Langweile, ein ausgelebter Traum

Ich erinnere mich, dass ich mich vor Vollendung meines 28. Lebensjahres des öfteren gelangweilt habe. Das fällt mir vor allem ein, wenn unser Kind 1.0 sich aus den Spielzeugbergen gräbt und ein langes, leidendes Gesicht macht und seine Lippen lautlos das Wort LANGEWEILE! formen.
Seit wir Kinder haben, habe ich mich nicht mehr gelangweilt. Hätte ich gewusst, wie sehr ich es vermissen werde, dann hätte ich mich bei meinem letzten Mal nicht einfach achtlos gelangweilt. Nein, ich hätte es ausgekostet. Ich hätte mich auf dem Boden hin und her gewälzt, wäre vielleicht bäuchlings auf die Straße gerobbt und hätte Passanten wie ein Verdurstender in der Wüste den Arm entgegen gestreckt und dabei: Langweilig, langweiiiiiliiiig! gekrächzt.
Jetzt, wenn ich zum Beispiel das Baby auf dem Rücken trage, mit der einen Hand staubsauge, mit der anderen Hand Babynahrung dünste und pürriere, während ich mit den Füßen Wollsöckchen stricke und dabei telefoniere, denke ich oft noch an diese schönen Zeiten.
Es wäre so schön: einmal alleine langweilen.
Wenn ich dann das Baby versuche in den Laufstall zu stellen, weil ich zum Beispiel eine giftige Pflanze umtopfe und es schreit und weint, als hätte ich es an einer Autobahnraststelle ausgesetzt, dann wünschte ich, wir könnten Plätze tauschen.
Ich hebe es dann raus, setze mich in den Laufstall, lege mich auf den Rücken, die Beine lasse ich rausbaumeln und starre an die Decke. Vielleicht lege ich mir auch ein Schnüffeltuch auf die Augen und dann schlummere ich langsam ein und träume, ich sei ein Kind mit vielen, vielen, vielen Spielsachen und ginge meinen beschäftigten Eltern auf die Nerven.

Ungewollte Verfolgungsjagd

Damit man sich mit Baby nicht langweilt und auch um die Wirtschaft anzukurbeln, macht man heutzutage mindestens drei Babyförderungskurse pro Woche. An den verbleibenden freien Tagen geht man, um die frühkindliche Motorik zu fördern, mindestens einmal schwimmen.
Babyschwimmen ist super. Man gleitet samt Nachwuchs durch ein pipiwarmes Becken und plätschert gut 30 Minuten durchs Wasser. Dabei macht man oioioi oder auch jaoioioi, fein!
So läuft das theoretisch. Praktisch ist man leider ununterbrochen auf der Flucht. Auf der Flucht von anderen Muttis mit Baby.
Mal kurz den üblichen Smalltalk austauschen ist ja OK, aber die meisten wollen gar nicht mehr aufhören zu reden.
– Wie alt ist ihr Baby denn?
– 4 Monate.
– Meins ist xx-Monate. Was ist es denn?
– Ein Baby.
– Meins ist ein xx. Waren sie schon öfter hier.
– Nein.
– Ich schon, wir gehen jede Woche. Macht es ihrem Baby auch so Spaß?
– Weiß nich, es redet noch nicht.
Spätestens da winke ich einem imaginärem Menschen zu „Ah, da hallo, der Onkel/Tante/Opa/Oma. Ich muss leider los…“ und paddele von dannen.
Die fremde Mutti nimmt die Verfolgung auf.
– Ach, sie sind gar nicht alleine hier?
Ich erhöhe die Geschwindigkeit, biege unerwartet ab und schiebe mein Baby an der aufdringlichen Mama vorbei.
– Sie sind aber schnell. Hi, hi.
Die Mutti bindet sich ihr Baby auf den Rücken und krault mir hinterher. Ich schaue in die Luft und gebärde mich seltsam. Dabei sage ich laut: „Hoffentlich sieht der Bademeister nicht, dass Du diese extrem ansteckende und gefährliche Krankheit hast, mein süßes Baby!“.
Die kommunikationssüchtige Frau hat Wasser in den Ohren und kommt immer näher.
Ich schnalle meinem Baby und mir Atemgeräte um. Dann eben Babytauchen. Wir gleiten leise blubbernd an den Celluliteoberschenkeln der anderen Frau vorbei. Endlich Ruhe!

Es schläft, wehe Du atmest

Wenn Säuglinge schlafen, schlafen sie. Sie fallen von einer Minute zur anderen in den Tiefschlaf. Da könnte Godzilla nebenan die Nachbarschaft zertrampeln; sie würden nicht wach werden.
Das ist eine wunderbare Zeit.
Gegen Ende des ersten Lebensjahres ändert sich das leider. Die Kleinstkinder schlafen schlecht ein und wenn sie endlich schlafen, werden sie bei jedem Mucks wach.
In der alltäglichen Kommunikation bin ich großer Freund einer differenzierten Ausdrucksweise, doch es gibt Situationen da kann ich ruhigen Gewissens sagen, dass die Stärke des Ausdrucks durchaus angemessen ist.
Denn was in mir aufkeimt ist nichts anderes als Hass, wenn man es endlich geschafft hat, dass das Baby schläft und irgendwer beispielsweise hustet und somit das sofortige Wecken und Dauerschreien bewirkt.
Hass, Hass, Hass.
Auch den knarrenden Diele, der Klospülung, dem Wind und Blähungen wünsche ich die Pest an den Hals.

Ich will nach Norwegen, im 60km Umkreis keine Menschenseele und morgens nach dem Frühstück knalle ich alle Vögel ab. Dann ist endlich Ruhe. RUUUHHHHEEEEÄÄÄHHH!

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„Clearblue* – die größte technische Innovation, auf die ein Urinstrahl treffen kann“ und im Original „The most sophisticated piece of technology, you will ever pee on„. Ich wette, wenn ich auf unsere Microwelle pinkle, habe ich auf eine größere technische Innovation gepinkelt.

Ist der Werbetexter schon gefeuert?

*Übrigens Clearblue versteht, gibt Antworten und bringt Klarheit. Ist somit also der perfekte Partner. Hab mich gerade von meinem Freund getrennt, lebe jetzt mit dem Schwangerschaftstest.

Vorher – Nachher

Mit einem Kind ändert sich so einiges. Hatte man früher die Designercouch noch liebevoll in Plastikfolie gehüllt um sie vor Staubbefall zu schützen, so setzt man heute ohne mit der Wimper zu zucken den mampfenden Sprössling mit Matschstiefeln auf das Sofa.
Freilich funktioniert diese Metamorphose nicht von heute auf morgen. Man durchlebt mehrere Stufen.
Nach der Geburt stillt man das Speikind erst mal ausschließlich in der Badewanne. Die kann man schließlich rückstandslos abbrausen. Notfalls samt Kind.
Nach nur wenigen Wochen schmerzt das eigene Gesäß und man wagt sich mit Schutzdecke auf das Sofa. Für den ehrgeizigen Säugling ist es jedoch ein leichtes durch alle Sicherheitsvorkehrungen zu durchkotzen und so sitzt man irgendwann direkt auf dem Sofa.
Monate vergehen, der Säugling will nun Brei. In unserem Fall eine glückliche Fügung des Schicksals das Brei- und Couchfarbe miteinander harmonieren. Außer Möhrchen und Süßkartoffeln gibt es das erste Jahr nichts.
Doch steter Tropfen höhlt den Stein und so kommt der Tag an dem der Nachwuchs Spinat entdeckt und ob des freudigen Gesichts, zeigt man sich flexibel und freundet sich anstandslos mit dem neuen Camouflagemuster an.
Ähnliches durchleben alle Möbelstücke.

regal copy

 

Why me?

Nehmen wir an Sie haben Nachwuchs. Nehmen wir an, ihr Nachwuchs liebt Spinnen. Nehmen wir weiterhin an, ihr Nachwuchs verweigert jegliche Nahrung, es sei denn, es sind in ausreichender Menge Spinnen enthalten. Haarige, versteht sich. Haarige, die innen mit grünem Schleim gefüllt sind und stinken.
Sie stehen also in der Küche, schauen ein Nudelholz haltend auf die Spinne (sie lebt noch), schauen auf Ihren Zögling, der lächelt sie erwartungsfroh an und schmatzt mit geröteten Wangen.
Was bleibt Ihnen da übrig? Sie holen aus, braten der Spinne eins über, sie platzt, sie rupfen ihr die zappelnden Beinchen ab, halbieren den Körper und werfen alles zusammen in einen Mixer.
Den fertigen Brei machen Sie heiß und wenn sie ihn füttern (er stinkt immer noch wie eine Furzbombe), halten sie den dampfenden, mit Spinnenbrei behäuften Löffel an Ihre Lippen. Schließlich wollen Sie nicht, dass Ihr Baby sich verbrennt.
So ist mein Leben. Das stehe ich jeden Tag durch. So ist das Leben einer Obstphobikerin, deren Kind nichts anderes als Obst essen möchte.

Schahaaatz, die Gelben haben wieder Junge!

Ich bin wirklich nicht eine von diesen Frauen, die leere Fruchtzwergebecher aufhebt, um Soßenreste vom Vorabend für später einzufrieren. Deshalb verstehe ich überhaupt nicht wieso mein Freund sich darüber lustig macht, dass ich Kartons und Umschläge für den ebay-Versand sammele.
Er sagt, ich solle sie wenigstens getrennt legen, so dass sie sich nicht unkontrolliert vermehren.

Kartonsammelsurium