„Let’s talk“ S04E02 zusammen mit SCHAU HIN! Jetzt wird gebastelt
Im Zentrum meiner Serie „Let’s talk“ stehen die Chancen, die digitale Medien mit sich bringen. Nachdem ich in der ersten Runde v.a. allgemein über Nutzung und Plattformen gesprochen habe, wurde es in der Folgerunde konkreter und Eltern berichteten mir von ihrem Familienalltag mit digitalen Medien. Im Anschluss kamen Jugendliche selbst zu Wort. In der 4. Staffel wird gebastelt. Das gemeinsame Basteln sorgt für einen konkreten Anlass Erfahrungen zu sammeln und zu den einzelnen Themen ins Gespräch zu kommen. Der Gedanke „Basteln“ ist hier etwas weiter gefasst.
Viele Kinder begeistern sich für YouTube – genauer gesagt, für einzelne YouTuber/innen. Einige träumen davon selbst YouTuber zu werden. Den meisten Kindern ist nicht klar, dass damit ein enormer Aufwand und auch nicht unerhebliche Kosten verbunden sind. Sie haben das Gefühl, dass die Videos etwas sind, was die YouTuber alleine „mal schnell eben“ drehen und online stellen.
Bei uns fing es schon im Grundschulalter an, dass Kinder im Bekanntenkreis eigene Kanäle anlegten und dort Videos hochluden. Es dauerte nicht lange, bis eines der Kinder uns Eltern fragte, wie man eigentlich Videos erstellt und ob es auch einen YouTube-Kanal haben darf. Als wir uns gemeinsam den Kanal der Mitschüler anschauten, wurde schnell klar: es ist kompliziert.
Es wurden nicht nur großzügig die private Umgebung sondern auch andere Klassenkameraden gezeigt. Auch unser Kind wurde ungefragt gefilmt und die Eltern reagierten verwundert, als wir relativ ärgerlich darum baten, das Video sofort aus dem Netz zu nehmen.
Neben den ganzen Verstößen gegen dem Recht am eigenen Bild, gibt es noch andere Stolpersteine, so wie z.B. urheberrechtlich geschützte Musik, die im Hintergrund läuft oder aber Dinge in den Videoaufnamen, die Rückschluss auf den Klarnamen und andere private Informationen geben (z.B. beschriftete Schulhefte oder Hintergrundgespräche der Eltern, die nicht wussten, dass das Kind gerade ein Video dreht).
Wie geht man aber mit dem Wunsch eines Kindes um, selbst Videos produzieren zu wollen?
Anleitung: Wie führe ich ein Kind an das Thema Videoproduktion heran?
- Prototypische Videos produzieren ohne sie hochzuladen
- Account auf YouTube anlegen
- Alternativen zeigen, die Kreativität ermöglichen
- Videos hochladen und Erwartungen besprechen
1) Prototypische Videos produzieren ohne sie hochzuladen
Damit man risikolos über einzelne Stolpersteine sprechen kann und damit auch der Aufwand klar wird, der mit Videoproduktion verbunden ist, empfiehlt es sich, dem Kind zunächst den Auftrag zu geben, Videos zu produzieren, die nicht sofort im Netz hochgeladen werden.
Das Kind erhält so schnell eine Vorstellung von dem Aufwand, der damit verbunden ist, denn von der Idee zur Umsetzung ist es ein weiter Weg.
Was könnt ihr dabei mit euren Kindern lernen und diskutieren?
- Was genau soll eigentlich gefilmt werden? Gibt es ein Drehbuch?
Bevor gefilmt wird, muss eine Idee entwickelt werden. Die kann man grob in einigen Stichworten beschreiben oder dazu sogar eine Art Storyboard malen.
- Wie wird gefilmt?
Am einfachsten ist es sicherlich per Handy zu drehen. Dabei kann es hilfreich sein, eine Stativ zu haben oder zumindest das Handy fest zu platzieren, so dass das Video möglichst wenig verwackelt.
- Muss das Material nachträglich geschnitten und zusammengestellt werden? Welche Apps gibt es dafür?
Je nachdem, was man vorhat, muss das gefilmte Material geschnitten werden. Das geht per App oder mit Programmen, die auf einem Computer mit zum Standardrepertoire gehören (z.B. iMovie). Dort kann man schneiden, Übergänge schaffen und Musik unterlegen [1].
- Was darf man in dem Video sehen, was nicht?
Klar sollte sein, dass man ohne explizite Einwilligung (je nach Alter der Kinder auch Einwilligung der Eltern) keine anderen Personen filmen darf. Es ist außerdem wichtig, dass der Hintergrund nicht zu viel persönliche Details preisgibt.
- Ist es OK sich selbst zu zeigen? Zeigt man sich ohne Gesicht?
Diese Entscheidung trifft das Kind, je nach Alter, entweder selbst oder mit den Eltern.
- Ist es OK, wenn die eigene Stimme zu hören ist?
Es ist unwahrscheinlich nur anhand der Stimme ohne weitere Informationen identifiziert werden zu können. Dennoch muss man darüber nachdenken, ob man die eigene Stimme aufnehmen und öffentlich machen möchte. Auch muss zusammen mit dem Kind überlegt werden, WAS gesagt wird.
- Welche Musik kann benutzt werden? Welche Plattformen für kostenlose Musik gibt es?
Es gibt Plattformen wie jamendo.com oder archive.org. Allerdings muss man hier auf die Art der Lizenz achten und dann entscheiden, ob man Musik in das eigene Video einbaut [2].
Hat sich ein Kind durch diese ganzen Fragestellungen durchgekämpft, ist es ihm wirklich ernst mit dem Thema. Bei uns hat sich der Wunsch nach eigenen Videoproduktionen ungefähr auf der Hälfte des Weges in Luft aufgelöst. Je nach Alter des Kindes, kann man darum bitten, diese Themen alle selbst vorzubereiten. Je jünger ein Kind ist, desto mehr Unterstützung braucht es durch die Eltern.
Unser Deal war: Produziere drei Videos vor, wir schauen sie zusammen an und entscheiden dann, ob wir einen Account auf YouTube eröffnen oder nicht.
2) Account auf YouTube anlegen
Ähnlich wie im letzten Beispiel „Videos per QR-Code in Fotoalben einbinden“ kann man gemeinsam mit dem Kind einen Account auf einer Videoplattform anlegen. Bevor man das auf YouTube macht, kann man dem Kind zumindest mal sagen, dass es auch andere Plattformen wie Vimeo gibt. Sehr wahrscheinlich wird es sich nicht für alternative Videoplattformen interessieren – es ist dennoch empfehlenswert Kindern zu zeigen, dass es meist Alternativen gibt.
Was könnt ihr dabei mit euren Kindern lernen und diskutieren?
- Muss man den Klarnamen angeben? Muss man das echte Geburtsdatum angeben? Was passiert, wenn man es nicht tut?
Ich persönlich würde erstmal mit „nein“ antworten. Hinterlegt man falsche Daten und kommt das irgendwie raus, kann ggf. der Account gesperrt werden. Das muss man im Hinterkopf behalten.
- Was ist personalisierte Werbung? Für was sammeln Dienste wie Google persönliche Daten?
Google sammelt aus allen Accounts persönliche Daten, um so Profile erstellen zu können, die möglichst passende, zielgruppengerechte Werbung ausspielen zu können. Die Daten werden an Werbepartner verkauft
- Kann man das Datensammeln abstellen oder einschränken?
Sprecht mit Euren Kindern darüber, dass man abstellen kann, dass Werbung personalisiert wird – dass man das Ausspielen von Werbung an sich nicht unterbinden kann, weil Google-Dienste „kostenlos“ sind. Sprecht darüber, dass „kostenlos“ bedeutet, dass ihr den YouTube-Account nicht in Euro aber mit euren Daten bezahlt. Ihr zahlt außerdem mit dem Anschauen von Werbung.
Unabhängig von der App (gilt z.B. auch für Twitter oder TikTok), ist es z.B. empfehlenswert, dass sensible Daten wie die Standortdaten grundsätzlich deaktiviert werden.
Die Grundlage des YouTube-Accounts ist ein Google-Konto – an dieses Konto sind eine Reihe von Themen geknüpft. So ist es z.B. auch empfehlenswert, sofern man halbwegs Wert auf Datenschutz legt, die automatische Spracherkennung (v.a. die auf Zuruf wie „OK Google“) abzustellen. Es sei denn man findet es schick, dass die Geräte zu jederzeit jedes Wort mithören und auf irgendwelchen Servern außerhalb Deutschlands ablegen.
AGB und Datenschutzerklärungen durchzulesen und die Einstellungen tatsächlich einzeln durchzugehen, macht vermutlich niemanden Spaß. Es ist aber der einzige Weg nach und nach zu verstehen, wie bestimmte Dienste funktionieren. Mit dem Durchsprechen und Verstehen erreicht man übrigens sehr viel mehr als mit konsequenter Medienzeitbegrenzung.
3) Alternativen zeigen, die Kreativität ermöglichen
Ihr habt jetzt schon mit eurem Kind darüber geredet wie aufwendig und schwierig es ist, Videos von Personen – und sogar von sich selbst zu erstellen und im Netz hochzuladen. Vielleicht ist das Kind auch einfach zu jung, um tatsächlich ermessen und entscheiden zu können, ob es in einem Video selbst in Erscheinung treten möchte. Bietet deswegen Alternativen zur Videoerstellung an. Wir haben z.B. gute Erfahrungen mit dem Erstellen von Stop-Motion-Videos gemacht. Zumal das analoge und digitale Welt vereinigt.
Es gibt ziemlich viele Apps mit denen man Stop-Motion-Videos erstellen kann. Wir nutzen „Stop Motion„. Im Grunde muss man dem Kind nur zeigen, dass man aus Einzelbildern ein Video zusammensetzt. Ob man dafür am Ende Zeichnungen verwendet oder kleine Figuren oder ähnliches, ist der Fantasie des Kindes überlassen.
Die Resultate sind beeindruckend (Video im Kindergartenalter erstellt)
4) Videos hochladen und Erwartungen besprechen
Sobald ihr das erste Video hochladet, erstellt ihr einen YouTube Kanal.
Was könnt ihr dabei mit euren Kindern lernen und diskutieren?
- Wie soll der Kanal heißen? Welche Informationen stellt ihr bereit?
Sprecht darüber, ob und wie ihr ein Profilbild gestalten wollt und wie der Name heißen soll, den man zukünftig immer sieht, wenn ihr etwas hochladet.
- Wie wollt ihr Videos bereitstellen?
Sprecht darüber, in welcher Form ihr eure Videos zur Verfügung stellen wollt. Sprecht darüber was öffentlich, nicht gelistet und privat bedeutet. Nicht gelistet bedeutet, dass das Video öffentlich ist, jedoch nicht über die Suche auffindbar. D.h. ihr kennt den Link, könnt ihn verschicken und es kann dann ohne Passwort oder ähnliches abgerufen werden.
- Welche mit dem Videoupload verbundenen Funktionen wollt ihr nutzen?
Beim Hochladen geht ihr die einzelnen Einstellungen mit dem Kind durch. Unter „Erweiterte Einstellungen“ gibt es eine Menge an Punkten, die ihr besprechen müsst. Wollt ihr Kommentare und oder Bewertungen zulassen? Dürfen andere euer Video für ihre Zwecke benutzen (Lizenz und Eigentumsrechte)? Darf das Video weiter (auch außerhalb der Plattform) verbreitet werden?
Auch hier: es ist am Anfang mühsam, aber wenn das Ziel die Erlangung von Medienkompetenz ist, dann muss man sich Punkt für Punkt durcharbeiten. Auf jeder Plattform. Irgendwann wiederholen sich die Fragestellungen und da man schon eine Haltung zu den einzelnen Punkten entwickelt hat, geht es nach und nach ein wenig zügiger.
- Wo kommen Likes her? Was sagen Likes aus?
Vielen Kindern ist zudem nicht klar, dass sie nicht einfach so hunderte von Abonnenten und damit auch Likes bekommen. Das kann zu großen Enttäuschungen nach all der Arbeit mit den Videos führen. Vielleicht habt ihr ja Freunde und Verwandte, denen ihr das Video zeigen könnt, die dann auch Feedback dazu geben können. Erklärt den Kindern, dass man für ein Like oder einen Kommentar jedoch ebenfalls einen Google-Account braucht und dass nicht jede/r einen hat oder will.
Mal ganz abgesehen davon sollte es natürlich auch Thema sein, dass sich die Qualität der Arbeit nicht in Likes messen soll und kann.
Wie man sieht: Das Projekt „Videos erstellen und hochladen“ erscheint auf den ersten Blick einfach. Setzt man sich mit den Details auseinander, stellt man schnell fest, dass man mit der Beantwortung der einzelnen Fragestellungen nicht nur Stunden sondern Tage verbringen kann – aber eben auch eine Menge lernt, was man dann auch in anderen Kontexten anwenden kann. Hier nochmal die Zusammenfassung:
Was braucht man dazu?
Einen Account auf einer Videoplattform (z.B. YouTube) und eine App zum Videoschneiden oder eine zum Erstellen von Stop-Motion-Videos. Wie bei allen Apps gibt es sowohl kostenlose, die z.B. Werbung ausspielen, als auch kostenpflichtige.
Wie teuer wird es?
Im Grunde kann es kostenfrei bleiben. Jedenfalls in Euro gedacht.
Wie viel Zeit muss man investieren?
Um einen Account anzulegen und die ganzen Themen durchzusprechen kann man ein bis zwei Nachmittage einplanen. Die Videoerstellung varriiert stark. Das oben verlinkte Stop-Motion-Video hat vom Plan bis zur Umsetzung immerhin zwei Stunden in Anspruch genommen.
Für welche Altersstufe ist es geeignet?
Schon ab Kindergartenalter kann man Videos zusammen erstellen. Um ein eigenes Google-Konto zu eröffnen, müssen Kinder mindestens 16 Jahre alt sein.
Weiterführende Links auf SCHAU HIN! zu den oben genannten Fragestellungen:
- Mein Kind auf YouTube? Aber sicher!
- Persönliche Daten im Netz schützen – das Internet vergisst nichts
- Online-Werbung – ein Risiko für Kinder?
Schau Dir auch die anderen Projekte aus der 4. Staffel der Let’s Talk Serie an:
1) Videos per QR-Code in Fotoalben einbinden
2) Stop Motion Filme erstellen und hochladen
3) Ein Computerspiel (durch)spielen
4) Ein Computerspiel selbst bauen
5) Offline programmieren
[1] [2] YouTube hat im Benutzer-Backend sowohl einen Video-Editor als auch eine Datenbank mit lizenzfreier Musik integriert, aber die Idee war ja, dass man Videos herstellt, die nicht sofort in YouTube bereitstehen.
Bei „Let’s talk“ geht’s bei mir automatisch mit about…
…ähm…
…Salt ’n‘ Pepa weiter.
Damit konnte man ihn locken…. Interessanter als Plakate etc. zum Thema zu machen…. Mutter hat tatkräftig unterstützt.
Cooler Typ, Dein Sohn!
Witzig! Mein Sohn hat Emil und die Detektive als Stop Motion Film gemacht… und den zweiten Platz beim Erich Kästner Förderpreis der Erich Kästner Gesellschaft gewonnen. Da war er 11 youtu.be/dLh_D9IPyK8