#Bastelgate

Adventskalender
pixabay @condesign
Basteln als Politikum

Ich mache mich ja immer wieder darüber lustig, dass man als Eltern  zum Basteln genötigt wird. Es gibt unterjährig viele Anlässe. Mindestens zur Laternenzeit und Weihnachten kommt man kaum drumherum.

In meinem Blog habe ich (toitoitoi) eigentlich nie hitzige, unsachliche Diskussionen oder angreifende Kommentare. Es sei denn, ich schreibe über das Basteln.

Das ist höchst erstaunlich. Basteln ja/nein kann tatsächlich einfach aufgenommen werden in die Liste Familienbett ja/nein, impfen ja/nein, Stillen ja/nein.

Menschen, die basteln zu kritisieren, ist offenbar damit gleichzusetzen ihre generelle Art zu leben zu kritisieren.

Ich habe gestern einen Artikel (Rotwein, vielleicht) über den Zwang des Adventskalenderbasteln auf Twitter verlinkt und damit eine Diskussion zum Thema Adventskalender ausgelöst, die ich sehr interessant fand.

In der Elternblog-Szene gibt es anscheinend einen Authentizitätszwang

Mal abgesehen davon, dass ich es fast schon belustigend finde, wie wörtlich manche Texte genommen werden. Die Autorin schreibt z.B.

Das muss man alles nachts machen, wenn die Kinder schlafen. Darf dabei nicht rauchen, wegen der Kinder. Darf keine laute Musik dabei hören, weil die Kinder schlafen. Darf nicht kiffen, kein MDMA, kein Speed, kein Koks, kein Heroin nehmen. Rotwein vielleicht.

und

Oder würdet ihr von eurem Mann verlangen, er soll euch beim Weihnachtskalenderbasteln helfen? Ich glaube, ich könnte mit meinem Mann nicht mehr schlafen, wenn er mir beim Weihnachtskalenderbasteln geholfen hätte. Frauenkleider dürfte er tragen, oder Kuchen backen, oder Knöpfe annähen. Aber Beutelchen befüllen? Nein!

Darauf dann die Frage: „Warum sollte der Mann nicht basteln dürfen?“, „Warum sollte man keinen Sex haben wollen, mit Partnern, die basteln?“ „Wieso sollte man Drogen nehmen wollen, wenn man basteln muss?“

Herrje. Ich kenne diese Reaktionen aus meinen Amazon Buchkritiken. Meine Einsternbewertungen werfen mir beispielsweise vor:

„Es sind keine Erfahrungsberichte, sondern schlicht an den Haaren herbeigezogene Geschichten.“

„Überdrehte Mutter, da würde ich als Kind ausrasten, so wie diese es auch tun.“

„[…] sehr weithergeholt und übertrieben“

Ja, liebe Leserinnen und Leser, es tut mir ja leid, aber ich überspitze die Geschichten rund ums Elternsein, manchmal erfinde ich sie sogar komplett, weil es mir um ein bestimmtes Thema geht, das mir im Muttersein begegnet und ich verarbeite es, indem ich mich darüber lustig mache.

Ohne Frau Ruth zu kennen, würde ich jetzt auch behaupten, bestimmt hat sie nicht wirklich vor beim Basteln Heroin zu nehmen und womöglich würde sie weiterhin Geschlechtsverkehr mit ihrem Partner haben, selbst wenn er energisch nach dem Bastelkleber greift.

Mal abgesehen davon, dass also manche alles sehr wörtlich nehmen, ist doch interessant, wie viele Emotionen der Artikel wecken kann.

Im Wesentlichen spannen die ein Spektrum zwischen „I feel you“ bis „JETZT LASST DOCH DIE ARMEN MENSCHEN BASTELN“ auf.

Tatsächlich hatte ich dann plötzlich auch eine Emotion. 2012 habe ich dazu schon geschrieben: „Ich glaube, 80% der anderen machen Dinge selbst, um Menschen wie mich in den Wahnsinn zu treiben.“

Und ja, das ist auch übertrieben und ja, ich würde 2016 nicht mehr schreiben, dass ich Menschen hasse, die basteln – aber es bleibt bei einer Sache:

Basteln kann nicht jede/r

Ich finde wirklich (auch wenn das eine Sache der Prioritäten ist) – man muss zum Basteln erstmal Zeit haben. Und so albern das klingen mag, es gibt Lebenssituationen – im Extrem wenn man alleine für einen Haushalt mit mehreren Kindern verantwortlich ist – die das Zwangsbasteln und Selbermachen zur Belastung werden lassen.

Um durch den Alltag zu kommen, habe ich also alle Aufgaben priorisiert und prüfe: was muss ich machen, was ist optional, was kann ich irgendwie ersetzen.

Und nein, manche Dinge im Eltern-Kind-Umfeld kann man nicht einfach ignorieren. Für mich gibt es oft eine Art Bastel/Back/Klöppelzwang

Wenn das ganze Umfeld Adventskalender bastelt und befüllt, dann viel Spaß bei der Aufgabe, den Kindern für 1,99 einen gekauften Kalender in die Hand zu drücken.

Mal abgesehen davon ist basteln oft teuer. Wenn man bereits Besitzerin eines Bastelarsenals ist, dann ist das einem vielleicht gar nicht so bewusst. Um beim Thema Adventskalender zu bleiben, bei drei Kindern und einer Befüllung pro selbstgefalteten Adventskalendertürchen von 1 Euro plus Bastelmaterialen (5 Euro) ist man bei 87 Euro.

Bitte verschont mich also mit der Aussage, das sei doch alles kein Problem.

Natürlich hat das was mit Konsum zu tun und natürlich kann sich das nicht jede/r leisten und zwar sowohl was den Zeitaspekt als auch den finanziellen Aspekt angeht.

Und das finde ich, darf man durchaus berücksichtigen.

Und ja es gibt schöne Alternativen, z.B.

Und wenn auch einiges aus meinem Text von 2012 anders formulieren würde, diese Aussage bleibt:

„Ich habs ja versucht. Aber ich schaffe das nicht. Ich schaffe nicht 30 Stunden zu arbeiten, den Haushalt, die Kinder zum Sport zu bringen, Laternen zu basteln, Plätzchen zu backen, dabei immer schick auszusehen, ICHWILLDASNICHT und ich will nicht, dass die anderen mir ständig zeigen, was sie alles selbst machen.“

Und deswegen fand ich den Text von Frau Ruth so toll.

Adventskalender basteln ist (wie alles andere) nicht Privatsache

Denn ja, den Druck mache ich mir zum Teil selbst, aber ab einem gewissen Grad gibt es auch kein Entrinnen. Ein Kind, das umgeben ist von Kindern, die jeden Tag ein gekauftes Spielzeug in einem selbstgebastelten Kalender finden, muss schon ganz schön bearbeitet werden, um sich nicht zu fragen: Warum alle andern und ich nicht?

Es geht in der Sache der Adventskalender also v.a. um den bereitgestellten Inhalt und Zitat: „Noch schlimmer wird es dadurch, in dem man bereit ist, dem Konsumwahn auch noch eine persönliche Note durch eine Aura des Handgemachten zu verleihen„.

So und jetzt gehe ich basteln. Es gibt nämlich keine Lösung für dieses Dilemma. Denn das was man tut, hat eben auch Auswirkungen auf andere. Ob man will oder nicht und ich finde, dessen darf man sich wenigstens bewusst sein. Ob man dann in diesem Wissen Rücksicht nehmen kann oder möchte, ist nochmal eine andere Frage.

Leider ist es eben sogar beim Adventskalender so, dass das was man selbst tut, nicht im luftleeren Raum steht.

Justin Bieber! Halbnackt!

Bieber
Eine Influencerin durfte in das Mikrofon sagen, warum sie Justin Bieber gut findet: „Weil er saugeil aussieht und so saugeil singt“ Ich schließe daraus, dass Justin Bieber ein Sänger ist.

Chameen Loca!
Fabian Siegismund!
MrTrashpack!
Katja!
Jonas!
Moritz!
Ana Lisa Kohler!
Nona Kanal!
Typisch Kassii!
Anne Wünsche!
Brenda Black!
Josephine Welsch!
Henning Mertens!
MayaRe!
Thien Nguyen!
Marvyn Macnificent!
Ambre Vallet!
Jack Strify!

Sie alle würden kommen! Alle! Um der Enthüllung der neuen (!) Justin Bieber Figur [1] beizuwohnen.

Ich bin völlig aus dem Häuschen! KATJA kommt!

Äh? Katja? Wer ist das? Und wer sind die anderen?

Ich frage Kind 1.0. Diese Jugend! Die kennt diese YouTuber doch! Ich verlese mit dramatischer Stimme die Liste der Influencer. Kind 1.0 zuckt mit den Schultern. Nie gehört. 400.000 Abonnenten. 180.000 Abonnenten. 700.000 und oh 25? (Interessanter Range)

„Doch, ich glaube zwei kenne ich!“

Dieses Kind! Dieses lesesüchtige Kind. Schaut kein Fernsehen und kennt die angesagten YouTuber nicht.

Ich erinnere mich genau, als es eines Tages mit blauen Auge an den Frühstückstisch trat. OMG! Was war passiert? Das arme Kind hatte nachts heimlich gelesen. Einen dicken 600 Seiten Schmöker. Das Kind lag am Rücken im Bett, das Buch über den Kopf haltend und dann haben es auf Seite 124 die Kräfte verlassen. Es konnte die Arme nicht weiter nach oben halten und dann ist ihm das Buch aus der Hand geglitten und aufs Auge gefallen.

Das hatte es nun vom heimlichen Lesen. Pfui!

Und sieben Jahre später die zweite Quittung: Es. kennt. kaum. YouTuber.

Was haben wir bloß falsch gemacht?

Dabei fand ich die Idee total super. Ich – endlich auf einem supercoolen Event eingeladen – könnte Kind 1.0 überreden einen gemeinsamen Abend mit mir zu verbringen.

Angie und ich - ein Feuerwerk der Herzlichkeit
Angie und ich – ein Feuerwerk der Herzlichkeit

Ok, ok. Ich gebe zu. Ich wollte auch endlich mal ins Madame Tussauds. Zuletzt war ich als Dreizehnjährige in London im Madame Tussauds. In der Präselfiezeit. Ich frage mich, was man da gemacht hat? Hat man sich tatsächlich die Figuren einfach angeschaut?

Ich fands damals jedenfalls toll.

Naja und streng genommen, war ich (zunächst) erstmal auch gar nicht eingeladen.

Und er tut so, als sei nichts.
Und er tut so, als sei nichts.

Tatsächlich war ich sehr betrübt, als ich hörte, dass alle Mama-Bloggerinnen eingeladen waren. Nur ich nicht.

Der Herzensbrecher [Justin Bieber] ist als erste Wachsfigur mit freiem Oberkörper zu sehen.
Die Fans können so sein Sixpack hautnah berühren, seine Tattoos genauestens anschauen und heißeste Selfies mit dem Sänger schießen.
Die Wachsfigur steht in einer Multimediainstallation, die unter Laserlichtstrahlen seine größten Hits spielt.

Zum Glück war sich meine Filterbubble schnell einig: Auf keinen Fall wollte sie bei diesem Event dabei sein. Niemals nicht.

Ich hingegen schon. Also erbat ich mir unterwürfigst Einlass und weil die anderen ja abgesagt hatten, gab es noch ein Plätzchen.

Und tatsächlich hatten wir großen Spaß.

Wobei ich sagen muss, diese Wachsfiguren sind schon spooky. Manche sehen total echt aus und stehen einfach hinter der nächsten Ecke und lächeln einen leer an.

Helmut Kohl zum Beispiel hat mich sehr erschreckt.

Es ist außerdem sehr schwer Wachsfiguren als Wachsfiguren zu behandeln. Als es beispielsweise um die Enthüllung der Justin Bieber Figur ging, stand ich in gebührlichen Abstand vor dem sitzenden Harry Styles (ein Sänger der Pop-Kapelle One Direction [2]). Allerdings wurde es dann sehr, sehr voll und ich sage euch: mit Promifotografen ist nicht zu spaßen. Die haben Ellebogen. So ein gutes Foto schießt sich offenbar nicht mit Geduld und Höflichkeit.

Jedenfalls irgendwann klebte ich mit meinem Hintern im Gesicht der Harry Styles Wachsfigur – wohlwissend, dass es sich um eine Wachsfigur handelt – doch uhhh das war unangenehm, schließlich drückt man nicht ungefragt sein Gesäß in anderer Menschen Antlitz.

Auch Wachsfiguren haben eine intime Distanzzone, in der ich nicht stehen möchte. Außerdem hab ich Harry die Sicht auf Justin versperrt. Auch nicht schön.

Keine Bieber

Tatsächlich habe ich da an Westworld denken müssen. Respekt all denen, die glauben zwischen Mensch und Host unterscheiden zu können. Ich könnte nicht auf Hosts schließen oder sie respektlos behandeln.

Als endlich Platz genug war, habe ich mich also neben Harry gesetzt und voller Bewunderung die Promifrauen beobachtet. So dünn! So zart! So groß! So viel Makeup. Irre viel Makeup. Tonnen davon. Genug Makeup für alle. Und Wimpern. Wimpern auf Wimpern. Doppelwimpern. Toll. Es war ja so voll, dass ich diese gedoppelten Wimpern von der Seite sehen konnte.

Es war ein aufregender Abend. Ich hab alle Anwesenden gegoogelt, viel über das Posieren gelernt und Kind 1.0 durfte noch im Auftrag der Promis Fotos derselbigen machen.

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Ganz am Ende bekamen alle, die nicht wir waren, Kopfhörer geschenkt. Da war Kind 1.0 doch ein wenig ungehalten, dass ich nur so eine unbekannte Bloggerin bin. Tja. Wär‘ es eben selbst bekannter YouTuber geworden! Aber nein! Es wollte ja immer lieber le-sen.


[1] Justin Bieber gab es tatsächlich schon. Als blutjungen 18jährigen konnte man ihn bewundern. Der neue ist 22. So wie der echte Justin Bieber. Das ist sehr verwirrend. Denn der alte Justin ist der junge Justin und der neue ist jetzt der aktuelle Alte.

[2] Nie gehört.

Aufstand der Würstchen

Würstchen, arme
@Alexas_Fotos Pixabay
Wer lauter schreit, bekommt nicht automatisch mehr Respekt

In meiner Schulzeit hatte ich eine Lehrerin, vor der hatten alle Respekt. Ein Blick von ihr genügte und jedes Gequatsche erstummte. Ich kann mich nicht erinnern, dass es mal größere Konflikte zwischen ihr und den prototypischen Störern gab oder dass sie mal ihr Gesicht verloren hätte.

Ihre Regeln des Zusammenseins waren klar und fair.

Ich hatte zur gleichen Zeit einen Französischlehrer, der gerne rumschrie.

War das Schreien nicht genug, schlug er die Tür des Lehrerpults energisch zu. Er hat auch mit kleineren Gegenständen wie Kreide nach uns geworfen und viele vor den anderen Schüler:innen bloßgestellt indem er sie zum Weinen brachte und dann noch ekelhafte Sachen kommentierte.

In den höheren Klassen wurde der Unterricht bei ihm immer lauter und der Widerstand in der Klasse größer und einzelne wurden immer wieder aus dem Unterricht rausgeworfen. Am Ende hat ihn niemand mehr respektiert oder Ernst genommen. Im Grunde war es unmöglich überhaupt noch Unterricht zu machen.

Echte Männer sind sehr männlich

Daran musste ich denken, als ich heute den Werbetext „Männer, erobert Eure Männlichkeit zurück!“ las.

Was mir dazu nämlich einfällt ist: Die armen Würstchen. Wirklich. Mein Lehrer und auch der Autor, der dieses Buch „Nie mehr Mister Nice Guy“ und den verlinkten Text geschrieben hat.

(Der letzte Text, den ich verlinkt habe, wurde offline genommen. In höchstem Optimismus auf weitere Löschungen zitiere ich nun die Highlights des Textes.)

Zunächst wird der „Nice Guy“ beschrieben: Ein Mann, der „zu nett, zu nachgiebig, zu wenig selbstbewusst“ ist (tldr, wen es interessiert: Natürlich wie immer, auch 77 Jahre nach dem Tod von Siegmund Freud, ist am Ende irgendwie die Mutter schuld.)

Diese „Nice Guys“ halten sich übrigens für bessere Männer, weil sie glauben,

dass sie weder wütend werden noch ungezügelte Ausbrüche haben,

dass sie nicht gewalttätig sind,

dass sie auf die Bedürfnisse von Frauen achten,

dass sie gute Liebhaber sind,

dass sie gute Väter sind.

Man muss sich das also vorstellen. Es gibt also offenbar eine Art Irrläufer-Mann (Nice Guy!), der

  • seine Gefühle reguliert,
  • nicht gewalttätig ist,
  • auf die Bedürfnisse von Frauen (OMG) achtet,
  • der beim Sex womöglich mehr kann, als ausschließlich seinen Penis zu seinem eigenen Spaß einzusetzen und
  • der an Gleichberechtigung interessiert ist UND
  • in diesem Kontext vielleicht sogar wert auf eine gute Vater-Kind-Beziehung legt und aktiv Carearbeit übernimmt.

Hart, oder?

Ich persönlich kenne gleich mehrere solcher Männer. Muss man sich mal vorstellen.

Offenbar wollten diese verwirrten Männer mit einem bestimmten Typ Mann nichts zu tun haben:

Solange Nice Guys mit anderen Männern nichts zu tun haben wollen oder glauben, dass sie anders als diese sind, entziehen sie sich selbst die vielen positiven Vorteile männlicher Kontakte und die Kraft, die in der Gemeinschaft mit Männern liegt.

Pfui!

Zur Männlichkeit gehören auch Stärke, Disziplin, Mut, Leidenschaft, Durchhaltevermögen und Integrität.

Maskuline Energie steht auch für die Fähigkeit zu Aggression, zerstörerischem Handeln und Brutalität. Diese Merkmale machen Nice Guys – und den meisten Frauen – Angst, weswegen Erstere sich zumeist bemühen, sie zu unterdrücken.

Nochmal PFUI!

Es kommt aber laut Text noch schlimmer:

Eine der sichtbarsten Folgen der Unterdrückung ihrer männlichen Energie ist, dass Nice Guys in ihren Familien nicht die Führungsrolle einnehmen. Aus Angst, ihre Partnerin oder ihren Partner zu verärgern oder wie ihre eigenen kontrollierenden, autoritären oder gewalttätigen Väter zu wirken, übernehmen sie häufig nicht die Führung, wenn es um die Erfüllung der Bedürfnisse ihrer Familie geht

Es muss ja einer die Führung haben! Etwas gemeinschaftlich zu tun, kooperieren und aushandeln? Das kommt natürlich auf keinen Fall in Frage.

Ich kann da wirklich, wirklich nur mitleidig mit den Schultern zucken.

Um Macht zu erhalten, wird gerne mal das Damals™ beschworen

Ich muss da an all die Clebers, Fleischhauers, Oettingers, Martensteins und Matusseks denken, die sich offenbar auf vielen Ebenen ihrer Privilegien und ihrer Macht beraubt sehen.

Es ist wahrscheinlich viel einfacher sich auf die Brust zu trommeln und in so einem Fall zu rufen: „ABER FRÜHER! FRÜHER HAT ES DAS NICHT GEGEBEN! FRÜHER HABEN NOCH ALLE GEHORCHT! DA HAT MICH NIEMAND IN FRAGE GESTELLT! NIEMAND HAT MICH KRITISIERT!!!“ als dass man reflektiert und sich fragt: „Oh, ich verliere an Macht, ich verliere Respekt, ich kann meine Vorstellungen nicht durchsetzen? Huch! Woran liegt das? Hat sich etwa die Welt geändert? Muss ich mich am Ende gar entwickeln. Oh. Das ist aber unbequem.“

Also lieber wieder in die Steinzeit zurück, in der angeblich die Männer noch so sein durften, wie es ihnen in die Gene geschrieben wurde.

Tatsächlich werte ich Bücher und Aufrufe dieser Art zunehmend als positive Zeichen unserer Zeit. Offenbar ist es immer unzeitgemäßer sich wie ein Gorilla zu verhalten und die, die es trotzdem tun, ecken immer mehr an.

Da ist es nur folgerichtig, dass man versucht sich Verbündete zu suchen, dass man versucht besonders laut und aggressiv zu sein, um den Anschein zu erwecken bedrohlich und machtvoll zu sein.

Ich würde da vielleicht am Ende auch einem Männlichkeitskult anheim fallen. Mir gegenderte Gurken reinziehen:

Abends mit meinen Kumpels geballte Action im CineMen Kino anschauen:

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Quelle: Cinestar.de

Nur noch Männersache-Schokolade essen und alle Kochtöpfe wegschmeißen, nur noch blutige Steaks essen, in meiner Garage bei meinem Sportauto leben und mich in meiner Freizeit männlichen Hobbys hingeben wie ähhhh durch den Schlamm robben.

Wird am Ende aber auch nicht helfen, befürchte ich.

Und wer sich nun aufregen möchte, dass ich „arme Würstchen“ sage. Würstchen ist einfach eine saloppe Äußerung, die ich gegenüber Penisträgern in keinster Weise respektlos meine.

Aber was weiß ich denn schon. Ich bin nur eine humorlose, leicht pummelige Feministin.

Black Mirror – I love to hate you

dunkelheit
pixabay @konteks

Über die ersten beiden Staffeln Black Mirror schrieb ich bereits. Seit dem 21. Oktober kann man auf Netflix nun die dritte Staffel anschauen.

Mein Gesamturteil bleibt (um mich selbst zu zitieren): „Diese Serie ist das Beste, was ich an Dystopien je gesehen habe.“

Korrekter beschreibt es eine Kommentatorin auf IMDb:

This is NOT anti-utopian, it is an actual mirror of a utopian idea gone terribly wrong.

Auf IMDb erhält die Serie 8,8 von 10 Punkten. Völlig zu Recht.

Es spielen überproportional viele Frauen die Hauptrollen und – was man sonst auch nicht so oft sieht – es spielen auch auffällig viele People of Colour mit. Genau genommen spielt das Geschlecht für den Seriencharakter tatsächlich keine Rolle und die toughe Soldatin von Folge Men against Fire ist eben das: eine Killerin und Jägerin. Sie hat eine blutverschmierte Nase wenn sie geschlagen wird, eine kampftaugliche Frisur unter ihrem Schutzhelm und trägt keine überflüssige Schminke. Sie schleppt kein Weiblichkeitsklischee mit in die Rolle und verliert dadurch nichts von ihrem Frausein. Das finde ich wirklich erstaunlich gut inszeniert und hab das (bewusst) so auch noch nicht gesehen.

Mich ermüden mittlerweile Filme und Serien, die sich hauptsächlich aus einem männlichen Cast zusammensetzen, in denen Frauen kaum sprechen dürfen und meistens schönes Beiwerk sind.

Aus diesem Einheitsbrei tritt Black Mirror angenehm durch eine gute Verteilung der Geschlechter hervor. (Frauen dürfen sogar Falten und Tränensäcke haben!)

Es scheint mir so, als ob sich die dritte Staffel übergreifend v.a. mit Fragen der Unterscheidbarkeit von Virtueller Realität und „echter Welt“ beschäftigt.

Jede Folge gab mir einen unangenehmen Gedanken mit auf den Weg. Besonders unangenehm deswegen, weil ich doch so gerne fortschrittsgläubig sein möchte. Mich langweilen die Zukunftsdarstellungen a la Terminator oder Battle Star Galactica in der die KI am Ende immer böse wird und die Menschheit mit allen Mitteln auslöschen will.

Ich möchte lieber die Zukunft in der mich freundliche Androiden im Alter begleiten. Die Zukunft in der die flauschige Roboterkatze mir auf meinem Schoß Gesellschaft leistet und Wärme spendet. Die Zukunft in der uns Implantate verbessern, klüger und gesünder machen.

Black Mirror berichtet von einzelnen Themen in denen die jeweiligen Aspekte entgleiten. Und zwar alle. Jede Folge.

Bemerkenswert finde ich deswegen, dass ich auf diversen Seiten gelesen habe (z.B. Serienfuchs), die Folge „San Junipero“ hebe sich von den ansonsten düsteren Teilen von Black Mirror ab.

SPOILER!

Für mich war das eine der schlimmsten Gedankenexperimente. Im Wesentlichen geht es ja darum, dass man seine Seele (wie auch immer) digitalisieren und dann in eine Art Virtual Reality – San Junipero eben – hochladen lassen kann. Dort sind alle Menschen jung, gesund, das Wetter ist schön, man kann für immer Party machen.

Jeder Mensch der Welt kann frei entscheiden, ob er sich kurz vor seinem Ableben (in einem gewissen Alter eben oder bei schwerer Krankheit) hochladen und dann den eigentlichen Körper sterben lässt.

Es sei denn man stirbt unvorhergesehen. In einem Unfall beispielsweise. Dann ist man leider einfach tot.

Eine der beiden Hauptpersonen erlebt nun dieses Dilemma. Der eigene Mann hat sich nach 47 Jahren Ehe gegen San Junipero entschieden und ist einfach so gestorben. Das Ehepaar hatte nämlich eine Tochter, die mit 39 bei einem Autounfall starb. Der Vater entscheidet sich deswegen gegen das ewige Leben in der San Junipero Cloud.

Am Ende ihres eigenen Lebens angekommen, muss sich nun die Mutter Kelly entscheiden: Ab ins ewige Leben oder normal sterben in der Hoffnung Mann und Tochter in einem wie auch immer gearteten Leben nach dem Tod zu begegnen.

Das ist nur ein winziger Aspekt der Folge, der mich aber durch und durch erschaudern lässt. Tatsächlich ist das was jede Folge Black Mirror mit mir macht: Mir einen grauenhaften Gedanken mit auf den Weg geben.

Manche Folgen haben mir mit ihren Ideen richtig körperliche Schmerzen gemacht. Ungefähr so wie wenn einem jemand von einer Augen-OP erzählt, die er ohne Betäubung erlebt hat (Danke Malik für diese unvergesslichen Erinnerungen, ich spüre das Unbehagen noch im Steiß).

Am schwächsten fand ich Shut Up and Dance. Der Serienhauptcharakter Kenny ist ein Außenseiter und von unbekannten Hackern erpresst, weil diese ihn beim Masturbieren mit seiner Webcam filmen. Er wird gezwungen seine Handynummer rauszugeben, andernfalls würde das Filmmaterial geleakt. Von da an erhält er Aufträge, die immer heftiger werden. Er quält sich, doch am Ende tut er alles, was man von ihm will.

Ganz am Ende gibt es einen Hint warum er so handelt. Für mich war sein Handeln im Laufe der gesamten Folge ab einem gewissen Punkt überhaupt nicht mehr nachvollziehbar.

Alles was ich von dieser Folge mitnehme ist: Klebt immer schön die Webcam ab, benutzt VPN Verbindungen und verschlüsselt eure Kommunikation.

Der Rest der Folgen: wwwäähhhh üüüääähhhhh bäh. Vielleicht lege ich mein Telefon doch mal öfter aus der Hand.

Die Unterschiedlichkeit der Dörfer

Berlin ist ein Dorf. In meinem Dorf sind alle tätowiert, tragen zerschlissene Jeans und schwarze Jacken.

Heute war ich im Mitte-Dorf und habe wieder gestaunt. Hochgewachsen sind alle und sehr, sehr dünn.

Es gibt dort einen Laden, da gehe ich sehr gerne einkaufen. Es gibt farbenprächtige Kleider und in meiner Größe – der L – ist selbst im Sale die komplette Kollektion erhältlich. Ich belade mich also mit so vielen Kleidern, wie ich tragen kann und schlappe in die Kabine. Ob sie sehen können, dass ich aus dem anderen Dorf bin?

Ich ziehe mir das erste Kleid über. Es sitzt ein bisschen straff. In der Kabine neben mir, ruft eine Frau mit glockenheller Stimme: „Die S ist viel zu groß! Ich brauche XS!“. Ich höre die Verkäuferin davon rauschen.

Vor dem Laden stauen sich die Menschen. Durch die meisten Straßen in Mitte kann man nur sehr langsam gehen. Einen halben Schritt langsamer als Schlendern.

Immer wieder gibt es große Menschenansammlungen. Bis auf die Straße stehen die Menschen manchmal. Zum Beispiel bei einem Vietnamesen, der tatsächlich sehr gutes Essen anbietet. Früher war ich öfter dort. Zwei Hauptgerichte gibt es zur Auswahl. Alles frisch, kein Schnickschnack. Jetzt ist es dort unfassbar voll. Zu jeder Tageszeit. Die Bedienungen sind organisiert wie Roboter. Man kommt, 10 Sekunden bis die Getränkebestellung aufgegeben werden kann, welches Essen? Keine zwei Minuten später steht das Hauptgericht samt Getränk auf dem Tisch. Kaum hat man den letzten Bissen runtergeschluckt, wird abgeräumt: „Sie wollen die Rechnung?“ (Nein, eigentlich nicht, aber die anderen warten…)

Ein Stückchen weiter die Straße Richtung Norden, wieder eine gut zwanzig Menschen lange Schlange. Ich laufe neugierig an ihr Kopfende. Er mündet in einen … Bäcker. Ich schaue um die Ecke in den Laden. Tatsächlich – es gibt hier v.a. Brot. Das Brot sieht gewöhnlich aus, große, runde Laiber, nur die Preise sind astronomisch hoch. Fränkische Sauerteigbrotbäcker würden es nicht glauben können.

Überall sind Menschen in sehr engen Hosen. So enge Hosen! Wie kommen diese Menschen in diese Hosen? Slim Fit Jeggins! Einmal angezogen kann man bestimmt eine Woche darin bleiben und dann kann man sie abwerfen wie Schlangen ihre Haut abwerfen wenn sie sich häuten.

Hier tragen die jungen Männer keine Bärte. Die Frauen aber Dutts. Sie haben alle einen. Bestimmt gibt es irgendwo Dutt-to-go-Läden von denen ich nichts weiß.

Tatsächlich gibt es hier auch Kinder. Die meisten werden gefahren. Aufs Alter kommt es gar nicht so an. Die ältesten wirken auf mich so als ob sie kurz vor der Einschulung stehen. Aber selbst laufen, das scheint hier nicht zu den üblichen Praktiken zu gehören. Die Kinderwagen werden von Vätern geschoben. Aha, da sind sie, die modernen Väter von heute! Am Wochenende schieben sie die neusten Bugaboo und Teutonia-Modelle durch die überfüllten Straßen.

Ich google die Kinderwagenmodelle und frage mich, ob man sich werbetechnisch schon auf die Väter eingestellt hat und jetzt statt mit Dessins mit technischen Details lockt. Die Werbetexte jedenfalls sind pompös:

Sein einfaches Handling und leichtgängiges Fahrwerk macht jede Citytour zu einem Spaziergang. [… ]Der geräumige Innenraum mit seiner bequemen Polsterung machen den******* zu einem komfortablem Nest für die Kleinen. Für einen hochwertigen Look sorgt der neue Schiebergriff in schwarzer Lederoptik  und schwarzer Ziernaht für eine optimale Haptik während des Schiebens.

Optimale Schiebehaptik! Was für ein Wort!

Tief beeindruckt bin ich, weil ich rund eine Viertelstunde herumstehen kann und keine einzige Frau sehe, die nicht durch und durch perfekt gestylt ist. Sie haben alle gerade Lidstriche, einen Hauch Rouge und tragen dezenten Lippenstift (der Nude Look!). An den Fingern trägt man heute einen leichten Apricotton.

Ich schaue in die Schaufenster. Die einzelnen Kleidungsstücke so teuer wie – ach lassen wir das… faszinierend ist es jedenfalls, dass die Läden voll sind und es ganz offensichtlich Menschen – ausreichend Menschen – gibt, die sich das leisten können.

Ich frage mich, sind das Menschen, die hier wohnen? Wohnen sie schon immer hier oder sind sie dazugezogen? Wenn zweiteres, wo verstecken sich die Einheimischen?

Vor mir und hinter mir tragen die Menschen große Papiertüten. In jeder Hand mehrere. Ob sie nur einmal im Jahr dazu kommen, „shoppen“ zu gehen?

Ich jedenfalls, komme sogar zweimal im Jahr hierher. Zum Staunen und auch, um mich wieder glücklich zu schätzen, dass ich in diesem anderen Dorf lebe, wo ich ungekämmt auf die Straße kann, wo die Kinder selbst laufen, das Brot schlecht aber billig ist und man in den Restaurants noch kurz sitzen darf – selbst wenn man schon aufgegessen hat.

Eigenwerbung macht schön

Es stapeln sich die Dinge, die ich endlich mal verbloggen wollte. So z.B. alles, was irgendwie auch im weiteren Sinne unter Eigenwerbung fällt.

Zum Beispiel ein Artikel in der Wirtschaftswoche online, der mich und einige andere Autor:innen befragt hat, wie man eigentlich vom Blog zum Buch kommt: „Bücher aus Blogs: Aus dem Internet aufs Papier„.

Oder den Teil im Eltern ABC Podcast, bei dem ich mitgewirkt habe: „Ich musste mich vom Perfektionismus verabschieden

Der Podcast gehört thematisch zum Buch: Überraschung – 150 Eltern packen aus: Die grössten Herausforderungen und besten Strategien, damit Elternschaft gelingt und ist geschrieben von Sara und Peter Michalik (Familientherapeutin und Paarberater aus der Schweiz), die im Alltag immer wieder festgestellt haben, dass sich die Elternnöte hinter der heilen Welt Fassade doch immer wieder sehr ähnlich sind. Allein diese Erkenntnis („Ich bin nicht alleine“) hilft vielen Eltern. Das Buch zeigt 150 konkrete Auswege. Denn meistens gibt es nicht die eine richtige Lösung.

Der Podcast ist eine Erweiterung des Buchs und gibt Eltern einen Einblick in das Familienleben anderer Eltern – ganz ähnlich wie es Elternblogs tun.

Apropos Podcast: Ich bin ich ja auch noch Teil des erratisch erscheinenden Gemeinschaftspodcasts „Der Weisheit“. Da gibt es wieder eine neue Folge: Diebstahl, Steuer und anderer Terror.

Mit Bilderbuch und Touchscreen

Ganz zum Abschluss möchte ich noch eine DVD empfehlen. Sie heisst „Mit Bilderbuch und Touchscreen“ und kostet 15 Euro. Ich durfte bei diesem Projekt mitmachen, was mich sehr gefreut hat, denn es beschäftigt sich (endlich mal) undogmatisch mit der Frage wie das digitale Leben das Familienleben beeinflusst und wie Eltern damit umgehen.

Die Beschreibung hierzu lautet:

Der Film orientiert sich an der Lebenswelt der Kinder und begleitet Familien auf ihren individuellen Wegen durch die Vielfalt analoger und digitaler Medien. In dokumentarischen Beobachtungen, Interviews und Trickfilmsequenzen werden praktische Anregungen gegeben, wie ein gesundes, am Wohl des Kindes orientiertes Aufwachsen mit Medien gelingen kann.

Der Film richtet sich in erster Linie an Eltern. Weitere Zielgruppen sind pädagogische Fachkräfte sowie Auszubildende und Studierende. Es werden Antworten unter anderem auf folgende Fragen gegeben: Welche Medien sind in welchem Alter angemessen und wieviel Medienzeit ist sinnvoll? Wo können Medien die Entwicklung unterstützen und auf welche Weise können Kinder vor Gefahren durch Medien geschützt werden? Was heißt es, Kindern Medienkompetenz zu vermitteln? Wie nutze ich selbst digitale Medien und was lebe ich damit vor?

Tatsächlich ist der Film aber eher beschreibend als belehrend. Mir hat das sehr gut gefallen, weil er auch viele Facetten darstellt.

Es gibt davon auch in Form von sieben Kurzfilmen für Fachkräfte eine Variante mit dem Titel „Aufwachsen in der Medienwelt“ – diese DVD ist in limitierter Auflage für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegepersonal kostenfrei über die Geschäftsstelle der Deutschen Liga für das Kind erhältlich.

Ach, eine Sache fällt mir noch ein: Im nächsten Monat erscheint ein Text von mir in der emotion slow, die ich bislang noch nicht kannte. Ich habe mir zwei Magazine mal durchgelesen und fand sie sehr angenehm. Mir wurde auf keiner Seite gesagt, was ich alles machen muss um schöner, erfolgreicher und schlanker zu sein.

Twitterlieblinge von irgendwann bis irgendwann

OMG. Ich habe das wirklich sehr lange nicht mehr gemacht. Danke für das Erinnern liebe Leser:innen. Im Job gibt es ja nichts deprimierenderes als wenn man regelmäßig Reports zusammenstellt, das ein paar Mal vergisst und dann nie jemand danach fragt.
Deswegen hier ein paar Lieblingstweets der letzten Zeit:

 


(je länger das Bild auf mich wirkt, desto unfuckingfassbarer finde ich es)

Was sich liebt, das …

Die letzten beiden Jahre habe ich viel über den Tod und die Liebe nachgedacht. Beides hat mich sehr unerwartet getroffen und vieles verändert.

Oft hoffe ich, dass ich meinen Kindern bestimmte Erfahrungen vermitteln kann, ohne dass sie die Erfahrung selbst erleben müssen. Wie oft ich mich wundere, wie früh bestimmte Schemata erlernt werden und wie selbstverständlich viele sie finden.

In der Grundschule z.B. höre ich oft „Was sich liebt, das neckt sich.“ oder „Der ist nur gemein, weil er in <beliebiger Name> verknallt ist.“

Wie (einige) andere Erwachsene bei solchen Sätzen lächeln. Als wäre das was Schönes.

Wie romantisch. <beliebiger Name> reißt <beliebiger Name> an den Haaren. So, so. Weil er ist verknallt? <beliebiger Name> schubst <beliebiger Name>. Weil … er mag das Mädchen eben?

(Umgekehrt habe ich es übrigens noch nie gehört. Die Mädchen drücken ihre Zuneigung offenbar nicht mit Kinnhaken aus?)

Als Kind hab ich den Satz auch oft gehört und nie verstanden. Warum ist jemand, der mich mag, gemein zu mir? Warum soll ich das als Zuneigung interpretieren? Kann denn niemand diesem anderen Kind beibringen, dass es schönere Wege gibt seine Zuneigung auszudrücken?

„Was sich liebt, das neckt sich.“

Was sich liebt, das achtet aufeinander. Was sich liebt, das geht respektvoll miteinander um. Was sich liebt, das erfreut sich gegenseitig.

Wäre das nicht viel schöner? Angemessener?

Ich jedenfalls habe nicht vor meinen Kindern beizubringen, dass ein gestelltes Bein, eine Brennnessel am Arm, ein Haareziehen irgendwas mit Zuneigung zu tun hat.

Von mir werden sie hören: „Wenn dich jemand so behandelt, dann halte dich fern.“

Vielleicht brauchen sie dann nicht ein paar Lebensjahrzehnte um das im Herzen zu erfahren und zu verstehen.