Das Gegenteil von Spitzer ist nicht stumpfer

Ich freue mich, dass es neben dem viel diskutierten, sehr lauten Manfred Spitzer nun zwei sanfte Stimmen gibt, die mit „Netzgemüse“ einen Gegenpol zum Thema Das-Internet-ist-der-Untergang-des-Abendlandes-und-wird-unsere-Kinder-alle-verderben gibt.

„Doch ein Zurück in eine Welt vor dem Internet […] gibt es nicht mehr. Es nützt daher wenig, sich gegen eine Welt mit Internet zu wehren, stattdessen sollten wir uns mit ihr beschäftigen, sie kennen(lernen), sie aktiv zum Besten formen und uns gemeinsam mit unseren Kindern: kümmern.“

Netzgemüse, Seite 145

Damit ist im Grunde eigentlich alles gesagt. Jedenfalls über das Internet und unsere Elternaufgaben.

Ich habe Netzgemüse sehr gerne gelesen. Ein bißchen hatte ich mich als Internetsüchtige Bloggerin und Mutter bereits mit dem Thema auseinander gesetzt und vieles, was beschrieben wird, ist ohnehin nicht neu für mich. Ich kenne und benutze Facebook, Twitter, YouTube und noch einige andere Plattformen seit einigen Jahren – auch erinnere ich mich lebhaft an Lebensphasen, in denen ich eher damit beschäftigt war, bei Monkey Island weiter zu kommen, als meine Französischvokabeln zu lernen. Mir ist auch durchaus der Reiz – das Suchtpotential – bewusst und dennoch habe ich durch das Buch noch einiges gelernt. Ich möchte das Buch aber auch all denjenigen wärmstens empfehlen, die sich im Gegensatz zu mir im Internet nicht zuhause fühlen – ja, die vielleicht sogar eher Berührungsängste mit dem Internet haben.

Für mich persönlich ist das Buch so wunderbar, weil es völlig unaufgeregt berichtet. Es ist hype- und hysteriefrei. Zudem hat es etwas, was ich sehr schätze: Es zeugt von einem durchweg respektvollen Miteinander zwischen Eltern und Kindern. Gut zu sehen an Kapitelüberschriften wie Vertraue deinem Kind so wie dir selbst (S. 247ff) und Tschüss, Kontrolle! Hallo, Gemeinsamkeit! (S. 260ff).

Ich habe z.B. sehr gerne Jesper Juuls Das kompetente Kind und Herbert Renz-Polsters Kinder verstehen gelesen. Beide haben gemeinsam, dass Kinder nicht als Tabula Rasa gesehen werden, die von den ach so erfahrenen und klugen, niemals irrenden Eltern geformt werden müssen. Diese Autoren gehen davon aus, dass Kinder gut und richtig sind und nicht erst zu irgendwas gemacht werden müssen. Die meisten Bücher dieser Art beschäftigen sich aber eher mit Kindern im Alter von 0 – 6. Bücher, die sich mit der Eltern-Kinder-Lebenswelt jenseits des Schuleintritts beschäftigen, sind rar. Das ist ein weiterer Grund warum ich Netzgemüse gerne gelesen habe.

Mir geht wirklich das Herz auf, wenn ich lesen kann, dass es andere Eltern gibt, die ihre Kinder ernst nehmen, die ihnen vertrauen, die sie begleiten und stärken. In vielen Gesprächen mit anderen Eltern bin ich erschüttert, wie wenig Kindern vertraut wird und ich finde es nach wie vor befremdlich, dass die Welt des Internets offenbar als parallel existierend neben der echten Welt gesehen wird. Auch das arbeitet Netzgemüse wunderbar heraus. Warum sollen im Internet andere Regeln gelten? Warum soll man dort anders kommunizieren, vertrauen, misstrauen, hinterfragen etc.

D.h. Netzgemüse bejubelt nicht das Internet sondern es führt LerserInnen zu den verschiedenen Haupthaltestationen des Internets und beleuchtet viele Aspekte – sowohl Chancen als auch Risiken und es gibt Beispiele, wie man mit eben diesen umgehen kann. Völlig undogmatisch.

Ich freue mich, dass es neben dem viel diskutierten, sehr lauten Manfred Spitzer nun zwei sanfte Stimmen gibt, die einen Gegenpol zum Thema Das-Internet-ist-der-Untergang-des-Abendlandes-und-wird-unsere-Kinder-alle-verderben gibt.

Quapsel – Quaputzi – Quappo – Quaxo!

Pädagogisch wertvolle Fernsehsendungen: Heute, die Pokemon (und warum Biene Maja nichts für Kinder ist!)

Ich habe Kinder unterschiedlichen Geschlechts. Das erweitert zumindest die Bandbreite dessen, was man im Fernsehen zu sehen bekommt. Konkret bedeutet das, dass man eben nicht nur Transformers oder Pokemon sondern auch Prinzessin Lillyfee anschauen muss. Pokemon sind schon ziemlich schlimm. Denn – falls das hier jemand nicht weiß – Pokemon können nicht sprechen, sie können nur ihren eigenen Namen sagen. Das schränkt die Tiefe der Dialoge etwas ein.

Eine Folge Pokemon anzuschauen, erinnert mich sehr an die Ebbinghausschen sinnlosen Silben-Experimente zum Erfassen von Gedächtnisleistung. „Quaxo! Quaxo! Quaxo!“ Alle 648 Pokemon und deren Transformationen auseinander halten zu können, ist tatsächlich gar nicht so einfach.

Das alles mag die Gedächtnisleistung schulen. Es lindert aber nicht die Qualen, die ich beim Mitschauen erleiden muss. Andere Protagonisten, wie Prinzessin Lillifee, die eine Schweinefreundin namens Pupsi hat, sind leider nicht einfacher zu ertragen. Die komplexeren Dialoge lauten beispielsweise: „Was ist los Prinzessin Lillyfee?“ „Ach! Ich bin so traurig, ich habe sogar vergessen meine Frühstücksmilch rosa zu zaubern.“

Als ich das alles nicht mehr ausgehalten habe, dachte ich, meine Kinder müßten die Qualitätskinderserien meiner eigenen Kindheit anschauen. Heidi, Pinocchio und vielleicht Biene Maja. Die Erstausstrahlung von Biene Maja, habe ich sehr wahrscheinlich gar nicht mitbekommen, die war 1976. Da war ich erst ein Jahr. Wobei in den 70ern war man eher sorglos. Da haben die Eltern im Auto geraucht und wir Kinder sprangen im Kofferraum durch die Gegend. Vermutlich hat man mich da auch mit 10 Monaten Biene Maja schauen lassen. Sitzen konnte ich immerhin schon und das sollte zum Fernsehen reichen.

Ich hatte Biene Maja seit den frühen 80ern nicht mehr gesehen. Alles an was ich mich erinnerte, schien mir pädagogisch höcht wertvoll. Eine Biene, Mitglied eines Bienenschwarms, schlau und doch immer auf das Überleben der Gemeinschaft bedacht. Überhaupt Bienen eine super Sache – ein Matriarchat angeführt von einer Bienenkönigin, die Gelehrten so wie Biene Majas Lehrerin Kassandra alles Frauen… was könnte da an Biene Maja falsch sein?

Biene Maja war die erfolgreichste Kinderserie im ZDF. Bei der Erstausstrahlung schauten im Schnitt über 4 Millionen Kinder zu. Biene Maja, die in der Original-Anime-Serie übrigens mitsubachi maya no boken heißt, war die erste deutsch-österreichisch-japanische Coproduktion. Angestoßen wurde die Verfilmung der Romanvorlage von Josef Göhlen, dem damaligen Leiter des Kinder- und Jugendprogramms des ZDF, der sich in den USA in einem Motel mit dem Zeichner Marty Murphy traf, um Details der Zusammenarbeit auszubaldowern.

Marty Murphy wurde übrigens später einer der bekanntesten Karikaturisten im Playboy. Hätte ich das vorher gewußt, hätte ich die Kinder natürlich NIEMALS Biene Maja schauen lassen.

Die erste Staffel von Biene Maja beginnt mit der Folge „Maja wird geboren“. Kassandra möchte in den Bienenstock, um bei der Geburt dabei zu sein und wird von zwei Soldaten abgehalten, die den Befehl haben, niemanden herein zu lassen. Nach längerer Diskussion, darf Kassandara passieren. Die Bienen schlüpfen – alle nur eine nicht und das ist Maja, die quasi schon während ihrer Geburt reaktantes Verhalten zeigt. Ab da läuft die Biene Maja nur herum, fragt den Erwachsenen Löcher in den Bauch und macht nie was sie machen soll. Durch ihr leichtsinniges und naives Verhalten befindet sie sich ständig in Lebensgefahr. Schlimmer noch, sie gefährdet durch ihr uneinsichtiges Wesen permanent  die körperliche und seelische Unversehrtheit ihrer Freunde.

Der Grashüpfer Flip begleitet die Serien als Sprecher und statt das Ganze dann pädagogisch noch mal zusammenzufassen: „Ja, die Biene Maja hat viel Unsinn gemacht, aber jetzt hat sie was gelernt, das nächste Mal hört sie auf die erfahrenen Altbienen und bringt mit ihrem sorglosen ausschließlich auf Vergnügen ausgerichteten Verhalten nicht den ganzen Bienenstock in Gefahr!“ NEIN da sagt der noch: „Ja schade, diesmal hat sich die Biene Maja erwischen lassen, aber das passiert ihr nächstes Mal hoffentlich nicht, da muss sie einfach besser aufpassen!“

Nach nur drei Folgen sind wir wieder auf Pokemon umgestiegen. Zwar sind die Dialoge nicht so differenziert, aber wenigstens lernen die Kinder nicht so einen Unsinn, wie alles zu hinterfragen oder selbstständig die Welt zu erkunden – denn sie sind viel zu beschäftigt damit die 648 Pokemon und deren Entwicklungen sowie einzelne Attacken auswendig zu lernen. Das schult das Gedächtnis, fördert die Konzentrationsfährigkeit und das komplexe Denken und wenn man als Eltern dann endlich einsichtig ist – auch die motorischen Fähigkeiten sofern man das Pokemon-Spiel samt Nintendo DS kauft.

Biene Maja gibt es übrigens 2013 mit 78 neuen Folgen im ZDF zu sehen. Damit sie in die heutige Zeit passt, ist sie „rund, etwas greller und vor allem dreidimensional„. Da die alte Anime-Serie den heutigen Sehgewohnheiten von Kindern nicht mehr entspricht, ist sie schneller geschnitten und wird durch eine „dynamische Erzählweise“ belebt.

Experiment Aufwachteller

In den frühen 80ern war es vergleichsweise einfach auszuschlafen. Deswegen pädagogisch wertvoll ausprobiert: den Ausschlafteller.

Als ich klein war, konnten meine Eltern immer ausschlafen. Ich bin einfach um 5 Uhr wach geworden und habe fern gesehen bis sie aufstanden. Das war manchmal so lange, dass ich freiwillig den Frühstückstisch gedeckt habe, weil mir beim Fernsehen langweilig wurde. Obwohls mir nicht geschadet hat und ich trotzdem groß geworden bin, möchte ich das bei meinen Kindern nicht. Allein schon weil es nicht nur einen Sender gibt, auf dem Kindersachen laufen sondern zehn und darüber hinaus weitere zwanzig Sender auf denen 24 Stunden Dinge laufen, die Kinder besser gar nicht sehen. Es gibt auch noch sieben bis dreizehn weitere Gründe warum ich das nicht möchte.

Ich schätze, im Schnitt schlafe ich jede Nacht sechs Stunden. Wenn diese sechs Stunden ohne Unterbrechung sind, dann fühle ich mich am nächsten Morgen sogar frisch.

Dem jüngsten Kind sind die Stunden meiner nächtlichen Ruhezeit ziemlich egal. Es steht atomzeituhrgleich IMMER um 5.58 Uhr auf. Wenn ich also erst spät ins Bett komme, die üblichen sechs Stunden eher vier werden und zusätzlich zwischen eins bis drei Kinder in unserem Bett quer liegen, dann halluziniere ich, dass es irgendeine Lösung für mein Ausschlafproblem geben könnte.

In einer bekannten Elternzeitschrift wird in diesem Kontext ein „Ausschlafteller“ vorgestellt. Man solle einfach für den nächsten Morgen ein Tellerchen für den Nachwuchs anrichten, der schon leer gegessen werden könnte, während die Eltern selig weiterschlafen. Das würde den morgendlichen Hunger ein wenig stillen und stelle gleichzeitig eine schöne Beschäftigung dar. Offen für Vorschläge jeder Art, habe ich das heute ausprobiert. Als ich gegen 1 Uhr ins Bett ging, packte ich einige Maiswaffeln und Rosinen sowie andere getrocknete Früchte auf ein Tellerchen und deckte dieses mit einem zweiten Tellerchen ab. Als Kind 3.0 pünktlich 5.58 Uhr erwachte und fröhlich trompetete: „Alle aufstääähn, isch bin wahaaach!„, wälzte ich mich zur Seite und hauchte: „Auf dem Teppich im Kinderzimmer wartet eine kleine Überraschung auf Dich. Geh doch schon mal dahin und spiele dann ein bißchen.“

Das Kind, sehr interessiert, marschierte gen Kinderzimmer. „WO IS EINE ÜBERRASCHUNK? MAMAAAAAA???!
„Am Teppich steht was zu Essen.“
Und die Überraschunk??
„Das ist die Überraschung.“
Ich höre, wie Kind 3.0 den Teller lüftet und murmelt „Maiswaffel? MAMA, IST DE MAISWAFFL DA ÜBERRASCHUNK?
„Ja, und die Rosinen. Kannst Du alles essen und dann spielen. Ich schlafe jetzt noch.“
Ich höre knabbern, ziehe meine Decke über die Schulter und will gerade die Augen schließen, als Kind 3.o „Kansch auch was trinken?“ Verdammt, daran hätte ich denken müssen. Ich stehe auf, fülle Wasser in eine Trinkflasche, überreiche sie dem Kind und schluffe wieder ins Bett. Das Kind trinkt „Is das nur Wassa? MAMAAAA?“ Ich versuche mich ruhig zu verhalten. „MAMAAAA, ISCH WILL ABER MILSCHSAFTSCHORLÄ!*
„Gibts jetzt nicht, ich möchte schlafen.“
Es folgen 90 Sekunden Ruhe. „Kanne isch was bauen?
„Ja, natürlich“
Ich höre Legosteingeklapper. Das Kind tappt ins Schlafzimmer. „Kannst Du das zusammen bauen?
„Nein, ich möchte schlafen“
RÄÄHHHBÄÄÄHHHH
„OK, ich baue das jetzt zusammen, dann lässt Du mich aber schlafen.“ Ich baue unter Anleitung drei Schiffe und ein U-Boot mit Pferdeanhänger. Das Kind schlappt ins Kinderzimmer zurück.
Sind die Sinen alle fur misch?
(…)
Nach einer Stunde gebe ich auf und trotte wie ein Automat ins Kinderzimmer. Das Kind schmiegt sich liebevoll an mein Bein und fragt mit warmer Stimme: „Hast Du gut ausgeschlafen Mama?“ Der Ärger verfliegt und ein weiterer Tag mit blutunterlaufenen Augen und der Hoffnung auf einen Mittagsschlaf beginnt.

—–
*Auf mehrmalige Rückfrage eine Begriffsklärung: „Milchsaftschorle“, ist ein Konstrukt, das Kind 3.0 erfunden hat: Es stellt ein hypothetisches Getränk dar, das nach dem Abstillen dargereicht wird, um den Übergang zur herkömmlichen Saftschorle zu erleichtern. Kind 3.0 verlangt seit dem 18. Lebensmonat danach.

Fragmentarische Gedanken zum Thema Medienkompetenz

Rettet die Kinder vorm Internet. Helft Herrn Spitzer es zu tun. Er selbst kann es nicht. Er hat leider keine Ahnung.

Alternative Überschrift „(…) ansonsten haben wir Kids, die facebook kennen, aber nicht Göthe.“ !!!!111!!!ELF!“

Ich habe den Spitzer noch nie gesehen oder gehört und alles was ich weiß, habe ich aus zweiter Hand. Hätten seine Thesen Hand und Fuß, ich machte mir mehr Mühe. Wie mir jedoch zugetragen wurde, reicht es glücklicherweise Dinge zu behaupten.

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Ich sage also folgendes: Wenn Herr Spitzer behauptet, das Internet mache dumm (und dick) – insbesondere unsere Kinder, dann treibt ihn nicht die Sorge um unsere Kinder, sondern vielmehr die Gewissheit, dass man Geld verdienen kann, wenn man an der richtigen Stelle Benzin ins Feuer schüttet.

In der menschlichen Seele gibt es nämlich einen Mechanismus der zunächst einmal alles, was neu ist, als potentiell bedrohlich einstuft. Für den Urmenschen gar nicht so dumm. Lieber nicht gleich zum noch nie gesehenen Säbelzahntiger rennen und ihn liebkosen, sondern Abstand halten und beobachten. Unser Leben, also das moderne Leben in der ersten Welt, ist im Vergleich zum Höhlenmenschdasein weitaus weniger gefährlich geworden. Die Evolution kommt nicht hinterher, das Gefühlsrelikt ist geblieben: Was neu und unbekannt ist, ist bedrohlich und wenn man sich nicht damit beschäftigt, dann bleibt es das auch. Es kann sogar schlimmer kommen. Wenn man andere trifft, die das unbekannte Ding auch nicht kennen und sich unterhält, so kann man seine Ängste gegenseitig befruchten.

Jetzt ist das Internet kein Säbelzahntiger, doch greift genau dieser Mechanismus bei vielen nicht so technik- oder internetaffinen Menschen. Sie haben Angst, insbesondere sieht die Evolution vor, dass man nicht nur ums eigene Leben fürchtet – sondern um das des Nachwuchses bangt. (Genaueres hierzu aus gegebenem Anlass unter „30 000 Jahre Fehlentwicklung“ nachzulesen).

Das alles weiß Herr Spitzer und deswegen befeuert er diese Angst. Denn die, die Angst haben, sitzen vor ihren Fernsehern und Radios und nicken mit den Köpfen und klatschen in die Hände, wenn Herr Spitzer behauptet, das Internet macht dumm und schlimmer noch: es sei eine ernstzunehmende Gefahr. Am Ende kaufen sie das Buch und schenken es Freunden, die auch schon immer befürchteten, dass das Internet etwas gefährliches sein könnte.

Was ich angemessener fände, wäre sich mal mit der Frage zu beschäftigen, was denn helfen würde. Denn, so wissen wir es alle: das Internet, das geht nicht mehr weg. Es bleibt also zu klären: Wenn es nicht weg geht, was können wir denn für unsere Kinder tun, um sie zu schützen?

Es wäre nämlich auf der anderen Seite Quatsch zu behaupten, das mit dem Internet rein gar keine Gefahren verbunden wären. Denn natürlich gibt es Internetsucht und zwar im Sinne von Spielsucht, von übermäßigem Pornokonsum (wers nicht kennt, eine mögliche Art diesem Problem zu begegnen: Make Love Not Porn) oder als Begleiterscheinung von Depressionen. Betroffenen Menschen sollte tatsächlich geholfen werden, zumal sie in den allermeisten Fällen einen Leidensdruck verspüren und eigentlich ziemlich gut selbst wissen, dass sie Hilfe brauchen.

Um nochmal auf die in der Zwischenzeit uralten Studie zum Thema Internetsucht einzugehen: Hier wurden Onlinezeiten erfasst, die u.a. Internetradio, Videotelefonie, E-Mail schreiben miteinschließen. Eine Sucht hauptsächlich aus den Nutzungszeiten abzuleiten, halte ich für beinahe lachhaft. Deswegen halte ich das viel zitierte Ergebnis „560.000 Süchtige, 2.5 Mio gefährdet“ für zweifelhaft und fände es angebracht die genannten Gruppen (Süchtige vs. Vielnutzer) deutlich zu unterscheiden. Das tut Herr Spitzer, wie so viele andere Internetphobiker, nicht.

Die Frage müsste also besser gestellt lauten: Was fürchten wir und wie gehen wir in Bezug auf unsere Kinder mit diesen Befürchtungen um.

Ich befürchte zum Beispiel, dass mein Kind beim Hausaufgaben machen denkt, dass alles was in der Wikipedia steht, sei richtig und wahr.

Die Maßnahme würde also lauten: Ich spreche mit meinem Kind. Und zwar über den Begriff der Wahrheit im Allgemeinen und erläutere zudem, dass man immer unterschiedliche Quellen heranzieht und dass man vielleicht mal ganz bewusst nach der Gegenthese sucht oder aber, dass man prüft, ob andere Quellen gleiche Aussagen/Zahlen/was auch immer nennen.

Auch befürchte ich, dass mein Kind in Welten eintritt, von denen ich keine Ahnung habe. Die Welt der Apps und Smartphones z.B. Mit selbigen bin ich nämlich nicht aufgewachsen.

Die Maßnahme wäre also: Ich kaufe mir auch ein Smartphone und probiere ein bisschen rum. Lasse mir Apps zeigen und erläutern, warum meine Kinder sie toll finden.

Vielleicht befürchte ich auch, dass mein Kind durch zu viel Internet andere Lebensbereiche vernachlässigt. Dass es gar dick wird, weil es sich so wenig bewegt und nur Junk Food ißt.

Die Maßnahme wäre also, dass es altersgemäß angepasste Onlinezeiten gibt. Dass ich attraktive Alternativen biete. Mit meinem Kind Fußball spiele, zum Spielplatz gehe. Dass ich ausgewogen koche, das Kind gar mitkochen lasse, dass wir gemeinsam essen und nicht jeder nebenher, dass ich mit gutem Beispiel voran gehe. Den Fernseher aus lasse Das internetfähige Telefon aus der Hand lege, usw. usw.

Alles völlig unspektakulär. Man braucht keine besonderen Fähigkeiten, kein Geld – und schon sind die Kinder gerettet. Allesamt! Vielleicht wäre es in diesem Sinne sinnvoller nicht im Kanon zu rufen, wie inkompetent der ehrenwerte Hirnforscher ist, wie wenig Ahnung er hat und anstatt dessen Vorschläge zu machen, wie ein sinnvoller Umgang mit dem Internet aussieht. Klar zu trennen in welche Bereiche das Internet eigentlich fällt, um zu differenzierteren Aussagen zu kommen und ganz am Ende uns an die eigene Nase fassen und ein gutes Vorbild zu sein.

So könnte man das Punkt für Punkt machen – ohne anfeinden und rumschreien. Die Welt wäre friedlich und die ganzen Menschen im Internet müssten sich nicht so aufregen.

Wer lieber was Fundiertes zur Digitalen Demenz lesen möchte, dem empfehle ich: „Zwischenbilanz zu Spitzers DigitaleDemenz“ oder „Kompetenz statt Demenz“ oder „Das Geschäft mit der German Angst oder Wie bringt man ein Sachbuch auf die Bestsellerliste?„.


Zugreise ohne Kind

Ruheabteile sind das schlimmste, der wo es geben tut auf der Welt.

Vergangene Woche bin ich das erste Mal seit Geburt meiner Kinder wieder alleine Zug gefahren. Es war grauenhaft. Ich mache das nie mehr. Ich habe in der kinderlosen Welt nicht mehr zu suchen. Auch wenn in meinem Zeugnis der ersten Klasse steht, ich sei schwatzhaft, so bin ich tatsächlich ein eher zurückhaltender Mensch. Nicht dass jemand denkt, dass ich andauernd plappern muss. Im Gegenteil. Aber das?

Die beiden Businessroboter, die das Abteil mit mir geteilt haben, waren absolut geräuschlos. Sie redeten nicht. Sie bewegten sich nicht. Ich habe sie lange angestarrt, ich glaube, sie haben nicht mal geatmet. Erst wollte ich ein Buch lesen, aber das Umblättern der Seiten war ungefähr so laut als wenn jemand während einer Gehirn-OP jodeln würde. Ich legte das Buch also weg und versuchte ganz, ganz leise zu sein. Allerdings klang das Aufeinandertreffen meiner Wimpern beim Blinzeln schon wie das Geräusch, das man kennt, wenn Müllautos die Mülltonnen nachrütteln um sie vollständig zu leeren. Nach drei Stunden knurrte mein Magen so laut, dass es mir peinlich wurde.

Ich entschloss mich mein mitgebrachtes Thunfischsandwich zu essen. Geräuschetechnisch sowas wie die Posaunen, die die Mauern Jericho zum Einfallen gebracht haben. Geruchstechnisch zugegebenermaßen auch ein wenig aufdringlich. Aber ich musste ja was gegen das Knurren unternehmen.  Die beiden Mitreisenden schauten mich total genervt an. Da ist es mit mir durchgegangen. Ich habe dem Druck nicht standhalten können.

In einer reflexhaften Bewegung entlud sich meine ganze innere Spannung, was zur Folge hatte, dass ich mein Thunfischbrötchen versehentlich im hohen Bogen durch das Abteil warf. Einzelne Salatblätter und Reste von Mayonnaise landeten auf dem Fenster. Das sah natürlich alles andere als appetitlich aus. Als ich wieder Herr über meine Bewegungen wurde, sollte ich das Missgeschick natürlich bereinigen und nahm einen großen Schluck von meinem Kaltgetränk, presste die Lippen aufeinander und zersprühte es an der Scheibe, um sie anschließend aufwändig zu polieren.

Meine Mitreisenden hatten sich in der Zwischenzeit bewegt und schauten mich verhältnismäßig erstaunt an. Auf die Frage, ob ich ihre Seite vielleicht auch säubern sollte, reagierten sie allerdings nicht. Es gibt schon seltsame Leute…

Schulgeldermäßigung durch kluges Patchworking

Neue Ehepartner für die richtige Schule.

Wer dachte, Kindergartenplatz finden sei Stress, der hat wohl keine schulpflichtigen Kinder. Die richtige Schule auszusuchen, gestaltet sich um ein vielfaches schwieriger.

Immerhin bekommt man auf jeden Fall einen Platz. Je nachdem wo man wohnt, hat man dann Glück oder nicht. Der Tag der offenen Tür an „unserer“ Schule war für mich eine Reise in die bunte Welt meiner Wessivorurteile über Ostschulen.

Die Direktorin verwies beispielsweise auf die vielen tollen Leichtathletikwettbewerbe, auf den Rechenwettbewerb, den Schachwettbewerb, den Schnelllesewettbewerb, den Buchstabierwettbewerb, den Englischwettbewerb, den Erfinderwettbewerb, den … ich hab leider an der Stelle schon nicht mehr richtig zugehört. Diverse Kindheitstraumata riefen mir bereits fröhlich „Haaallloooo“ zu. Bei den Bundesjugendspielen habe ich beispielsweise NIE, ich wiederhole NIE irgendetwas gewonnen. Mein Weitwurfrekord liegt bei 11 Meter. Allerdings musste ich dem Schüler, der das in die Liste eintrug, hinterher mein Taschengeld eines Monats vorbei bringen. Tatsächlich war mir der Ball hinten runter gefallen. …die Galerie der besten Schüler, die Jahresbestenauflistung und die Medaillensammlung außerschulischer Aktivitäten im Schaukasten vor dem Sekretariat.

Ich stellte mir vor, wie es wohl wäre, wenn es nicht nur eine Kategorie gäbe, in der man versagen könnte, sondern potentiell alle Kategorien dazu da sein könnten, um zu versagen.

Andere Schulen in der Umgebung stechen auch eher durch den barschen Umgangston ins Ohr. An mancher Stelle wünschte ich mir, dass die Kinder eher durch Schäferhunde als durch Fachpersonal bewacht würden. Die sind wenigstens noch kuschelig und stinken nur wenn sie nass werden.

Endlich haben wir eine Schule gefunden, deren pädagogisches Konzept gut klingt und die auch sonst einen erfreulich guten Eindruck macht, schon lässt uns das Thema Schulgeld erschaudern. Da wir beide berufstätig sind, müssten wir den laut Liste ausgewiesenen Höchstbetrag bezahlen. Plus einen Sonderbetrag für Zusatzleistungen, das Mittagessen, die Hortbetreuung und natürlich Unterrichtsmittelgrundausstattung und Lernmittel.

Ermäßigung gibt es nur, wenn man mehrere schulpflichtige Kinder beim gleichen Träger anmeldet. Für das erste Kind zahlt man 100% des Betrags, für das zweite 75%, für das dritte Kind nur 50% und das vierte – man höre und staune – wäre kostenneutral. Geht man von potentiellen (frei erfundenen und lachhaft niedrigen) 100 Euro aus, ergäbe das bei vier schulpflichtigen Kindern durchschnittlich 56,25 Euro pro Kind. Leider hat man selten vier Kinder gleichzeitig im schulfähigen Alter.

Um Geld zu sparen, muss man also tief in die Trickkiste greifen. Da reicht es nicht, den „Wohnort zu wechseln“. Das machen ja sehr viele. Einfach bei Freunden, die im Einzugsgebiet der Wunschschule leben, den Wohnsitz anmelden und schon ist man bei der Wunschschule angenommen.

Will man im oberen Fall Geld sparen, muss man sich zu allererst scheiden lassen und dann nach einem neuen Ehepartner suchen, der ebenfalls Kinder im Schulalter hat, die er/sie ebenfalls an der obigen, privaten Schule anmelden möchte. Diesen muss man dann heiraten und den Expartner bestätigen lassen, dass regelmäßig Unterhalt entrichtet wird. Das macht man dann mindestens vier Mal (oder aber man hat Glück und findet einen potentiellen Patchworkschulkooperationspartner mit Mehrlingen) und schon spart man gut 45% Schulgeld pro Kind!

Das ist großartig. Alternativ bleibt natürlich immer noch, dass die Frau den Job aufgibt und sich dem Hausfrauendasein widmet. Das wirkt sich positiv auf das Jahresbruttoeinkommen aus und mindert den zu entrichtenden Betrag alle 10.000 Euro um 20%.

Es ist nirgendwo so schön wie daheim – schon gar nicht im Urlaub

Korsika ist uneingeschränkt zu empfehlen.

Mit Abschluss unseres letzten Urlaubs haben wir uns geschworen, nie wieder Urlaub zu machen. Das lässt sich schon an den Bildern erahnen. Ich will jetzt nicht behaupten, dass ich das schon wusste bevor wir losfuhren, aber sagen wir mal, es schwante mir bereits.

Erstens: Ich hasse Hitze. Alles was 23 Grad überschreitet, ist für mich unerträglich. Ich vegetiere dahin, ich halte es nicht aus. Ich hasse schwitzen. Ich hasse Sonne. Ich hasse extreme Helligkeit. ICH wollte nach Norwegen! Aber ich bin kompromissbereit und anpassungsfähig und weil alle unbedingt in den Süden wollten – BITTE DANN EBEN SCHWITZEN!

Zweitens: Ich möchte jetzt nicht sagen, ich hätte Vorurteile gegen das französischsprachige Ausland, aber sagen wir so: In meiner Jugend war mir während diverser Frankreichaufenthalte bereits aufgefallen, dass man es sehr genau mit der Aussprache nimmt und dass, wer den Subjonctif nicht hundert prozentig beherrscht, meistens nicht beachtet oder gar bedient wird. So auch diesen Urlaub. Da kann man sieben Jahre Französisch in der Schule gehabt und immer 14 Punkte geschrieben haben – einen nasalen Laut verschluckt – und der Kommunikationspartner kennt keine Gnade. Auch nicht bei Kindern. Wenn die aus Versehen „un baguette“ statt „une baguette“ bestellen, dann lautet die Antwort „QUOI???!???“ Wenn das Kind dann winselnd mit einem Euro winkt, mit dem Finger die Zahl Eins anzeigt und auf die Baguettes in der Auslage deutet, gibt es dennoch kein Erbarmen. Es wird mit dem Besen aus der Boulangerie gescheucht.

Drittens: Campen mit fünf Kindern in einer Altersspanne von Baby bis Pubertät ist ein Alptraum! Nächstes Mal nehmen wir unsere wii, die Playstation und alle sonstigen elektronischen Unterhaltungsgeräte mit. Das haben die anderen Campingplatzbesucher auch so gemacht. Immer war irgendwem schrecklich langweilig, oder jemand hatte Hunger oder Durst oder alles gleichzeitig. Dann musste es für Kind A Apfelsaftschorle sein, das nächste bestand auf Quittensaft und Kind C und D wollten unbedingt Spreequell medium, weil das andere Mineralwasser nicht schmeckt. Wenn dann alle hatten, was sie wollten, stieß Kind E seine Saftschorle um und es begann das Geputze. Hinterher hatte man eine Ameisenautobahn quer über den Essensplatz.

Zur Krönung kostete Eis 3 in Worten DREI Euro und zwar pro Kugel. Oder man gönnte sich das günstige Magnum für 4,90 – sofern es denn ein Stileis sein sollte. Folglich mieden wir die Zivilisation und haben gelernt, dass man eigentlich einen Eisschrank kauft und diesen zu Beginn des Urlaubs mit selbst erworbenen Eis bestückt, das man portionsweise raus geben kann.

Wenn man an den Strand wollte (20 Meter Entfernung), brauchte man dafür 1,5 Stunden. Denn man musste die Kinder ja vorher noch eincremen (!!!). Zu Beginn wurde das Eincremen noch mit Geheule begleitet, doch dann lieh ich mir ein Smartphone eines anderen Urlaubers und zeigte den Kindern das Bild des LKW-Fahrers, der vergaß seine dem Sonnenlicht ausgesetzte Körperhälfte täglich mit SF 50 zu schützen.

Viertens: Campen generell ist total doof. Es sei denn, man steht auf den natürlichen Look und zwar v.a. was den Anblick sanitärer Anlagen angeht. Nicht selten habe ich mir gewünscht noch oder schon wieder im Windelalter zu sein oder einfach an furchtbaren Verstopfungen zu leiden und einfach nach 21 Tagen… aber lassen wir das.

Auch Kochen war furchtbar. Entweder alles war voll korsischen Staub oder aber man kochte versehentlich Teile der regionalen Fauna und Flora mit.

So blickten wir traurig und sehnsüchtig zu den Mobile Homes, die ausschließlich von Parisern angemietet wurden. Zur Hauptsaison kosten die nämlich rund 1.000 Euro die Woche. Jemand, der in Paris wohnt, mag denken: „Ah bon marché!“ – für uns waren sie in dieser Preislage leider völlig unerschwinglich.

Fünftens: Man zwang mich v.a. im Landesinneren zu sportlichen Aktivitäten. Sport hasse ich allerdings fast noch mehr als Sonnenlicht. Während der Flußwanderungen bohrten sich mehrere Äste in meine Oberschenkel und hinterließen eitrige Wunden. Meine Knie schlug ich mir blau und blutig als ich eines der Kinder, das versehentlich abgerutscht und ins Wasser gefallen war, retten musste. Stechmücken und Käfer, deren Bisse beinahe 14 Tage juckten, gaben mir den Rest.

Ich könnte die Liste noch unendlich fortführen, aber es genügt sicherlich festzustellen, dass die Kinder ab dem 14. Urlaubstag nicht mehr zu überreden waren, an den Strand zu gehen. Sie vermissten ihre gewohnte Umgebung so sehr, dass sich die Kleinsten lieber im Straßendreck einer als Terrain de Jeux ausgegebenen Brachfläche wälzten, als schwimmen zu gehen.

Die Rückfahrt dauerte dann statt der geplanten 10 Stunden bis zum ersten Zwischenstopp 22 Stunden. Vor Erschöpfung fuhren wie aus Versehen in Mailand rein, statt um Mailand herum und mussten in der Schweiz halten und für fünf Kaltgetränke unseren gemeinsamen Jahresbonus ausgeben. Danach brüllten die Kinder auf den Rücksitzen ausdauernd bei ca. 160 dB.

Nächstes Jahr also Brandenburg. Maximal.

(Dieser Eintrag ist frisch nach der Rückkehr erstellt. Das ist mein wahres Ich. Der Humor kommt erst in 14 Tagen.)