Rosige Zukunftsaussichten

Manchmal habe ich böszungige Gedanken und das obwohl ich mich vordergründig sogar als glücklich und ausgeglichen bezeichnen würde. Z.B. saß ich gestern an einem großen gedeckten Tisch mit Freunden. Die Kinder hampelten unter dem Tisch herum und wir stopften und rund zwei Stunden Steak um Steak rein. Während ich also freudestrahlend in die Runde blickte, kam mir plötzlich in den Sinn, wann wir uns alle wieder scheiden lassen. Nicht dass wir im Moment verheiratet wären. Aber nach der schlagartigen Vermehrung im letzten Jahr folgt konsequenterweise das amtlich anerkannte Jawort.
Bei so was reicht es meistens, dass ein Paar den erste Schritt wagt. Ist diese Schwelle erst mal überschritten, so greift das Heiraten wie eine ansteckende Krankheit um sich.

Im Moment grillt man ja gemeinsam. Vater, Mutter, Kind. Ich schätze, wenn wir um die 40 sind, dann isst man wieder nur Salat, weil die Kerle mit irgendwelchen Tussis rummachen, die ihnen versichern schon zwanzig zu sein. Dann sitzen wir Frauen da, bestimmt alle mit dem 2. Kind im Vorschulalter, mümmeln Salat und lästern über die Typen. Dabei haben wir alles gegeben. Unsere Karriere, unsere Jugend, sogar den Humor und die Lebensfreude.
Dann verbringt man zehn neurotische Jahre mit den Kindern, bis die einen ebenfalls genervt verlassen. Am Ende bleibt dann nur noch das Haustier. Wenigstens gelingt da den wenigsten die Flucht.

Liebe Regierung mit Deinen tollen Förderprogrammen,

wie ich höre, förderst Du in den Bundesländern in denen es pro eine Million Einwohner nur einen Kindergarten gibt, das Tagesmuttersein. An sich eine super Idee. Da wird sich so manch Akademikerin, die nicht ganz ohne Aufgabe und Einkommen bleiben möchte, sicherlich entschließen, Tagesmutter zu werden. Was ein bisschen doof ist, ist was Du dafür zahlen willst. 420 Euro pro Kind, das man nimmt, wobei die Tagesmutter auch noch Windeln und Essen für die Racker kaufen muss.
Vorher muss man die eigene Wohnung nach Din Norm kindersicher machen. Kostet auch nur ein Paar Tausend Euro.
Um diese Ausgaben wieder rein zu holen und sich selbst auch ein bißchen Geld am Ende des Monats abzwacken zu können, lohnt sich die Sache erst ab fünf Kindern. Besser sind natürlich zehn oder zwanzig.
Die gebildete Akademikerin ist natürlich nicht dumm. Subventionen gibt es in anderen Bereichen der Wirtschaft zuhauf. Da kann man sich leicht was abschauen. Kindererziehung nach neuesten Erkenntnissen und mit den modernsten Mitteln der Technik, soll hier nur als Stichwort genannt sein.
Man spart eine Menge Geld und Arbeit wenn man die Kleinen z.B. nackt in einem gekachelten Raum mit Gitterboden aufzieht. So entfällt das lästige Windeln, da das Unterbodengitter lediglich einmal am Tag ausgespritzt werden muss. Wem das zu viel Arbeit ist, der stellt sich dafür einen Eineurojobber ein. Das wird ja auch gefördert.
Den Fenchel- und Kamilleetee gibt es aus der Hamstertränke, den Brei spritzt man direkt vom Bottich keimfrei in den Trog. Zur Charakterbildung werden die Kinder mit Klassik beschallt.
Mit der Sozialisation wird es dann leider nichts werden. Aber wer ein Steak aus der Massentierhaltung in die Pfanne wirft, der erwartet ja auch nicht, dass er was für seine Gesundheit tut, nicht wahr?

Lichtshow in Begleitung

Die Eröffnung des Stadtbahnhofs am Donnerstag hatte mir besser gefallen. Freie Sicht auf den Bahnhof, kein Regen und nicht diese schreckliche Musik.
Nichtsdestotrotz muss man als guter Berliner natürlich bei jedem Event dabei sein. V.a. ich; seit ich 1996 Halebob verpasst habe, raffe ich mich zu allen Ereignissen auf, von denen ich später im Seniorenheim täglich drei Mal den Zivis berichten kann. Also bin ich am Freitag los gegangen, um dem Spektakel erneut beizuwohnen. Diesmal mit 499.999 anderen.
Schon die Hinfahrt war ein Erlebnis. Warum den weiten Weg nach Tokio auf sich nehmen, wenn man so was in der Heimatstadt haben kann? So fuhr ich mit dem Gesicht in den Brusthaaren eines brandenburgischen Bodybuilders versunken mit der S-Bahn Richtung Friedrichstraße, um dort dem nicht enden wollenden Menschenstrom zum angekündigten Lichtspektakel zu folgen. Sensationell war das. Hochgerechnet liefen rund vierzig Leute pro Sekunde an uns vorbei und verschwanden irgendwo. Ich nehme an, hinter dem Hauptbahnhof am Horizont hört die Welt auf und die armen Menschen, die ich weiter als wir wagten, fielen alle hinten runter. Wie Lemminge, die Armen.
Die Verbleibenden blieben auf den Brücken stehen und starrten Richtung Bahnhofsgebäude. Sehen konnten wir und 20 andere um uns herum nichts. Eine starrköpfige alte Frau und deren Sohn hatten sich mit aufgespannten Sonnenschirmen in der ersten Reihe der Brücke platziert. Man bat sie rund zehn Mal den Schirm ein wenig herunter zu nehmen, doch das sture Weib hielt den Schirm wortlos höher. Die drei Teenagergören hinter mir machten es geschickter. Die suchten sich kräftige Kerle, die sie hoch heben durften und riefen dann voller Begeisterung „Ey voll geil!“ oder „Woah, Alter, krass!“ und gaben den Umstehenden das Gefühl Teil an etwas Großem zu sein. Vorne wurde Feuerwerk in den Himmel geblasen und ich meine, ich habe zu Freude schöner Götterfunken Mehdorn persönlich im Tütü über das Wasser tänzeln sehen. Zum Abschluss der Lightshow wurden die Top-Manager in die Luft geschossen und das ganze Volk applaudierte. Ein rarer Moment für die Bahn, denn schon wenige Sekunden später entbrannten die Diskussionen über das unmögliche neue Verkehrskonzept.
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Sicht für die anderen

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Sicht für uns

Zimmer des Grauens

Mein Sternzeichen zwingt mich mein Leben seit jeher zu dokumentieren. Es gab Zeiten, da kam ich aufgrund der Dokumentation kaum dem Leben hinterher. So habe ich z.B. alle 14 Wohnungen fotografiert, in denen ich gelebt habe. Wenn sich der Charakter in der Einrichtung wiederspiegelt, dann habe ich gelegentlich angst vor meiner Vergangenheit.

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Schickt mir Eure Jugendzimmer und ich erstelle bei den ersten drei Einsendungen eine kleine Charakterkunde.