Trotzyoga

Eltern zwei- bis dreijähriger Kinder wird Trotzyoga ein Begriff sein. Für alle Eltern mit jüngeren Kindern beschreibe ich als Vorbereitung die vier gängigsten Positionen. Achten Sie beim Üben bitte auf eine saubere Ausführung und dass das Kind dabei schallintensiv ausatmet. Nur so erreichen Sie im Blütealter des Trotzes die maximale Ausprägung.

Position 1: Die Brücke des Aufstands

  yoga 3

  • Starte auf dem Bauch liegend
  • Stemme die Füße fest in den Boden
  • Mache einen runden Rücken und drücke ihn nach oben. Stelle Dir vor, Du möchtest die Zimmerdecke berühren
  • Einatmen und die Handflächen schulterbreit auf den Boden stellen
  • Fixiere die Daumen und schreie intensiv

Position 2: Der enttäuschte Profifußballer

yoga 2

  • Diese Position startet im stabilen Stand
  • Mit Schwung auf die Knie rutschen, dabei den Körper nach hinten werfen
  • Den Oberkörper soweit wie möglich nach hinten drücken. Die Kraft muss im Bauch gehalten werden
  • Versuche die Balance zu halten und strecke die Arme soweit es geht
  • Wedele mit den Armen in der Luft

Position 3: Der schwebende Bogen

yoga 4

  • Diese Position startet festgekrallt an einem Gegenstand
  • Ein Elternteil versucht das Kind langsam vom Gegenstand zu trennen und hebt es dabei leicht an
  • Strecke jetzt dein Brustbein nach vorne
  • Das Steißbein zieht in Richtung deiner Fersen. Atme dabei in den Raum zwischen deinen Schulterblättern
  • Wirf den Kopf in den Nacken

Position 4: Die Kerze des Aufstands

yoga 1

  • Stehe aufrecht
  • Atme kontinuierlich ein, während du die Arme gestreckt Richtung Boden führst
  • Die Finger sind dabei gespreizt
  • Die Knie sollten etwa hüftbreit geöffnet sein
  • Spanne die Bauchmuskulatur an und halte deinen Körper gerade
  • Versuche zwanzig Atemzüge so zu verweilen

 


Ergänzungen der Leserinnen aus den Kommentaren

Position 5: Des Fingers feuchte Verzweiflung von Julie Paradise

yoga5

…ist eher eine fortgeschrittene Variante, da hier allein mit der Kraft von Speichel und Atemtechnik gearbeitet wird, ausladende körperliche Aktivität tritt zurück zugunsten gekonntester emotional wirkender Manipulation:

  • Achte auf eine leicht gekrümmte Körperhaltung. Dein ganzes Wesen muss zutiefst empfundenen Schmerz ausdrücken, Einsamkeit und Enttäuschung.
  • Führe beide Hände an den Mund, tief atmen, schluchzen, jaulen. Jeweils 10-30 Wiederholungen.
  • Stecke beide Hände so weit wie möglich in den Mund. Zur Verstärkung der Wirkung ist auf guten Speichelfluss zu achten, möglichst so stark, dass sich Fäden und Rinnsale bilden, die herabtropfen können.
  • Achte auf den Ausdruck der Körperhaltung!!! Lautstärke ist hierbei wirklich nebensächlich, zwar solltest Du deutlich hörbar sein, wichtiger aber sind Jammerintensität (Heulton!) und Speichelfluss.
  • Besonders wirksam in der Öffentlichkeit, begleitet von wehklagenden Ausrufen wie “Aaaaauuaaaa!” / “Hunger” (etwa vor dem Süßigkeitenregal an der Kasse) oder “Ich bin lieb!”

Position 6: Der butterweiche Mehlsack von Andrea

yoga6

  • lass bei Berührung (Hochnehmen, Richtungskorrektur, an der Hand nehmen) sofort und blitzschnell alle Muskeln erschlaffen
  • mach dich dabei so schwer wie möglich
  • halte die Entspannung mindestens 10 Atemzüge
  • verwandle deinen Körper beim Hochnehmen in etwas, das sich kaum Greifen lässt

Position 7: Der amselhafte Bauchwurf von Katharina

yoga7

Ausgangsposition ist Position 4: Die Kerze des Aufstands, am besten auf hartem Untergrund.

  • Mit einem kraftvollen Schwung aus den Fussgelenken heraus werfe man sich mit durchgestrecktem Kreuz
  • jedoch ohne Zuhilfenahme der Hände bei der Landung in kraftvollem Bogen auf den Bauch, so dass man noch einen Meter weiterrutscht
  • Danach kräftig und mit viel Timbre ausatmen
  • Das Ausatmen 30x wiederholen (geübte Trotzer bitte ohne zwischenzeitlichem Einatmen). Crescendo!

(Eine Variante dieser Figur beinhaltet das Hochnehmen der Hände, wobei bei jedem tonhaften Ausatmen mit den Handflächen auf den Untergrund geklatscht wird.)

Position 8: Der Seestern zeitgleich von Frische Brise und Frau Mutti

yoga8

  • Strecke Arme und Beine stocksteif von Dir
  • Halte den Atem für eine halbe Minute an
  • Beginne dann laut zu brüllen und wedle mit allen Gliedmaßen wild in der Gegend herum

Position 9: Die meditierende Flunder von Journelle (bei uns bekannt als „Supermann“)

yoga9

  • Die Position startet im Stehen
  • Über den Kniefall (vgl. Position 2) gelangt man in die Liegeposition auf dem Bauch
  • Hände sind weit nach vorn gestreckt
  • Die Beine liegen gerade
  • Es ist möglich, sehr lange und lediglich wimmernd in dieser Position zu verharren und sich so zu positionieren, dass Passaten über den Yogaisten steigen müssen
  • Eine Variante ist das Schlagen mit den Beinen und/oder das Trommeln mit den Händen, dann handelt es sich um den “Stachelrochen”.

Räbäääähhhh!

Ich habe zwei Eigenschaften, die mir in der Regel das Leben sehr leicht machen. Erstens: Meine Vergesslichkeit. Alles was hässlich ist und mir das Leben schwer macht, blende ich aus und zwei Wochen später erinnere ich mich an nichts. Rückwirkend ist mein Leben perfekt.

In seltenen Fällen vergesse ich Dinge zu vergessen. Da hilft mir meine zweite Gabe: Humor. Worüber ich nicht weinen kann, darüber versuche ich zu lachen.

In sehr seltenen Fällen hilft mir weder das eine noch das andere. So zum Beispiel bei den kinderfeindlichen Menschen, die sich langsam um uns ansammeln. Neulich, als wir Abends um 18 Uhr durchs Treppenhaus gingen, riss einer der Nachbarn die Wohnungstür auf und schrie uns hinterher: „JA GEHT DAS DENN NICHT LEISER? JEDEN MORGEN DIESES GESCHREI UND JEDEN ABEND!!! KÖNNEN SIE DENN NICHT MAL WAS UNTERNEHMEN????“

Es folgte eine ergebnislose Diskussion. Als wir dann weiter nach oben liefen, brodelte es in mir. Ein Tag hat 24 Stunden. Wir kommen in der Regel zwei Mal am Tag an seiner Tür vorbei. Um 8 Uhr und dann abends zwischen 17 – und sagen wir spätestens – 20 Uhr. Es dauert großzügig geschätzt 15 Minuten bis wir in unserer Wohnung sind. 30 Minuten halten wir uns also insgesamt täglich im Treppenhaus auf. 30 Minuten von 1440 Minuten, die ein Tag hat. 2,1% des Tages belästigen wir ihn also mit Kleinkindergeschrei im Treppenhaus. Und das außerhalb der Ruhezeiten (22-6 Uhr, 12-15 Uhr).

Es ist wahr. Das Kind ist im Treppenhaus laut. In der Regel schreit es, weil ich es nicht tragen kann oder will. Dazu ist es zu schwer. Ich habe oft zusätzlich Einkäufe oder ähnliches zu tragen. Ich sage „Bitte sei leise!“ oder „Muss das denn jedes Mal sein?“ und „Geht das vielleicht mal ohne weinen?“ Ich biete meine Hand an. Ich versuche es mit Ablenkung, durch Geschichten erzählen, ich versuche zu motivieren, das Ganze spielerisch zu lösen „Wer zuerst oben ist!“. Ich besteche sogar mit Gummibärchen. Aber es bleibt dabei, meistens schreit das Kind auf dem Weg nach oben. Auch die größeren Geschwister rufen gelegentlich Sachen durchs Treppenhaus. Auch obwohl ich schon hundert Mal erklärt habe, dass ich das nicht möchte. Was soll ich tun? Ich wünsche mir auch, dass wir einfach nach oben gehen. Ohne Geschrei.

Dennoch. Es empört mich, wenn jemand deswegen die Tür aufreißt und rummeckert. Man solle doch mal was tun. JA WAS DENN ZUR HÖLLE? Es sind eben Kinder.

Was ist los mit diesen Menschen, die alle ihre Ruhe brauchen. Absolute Ruhe. Und genauer gefragt: Warum ziehen sie in ein Mehrparteienmietshaus in das Zentrum von Berlin? In Brandenburg ist es auch schön und da kann man für 60.000 Euro ein großes, freistehendes Haus mit keine Ahnung wie viel Tausend Quadratmeter Garten kaufen. Warum nicht einfach dahin ziehen und nach Berlin (vermutlich wegen des Arbeitsplatzes) pendeln?

Ich habe lange überlegt, was zu tun ist. Diskutieren? Hoffnungslos. Gerichtsurteile zum Thema Kinderlärm zusammenstellen und überreichen? Sinnlos. Paradoxe Intervention und dem Nachbarn einen Kuchen backen und wie bei IKEA ein Schildchen dran „Danke, dass Du Dich nicht wegen jedem Scheiss aufregst“? Effektlos.

Ich denke, das einzige was hilft, ist die Verhältnisse gerade zu rücken. Wenn er sich gestört fühlt, dann ist es unangemessen weil wir nur 2% am Tag laut sind. Persönlich fände ich es lohnenswert wenn wir 40-50% der Zeit nerven würden. Deswegen bin ich dazu übergegangen Kindergeschrei aufzunehmen. Immer wenn Kind 3.0 ausflippt, zeichne ich das auf. Ich habe ein schönes Portfolio an lautstarken hysterischen Wutanfällen aufgezeichnet. Oben an der Stelle der Haustür des Nachbarn wo das Kabel zur Haustürklingel in die Wohnung geht, habe ich einen kleinen, leistungsstarken Lautsprecher installiert. Dieser ist über eine Webanwendung ansteuerbar. Wann immer einer von uns Lust hat, drücken wir den Schrei-Button und der Nachbar hört facettenreiches Geschrei aus dem Lautsprecher. Der Kemo Piezo-Minilautsprecher für nicht Mal 4 Euro, der sonst eingesetzt wird, um Marder zu erschrecken, schafft beinahe 120 dB.  Dieser Schalldruck entspricht ungefähr einer gut befahrenen ICE-Trasse. Sobald der Nachbar wutentbrannt die Türe aufreißt, aktiviert er per Lichtschranke einen Not-Stopp. Das Geschrei hört sofort auf. Schließt er die Tür, geht das Gebrüll nach 5 Sekunden wieder los.

Dank dieser Installation geht es mir jetzt wieder besser. Die Welt ist im Gleichgewicht und der Mensch hat einen ECHTEN Grund sich aufzuregen.

Schau mir in die gelben Augen, Kleines

Die menschliche Blase kann je nach Körpergröße des Menschen zwischen 600 und 1.500 ml Flüssigkeit halten bevor ein starkes Bedürfnis entsteht, diese zu leeren. Sollte man diesem Drang nicht nachgehen, riskiert man einen Riss der Harnblase.
Ich muss jeden Morgen wenn ich aufwache an Tycho Brahe denken. Tycho Brahe war ein dänischer Adeliger und einer der bedeutendsten Astronomen seiner Zeit. Am 13. Oktober 1601 war er zu Gast bei Kaiser Rudolf II. Die Etikette verlangte, dass man sitzen bliebe, so lange der Kaiser sitzen bleibt. Rudolf II. war 23 cm größer als Tycho Brahe. Seine Harnblase konnte deswegen vermutlich 230 ml mehr Urin fassen. Brahe fügte sich den Konventionen, stand trotz starken Harndrang nicht auf und erlitt einen Blasenriss. Er verstarb 10 Tage später unter großen Schmerzen.
Jeden Tag erwache ich um Punkt 5.20 Uhr und meine Blase ruft „Leere mich! Leere mich! Ich bin schon voll!“. Doch leider liegt mindestens ein Kind quer im ehelichen Bett. Das Kind hat ein ausgeklügeltes Bewegungsmeldungssystem. Dazu steckt es die Füße unter den Nacken des Vaters und legt seinen Kopf auf meinem Kopf. Sobald ich mich auch nur einen Millimeter bewege, setzt es sich aufrecht ins Bett und fragt hellwach: „Ist jetzt Aufstehenszeit?“
Ich habe deswegen eine Technik entwickelt die Bettdecke mit den Füßen so zu falten, dass sie meinen Körper nachahmt. Ich schiebe sie ganz langsam Richtung Kopf. Dann tausche ich Kopf gegen Deckenknödel aus und ziehe meinen Restleib langsam Richtung Bettende weg. In 8 von 10 Fällen bin ich erfolgreich. Doch das Kind im Bett ist nur die erste Hürde.
Zwischen Bett und Toilette liegt leider das Kinderzimmer, wo weitere geräuschempfindliche Kinder schlummern. Wir haben dort Holzboden und genau vor dem Kinderbett ist eine Diele locker und knarzt wenn man auf sie tritt.
Mit einem großen Sprung könnte man die Stelle überwinden. Allerdings ist das Springen weder den Nachbarn zuzumuten, noch könnte ich so leise aufkommen, dass das Kind im Zimmer nicht erwachte. Also lege ich mich auf den Bauch und ziehe mich mit den Armen leise am Kinderbett vorbei. Lediglich das Überwinden der Türschwelle von Kinderzimmer zum Flur ist etwas schmerzhaft (v.a. mit prall gefüllter Blase). Wenn alles gut läuft, erreiche ich 5.40 Uhr das Badezimmer. Ich schließe leise die Tür, versuche sehr leise und langsam meine Blase zu entleeren und spüle.
Wenn ich mich dann umdrehe, um die Hände zu waschen, stolpere ich meist über zwei Kinder, die in der Zwischenzeit doch aufgestanden und mir lautlos in die sanitären Anlagen gefolgt sind. Die Uhr zeigt 5.50 Uhr. Alle Hoffnung auszuschlafen ist zerbrochen.

Alternativ kann ich natürlich mit gefüllter Blase im Bett liegen bleiben und weiter an Tycho Brahe denken. Spätestens um 5.56 Uhr ist meine Angst vor einer Blasenruptur so groß, dass ich aufstehe.

So oder so. Spätestens 6 Uhr sind alle wach.

Familientrendsportart Clogging

Wir tragen sehr gerne Holzclogs. Sie sind robust und bequem und die mir einzige bekannte Unisex-Schuh-Variante. Zugegebenermaßen klappert es, wenn wir zu fünft über unseren Dielenboden laufen, ziemlich laut. Wenn man es rhythmisch macht, kann man damit quasi Musik machen. Es war nur eine Frage der Zeit bis wir „Clogging“ entdeckten. Clogging unterscheidet sich vom normalen Stepptanz durch spezielle Platten an den Schuhen. Das besondere an den Cloggingtaps ist, dass schon ein Geräusch entsteht, wenn man den Fuß nur durch die Luft bewegt.

Kind 3.0 spielt Schlagzeug und mein Mann und ich jodeln zu dem Paarclogging von Kind 1.0 und 2.0. Das macht wirklich riesig Spaß und ich gehe davon aus, dass wir in naher Zukunft als  die „Five Fantastic Clogs“ auftreten und unseren Lebensunterhalt bestreiten können.

Dafür sollten unsere Nachbarn unter uns Verständnis haben. Immerhin werden wir nach unserem künstlerischen Durchbruch in eine freistehende Villa inmitten eines Waldgrundstücks ziehen und dann niemanden mehr stören. Etwas Geduld also und das Problem löst sich von alleine.

So ungefähr ist wohl die Vorstellung unserer Nachbarn von uns.

Tatsächlich ist es so, dass uns klar ist, dass die Wohnung unter uns vermutlich nicht der friedlichste Ort auf dieser Welt ist. Wir tragen deswegen keine Hausschuhe sondern laufen auf Socken durch die Wohnung. Wenn die Kinder etwas spielen, das Geräusche machen könnte, müssen sie auf den Spielteppich. Die drei am häufigsten ausgesprochenen Sätze in unseren vier Wänden lauten: „NICHT RENNEN!“, „HEY! Nicht springen, auf keinen Fall springen.“ und „Nein, das könnt ihr jetzt nicht machen, denkt bitte an die Nachbarn.“

Unter der Woche vor 8 Uhr und am Wochenende vor 10 Uhr zählen zu den erlaubten Beschäftigungen: Puzzeln, Lego, Karten spielen und lesen. Blöderweise ist das Kinderzimmer in der Nähe vom Schlafzimmer der Nachbarn. Meistens geht dann der Elternteil, der mit Aufstehen dran ist mit den Kindern, die bereits wach sind in die Küche oder in unser Wohnzimmer.

Unter der Woche sind wir jeden Tag um spätestens 8 Uhr aus dem Haus und in 90% der Fälle nicht vor 17 Uhr zurück. Um 20 Uhr schlafen die Kinder. Nur am Wochenende sind wir im Winter gelegentlich den ganzen Tag in unserer Wohnung und wenn wir tagsüber Kinderbesuch haben, dann erlauben wir auch „normales“ Spielen.

Ich finde uns wirklich rücksichtsvoll. Für mich ist es normal, dass man in der Innenstadt in einer mehretagigen Mietwohnung andere Menschen hört. Wir hören die Waschmaschine und die Dolby Surround Anlage der Nachbarn oben. Wir hören die Nachbarn unten mit Vorliebe Abends und Nachts Musik hören. Wir hören die WG schräg unter uns Partys feiern. Den verrückten Nachbarn im Seitenflügel über den Sozialismus schimpfen und im Sommer hört man im Hinterhaus eine Menge fröhlich kopulierender Paare, was aufgrund der Geräuschsituation bereits sorgevolle Nachfragen der Kinder nachsichgezogen hat. Wir hören andere Kinder spielen und Babys schreien. So. ist. das. eben.

All diejenigen, die Familien wie uns hassen, weil wir ihnen auf die Nerven gehen – es tut mir leid – aber was soll man tun? Ich kann und will meine Kinder nicht den ganzen Tag zwingen still zu sitzen. Ich habe kein Geld, um eine Schallisolierung auf den Fußboden zu machen und ich werde auch nicht flächendeckend häßlichen Teppich auf die schönen Holzdielen legen.

Experiment Aufwachteller

In den frühen 80ern war es vergleichsweise einfach auszuschlafen. Deswegen pädagogisch wertvoll ausprobiert: den Ausschlafteller.

Als ich klein war, konnten meine Eltern immer ausschlafen. Ich bin einfach um 5 Uhr wach geworden und habe fern gesehen bis sie aufstanden. Das war manchmal so lange, dass ich freiwillig den Frühstückstisch gedeckt habe, weil mir beim Fernsehen langweilig wurde. Obwohls mir nicht geschadet hat und ich trotzdem groß geworden bin, möchte ich das bei meinen Kindern nicht. Allein schon weil es nicht nur einen Sender gibt, auf dem Kindersachen laufen sondern zehn und darüber hinaus weitere zwanzig Sender auf denen 24 Stunden Dinge laufen, die Kinder besser gar nicht sehen. Es gibt auch noch sieben bis dreizehn weitere Gründe warum ich das nicht möchte.

Ich schätze, im Schnitt schlafe ich jede Nacht sechs Stunden. Wenn diese sechs Stunden ohne Unterbrechung sind, dann fühle ich mich am nächsten Morgen sogar frisch.

Dem jüngsten Kind sind die Stunden meiner nächtlichen Ruhezeit ziemlich egal. Es steht atomzeituhrgleich IMMER um 5.58 Uhr auf. Wenn ich also erst spät ins Bett komme, die üblichen sechs Stunden eher vier werden und zusätzlich zwischen eins bis drei Kinder in unserem Bett quer liegen, dann halluziniere ich, dass es irgendeine Lösung für mein Ausschlafproblem geben könnte.

In einer bekannten Elternzeitschrift wird in diesem Kontext ein „Ausschlafteller“ vorgestellt. Man solle einfach für den nächsten Morgen ein Tellerchen für den Nachwuchs anrichten, der schon leer gegessen werden könnte, während die Eltern selig weiterschlafen. Das würde den morgendlichen Hunger ein wenig stillen und stelle gleichzeitig eine schöne Beschäftigung dar. Offen für Vorschläge jeder Art, habe ich das heute ausprobiert. Als ich gegen 1 Uhr ins Bett ging, packte ich einige Maiswaffeln und Rosinen sowie andere getrocknete Früchte auf ein Tellerchen und deckte dieses mit einem zweiten Tellerchen ab. Als Kind 3.0 pünktlich 5.58 Uhr erwachte und fröhlich trompetete: „Alle aufstääähn, isch bin wahaaach!„, wälzte ich mich zur Seite und hauchte: „Auf dem Teppich im Kinderzimmer wartet eine kleine Überraschung auf Dich. Geh doch schon mal dahin und spiele dann ein bißchen.“

Das Kind, sehr interessiert, marschierte gen Kinderzimmer. „WO IS EINE ÜBERRASCHUNK? MAMAAAAAA???!
„Am Teppich steht was zu Essen.“
Und die Überraschunk??
„Das ist die Überraschung.“
Ich höre, wie Kind 3.0 den Teller lüftet und murmelt „Maiswaffel? MAMA, IST DE MAISWAFFL DA ÜBERRASCHUNK?
„Ja, und die Rosinen. Kannst Du alles essen und dann spielen. Ich schlafe jetzt noch.“
Ich höre knabbern, ziehe meine Decke über die Schulter und will gerade die Augen schließen, als Kind 3.o „Kansch auch was trinken?“ Verdammt, daran hätte ich denken müssen. Ich stehe auf, fülle Wasser in eine Trinkflasche, überreiche sie dem Kind und schluffe wieder ins Bett. Das Kind trinkt „Is das nur Wassa? MAMAAAA?“ Ich versuche mich ruhig zu verhalten. „MAMAAAA, ISCH WILL ABER MILSCHSAFTSCHORLÄ!*
„Gibts jetzt nicht, ich möchte schlafen.“
Es folgen 90 Sekunden Ruhe. „Kanne isch was bauen?
„Ja, natürlich“
Ich höre Legosteingeklapper. Das Kind tappt ins Schlafzimmer. „Kannst Du das zusammen bauen?
„Nein, ich möchte schlafen“
RÄÄHHHBÄÄÄHHHH
„OK, ich baue das jetzt zusammen, dann lässt Du mich aber schlafen.“ Ich baue unter Anleitung drei Schiffe und ein U-Boot mit Pferdeanhänger. Das Kind schlappt ins Kinderzimmer zurück.
Sind die Sinen alle fur misch?
(…)
Nach einer Stunde gebe ich auf und trotte wie ein Automat ins Kinderzimmer. Das Kind schmiegt sich liebevoll an mein Bein und fragt mit warmer Stimme: „Hast Du gut ausgeschlafen Mama?“ Der Ärger verfliegt und ein weiterer Tag mit blutunterlaufenen Augen und der Hoffnung auf einen Mittagsschlaf beginnt.

—–
*Auf mehrmalige Rückfrage eine Begriffsklärung: „Milchsaftschorle“, ist ein Konstrukt, das Kind 3.0 erfunden hat: Es stellt ein hypothetisches Getränk dar, das nach dem Abstillen dargereicht wird, um den Übergang zur herkömmlichen Saftschorle zu erleichtern. Kind 3.0 verlangt seit dem 18. Lebensmonat danach.

Landleben

Für einen kurzen Moment dachte ich darüber nach, ob es schön wäre ein Wochenendhaus zu haben. Dann stach mich eine Mücke.


Mindestens einmal im Jahr zieht es uns aufs Land. Der Kinder wegen. Die armen Stadtkinder sollen auch mal erfahren was Freiheit bedeutet, wie schön es ist, durch ein Roggenfeld zu rennen (möglichst schneller als der Bauer, den man damit verärgert).

Von seinen Geschwistern erfährt Kind 3.0 dass es eine zutrauliche Katze geben soll. Deswegen befüllt es gleich nach unserer Ankunft den Napf, der vor der Haustür steht mit Katzenfutter und legte sich auf die Katzenlauer. Regungslos verharrt es im Halbdunkel des Fliederbaumes und hofft, dass sich irgendwann die Katze der Nachbarin zeigen würde.

Als es dämmert, gibt unser Jüngstes auf und bohrt kleine Löcher in den Boden. In diese legt es die unangetasteten Katzentrockenfutterkroketten und gießt jede einzelne gewissenhaft. Ein Katzenfutterbaum möge dort wachsen, murmelt es, als es die bepflanzten Mulden mit Humus überschüttet.

In der Zwischenzeit betrachtet Kind 1.0 sehr lange ein Poster, das im Inneren des Wochenendhäuschens hängt und stellt fest: „Xsara Picasso ist aber nicht alt geworden. Wahrscheinlich waren die dicken Finger an seinem frühen Tod schuld.“

Am zweiten Tag erscheint an unserem Gartentor überraschenderweise ein Junge im Alter von Kind 1.0. Er ist außer sich vor Freude. Noch nie hat er ein anderes Kind im Dorf gesehen. Seit seiner Geburt fahren seine Eltern mit ihm Sommer wie Winter, Wochenende für Wochenende in das Brandenburger Hinterland. Früher hätte es noch Ziegen gegeben, auf denen er hatte reiten können, aber die seien jetzt tot. Der Zahnfehlstellungen wegen. Die Ziegenzahnspange hätte 6.000 Euro gekostet. Man habe die Ziegen dann lieber eingeschläfert. Ob er denn immer alleine sei? Im Grunde ja, berichtet der Junge. Es gäbe in den Nachbarsdörfern Kinder, er hätte sie alle mindestens einmal gesehen, aber die hießen alle Uwe, so wie ihre Väter und Onkel und irgendwie seien sie komisch. Der Junge führt uns zu seinem Hof. Dort leben drei Wollschweine. Ich schätze, dass sie fünfzig Jahre alt sind. Ihr Fell ist grau. Jedes einzelne wiegt 600 kg. Sie sind unfassbar riesig und ihre fußballgroßen Rüssel beschnüffeln gierig unser Kind 3.0, das ich nicht mehr unbeaufsichtigt lasse. Ich denke, wenn ich mich rumdrehe, fressen sie Kind 3.0 auf. In einem Haps. Ich habe Animal Farm von George Orwell gelesen, lasse ich sie wissen, mir macht ihr nichts vor.

Während ich sie betrachte, frage ich mich. Was macht man wenn eines dieser Halbtonner verendet? Wie viel Uwes braucht es, um ein einziges totes Schwein auf den Kompost zu zerren. Wie ist seine biologische Halbwertszeit? Oder muss man es zersägen? Aber was macht man mit den Einzelteilen?

Am Abend sitzen wir vor dem Haus und schauen den Hornissen zu. Einige Spinnen gesellen sich zu uns. Ich schlage im 10-Sekunden-Takt Mücken tot und denke: „Ach so ein Wochenendhaus *klatsch*, das wäre schon was *klatsch*. Unsere Kinder könnten auch auf Ziegen reiten *klatsch* und ich würde Gemüse anbauen *klatsch*. Zucchini zum Beispiel *klatschklatsch* und dann gäbe es jeden Tag Zucchinisuppe, gebratene Zucchini, gedünstete *klatsch* Zucchini, marinierte Zucchini *klatsch* und *klatsch* vielleicht auch Zucchiniauflauf. Hach! Das wäre *klatsch* echt schön.“

Beziehungen und Issue-Tracker

Wenn man die richtigen Instrumente implementiert hat, dann ist das Stresslevel in einer Beziehung dauerhaft minimierbar.

Als große Anhängerin von Exceltabellen, hätte ich eigentlich schon viel früher darauf kommen können. Issue-Tracker-Systeme lassen sich natürlich hervorragend in modernen Beziehungen einsetzen. Viele Kommunikationen sind ja recht vage: Hol‘ bitte die Kinder ab z.B. und alles was nicht im Detail ausformuliert ist, birgt Konfliktpotential weil jedem Beteiligten ein gewisser Interpretationsfreiraum bleibt. Das erreichte Ergebnis entspricht dann nicht immer dem von dem ursprünglichen Auftraggeber gewünschten.

Ticket td543 Hol‘ bitte die Kinder ab beinhaltet im Grunde eine ganze Reihe unausgesprochener Teilschritte, die abzuarbeiten sind, bevor das Ticket geschlossen werden kann. Natürlich sind diese Unteraufgaben total logisch, aber mein Mann hat trotzdem Probleme sie alle ordnungsgemäß abzuarbeiten. Zu den Unteraufgaben gehören beispielsweise td543a Ausflugkasse zahlen, td543b Wochenkalender checken, td543c ToDos in den gemeinsamen Kalender übertragen, td543d Wechselsachenbeutel auf Vollständigkeit kontrollieren, td543e Kinder mit Sonnenschutz eincremen und td543f Toilettengang veranlassen.

Als Issue formuliert kann man die Angelegenheit ordentlich terminieren (HEUTE! bis spätestens 16 Uhr!) und priorisieren (Blocker). Ferner kann man Abhängigkeiten formulieren (Kinder zum Sport bringen kann nur erledigt werden, wenn Kinder abholen erledigt).

Jetzt, da ich das mal differenziert betrachte, fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Was könnte es hilfreicheres geben als Issue-Tracker-Einsatz in Beziehungen?

Wurde ein Issue-Tracking-System erstmal erfolgreich implementiert, lassen sich die abgearbeiteten Issues im Rahmen des Qualitätmanagements problemlos statistisch auswerten. Noch besser: da für die einzelnen Issues Verantwortliche hinterlegt sind, können im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Audits Schuldige Optimierungspotentiale gehoben werden. Aufgrund einer validen Datenlage kann konstruktiv über langfristige Verbesserungen gesprochen werden. Streits werden überflüssig.

Man kann sogar gemeinsam Service Level Agreements vereinbaren. Mir ist im Laufe der Jahre klar geworden, dass es ohnehin übertrieben ist, immer Premium-Erfüllung zu erwarten. Da kann man sich schon mal auf Economy-Niveau zufrieden geben. Letztendlich zählt neben der Qualität im Familienalltag auch oft die rein quantitative Abarbeitung („Du hast doch schon wieder nur 265 der 1.936 Issues erledigt! Gemessen an unserer bezahlten Arbeitszeit ist das ein Missverhältnis, das an dieser Stelle angeprangert werden muss!!111!“).

Natürlich kann der Partner da im Gegenzug keine Premium-Incentives erwarten, aber mal ein Freibier am Abend oder einen freien Sportnachmittag, das sollte nach Auswertung der einzelnen Issues möglich sein. Man sollte Qualitätsmanagement ohnehin viel mehr als stetigen Prozess sehen, der Luft nach oben lässt.

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Dieser Blogpost ist @grindcrank gewidmet, der eigentlich die Idee hatte

Über die idealen Verquickungsmöglichkeiten von Wiki und Issue-Trackern berichte ich in einem weiteren Blogpost. Die ISO Zertifizierung von Familiensystemen ist auch nur noch einen Steinwurf entfernt. Seien Sie gespannt!

Ich geh dann mal den Papierkalender synchronisieren

Gemeinsame Kalender sind so wahnsinnig praktisch. Theoretisch jedenfalls.

S 11 in Aus Liebe zum Wahnsinn von Georg Cadeggianini:

„Meine Frau Viola, 34, kommt in die Küche. Im Mantel. – Im Mantel? Jetzt hat Camilla Lorenzo erwischt. Handgemenge. Ich brülle ein wenig. Viel Mehl landet auf dem Boden, vor dem Schneeräumgerät. Elena, 9, geht dazwischen. Halbherzig. – Warum hat Viola eigentlich diesen verdammten Mantel an? […] Natürlich habe sie das in unserem Onlinekalender eingetragen, meint Viola. Kino mit Freundin, Donnerstagabend.“

Damit hat Georg Cadeggianini bereits auf Seite 11* eine typische Familienalltagssituation geschildert. Ein ganz grundlegendes Problem zwischen Mann und Frau. Ich weiß nicht, wie die Vorgeschichte im Hause Cadeggianini war. Aber sie war ganz sicher genau so:

Der Ehemann kommt nach Hause. „Schatz, wir müssen mal einen gemeinsamen Googlekalender einrichten. Das wäre doch praktisch. Da legen wir all unsere Termine an und haben so immer den Überblick. Wegen der Kinder und so.“ Die Frau denkt Oh Mann, noch ein zusätzlicher administrativer Aufwand, das Leben besser zu organisieren und sagt: „Ja, OK, praktisch wäre es ja schon.“

Fortan schreibt die Frau alle Termine in den Kalender. Wer die Kinder bringt, wer sie abholt, wann die Schwiegereltern zu Besuch sind, wann die Freunde Geburtstag haben, wann Ausflugtag in der Schule ist. Sie abonniert den Kalender für die Schulferien. Sie trägt die Sportkurse ein. Sie vermerkt, wann sie plant mit Freundinnen auszugehen. Sie trägt wichtige geschäftliche Termine ein.

Ändert sich was, verschiebt sie Termine, sie legt sie neu an und sie vermerkt auch die Orte, genaue Uhrzeiten, schreibt in die Notizen an was gedacht werden muss (Am Waldtag kein Brotpapier!), Ansprechpartner, Telefonnummern, alles! Gefühlt nimmt das Befüllen des Kalenders ca. 10% ihrer Lebenszeit ein.

Dann, eines Tages will sie ins Kino und während der Mann gerade den Kindern Stullen schmiert, erscheint sie im Mantel und der Mann denkt: „Wo will sie nur hin? Was ist los?“ GANZ GENAUSO WIE IN DEM BUCH BESCHRIEBEN.

Es entsteht eine kleine Diskussion.

„Woher soll ich wissen, dass Du ins Kino gehst?“
„Es steht im Kalender“
„Aber da habe ich nicht rein geschaut. Sowas musst Du mir sagen!!“
„Aber das habe ich und ich habe es in den Kalender geschrieben.“
„Nein, das stimmt nicht, Du hast es mir nicht gesagt!“
„Selbst wenn ich es vergessen haben sollte, was ich nicht glaube, denn selbst die Kinder wissen es, es steht im Kalender!“
„Aber ich habe nicht immer Zeit da rein zu schauen. Außerdem wollte ich mich heute mit einem Kumpel treffen.“
„Nun – das steht nicht im Kalender.“
„Ich kann da nicht immer alles eintragen. Vorgestern habe ich noch dran gedacht, aber dann habe ich es vergessen. Da stand Dein Termin noch nicht drin.“

[..]

Immer und immer und immer wieder führt das Ehepaar Gespräche dieser Art. Wütend stampft die Frau davon. Dann entschließt sich die Frau einen dieser Familienwandkalender zu kaufen. Sie hängt ihn an eine prominente Stelle im Flur. Dort überträgt sie tagelang alle Termine. V.a. die sich wiederholenden Termine (Donnerstag immer Musik) bereiten ihr große Freude. Weitere 10% ihrer Lebenszeit verbringt sie mit dem Synchronisieren ihres digitalen Kalenders mit dem Papierkalender. Die Situation verbessert sich tatsächlich und dann kommt doch wieder der Mantel-Tag und der Mann schaut die Frau mit großen Augen an.

Da blickt die Frau zum Familienjüngsten, Kind 3.0 (gerade in der sogenannten Trotzphase), und sie spürt die gesamte Verzweiflung eines zweijährigen Kindes in sich hochsteigen, sie spürt wie sich das Gefühl mit der präpubertären Ihr-behandelt-mich-alle-immer-ungerecht des Erstgeborenen vereinigt und sie platzt einfach. Peng! Wie ein Luftballon.

(Dass Frauen immer so emotional sein müssen!)

*Das Buch ist auch über Seite 11 hinaus gut zu lesen. Mehr dazu, wenn ich fertig bin.