Bahnhof
Die systematisierte Drittgenerationskontingenz hat in jüngster Vergangenheit zu einer Erhöhung der Aktionsparalaxe geführt. Dabei ist nicht zu vergessen, dass die marxistischen Antidependenzen der allgemeinen Inkontertabilität zum Opfer gefallen sind.
Die ambivalente Aktionsebene torpediert an dieser Stelle die weltweit kompensierte Avisierung der induktiven Change-Management-Aktion der Hybridisierung.
Ich äh… so geht es mir manchmal wenn ich Texte lese. Ich versteh‘ einfach nix.
Frisch von der Uni hatte ich noch ein ganz beachtliches Arsenal an Fremdworten in meinem aktiven Wortschatz. Doch ach, das schnöde Alltagsleben, die duziduzi Kinder, vielleicht auch nur meine Altersverblödung… ich verstehe einfach immer weniger.
Die Welt ist zunehmend komplexer geworden. Wie soll ich das auch verstehen? Globalisierung, Bankensysteme, Immobilienmärkte, Gentrifizierung, Europa, der Nahostkonflikt, das US-Wahlsystem etc. etc. etc.
Alles viel zu komplex für mich um das wirklich zu verstehen. Ich bemühe mich. Lese „Zeitung“, lese Bücher, höre mir Vorträge, Paneldiskussionen und Podcasts an – doch am Ende… wie viel habe ich wirklich verstanden?
Hinzu kommt, was ich oben schreibe. Komplexe Zusammenhänge werden von klugen Menschen oft mit vielen Fremdworten, verschachtelten Sätzen, mit Exkursen und Studienergebnissen erklärt.
Mein internetkaputtes Gehirn, meine nervöse Aufmerksamkeitsspanne, mein Arbeitsspeicher, der mit Alltagsfragen gefüllt ist (wann muss ich die Kinder nochmal abholen? Hab ich das Fälligkeitsdatum ins Ticket geschrieben? Welchen Teil meiner Altersvorsorge kann ich nochmal steuerlich absetzen?) und mein dünnes Nervenkostüm zucken schon zusammen wenn ich auf einen Text stoße, der mit Longread gekennzeichnet ist. Ich bin schnell überfordert.
Ich glaube, es geht nicht nur mir so.
Ich verstehe die Welt nicht mehr
Warum erzähle ich das nochmal? Achja.
Ich bin auf der Suche nach Antworten. Spätestens nach dem Wahlsieg von Trump, der mich unvorbereitet in meiner zarten „zu 80% gewinnt Clinton“-Filterbubble erwischt hat, sorge ich mich ernsthaft.
Die AfD Wahlerfolge der jüngsten Vergangenheit, das Europa, das bröckelt, der Putsch in der Türkei… um mich herum bricht alles zusammen.
Und ich bleibe hilflos zurück. Wählen gehen. Ja, ja. Als würde das helfen. Ich gehe wählen seit ich 18 bin. Keinen fucking Volksentscheid habe ich ausgelassen. Immer Gebrauch von meiner Stimme gemacht. Und hat es geholfen?
Spoiler: Hat es nicht.
Und wird es für die nächste Bundestagswahl helfen?
Ich sach ma so: ich bin nicht zuversichtlich.
Ich weiß nicht, wie ich jetzt den gedanklichen Bogen bekomme, aber ich rätsle seit Monaten warum bestimmtes (rechtes) Gedankengut immer erfolgreicher wird.
Die Schlechtigkeit der Menschen alleine kanns nicht sein. Die Menschheit ist ja nicht plötzlich schlechter geworden. Aber irgendwie werden mehr Menschen mobilisiert sich erzkonservativen bis rechtem Gedankengut anzuschließen und während es immer mehr werden, „man“ nicht unsichtbar unter der 5% Hürde dahinkrepelt, kann „man“ sich auch gerne mal öffentlich bekennen, muss sich auf Pegida Demos nicht mehr schämen in laufende Kameras zu sprechen.
Aber warum ist das so?
Mich beschleicht das leise Gefühl, dass das Ganze etwas mit Komplexitätsreduktion zu tun hat.
Sag es einfach, dann kann man es verstehen
Die unverständliche, vielschichtige Welt macht vielen Menschen Angst. Es wird immer schwerer einen stabilen Erwartungshorizont zu bilden, sichere Vorhersagen über die Zukunft zu machen. Was genau erwartet uns?
Düster sieht die Zukunft aus. Ungewiss. Auf jeden Fall wirds nicht besser werden. Mehr Geld werden wir auch nicht haben.
Und wer oder was ist schuld?
Da will man nun nicht lange in irgendwelchen multikausalen Erklärungsmodellen rumgraben.
Es gibt doch einfache Antworten: Die Ausländer, die Frauen, die linksversifften Gutmenschen und die Veränderung an sich.
Daraus lassen sich schöne Parolen stricken. Ganz wunderbar einfache wenn-dann-Beziehungen. Scheinbar höchst logische Zusammenhänge.
Die kann man sich merken, die kann man verstehen, die kann man wiederholen.
Mit dem „Danke Merkel„-Mem kann man sich über solche vereinfachten Zusammenhänge lustig machen. Egal was ist, egal was stört, Frau Merkel ist schuld. Die Milch ist sauer? Danke, Merkel! Der Lidstrick verwischt. Na, vielen Dank, Frau Merkel. U-bahn verpasst. Danke, Merkel.
Bin sooooo müde aber nein komme um 16 uhr nach hause und muss tausende sachen machen.#DankeMerkel
— Lilaah (@DasLila24) November 22, 2016
Heute Morgen: Ich habe einen Regenschirm dabei, aber es regnet nicht.
Jetzt: Keinen Regenschirm dabei, aber es regnet. #DankeMerkel!!!!!!— Luk@s (@lukgia) November 8, 2016
Ich hatte gerade ein Mettbrötchen. Jetzt habe ich keines mehr. #dankemerkel
— hirngabel (@hirngabel) November 11, 2016
Ich glaube, das ist, was die Rechten „richtig“ machen. Komplizierte Zusammenhänge einfach erklären und dabei auch einen scheiß darauf geben, was die Statistik oder sonstige Analysen sagen.
Dir gehts schlecht? Die Flüchtlinge sind schuld.
Die Rente ist knapp? Die Ausländer im allgemeinen sind schuld.
Dein Job ist weg? Die Frauenquote ist schuld.
Kann man sich dann auf Schilder malen oder vor sich her schreien.
Die Linken hingegen: An den niedrigen Renten ist die Riester Rente und die Agenda 2010 schuld, die zwar mehr Menschen Arbeit verschaffte, allerdings in prekären Arbeitsverhältnissen. Es war absehbar, dass das Rentensystem erodieren würde.
(Ich hätte das jetzt noch komplizierter schreiben können, aber der Unterschied wird deutlich. Schreiben Sie sich mal ein Demo-Schild zu diesen Zusammenhängen…)
Sie erklären sich zu Tode.
Was ich sagen will: Ich sehe Rettung in der Veränderung der Sprache und zwar die der sogenannten Linken/Linksintellektuellen.
Keine Vorträge mehr, sondern klare Ideen
Es geht eben nicht darum in ellenlangen Doktorarbeiten mit Fakten aufzufahren, sondern darum die linken humanistischen Ideen einfach runterzubrechen.
Ich weiß auch nicht genau, wie das gehen soll. Ich selbst bin nicht in der Lage die entsprechenden Narrative himmelherrgott Parolen und Schlagworte zu erfinden – aber vielleicht gibt es andere. Andere, wortgewandte Menschen, die schaffen all das, was ich für erstrebenswert halte (Umweltschutz, Toleranz, Gleichberechtigung, Sozialsysteme, Europa, Menschenrechte) in kurze, knackige Botschaften zu packen und damit unsichere Wähler:innen oder Nichtwähler:innen zu erreichen.
Ach, mir gelingt es nicht alle Gedanken auf einen Punkt einzudampfen. Deswegen hole mich mir Hilfe:
Wenn es um den politischen Diskurs mit dem politischen Gegner geht, versuchen die braven Bürger […] zu überzeugen. Wir glauben, dass wir mit besseren Argumenten die wachsende Gruppe an Obskuranten in die Mitte der Gesellschaft zurückführen können. Wir hoffen auf unseren Humanismus und stehen sprachlos vor Trump’schen Methoden der “postfaktischen Welt”, in der egal ist, was stimmt und was nicht stimmt.
[…]
Während uns der politische Gegner mit Halbwahrheiten und Gerüchten manipuliert, widerkaubares Infofutter serviert und Wähler vom Wählen abhält, glauben wir immer noch, dass wir die Neue Rechte mit guten Argumenten überzeugen können.
Quelle: Liberale müssen Populismus lernen
Werden wir aber wohl nicht können. Und in der Kindererziehung ist es ganz einfach (um mal was als Mutti zu sagen): Wenn eine bestimmte Erziehungsmethode nicht wirkt, dann wirkt es leider auch nicht wenn man diese Erziehungsmethode hundert mal einsetzt. Was hilft, ist meistens mal was neues zu probieren. Was völlig anderes. Irgendwas, gegen das das Kind nicht schon eine Immunität ausgebildet hat.
Und vielleicht ist es an der Zeit, dass nicht mehr doziert wird und die komplexe Welt in multivariaten Varianzanalysen auseinander genommen wird, sondern es ist an der Zeit alles in schöne kleine, gut zu verdauende Häppchen zu schnippeln.
Nur dass wir linksversifften Gutmenschen im Genderwahn den Belag der Häppchen selbst bestimmen.