal: Duftet nach Blümchen. Nein! Die Gerüche heißen Freshness und versprechen Gerüche zu neutralisieren und Wäsche zu schonen! Odor Control! Und ich rede hier nicht von Produkten, die man nach einer Geburt im Wochenbett verwendet. Nein. Das sind Produkte, die man sich täglich in die Hose kleben soll, um die zarte Wäsche zu schonen. Vermutlich weil man jederzeit alles volltriefen kann.

Wie stellen die Werbenden sich eigentlich den Einstieg in solche Produkte vor? Eine Mutter, die sich ihre Tochter mal zur Seite nimmt und ihr zuraunt: „Schatz, ich muss Dir was sagen. Du bist jetzt in diesem Alter, wo du untenrum riechst und deine Spitzenhöschen naja sagen wir strapazierst. Ich hab dir deswegen diese wohlduftenden Slipeinlagen besorgt. Von nun an bis in alle Ewigkeit sollst du dir täglich ein bis drei Dinger in den Schlüpfer kleben.“

Als Mann hat man es, was Hygiene angeht, leicht. Duschen genügt offensichtlich. Als Frau kann man wohl froh sein, wenn nicht Produkte erfunden werden, die Wurzelbürsten und aggressive Kernseife zu einem einzigartigen Hygieneerlebnis verschmelzen. Für Frauen gibt es Duschgel und dann natürlich Produkte, die speziell für den Intimbereich sind. Doch – selbst wenn man sich täglich duscht, die Unreinheit ist unabschüttelbar und deswegen müssen wir uns mit chemisch duftenden Slipeinlagen weiter vor unseren offenbar ekelerregenden Gerüchen schützen.

Dass das nicht nur frauen- sondern menschenverachtend ist, wird schnell sichtbar, wenn man mal seine Phantasie spielen lässt und entsprechende Produkte für Männer erfindet. Das Duschgel Eichelfresh. Penis-Anti-Odor! Eine Hoden-Peeling-Creme, die makellose Reinheit verspricht? Ein Freshness-Spray, das man nach jedem Toilettengang aufsprühen kann?

Die Welt braucht solche Produkte nicht und v.a. braucht die Welt aufwachsender Mädchen und Frauen nicht den Glauben, dass der Genitalbereich grundsätzlich stinkt.

Eine Website eines Anbieters von Produkten, wie oben beschrieben, wirbt mit den Worten:

„[Jetzt] können Frauen sich täglich immer frisch fühlen. <HERSTELLERNAME> glaubt, dass Frauen, die sich rundum frisch fühlen, den Moment leben und das Leben mehr genießen können. Deshalb liefert <HERSTELLERNAME> das ultimative Frischegefühl. Damit Frauen täglich jeden Moment genießen können. […]“

Es wäre wirklich zum Lachen wenn es nicht zum Weinen wäre.

Halten Sie Ihre Beziehung durch unbequeme Hosen am Leben

So eine Schlabberhose, das muss die Liebe abkönnen. Ja, ich verlange, dass das die Liebe sogar wachsen lässt.

Am Wochenende waren wir bei einer Hochzeit eingeladen. Die Standesbeamtin war von ihrer eigenen Rede so ergriffen, dass sie selbst Tränen in den Augen hatte. Genau genommen war sie so gerührt, dass nur der Tisch sie davon abhielt, dem Brautpaar in die Arme zu fallen und das aufwändig bestickte Seidenkleid der Braut mit Tränenflüssigkeit zu durchtränken.

Als ich hinterher die Brautmutter irritiert fragte, ob die Standesbeamtin vielleicht irgendwie mit Teilen der Hochzeitsgesellschaft verwandt sei, wurde das verneint.

Ihre Rede beinhaltete allerlei Weisheiten über die Korrelation von Lebensglück und schlechtem Wetter zum Hochzeitstag (es regnete, das Verhältnis ist indirekt proportional, mein Beileid allen Paaren, die bei Sonnenschein geheiratet haben) und dann wußte sie natürlich noch viel über die Liebe als solches zu berichten.

Das Kribbeln solle man sich z.B. erhalten. Zum Glück bin ich ja ein sehr beherrschter Mensch und deswegen konnte ich mich gut zurückhalten und habe gar nicht zum Thema „Über die Unmöglichkeit und evolutionsbiologische Unnötigkeit das Verliebtheitsgefühl der ersten Phase über Jahre zu erhalten“ referiert. Das geht nämlich gar nicht. Physiologisch ist das nicht möglich. Da es sich bei dem Kribbeln lediglich um die Ausschüttung bestimmter Neurotransmitter handelt, bei denen die Rezeptoren jedoch unglücklicherweise irgendwann zwangsläufig adaptieren, was zur Folge hat, dass dieses Limerenz-Gefühl sich irgendwann durch schlichte Gewöhnung erledigt.

Nun gut. Ich kann den Vorsatz diese unsägliche Verliebtheitsphase möglichst lange zu erhalten nicht verstehen, aber tolerieren. Ich für meinen Teil kann auf Gedankenbesessenheit, Schlaflosigkeit, physiologischer Übererregtheit, Appetitlosigkeit und verzerrte Wahrnehmung bestens verzichten.

Auch habe ich keine Diskussion zu Geschlechtssterotypen oder Alltagssexismus gestartet, nur weil die Standesbeamtin sehr lange ausholte, welche Pflichten die EheFRAU alle zur erfüllen hätte, um den Mann glücklich zu machen. Man müsse beispielsweise wenigstens die Abseitsregel verstehen, um dem Manne das unbedingte Interesse an seinen Hobbys zu demonstrieren (Augenverdrehen!).

Schluss mit lustig war aber bei der Bemerkung, die Frau solle zuhause (natürlich ist die Frau immer zuhause und erwartet den Mann, der gestresst von der Arbeit zurück kommt) keine Schlabberhosen tragen. Das zerstöre die Liebe.

DAS TRAGEN VON SCHLABBERHOSEN ZERSTÖRT DIE LIEBE!

Ich musste an die Gute-Hausfrau-Ratgeber der 50er Jahre denken, als ich das hörte. Wenn die Liebe vergeht, ist das natürlich das Verschulden der Frau. Notfalls eben weil sie die falsche Kleidung getragen hat. Es gehört zum modernen Leben offensichtlich nach wie vor dazu, dass die Frau arbeitet, sich um den Haushalt kümmert und dann aufgebrezelt den gestressten Mann mit einem Glas Martini an der Haustür erwartet.

Wie furchtbar!

Mein Mann genießt viele Privilegien. Zum Beispiel schreie ich im normalen Leben nie andere Menschen an. Nur meinen Mann. Eine außerordentliche Ehre, dass er mein wahres Ich sehen und kennen darf. Mein nacktes und lautes Innenleben. MEINE GEFÜHLE EBEN! Nicht meine magengeschwüriduzierende Kontrolliertheit.

Genauso darf er mich in den schlampigsten, ausgedelltesten Schlumpihosen der Welt sehen. Ungeschminkt! Manchmal kämme ich mir sonntags nicht mal die Haare. Dieser intime Anblick ist nur für meinen Lebenspartner bestimmt und das nicht von Anfang an. Das Vertrauen muss erstmal entstehen. Alle Beziehungen, die weniger als drei Jahre andauerten, kamen nie in diesen Genuss. Naja gut, der Postbote vielleicht noch. Ja, oder der Bäcker – ok, ok, manchmal auch die Kindergärtnerinnen und gelegentlich auch einige FreundInnen. Aber sonst niemand! Sonst bin ich immer adrett angezogen und geschminkt. IMMER.

So eine Schlabberhose, das muss die Liebe abkönnen. Ja, ich verlange, dass das die Liebe sogar wachsen lässt.

Sonst schreien doch immer alle nach Authentizität – aber wenn es um Hosenauthentizität geht, da scheiden sich die Geister.

Ich will nicht überwacht werden, merkel Dir das

Ein (pathetischer) Gedanken-Mashup einer politisch Ungebildeten

Sich mit Freunden auf einer großen Demo zu verabreden, ist nicht einfach. Wir orten uns also. Mir ist dabei durchaus bewusst, dass diese Art der Verabredung für eine Anti-Überwachungsdemo einer gewissen Ironie nicht entbehrt.
Ich benutze außerdem nach wie vor WhatsApp und habe einen Facebook-Account. Täglich liefere ich der NSA außerdem allerhand Datenmaterial per Siri und meinen Google-Account.
Auf Twitter lese ich Sätze wie „Ach? Wie naiv seid ihr denn, dass ihr dachtet, verschlüsselte Daten seien sicher?“. Ja, gute Frage. Wie naiv bin ich eigentlich? Und welchen Ausweg gibt es aus dem Überwachungsdilemma? Gibt es überhaupt einen? Auf was muss ich verzichten? Auf alle Appledienste, auf alle Googledienste, auf Dienste wie WhatsApp, auf facebook, auf Twitter? Welchen SSL-Zertifikaten kann ich trauen? Wie kann ich recherchieren, wer Anbieter ist und welche Standards benutzt werden? Muss ich auf Online-Banking verzichten? Ebay? Paypal? Kann ich mein Leben überhaupt noch annähernd weiter so führen wie jetzt? Reicht es technologisch zurück in die 50er Jahre zu gehen oder doch besser in die Zeit vor Erfindung der Elektrizität. Immerhin leben derzeit 1,4 Mrd Menschen ohne Elektrizität…

Es häufen sich die Fragen und Antworten gibt es so gut wie keine. Unsere Regierung erklärt die NSA-Affäre für beendet. Immerhin hat die NSA entsprechende Dokumente zur Verfügung gestellt. Ein Großteil der Seiten sieht so aus und scheinbar handelt es sich wirklich um keinen Spitzenwitz sondern grausame Realität:

 

Damit wäre dann ja alles geklärt.

Ihr könnt mich auslachen, aber in der Nacht, in der ich den Zeitonline-Artikel über Bullrun las, hatte ich Alpträume. Mein innerliches Kopfschütteln, meine Empörung wandelte sich in Wut und Verzweiflung.

Ok, ich bin ein unwichtiger Wurm in diesem Staat, aber muss ich mir das gefallen lassen? Muss ich mir diese unsägliche Politikerarroganz gefallen lassen? In den allermeisten Fällen rede ich mit meinen unter sechsjährigen Kindern respektvoll und erkläre Dinge ohne weitere Diskussion oder Aufklärung nicht einfach für beendet.

Kaum bin ich auf Twitter ist meine Welt wieder in Ordnung. Die Timeline ist voll von besorgten und empörten Menschen. Aber wenn ich Zeitung lese, wenn ich mir die Vorhersagen der Wahlergebnisse anschaue, dann wird mir klar: Die NSA Sache interessiert kein Schwein. Die allermeisten sehen keine Gefährdung ihrer Grundrechte. Man hat nichts zu verbergen und glaubt, mehr Überwachung bringt mehr Sicherheit.

Es ist mir ein Rätsel. Wie treffen Menschen ihre Wahlentscheidung? Was bewegt sie? Wer liest Wahlprogramme? Wer hört sich an, was die Kandidaten zu sagen haben, die man mit der ersten Stimme wählen kann? Offenbar der kleinste Teil der Bevölkerung. Man wählt vermutlich traditionell das was man schon immer gewählt hat, das was die Eltern gewählt haben. Keine Ahnung. KEINE VERDAMMTE AHNUNG. Anders kann man doch nicht erklären warum die CDU wieder und wieder und wieder gewählt wird. Egal was sie gelogen oder verbockt hat. Für mich persönlich gibt es spätestens seit der Wiedervereinigung keinen Grund schwarz zu wählen. Da hat man sich hingestellt und behauptet, die Wiedervereinigung würde aus der Portokasse bezahlt werden, kein Bürger müsse das finanziell ausbaden und dann? Kack egal. Sie werden wieder gewählt.
Warum? In Ermangelung von Alternativen?

Seit ich 18 bin, gehe ich wählen. Zu jedem Volksentscheid, zu jeder Landtagswahl, zu jedem Bundestag. Immer wußte ich, was ich wählen möchte. Dieses Jahr bin ich wirklich verzweifelt weil ich es immer noch nicht sicher weiß. Ich weiß nur sicher welche Parteien ich nicht wählen will. Ich versuche mir Schwerpunkte zu suchen. Familienpolitik. Umweltpolitik. Netzpolitik. Dann habe ich einigermaßen eine Entscheidung getroffen und lese in den Wahlprogrammen weiter, schaue mir an was meine KandidatInnen dazu sagen, aber dann lese ich wieder Artikel über einzelne VertreterInnen bestimmter Parteien und dann wird mir schlecht und ich denke, so eine Partei kannst du einfach nicht wählen. Egal was die für Ziele haben.

Dann liege ich in meinem Bett. Schlaflos. Denke über Demokratie nach und mir wird bewusst, wie weit das strahlende Vorbild von Demokratie und Freiheit – die USA – wie weit die von meiner Demokratieauffassung entfernt sind und wie sehr mir langsam der Glaube fehlt, dass in Deutschland in dieser Angelegenheit irgendwas besser oder anders ist.

Dann stelle ich mir vor, wie das Ganze aussieht, wenn meine Kinder groß sind, wenn doch irgendwelche 1984-Szenarien Alltag geworden sind und was mich meine Kinder dann fragen: Hast DU das gewusst damals? Warum habt ihr nichts getan?
Ich stelle mir das schrecklich vor. Und so bleibt mir in all meiner Ratlosigkeit nur an der ein oder anderen Demonstration teilzunehmen und weiter darüber zu grübeln, wen ich wählen könnte, damit sich endlich etwas ändert.

Heute auf der Freiheit statt Angst Demo hatte ich wenigstens vier Sekunden das Gefühl das Richtige zu tun. Da lief ich zufällig neben Jacob Appelbaum und er schaute erst auf mein Kind rechts an der Hand und dann auf mein Kind links an der Hand und dann lächelte er mich an. Vielleicht ist das der Kern von Demokratie. Politische Verantwortung zu übernehmen. Für sich und auch für die Zukunft der eigenen Kinder.

Lieblingstweets 08/13

https://twitter.com/ohaimareiki/status/370150080164429824

https://twitter.com/DilemmaDeLuxe/status/368745525777936385

https://twitter.com/ohaimareiki/status/368417400548753408

Regeln Nachschlag

Ja, mir ist zur Zeit sehr nach Nachschlag.

Wer diese wirklich lustige und treffende Aufzählung von Adam Fletcher noch nicht kennt:

#8 Obey the red man

I think the often exaggerated stereotype that Germans love to follow the rules all comes down to one little illuminated red man. Guardian and God of the crossing pedestrian. To dare challenge his authority and step gingerly out into a completely empty road when he is still red, is to take great personal risk.

Not of getting run over, the road is completely empty after all. Bar being struck by an invisible car, you’re safe.

No, what you really risk is the scorn, the tutting and the shouts of “Halt!” from nearby Germans. Who will now consider you an irresponsible, possibly suicidal, social renegade.

Halt! Await the green Ampelmännchen. Consider it an elaborate exercise in self-control. You’ll need all that self-control not to freak out and start shooting the first time you visit the Ausländerbehörde and find out they don’t speak English.

Quelle: How to be German in 20 easy steps

Sehr amüsant auch das dazugehörige German Quiz (I love the Ausdruck Hugshake in Question 10 und ich bin 8% deutscher als der deutsche Durchschnitt! – so viel zu den anarchistischen Tendenzen, die mir in den Kommentaren unterstellt wurden.)