Kulinarische Höhepunkte

Während einer Kroatienreise machte ich Bekanntschaft mit einem neuseeländischen Koch, dessen Frau und Kind. Das Kind aß nur wenn die Eltern Tiergeräusche machten.
Das erschien mir seltsam.
Dann lernte ich eine Freundin meines Mannes kennen, deren Tochter entweder gefrorene Erbsen oder korsische Kräuteroliven aus einem speziellen Laden in Steglitz aß.
Ich hielt das für einen Erziehungsfehler.
Heute weiß ich, irgendein evolutionärer Sinn muss dahinter stecken. Kind 2.0 isst als sei es  ein Hollywoodstar auf Diät. Gekochtes Eiweiß, ungesüßten Jogurt und bis zu drei Rosinen am Tag. Am Wochenende isst es allerdings Frikadellen. Frikadellen in Hackfleischsoße.
Kind 3.0 ernährt sich von Physalis und kernlosen Bio-Trauben. Beides deutlich über acht Euro das Kilo. Es isst drei Kilo am Tag. Von beidem. Man kann leicht rechnen, dass der Staat uns ungefähr das dreifache Elterngeld zahlen müsste, denn sowohl Physalis als auch Trauben haben eine abführende Wirkung, was den Windelverbrauch gegenüber dem bundesdeutschen Durchschnitt verdoppelt.
Das Kochen habe ich aufgegeben. Schließlich kann ich mich ausreichend von dem was meinen Kindern aus dem Mund fällt ernähren und Kind 1.0 isst einfach alles was die Brotbüchsen der anderen Schulkinder hergeben.

Kindererziehung 2.0

Kinder sind ganz bezaubernd. Hätte ich das schon mit zwanzig entdeckt, so hätte ich jetzt mindestens acht und wir bestritten unseren Lebensunterhalt aus den Gagen der Reportagen, die RTL II und Kabel 1 über uns sendeten.
Kinder sind wirklich ganz, ganz toll. Sie sagen oft sehr kluge Sachen.
Nicht so toll ist allerdings, wenn Kinder nicht hören wollen. Als Anwärter für die strengsten Eltern der Welt, verlangen wir beispielsweise, dass einmal am Tag Tisch gedeckt wird. Die Kinder machen das nie unaufgefordert und schauen jedes Mal wenn man sie freundlich darum bittet, als fragte man, ob sie netterweise zwanzig lebendige Kröten verschlingen könnten.
Jedenfalls bis 2009. Da hat mein Mann mir zum Hochzeitstag einen Nabaztag geschenkt. Irgendwann haben wir durch Zufall herausgefunden, dass die Kinder alles machen, was der Nabaztag sagt. Mit alles meine ich wirklich ALLES. Sagt der Nabaztag, sie sollen auf einem Bein stehen, sie tun es. Sagt er, sie sollen sich auf dem Wohnzimmerboden wälzen, sie tun es. Viel erstaunlicher aber: Wenn der Nabaztag sagt: „Deckt den Tisch!“ Sie tun es!
Fröhlich, flott und ohne murren. Dann kehren sie zurück und fragen: „Und jetzt?“
„Schmiert Euren Eltern Brote.“
„Macht Latte Macchiato.“
„Massiert Mami die Füße.“
So haben wir auf dem Sofa sitzend, mit dem Laptop am Schoß unsere gesamte Lebens-To-Do-Liste abgearbeitet. Alle Daten-CDs sind z.B. ordentlich beschriftet und alphabetisch sortiert. Die Ritzen im Parkett mit der Zahnbürste gereinigt und die Steckdosen ausgesaugt.
Es ist ein Wunder.

Ode an meine kinderlosen Freundinnen

Wenn mich eine kinderlose Freundin das 200. Mal hintereinander anruft, obwohl ich hoch und heilig versprochen habe, mich mal zu melden „wenn es ruhiger ist“, verspüre ich tiefe Dankbarkeit. Meistens meine ich die Dinge, die ich schreibe, ironisch. An dieser Stelle muss deutlich gesagt sein: Diesmal nicht. Ich bin meinen lieben, kinderlosen Freundinnen wirklich, wirklich dankbar, dass sie mich nicht vergessen und sich regelmäßig melden, mich zuhause besuchen kommen oder mit mir ins Kino gehen, obwohl ich sieben Mal kurzfristig absage und meistens während des Films einschlafe.

Ich weiß nicht, ob ich das könnte. Einer seltsam mutierenden Freundin Freundin bleiben.

Ich stelle mir das so vor: Eines Tages verkündet Freundin R., mit der ich regelmäßig shoppen und Käffchen trinken gehe, freudestrahlend, dass sie sich eine Nacktmullzucht zulegen wird. Ich glaube nicht so recht an die Ernsthaftigkeit ihres Vorhabens und bin verwundert, als sie sich einige Wochen später meldet: Der erste Nacktmull ist da. Kommst Du mich besuchen? Wir freuen uns so sehr.

Aus Höflichkeit gehe ich in ein Fachgeschäft für Nacktmulle und kaufe ihr einen Nacktmullkauring mit Wurzelgemüsengeschmack. Bereits als R. die Tür öffnet, schwant mir seltsames. R., die sonst ganz passabel aussieht, erscheint ungekämmt in Jogginghose. Im Hintergrund höre ich seltsame Geräusche. „Unser Nacktmull Otto“, strahlt R. und hält ihn mir unter die Nase. Ich lächele.

Wir gehen ins Wohnzimmer und sie berichtet über die Schwierigkeiten und Besonderheiten der Nacktmullpflege. „Wußtest Du, dass Nacktmulle nie trinken? Sie haben wahnsinnig effiziente Nieren und nehmen die ganze Flüssigkeit über die Nahrung auf“, während sie mir das erzält, pürriert sie stinkende Pflanzenknollen „Ziemlich teuer, wachsen nur in den Halbwüsten Ostafrikas“.  Otto hat noch keine Zähne.

Meine Freundin R. sieht erschöpft aus. Nacktmulle sind nachtaktiv. „Wenn man was von ihnen haben will, muss man nachts aufbleiben.“

So geht das zwei Jahre und eines Tages ruft R. wieder an und sagt, dass Otto jetzt groß genug ist und sie einen zweiten Nacktmull kaufen werden. Als ich sie wieder besuche, hält sie mir ein weiteres dieser seltsamen Wesen unter die Nase. „Sieht er nicht süß aus?!“ Für mich sieht ein Nacktmull aus wie der andere, aber ich nicke.

So ist das mit R. jahrelang. Ab und zu kommt ein neuer Nacktnull hinzu oder die alten entwickeln neue Macken.

Trotzdem sind wir weiter Freundinnen – R. und ich.

Die andere Hälfte des Lebens

Erziehung ist eine schwierige Sache. Irgendwann habe ich festgestellt, dass wir unseren Kindern die meisten Dinge nur beibringen, damit sie es generell können um die neu erlernte Fähigkeit wieder zu verwerfen oder um irgendwelchen absurden Gesellschaftsnormen zu entsprechen.
So z.B. die Fähigkeit Ordnung halten zu können. Da reicht es wirklich völlig, dass man es theoretisch könnte und gerne denke ich an die Studentenzeit zurück, in der mir böse Zungen schimmelndes Geschirr nachsagen.
Jedenfalls halten wir unseren Kindern selbstverständlich täglich den Ordnung-ist-wichtig-Vortrag. Als zu erwartende Reaktion schaltet unser Nachwuchs schon beim ersten Satz auf Durchzug und so verschwindet Spielzeug oft im Zimmernirvana und auch Kleidung reduziert sich auf wundersame Art und Weise relativ regelmäßig. (Ein weiterer Beitrag unserer Kinder für die stagnierende Wirtschaft in Deutschland übrigens).
Die Wahrheit jedoch lautet: Ordnung ist für die Katz und Chaos ist wunderbar. Persönlich räume ich zwischen 8 und 15 Uhr – wenn die Kinder außer Haus sind – gar nichts weg. Ich ahle mich in Unordnung, schaue zufrieden auf Geschirrberge, lasse Verpackungen rumliegen und öffne das Fenster, damit die Vögel die Brotkrumen vom Boden picken können.
Manchmal gehe ich sogar zum Kleiderschrank und zerwuschele meine Wäscheberge.
Pünktlich um 15.10 Uhr beginne ich aufzuräumen. Schließlich kommen die Kinder bald nach Hause. Wenn ich es mal nicht rechtzeitig schaffe, weil ich nach sechs Stunden fernsehen bei Pizza und Schokolade nicht zum Aufräumen gekommen bin, sammele ich einfach alles ein und räume es in unser fünftes Zimmer. Von diesem Zimmer haben wir unseren Kindern nichts gesagt. Die Gründe sind nahe liegend.
Manchmal verstecken wir uns auch einfach so im Geheimzimmer. Die Kinder irren dann rufend durch die Wohnung aber wenn man sich eine halbe Stunde ruhig verhält, fangen sie an sich selbst zu beschäftigen. Im Geheimzimmer haben wir zwei große Ohrensessel, W-LAN und einen Automaten mit Heiß- und Kaltgetränken. Fenster gibt es dort nicht. Wofür auch? Das Tageslicht würde nur den ganzen Schmutz und Unrat sichtbar machen und dann würden wir uns nicht mehr wohl fühlen.

Starfrisöre für Kinder – ein Empfehlungsschreiben

Es gibt nur wenige Wischmöpse die eine schlimmere Frisur als unser Kind 2.0 haben. Meine Eltern haben mich schon mehrere Male darauf hingewiesen, dass der einzige Ausweg aus dem störrischen Flaumgestrüpp eine Rasur des Kopfes ist. Erst dann wüchsen die wahren, schönen, wahrscheinlich goldlockigen Haare.
Wir weigerten uns jahrelang. Doch als mein Mann das Kind versehentlich einmal in die Abstellkammer gestellt hatte, weil er es für unseren Wischmopp hielt, habe ich meine Meinung geändert und machte mich auf die Suche nach einem Kinderfrisör.
Der Rekord im Stillsitzen bei Kind 2.0 liegt derzeit bei 10,26 Sekunden. Das sollte auch die Zeit sein, in der ein Frisör ihm eine hübsche Frisur zaubern sollte. Ein Profi musste also ran.
Eine intensive Internetrecherche brachte uns zu einem Frisör der sich in einem großen Kaufhaus in Westberlin befindet. Die Einrichtung hatte sich ausdrücklich als KINDERfrisör ausgegeben.
Als wir ankamen sahen wir Donald Duck- und Motorradstühle auf die das Kind zu platzieren war. Das Kind wollte aber lieber in den Spielbereich. Leider war es erst 23,46 Monate alt und die freundliche Frisörin wies uns darauf hin, dass der Spielbereich erst für Kinder ab zwei Jahren geeignet sei.
Das Kind heulte Rotz und Wasser, was die Frisörin empathisch mit „Wollen se nun Haare schneiden oder nich?“ kommentierte.
„Ja sehr gerne!“ erwiderte ich und wollte das Kind auf meinem Schoß Platz nehmen lassen.
„Uffm Schoß schneidenwa nich. Dit Kind muss uff den Stuhl.“
„Will es aber nicht.“
„Dann schneidenwa nich.“
Ein bisschen verdutzt war ich da schon: „Kindergerecht habe ich mir doch ein wenig anders vorgestellt.“
„Für Ihre Vorstellungen könnwa ja nix.“
Wie gerne hätte ich ihr da gegen das Schienbein getreten. Als zivilisierte Menschen packten wir jedoch lediglich unsere Sachen zusammen und verließen die Räumlichkeiten. „Weiterempfehlen kann man sie ja leider nicht.“
„Wir wollen hier sowieso nur artige Kinder!“
Da vergaß ich meine Erziehung und verpasste ihr eine Kopfnuss.
Das Kind wurde farblich kenntlich gemacht und war fortan gut vom Mopp zu unterscheiden. Wenn man kreativ ist, gibt es eben immer Lösungen.

Liebe, unverwüstliche Liebe in mir

Jeder hat so seine Ängste was die Entwicklung der eigenen Kinder angeht. Mein Ex, leidenschaftlicher Extremsportler seines Zeichens, befürchtete stets sein Nachwuchs könne zum sensiblen Flötenspieler mutieren.
Ähnlich ging es mir bei dem Gedanken an Pferden. Ich kann sie nicht ausstehen. Sie stinken, haaren und sind häßlich. Schon als kleines Mädchen mochte ich sie nur als Bestandteil italienischer Salami.
Doch das weltliche Karma ist unerbittlich. Denn kaum erscheint ein Gaul am Horizont, schon kreischt Kind 2.0 vor Freude und fällt fast aus dem Kinderwagen vor Begeisterung.
Um des Seelenheil willens stelle ich mich deswegen wahnsinnig gerne in der prallen Sonne vierzig Minuten in eine Schlange, damit es reiten kann. Ich habe auch keine Probleme damit andere Mamis anzuschreien oder an den Haaren zu ziehen, um unsere gute Platzierung zu verteidigen.
In mir auch Ruhe und ZENartige Ausgeglichenheit wenn das Kind, sobald wir an der Reihe sind, schreit: Neeee MamamamMMMAAAAAAAAAAAA WILL NICH, habsch ANGST!
Wenn wir dann nach einigen erfolglosen Überredungsversuchen aus der Schlange ausscheren und das Kind es sich anders überlegt und brüllt: WILLSCH reeeiiIIIIIIten MAMAAAAAAA! liebe ich es trotzdem. Immer und immer und immer. Echt. Ich lüge nie.