+++ Ich brauche keine Liveticker +++

Innehalten und abwarten
Unbeschwerte Kindheit trotz weltpolitischer Krisen

1995 habe ich Abitur gemacht. 1975 bin ich geboren.
Natürlich hatte ich in der Schule auch Geschichte und dadurch einen groben Plan, welche Krisen die Welt, welche Krisen Deutschland in meiner Kindheit und Jugend durchlebt hat.

Tatsächlich aber war ich bis in die 90er im Großen und Ganzen sorglos. Es gab nur wenig, das ich aktiv mitbekommen hatte. Tschernobyl (1986) zum Beispiel. Für mich als Kind bedeutete das eine zeitlang Spielplatzverbot und wir hörten auf Pilze zu sammeln, etwas, das ich als Kind sehr gerne mit meinen Eltern gemacht habe.

Ich bin in Bayern groß geworden und wir hatten einen Hund, was bedeutete, dass wir jeden Sonntag lange Spaziergänge im Wald gemacht haben.

In der Herbstzeit haben wir die Spaziergänge genutzt, um Pilze zu sammeln. Trompetenpilze, Steinpilze, Maronen hauptsächlich. Wir haben alle Pilze in einen Korb gepackt und sind dann zu einer alten Frau, die sich mit Pilzen sehr gut auskannte. Sie kam mir damals wie eine Hexe vor.

Ich erinnere mich an eine kleine, sehr faltige, gebeugte Frau, die uns an einem Steintor erwartete. Sie schaute sich an, was wir gesammelt hatten, sortierte die ungenießbaren Pilze aus, behielt einen kleinen Anteil für sich und dann gingen wir nach Hause, machten die Pilze sauber und kochten sie.

Mit Tschernobyl war das vorbei.

Dann in den 90ern, ich war schon im Gymnasium und hatte das Fach „Politik und Zeitgeschichte“ belegt, sorgten wir uns als der zweite Golfkrieg (1990) ausbrach.

Genau in diesem Sommer war ich mit meinen Eltern in Istanbul bei Freunden zu Besuch. Diese hatten große Angst vor möglichen Folgen und Eskalationen. Ich meine mich düster zu erinnern, dass sie sogar mit Gasmasken und anderen Sachen ausgestattet waren, um sich vor Biowaffen zu schützen. Sie baten uns Istanbul zu verlassen und zurück nach Deutschland zu gehen.

Sonst war meine Kindheit und Jugend völlig unbeschwert. Ich habe nichts mitbekommen.

Wie ging es damals meinen Eltern?

Heute, da ich selbst Mutter bin, frage ich mich, wie das damals für meine Eltern war. Haben sie sich ständig gesorgt? Waren sie geschockt von dem was passierte? Wie viel bekamen sie mit?

Vom Kalten Krieg (von der Nachkriegszeit bis 1989) hörte ich beispielsweise wirklich erst im Geschichtsunterricht.

Auch für den Deutschen Herbst (1977) war ich natürlich viel zu klein. Aber wie haben sich meine Eltern gefühlt?

Was will ich eigentlich sagen? Ich will sagen, ich bin voller Sorge. Ich weiß auch gar nicht, was mich am meisten sorgen soll. Die Aussicht auf einen Präsidenten Trump? Die Zustände in den „Flüchtlingsländern“? Der Terror, der langsam über Spanien und Frankreich nach Europa zieht? Dass Europa langsam zerbricht? Die Zustände in der Türkei? Schießereien in den USA? Amokläufe in Frankreich? In Deutschland?

Für mich bleibt auch die Frage „Darf ich mich weigern bestimmte Dinge sehen zu wollen„?

Den Putsch in der Türkei und den Amoklauf in Nizza und auch den in München habe ich auf Twitter mitbekommen. Ich wurde überflutet von Nachrichten und Fotos. Das Problem ist nur: die Nachrichten sind im Grunde alle inhaltslos. Die meisten Bilder sind verstörend, für die Menschen vor Ort vielleicht sogar gefährlich und ich kann ihren Wahrheitsgehalt nicht ausmachen. Trotzdem fällt es mir schwer nicht durch meine Timeline zu scrollen.

Das erste Mal war ich auch froh, dass Facebook diese „markiere, dass du dich in Sicherheit befindest“-Funktion hat. Denn ich habe sowohl Freunde in Nizza als auch in München.

Gestern habe ich mich gefragt, ob 2016 wirklich ein schlimmes Jahr ist oder ob einfach die Transparenz höher ist. Ob mich Nachrichten leichter erreichen.

Ich habe erst seit knapp zehn Jahren ein Smartphone und Accounts bei facebook, Twitter und Co.

Davor war alles ruhig. Ich hatte nicht mal einen Fernseher.

Durch Twitter wird jede Katastrophe zum 11. September

Mit Ausnahme des 11. Septembers 2001 habe ich nie etwas live mitbekommen. Wenn etwas passierte, dann habe ich das morgens in den Schlagzeilen der Zeitungen gelesen, die in den Kiosken auslagen.

Wie hypnotisiert saß ich am 11. September vor dem Fernseher eines Freundes. In Dauerschleife sah ich Flugzeuge in das World Trade Center fliegen. Immer und immer wieder. Stundenlang.

Dann sah ich irgendwann Menschen aus den Gebäuden springen. Kleine, schwarze Flecken. Diesen Anblick werde ich nie vergessen. Erst da habe ich den Fernseher abgeschaltet.

Durch Twitter sind quasi alle Katastrophen, alle Anschläge, alle Amokläufe so nah wie der 11. September. Das ist unerträglich und hilft niemanden.

Deswegen wünsche ich mir die Zeit zurück, in der mich Zeitungen am nächsten Morgen oder Tag erst informierten. Ich wünsche mir die Zeiten zurück in denen Journalisten nicht senden und posten sondern nachdenken und recherchieren dürfen.

Ich will mir nicht von einzelnen Tweets angetrieben in Panik Infos auf Wikipedia selbst zusammensuchen und versuchen zu erahnen wie sich Geschehnisse auswirken könnten.

Ich möchte, dass es weiterhin Experten gibt und zwar Experten, die sich jahrelang mit einem Thema beschäftigt haben, die Zusammenhänge und Akteure kennen, die über ihre Wortwahl nachdenken können. Die Durchatmen dürfen und sich überlegen, ob sie wirklich von Terror sprechen müssen, ob es wirklich hilfreich ist irgendein Land zu benennen, in dem womöglich die Eltern eines Täters geboren wurden.

Ich möchte keine Experten, die Experten werden, weil sie vor Ort ein Foto posten.

Kann Journalismus bitte wieder mehr sein als die schnellste Mutmaßung zu äußern und das erste Foto zu veröffentlichen?

Wirklich.

Die Liveticker, die Bilder, nichts davon ist hilfreich.

Ich werde deswegen in Zukunft das tun, was ich als Kind bei Löwenzahn gelernt habe – abschalten (und dann abwarten bis es fundiertere Analysen und Schilderungen gibt).


Nachträgliche Ergänzung:

„Die Zeitläufte sind leider so, dass öffentlich-rechtliche Sender mittlerweile fast im Monatsrhythmus an den Pranger gestellt werden, wenn sie nicht ohne Zögern und ohne Zeitbegrenzung „drauf gehen“. […]

Es ist niemandem geholfen, wenn die Öffentlich-Rechtlichen sich mit ihren traditionell ausgestrahlten Programmen auf ein Rattenrennen mit Social Media einlassen. Oder Netzfunde unreflektiert weitergeben.“

Quelle: Claus Kleber über Fernsehjournalismus

Auch interessant zu lesen:

Vereinbarkeit, Beziehungsaufbau und Smartphones

smartphone

Normalerweise bekomme ich sofort Reaktanz, wenn ich Texte lese, die das Smartphone als solches verteufeln. Interessanterweise nicht so bei dem Artikel von Jesper Juul „Smartphones haben auf der Familieninsel nichts zu suchen!

Im Gegenteil. Mich überkam der Impuls die am Ende vorgeschlagenen Tipps gleich umzusetzen. Einer davon lautet:

„Das gesamte Morgenritual ist telefonfreie Zone und die gleichen Regeln gelten für die Zeit von einer halben Stunde vor dem Abendessen bis zur Schlafenszeit der Kinder. Basteln Sie eine originelle Schachtel im Eingangsbereich, wo jeder sein Telefon während der telefonfreien Zeit deponieren und aufladen muss.“

Warum aber spricht mich der Artikel, der im Grunde für einen sehr minimierten Umgang mit dem Smartphone plädiert so an? Zeitgleich bin ich ja sehr begeistert von den Möglichkeiten der Technik (zuletzt z.B. von Pokémon Go).

Der Artikel hat als zentrales Thema wie sich exzessiver Smartphone Gebrauch auf Beziehungen auswirkt.

Auf Eltern-Kind-Beziehungen aber auch auf Paar-Beziehungen – und da hat’s mich erwischt quasi.

In meinen früheren Beziehungen hab ich gerne alles weiterhin alleine gemacht. Effizienz stand für mich im Vordergrund. Warum gemeinsam das Kind vom Kindergarten abholen, wenn doch der andere Partner zeitgleich einkaufen gehen kann – warum?

In meiner neuen Beziehung habe ich gelernt, dass es nicht immer um Logik und Zweckmäßigkeit geht, sondern eben auch um Beziehungspflege und gemeinsame Zeit.

Wir verbringen verhältnismäßig viel Zeit miteinander. Allerdings sind das auch Zeiten in denen Dinge einfach (immerhin gemeinsam aber dennoch) erledigt werden müssen: einkaufen, kochen, Wäsche aufhängen, falten, Kinder duschen, Zähne putzen, vorlesen, singen etc.

Diese Zeiten sind auch schön, allerdings eignen sie sich  zur Beziehungspflege eher wenig. Oft kann man keinen Satz vernünftig zu Ende bringen oder Gedanken zu Ende denken. Es bleibt quasi wohlwollend freundlich, aber der Tiefgang kommt erst wenn wir als Paar Zeit für uns haben.

Das selbe gilt übrigens für die Beziehung zu den Kindern.

Juul schreibt in dem oben erwähnten Text:

„Emotionale und intellektuelle Intimität braucht häufig zwei bis drei Stunden des Zusammenseins, um zu wachsen und zu erblühen. Dieser Aspekt einer Beziehung braucht die Art von Stille und Leere in welcher das «einander auf den neusten Stand bringen» von einem angenehmen Schweigen gefolgt wird“

Eine Leserin (ich finde den Kommentar leider nicht mehr) schrieb etwas ähnliches unter einen meiner Artikel zum Thema Vereinbarkeit. Grob lautete die Anmerkung in etwa: Wenn die Zeiten, die wir als Eltern mit den Kindern gemeinsam verbringen aufgrund der Arbeitszeiten einschrumpfen auf Abfertigungszeiten, sind wir alle unglücklich. Mit viel Druck wird ein Programm durchgezogen ohne dass da Platz für uns bleibt.

Ich dachte mir damals: Genau das!

Ich leide auch sehr darunter, wenn ich es erst schaffe gegen 17 Uhr Kind 3.0 von der Kita abzuholen, wir noch schnell einkaufen gehen müssen und dann zuhause auf ein Kind 2.0 treffen, dass noch ein paar Schulaufgaben zu erledigen hat, die wir dann zwischen Abendbrot zubereiten und essen quetschen bevor die Kinder sich um 19 Uhr bettfertig machen.

Deswegen versuche ich uns morgens immer eine halbe Stunde zu schenken und auch am Nachmittag und Abend sicherzustellen, dass wir Leerlauf haben.

Erst dann ist Familienleben schön. Erst dann haben wir die Gelegenheit über den Tag zu sprechen, uns zu erzählen, was uns bewegt und damit eben die besagte emotionale und Intellektualität aufzubauen.

Das gilt also sowohl für meine Kinder als auch für meinen Partner.

Seit einiger Zeit lege ich mein Telefon bewusst aus der Hand und versuche diese raren Zeiten nicht zu unterbrechen.

Juul schreibt weiter:

„Täglich und in den wenigen Stunden welche Kinder mit ihren Eltern verbringen, passiert immer öfter folgendes: Kinder möchten ihren Eltern eine Frage stellen, sie möchten ihnen etwas erzählen oder auf etwas antworten, was die Eltern gerade sagten, und die darauffolgende Antwort lautet: «Entschuldige Schatz, da muss ich rangehen»; «Entschuldige, aber ich habe soeben eine Nachricht von der Arbeit erhalten, die ich beantworten muss. Es dauert nicht mal eine Minute, versprochen»; «Kannst Du kurz eine Minute warten… ich muss…»“

Da habe ich mich doch sehr ertappt gefühlt und v.a. an das Gefühl erinnert, das ich manchmal habe, wenn mein Freund an seinem Telefon rumspielt und ich empört denke: „Hö? Ist das jetzt wirklich wichtig?“*

Juul schreibt, dass die Kinder anfangen, die Eltern zu vermissen, obwohl sie da sind und welche Folgen das auf die psychische Entwicklung der Kinder hat.

Ich kann empfehlen, den Artikel wirklich zu lesen und ihn auf sich wirken zu lassen.

Gleichzeitig denke ich aber auch, dass Juul einige Sachen übersieht. Tatsächlich ist das Smartphone auch ein Kommunikationsvehikel zwischen Eltern und Kindern.

Damit meine ich jetzt nicht, dass man sich gegenseitig Nachrichten schreibt (was ich auch sehr schön finde), sondern viel mehr, dass das Smartphone einfach eine Kamera, ein Lexikon, ein Fernseher etc. ist.

Ganz oft beschäftigt die Kinder etwas, das wir dann nachschlagen. Wie sieht die Flagge von Neuseeland aus? Wie groß ist das Land? Warum können Kiwis nicht fliegen?

Mithilfe des Smartphones beantworte ich diese Fragen und wir sitzen zusammen auf dem Sofa und verbringen eine entspannte Zeit. Im Gegensatz zu Spitzer denke ich nicht, dass es irgendwie hochwertiger ist, sich durch ein Printerzeugnis zu wälzen als etwas auf dem Smartphone nachzuschauen.

Ich glaube auch nicht, dass (meine) Kinder (meine) ständige und ungeteilte Aufmerksamkeit brauchen. Ich kann mit einer Freundin am Sonntag Kuchen essen und wir unterhalten uns und ich kann das selbe virtuell im Chat tun.

Allerdings finde ich es sehr einleuchtend, dass man das vielleicht nicht regelmäßig in den insgesamt 3-4 Stunden tun sollte, die man täglich wegen der Arbeit, als Familie verbringen kann.


*Ich bin mir sehr sicher, er denkt das ebenso oft von mir…

Pokémon Go – die Tweets und anderes

Ja, für alle, die sich nicht interessieren, ist es eine echte Plage. Mich hingegen amüsiert sowohl Pokémon Go als auch alles, was drumherum entsteht.

Da wären zum Beispiel die anderen SpielerInnen. Als ich am Nachmittag vom Arzt nach Hause komme, stehen da rund ein Duzend Menschen vor dem Turm des Frankfurter Tors.

Irgendwas passiert, einer hebt den Kopf und schnauzt einen Typen drei Meter neben ihm an: „Alter bist du gelb?“

„Ne, ich bin nich gelb.“

Ein ca. zwölfjähriges Mädchen grinst: „Ich bin gelb.“

Die anderen im Kanon: „Na toll!“

Offensichtlich hat das Mädchen, Team Gelb, soeben die Pokémon-Arena erobert. Ich grinse in mich hinein und laufe weiter.

Noch bevor Pokémon Go in Deutschland erhältlich ist, entsteht diese Seite: Pokewalk.

Ich nehme an, die Seite ist ein Fake. Hier wird angeboten, dass jemand das Handy abholt und dann je nach Bezahlung (2 km – 10 $, 5 km – 15 $, 10 km – 20 $) Pokéstops abfährt, Items einsammelt und Pokémon jagt.

So unwahrscheinlich sind solche Dienste tatsächlich am Ende nicht. Ich erinnere mich noch gut an die MoMA Ausstellung 2004 in der neuen Nationalgalerie.

Mit meiner Freundin, die extra aus Stuttgart angereist war, stellte ich mich zu Beginn der Ausstellungsperiode vier Stunden an, um rein zu kommen. VIER STUNDEN!

Ich redete mir ein, dass ich das aus Liebe zu meiner Freundin über mich ergehen hab lassen.

Tatsächlich war das kurze Zeit später die allerkürzeste Wartezeit von der mir anschließend berichtet wurde. Man konnte damals sogar Menschen auf ebay ersteigern, die sich für einen anstellten. Zehn, zwölf Stunden war da keine Seltenheit.

Warum also nicht Menschen dafür bezahlen, dass man Pokémons einsammelt?

Echte Nerds, so sagte man mir, würden ohnehin nicht selbst durch die Gegend rennen und Pokémon einsammeln sondern rausfinden, wie man das Spiel spielen kann ohne sich zu bewegen.

Genau 24 Stunden später taucht ein Video auf, das erklärt wie man Pokémon Go vom heimischen PC aus spielt.

Und dann sind da noch die ganzen Tweets, die irgendwie darüber berichten, wie das Spiel sich in wenigen Tagen in die Kohlenstoffwelt integriert hat:

Oder die Tweets, die schöne, neue Ideen präsentieren:

Am Ende muss nicht alles schlecht sein, was ein Hype ist:

Nöte, wie ein schnell leer laufender Akku, machen auch erfinderisch:

Richtig hip ist man sowieso erst, wenn man alle Hypes verbindet:

Dass da die Server nicht mithalten können, ist nicht verwunderlich:

[Und irgendwie hab ich jetzt einen Buzzfeed-Eintrag geschrieben, oder?]

Ziemlich bitter ist der Artikel Pokémon Go Could Be A Death Sentence For A Black Man

„The premise of Pokémon Go asks me to put my life in danger if I choose to play it as it is intended and with enthusiasm. Let’s just go ahead and add Pokémon Go to the extremely long list of things white people can do without fear of being killed, while Black people have to realistically be wary.

Honestly, I wish this was a joke post or satire of some sort. It isn’t. Something needs to change.“

Die Neu-Mama-Falle

Als Neu-Mama sollte man sich von Internetforen und Blogs fernhalten, die so tun als sei mit Kindern immer alles perfekt.

Neu-Mama
Wenns Montag Früh mal schnell gehen muss, frühstücken wir eben etwas einfacher als sonst. Mit 3 Kindern muss man auch mal pragmatisch sein


Manchmal bringen mich zwei Dinge, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben, auf einen Gedanken.

So geschehen neulich mit der Anfrage von netmoms, ob ich nicht meine Artikel unbezahlt bei ihnen veröffentlichen wolle und das Lesen des Artikels zum Thema Perfektionismus in Blogs von Frau Kirsche.

Netmoms habe ich nach der Geburt meines ersten Kindes rund ein halbes Jahr intensiv genutzt.

Das Baby war geboren, ich war alleine und ALLES war neu. Ich wußte nichts und habe mich unsicher gefühlt. Das Kind hat erhöhte Temperatur – soll ich mich locker machen oder zum Arzt? Wenn ich nicht zum Arzt gehe, gefährde ich mein Kind? Wenn ich zum Arzt gehe, verstopfe ich unnötig das Wartezimmer und ernte einen doofen Kommentar?

Der Tag war gespickt mit solchen Fragen. Muss das Kind Mittagsschlaf machen? Wie bekomme ich es dazu? Muss das im Bett sein oder kann es in der Tragehilfe schlafen? Wie oft soll ich stillen? Darf ich das Kind mit in mein Bett nehmen? Wechselt man in einem bestimmten Takt die Windeln?

Meine Freundinnen hatten zu dem Zeitpunkt noch keine eigenen Kinder und aus meinem Verwandtenkreis war keine Hilfe zu erwarten. Auf jede Frage, wie das damals wohl war, kam mehr oder weniger ein: Ich erinnere mich kaum.

Also befragte ich das Internet und landete bei netmoms. Dort kann man Fragen stellen und bekommt auch Antworten. Allerdings sind die Kommentarstränge oft schlimmer als im heise-Forum. (Es wird auch nicht moderiert – zumindest war das mein Eindruck früher).

Etwas überzeichnet ist das Schema immer so gewesen:

Frage: Hat jemand die neuen Öko-Windeln von Drogerie A ausprobiert? Halten die über Nacht?

Antwort 1: Ja, bei mir halten die.

Antwort 2: Wirklich? Wie lange schläft dein Kind denn?

Antwort 3: 8 Stunden – wie lang denn sonst?

Antwort 4: 8 Stunden? Das ist ja Wahnsinn. Bei uns sind es nie mehr als 2 Stunden am Stück.

Antwort 5: Sorry, dann musst du dein Kind halt mal erziehen!

Antwort 6: Ich benutze nur die Öko-Windeln. Alles andere ist unverantwortlich!

Antwort 7: Außerdem: Drogerie A? Die beuten ihre Mitarbeiter voll aus. Wie kann man denn bitte da einkaufen gehen? Ich gehe deswegen ja nur zu Drogerie B.

Antwort 8: Ja, sorry. Wie kannst du bitte andere Windeln benutzen. Das ist direkt an der Haut deines Babys dran. Da lösen sich über Nacht die ganzen Schadstoffe und das verursacht Krebs.

Antwort 9: Überhaupt Einmalwindeln? Da kann man dem Kind auch gleich Zuckersirup als Hauptnahrung geben. Die Lebenserwartung verkürzt sich so dramatisch. Ist dann aber wohl auch egal, weil mit dem Müll, den du produzierst, ist die Umwelt in wenigen Jahren sowieso so verpestet, dass es keine Zukunft mehr gibt.

Am Ende hat man also keine echte Einschätzung, ist eine verantwortungslose Mutter und schadet Kind, Umwelt und Zukunft.

Ich habe also angefangen wie irre Bücher über Babys, Kleinkinder und Erziehung zu lesen. Da fiel es mir leichter, gräßliches einfach wegzulegen und zu sagen, das ist nichts für mich.

Noch später fing ich an Blogs zu lesen und bin dann langsam in die damals noch sehr dünne Elternblogszene gerutscht.

Das tat so gut! Jenseits der pausbackigen, strahlenden Werbebabys der Familienmagazine (auch da war alles sehr, sehr einheitlich – ist es ja jetzt noch) und der Fernsehwerbung und jenseits des Hyänen-Lochs der Mütter-Foren[1] endlich die anderen Mütter, die scheitern, unsicher waren, die mehr Fragen als Antworten hatten.

Sie haben ihren Alltag beschrieben und plötzlich gab es nicht nur Solidarität sondern lebenstaugliche Handlungsalternativen.

Seitdem ist fast ein Jahrzehnt vergangen.

Ich habe nicht mehr so viele Fragen – aber ich merke auch, wie die ehrliche Elternbubble schrumpft. Die Werbeindustrie hat erkannt, dass hier eine vertrauensvolle Zielgruppe wartet [2]. Doch statt die Blogs so zu nehmen wie sie sind, wollen Agenturen und Werbepartner sich in einem präsentablen Umfeld darstellen [3].

Den meisten geht es nämlich nur um Reichweite. Was der eigentliche Inhalt des Blogs, die Philosophie dahinter ist, wie die Autorin tickt – das interessiert gar nicht. Ein Blog ist lediglich eine Werbeplattform.

Also greifen die perfektesten, best-gestylten, SEO optimiertesten Blogs die Werbedeals ab. Und viele andere Blogs, die ebenfalls Geld verdienen wollen, passen sich an [4].

Für mich persönlich bedeutet das lediglich – ich lese diese Blogs nicht mehr. Denn genau diese polierte Kunstwelt gibt mir einfach nichts.

Für mich ist das egal. Ich hab in der Zwischenzeit meine Freundinnen mit Kind und meine geliebte (sehr selektierte) Online-Filterbubble, die mir hilft wenn ich Fragen habe.

Für Neu-Mütter sieht das vermutlich anders aus. Der Kommentar von RonjaMama unter dem Blogpost von Frau Kirsche trifft den Nagel auf den Kopf:

Besonders junge“Neumamas“ werden meiner Ansicht nach von den perfekten Bildern in die Illusion gerissen, es müsste bei ihnen auch so aussehen, so sein.

Denn plötzlich ist das Internet voll von wunderschön gedeckten Tischen, es ist immer Zeit für ein bisschen Deko. Die Wohnungen sind stets aufgeräumt. Die Kinder sauber und gekämmt. Die Mütter geschminkt und schlank. Sie haben abends sogar Zeit auszugehen und sich mit den Freundinnen zu fotografieren, wie sie mit einem Glas Aperol Spritz anstoßen, während ihre Zwillinge artig durchschlafen.

V.a. auf Plattformen wie instagram wird das meinem Empfinden nach immer extremer. Deswegen mag ich Hashtags wie #alltagsessen, #12von12, Kategorien wie „Dinge, die mein Kind kaputt gemacht hat“ und fotografiere gerne meinen unansehlichen Bürofraß.

Tatsächlich sind Eltern-Blogs, die sich professionalisieren wollen auch einem besonderen Druck ausgesetzt. Leitmedium hat dazu einen sehr treffenden Artikel geschrieben:

Aber man muss sich bewusst sein, dass das Betreiben eines professionellen Blogs kein Spaß ist. Es ist kein „ich schreibe schöne Texte und verdiene damit Geld“.

[…]

Wer vom Bloggen leben möchte, hat Stress wie in einer Agentur: Kunden müssen akquiriert und verarztet, Termine eingehalten und permanent kreativ gearbeitet werden.

[…]

Wer sich dafür entscheidet, mit Elterncontent unterwegs zu sein, zahlt dabei einen ungleich höheren Preis: Während ein Tech- oder Gamingblogger wahrscheinlich deutlich besser zwischen privater Entspannung und öffentlichem Auftreten unterscheiden kann, greift das Eltern- und Familienbloggen in den Alltag tief hinein.

Aber nochmal zurück zu den Neu-Eltern – ich gebe ja nicht oft „kluge“ Ratschläge, v.a. nicht im Bereich Kinder und Erziehung – aber hier mache ich mal eine Ausnahme:

Zum eigenen Seelenfrieden – haltet euch fern von den inszenierten Realitäten. Das Leben mit Kindern ist nicht so. Haltet euch fern von Orten, die euch das glauben machen wollen (besser: seid euch dessen bewusst) und sucht euch ein Umfeld, das euch gut tut. Lest nicht in Internetforen! Googelt keine Kinderkrankheiten.

Vertraut euch selbst.


 

[1] Und ja, ich meine Mütter, denn die Väter waren in meiner Filterbubble damals völlig unsichtbar und nicht präsent. Ich habe viele Babykurse gemacht, viele regelmäßige Babytreffen und Krabbelgruppen besucht – mit beiden Kindern – und es gab genau einen Vater! Einen. Und nein, ich hab meine Kinder nicht in den 70ern bekommen.

[2] Gegen Werbung habe ich bekanntermaßen rein gar nichts, sofern sie klar gekennzeichnet ist, was oft immer noch nicht der Fall ist. Ein mikroskopisch großes „entstanden in Zusammenarbeit mit“ am Ende eines Textes stellt für mich keine Kennzeichnung dar.

[3] Sehr eindrücklich beschreibt Heather Armstrong diese Entwicklung, die in den USA schon viel weiter ist als hier in Deutschland.

[4] Finde ich verständlich. Würde ich vielleicht auch machen, wenn ich darauf angewiesen wäre von den Blogeinnahmen zu leben.

Die Liebe in Worten oder die Schönwettervaterschaft

Jetzt muss ich eben doch.

Ich hatte bereits geschrieben, dass mich der Text „Ich liebe meine Kinder vom Büro aus“ bewegt hat. Denn ich teile die Meinung, dass die bloße Anwesenheit des Gefühls Liebe bei einer Person nicht ausreicht, um als Leistung (oder irgendwas) bei einer zweiten Person anerkannt werden zu können.

Der zitierte Text ist eine Antwort auf einen anderen Vater-Text, der im Grunde sowas sagt wie: Ich bin kein schlechter Mensch nur weil ich kaum Zeit mit meinen Kindern verbringe. Früher war das Standard, davon ist auch keiner gestorben. Die Väter haben ihre Kinder auch lieb gehabt!

Jetzt gibt es wieder eine Antwort auf die Antwort sozusagen, in der konkret steht:

Die Aussage, dass Liebe kein Kriterium für die Beurteilung der Leistung eines Vaters sein kann, ist für mich ebenso schwer nachvollziehbar und niveaulos, wie die Aussage, dass ein Mensch anderer Hautfarbe nicht mein Nachbar sein kann. [1]

Mal abgesehen davon, dass ich überhaupt nicht verstehe was der 2. Teil des Satzes mit dem ersten zu tun hat, möchte ich entschieden widersprechen.

Meiner Auffassung nach kann man sich das Wort Vater auch schenken und durch Mensch ersetzen.

Einem Freund, einem Vater, einem Partner, einer Freundin, einer Mutter, einer Partnerin, der/die sagt „Ich liebe dich“ und den Worten keine Taten folgen lässt, kann ich persönlich wenig abgewinnen.

Für solche Oberflächlichkeiten ist mein Leben zu kurz.

Wenn ich in meinem Leben zurück blicke, gibt es allerdings ausreichend Personen dieser Art. Aber waren sie da als ich sie brauchte? Nein.

Natürlich geht es nicht nur um die Einheit „Zeit verbringen“, natürlich ist das als bloßes Kriterium genauso dumm und wertlos wie die bloße Aussage „Ich liebe dich“.

Bin ich also nur ein guter Vater, wenn ich so viel Zeit wie möglich mit meinem Sohn verbringe? Egal wie? [1]

Ne, biste nicht. Genauso wenig wie der Vater, der jeden Tag bis 20 Uhr im Büro abhängt und am Telefon „Ich lieb dich“ zu den Kindern sagt, wie andere Leute „Tschüß“ sagen.

Und diese Diskussion um Leistung. Elternschaft sei schließlich keine Leistung oder etwas das man messen könne oder solle. Ist sie in meinen Augen doch (nicht nur, aber auch).

Care-Arbeit.

Am Anfang war mir dieses Wort fremd und ich hab mich gefragt, ob man wirklich für alles immer einen hippen Anglizismus braucht. In der Zwischenzeit denke ich: Ja, den braucht man. Weil der Begriff eben sehr gut beschreibt, was Elternschaft auch umfasst. Arbeit! Es wird organisiert, mitgedacht, geplant, geteilt, mitgetragen, gepflegt, es werden Opfer gebracht (die man auch gerne bringt, weil man das Kind ja liebt).

Aber ein hinreichend guter Vater – eine hinreichend gute Mutter ist man nicht, weil man es im Herzen sein will und für sich sagt: Ich liebe das Kind doch.

Ein hinreichend guter Vater – eine hinreichend gute Mutter ist man wenn man da ist, wenn man präsent ist, wenn man eine Stütze ist, wenn man einen Hafen bietet und im Notfall ein verlässlicher Kämpfer an der Seite des Kindes.

Wenn man sich verdammt nochmal einbringt und nicht nur ein Schönwettermensch ist. Verantwortung übernimmt. Wenn man auch da ist, wenn es schwer wird, wenn es anstrengend wird, wenn es an die eignen Grenzen geht.

Das regt mich so auf.

Im Text steht auch:

Ob sie ihren Kindern etwas mitgeben, ihren Kindern etwas beibringen, ihre Neugier wecken, ihnen Geduld schenken, etwas auszutüfteln und Herausforderungen selbst zu schaffen. Das geht schon beim Abknibbeln von Fußball-Klebebildchen los. Es geht meiner Meinung nach auch darum, den Kindern neue Horizonte zu bieten aber auch Grenzen aufzuzeigen. Und als Vater die damit verbundenen Konsequenzen auszuhalten. All das hat nichts mit Zeit, sondern mit Liebe zu tun.

Genau und es hat mit noch mehr Liebe zu tun Kotze aufzuwischen, Windeln zu wechseln, Nächte zu durchwachen, Seelennöte zu lindern.

Wenn meine Mutterschaft sich beschränkt auf Fußball-Klebebildchen abknibbeln, gemeinsam Sendung mit der Maus schauen und Achterbahnfahren, dann bin ich echt die tiefenentspannteste Mutter der Welt.

Aber die Frage ist: Wie fühlt sich mein Kind, wenn es krank ist und ich immer im Büro bin, weil es angeblich sein muss? Wie fühlt sich mein Kind, wenn es etwas Tolles erlebt und das Erlebnis nicht mit mir teilen kann, weil ich im Büro bin und erst nach Hause komme, wenn es schon schläft?

Ach, was rege ich mich auf. Ich gehe jetzt lieber Eis essen.

Lesen Sie auch „Neue Väter. Ein Abgesang„, da steht alles strukturierter.

Passt auch irgendwie „Eltern machen alles möglich bis es sie zerreisst„:

Mein Kind hatte einen angeknacksten Fuß, lag morgens im Bett und konnte nicht aufstehen. Das war die Situation: Mein Mann ist weg, ich muss zum Flughafen, das Taxi steht schon vor der Tür. Und da fange ich an, hektisch rumzutelefonieren, wer jetzt das Kind nehmen kann. Das Kind weint und klammert. Und ich sage nicht: So, mein Kind hat einen angeschwollenen Fuß, dies ist der Tag, an dem ich zu Hause bleiben werde. Ich hab das heulende Kind im Taxi bei der Kinderfrau vorbeigefahren und bin pflichtschuldigst zum Flughafen weitergerast. Und erst im Flugzeug hab ich gedacht: Was hast du denn da gerade gemacht? Welches Gefühl bleibt da beim Kind zurück? Egal, was mit mir ist: erste Prio hat Mamas Job?!

Denn an der Stelle spätestens kann man sich fragen, was die Liebe alleine in so einem Fall dem Kind bringt und ob man sich und dem Kind solche Situationen nicht ersparen möchte.


[1] Was macht einen guten Vater aus?

Deine Freunde machen Deine Mudda glücklich

Das erste Konzert, das mir Spaß gemacht hat. Naja nach Herbert Grönemeyer, aber das sag ich nicht öffentlich. Das ist Kompromat.

IMG_7716Konzerte und ich, das ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Seit meiner Schulzeit denke ich immer wieder, es könnte mir Spaß machen Konzerte zu besuchen. Wenn ich dann da bin, merke ich, tief in mir lebt schon immer eine alte Oma.

Diese Oma findet große Menschenansammlungen blöd – v.a. dann wenn ihre Körper schwitzen und diese sie immer wieder berühren. Die selbe Oma ärgert sich immer wieder über die unangenehme Lautstärke von Konzerten und findet es ätzend, wenn Stücke gespielt werden, die sie gar nicht kennt oder erkennt.

Eigentlich möchte sie auch gar nicht stundenlang stehen, aber Sitzkonzerte sind noch viel schlimmer.

Die Oma hört schon immer schlecht – allerdings meint sie dennoch beurteilen zu können, dass achtzig Prozent aller Bands live unglaublich schlecht sind. Manchmal können die SängerInnen nicht singen, manchmal die Bandmitglieder ihre Musikinstrumente nicht so gut spielen. Oft sind einfach die Toningenieure ein bisschen taub.

Das Symbolbild für dasnuf und Livekonzerte wäre eine alte Dame, die etwas träge mit einem Krückstock wedelt und krächzt: „Bleiben Sie mir fort mit diesem modernen Zeug! Am schönsten ist Musik zuhause am Sofa!“

Im Grunde gibt es nur eine Sache, die schlimmer ist als Livekonzerte und das ist Kindermusik. Kindermusik, das hat sich irgendein Menschenhasser ausgedacht, das bedeutet Kinderchöre mit glockenhellen Stimmen, die irgendwas fiepen, schreckliche Melodien (die einen dennoch mehrere Monate als Ohrwurm begleiten ALLELEUTALLELEUT! JANUARFEBRUARMÄRZAPRIL!) und grauselige Texte.

Die Kinder werden geboren, man denkt sich: ich höre einfach weiter die Musik, die mir gefällt und basta und plötzlich wacht man in einem PEKiP-Kurs auf und klatscht und trällert eben jene Kinderlieder und wenn man dann in das fröhliche Babygesicht schaut, singt man das einfach ein paar Jahre weiter.

Eine echte Erlösung war deswegen die Entdeckung der Band „Deine Freunde„.

„Deine Freunde,“ das sind der ehemalige Echt-Schlagzeuger Florian Sump, der Fettes Brot DJ Markus Pauli und der Tigerenten Club Moderator Lukas Nimschek.

Ich meine irgendwo gelesen zu haben [*], dass Florian Sump selbst als Erzieher in einem Kindergarten tätig war und genau auf dieses Problem der unerträglichen Kindermusik gestoßen ist und dann das Lied „Schokolade“ geschrieben hat.

Das war der Beginn der Band, die bis heute drei Alben geschrieben hat.

Sofern man deutschen HipHop mag, kann ich „Deine Freunde“ wirklich sehr empfehlen. Die Musik ist so wie man es als Erwachsene gut hören kann und die Texte sind sehr, sehr gut. Genau genommen entsprechen die Texte diesen Elternblogtexten, die einen total begeistern, weil sie mit unglaublichem Feingefühl und Herzenswärme typische Eltern-Kind-Themen aufgreifen und zwar so, dass man v.a. über die Schmerzen des Elternseins lachen muss.

Die Witze gehen aber nie auf Kosten der Kinder. Denn im Grunde sind die Texte aus deren Perspektive geschrieben. Kinder, das darf man nie vergessen, haben es mit uns Eltern auch nicht immer leicht.

Es gibt auch Texte, die sind mit so viel Gefühl geschrieben, dass ich (ich bin zugegebenermaßen, was meine Gefühle angeht, oft etwas verdreht) zu Tränen gerührt bin. Das Lied „Ganz groß“ (Amazon Werbelink) erweicht mein Mutterherz jedes Mal und am liebsten würde ich beim Hören meine Kinder in den Arm nehmen und weinen wie diese Comicfiguren, denen rechts und links die Wasserfontänen aus den Augen spritzen und mich dann in ihren Shirts schnäuzen. (Zum Glück habe ich mich im Griff! Zum Glück!)

Deine Freunde - fotografieren verboten!

Jedenfalls das Konzert war grandios. Grandios, meine Damen und Herren!

Ich stand irgendwo hinten auf einer Balustrade während ich mit meinem Freund Händchen hielt und wir beide leise schluchzten: Das ist das erste Mal, dass die Kinder ganz alleine im Konzertpit hüpfen und mitsingen.

So war das nämlich organisiert: Die vordere Hälfte der Bühne war ausdrücklich nur für Kinder. Erwachsene durften dem Konzert in gebührlichen Abstand lauschen.

Wer schon mal einem Karnevalsumzug beiwohnte, der weiß nämlich, dass Erwachsene unendlich nerven können, z.B. weil sie Kinder schubsen oder ihnen rücksichtslos auf den Füßen rumtrampeln.

Deine Freunde - fotografieren verboten!

Ach, ich könnte jetzt noch einen Roman schreiben über das tolle Konzert und ein ganzes Reclam-Heft mit der Interpretation der einzelnen Songs befüllen – aber ich lasse das einfach und empfehle: Kaufen Sie die CDs, gehen Sie auf die Konzerte, singen Sie mit! Machen Sie die Band reich, da verderben Sie nichts mehr (die meinten ohnehin, dass sie jetzt so bekannt seien, dass sie jetzt bald arrogant würden).


(Unbedingt nicht anhören, wenn man nicht 14 Tage lang einen Ohrwurm haben möchte. Ich hab Sie gewarnt!)

P.S. Nach intensiven Befragungen der Kinder konnte ich ihnen auch ein enthusiastisches Urteil abringen:

„Wie findet ihr die Band?“ „Gut.“


[*] Mir wurde freundlicherweise auf die Sprünge geholfen, wo ich das gelesen habe: Was machen die denn da – Florian Sump

Ein Büchlein von Kind 3.0

Kind 3.0 und ich träumen davon eines Tages gemeinsam ein Buch zu schreiben. Kind 3.0 würde die Schule rasch fertig machen, aber dann nie arbeiten müssen. Wir stellen uns nämlich vor, dass wir sowas wie den Grüffelo zusammen schreiben. Finde ich ein valides Einkommenskonzept für die Zukunft. Kind 3.0 würde mich zu 40% an den Gewinnen beteiligen.

Heute morgen haben wir dann schon mal ein Mini-Buch zusammen gemacht. Heute hat die Kita nämlich geschlossen.

Weil Kind 3.0 nicht verständlich zu machen war, warum das Buch nicht sofort von einem Verlag aufgekauft, gedruckt und ab heute Nachmittag in der Bibliothek erhältlich ist, habe ich als Kompromiss angeboten, es in meinem Blog zu veröffentlichen.

Kind 3.0 erbittet Feedback.

FullSizeRender

FullSizeRender_1

FullSizeRender_2

FullSizeRender_3

FullSizeRender_4

FullSizeRender_5

FullSizeRender_6

FullSizeRender_7

FullSizeRender_8FullSizeRender_9

Idee und Konzept Kind 3.0, Recherchen und Schrift Patricia, beim Malen abgewechselt


Auf Wunsch als PDF: Einmal um die Welt

12von12 im Juni und Bonusmaterial

Das mit dem Ausschlafen an kinderfreien Wochenenden hab ich immer noch nicht zuverlässig drauf. Wahrscheinlich weil ich ohnehin mein ganzes Leben nie ausgeschlafen habe. Ich bin einfach Lerche.

Es ist allerdings schon neun. Also stehe ich jetzt auf und mache mir Kaffee. Mit dieser Bialetti, die angeblich Crema hinbekommt. Das Ding macht mich schon seit Wochen wahnsinnig.

Die ersten Male sprudelte und spritzte der Kaffee immer oben aus dem Loch (und ja, da ist ein Loch, es gibt dazu keinen Deckel, man kann nichts zuklappen, das gehört so). Dann habe ich nachgelesen auf was alles zu achten ist und auch was gelernt: Wenn man bereits kochendes Wasser unten in die Kanne füllt (ja, nur bis zum Ventil und nein, es ist nicht verstopft), dann ist der Kaffee nicht nur viel schneller fertig – er schmeckt auch sehr viel besser. Und nein, ich drücke das Kaffeepulver nicht an und eine andere (zu fein gemahlene) Marke ist es auch nicht und trotzdem sprudelt und sprutzelt der Kaffee seit neustem wieder oben wie irre raus. Aber ich hab das im Griff. Heute hab ich nämlich erst die Milch warm gemacht und in dem Moment, in dem die Kaffeekanne zur Fontäne wird, halte ich den Kaffee über den Topf und muss danach nicht den Herd putzen, sondern hab fertigen, wohlschmeckenden Milchkaffee.

IMG_7616

Am wichtigsten ist ohnehin, dass man den Kaffee (wahlweise auch den Tee) aus einer schönen Tasse trinkt. Und ja, man kann diese Tasse bestellen und ja, eigentlich will man alle Modelle haben.

IMG_7617

Nach dem Kaffee habe ich immer noch Zeit. Der Freund ist noch nicht aufstehwillig. Also lese ich. Zum Beispiel einen Artikel über Gleichberechtigung (ja, schon wieder!): Gleichheit der Geschlechter – 
Die große Illusion – Der Unterschied zwischen Mann und Frau spielt keine Rolle, heißt es. Bis es um Schwangerschaft und Geburt geht.

Ich finde, der Artikel hat viele interessante Aspekte, wenngleich er auch sehr viel vermischt. Zum Beispiel erklärt er mir, warum viele der jetzt ca. 30jährigen Frauen finden, dass wir keinen Feminismus mehr brauchen.

Die Leserschaft ist sich ob der Qualität des Artikels etwas uneinig.

IMG_7619

Mir ist immer noch wach und Frühstück wäre jetzt nicht schlecht. Also ziehe ich mich an und gehe zum Bäcker. Beim Bäcker lerne ich dann: Die Croissants immer zuletzt bestellen! Immer. Erst die Brötchen, dann die Croissants. Die Bäckereifachverkäuferin redet sich in Rage. Der Bäcker macht sich so eine Mühe mit den Croissants und dann kommen die Kunden und bestellen falschrum, das Croissant landet in der Tüte unten, wird zerquetscht und all die Mühe futsch. Das muss doch nicht sein. Wirklich nicht. Wehe, Sie bestellen nochmal in der falschen Reihenfolge. Ich hab’s natürlich richtig gemacht.

IMG_7621

Am Rückweg fällt mir auf, dass mal wieder ziemlich viel Sperrmüll auf der Straße steht. Ich denke, wenn es in Berlin wäre, wie es bei mir war als ich klein war, wenn also an einem bestimmten Tag im Jahr Sperrmüll wäre und die BSR führe durch die Straßen und holte alles ab, dann stünde nicht ständig und jeden Tag der ganze Müll herum. Warum das in Berlin anders ist als in anderen Städten – das kann mir vielleicht mal jemand erklären.

IMG_7676

Während ich mich also auf den Sperrmüll konzentriere, fällt mir auf, dass den ganzen Weg die Baumscheiben sehr liebevoll gestaltet sind. Baumscheibe auch so ein Wort, das ich nicht kannte bevor ich nach Berlin kam. Gemeint sind die freien Erdflecken um die Straßenbäume herum. Oft einfach von Hunden vollgekackt, manchmal aber auch von Anwohnern, Kneipen oder Kindergärten eingezäunt und liebevoll bepflanzt.

Ein sehr schöner Brauch.

IMG_7674

Und da sehe ich wieder: Berlin ist so schön oder häßlich wie man es sehen will.

Dann gibt es Frühstück. Der Freund muss arbeiten und ich fahre mit der Tram nach Hause, denn auch ich habe eine unendliche ToDo-Liste. All das, was ich im Alltag nicht schaffe… v.a. dann, wenn die Kinder da sind.

IMG_7637

Zum Beispiel Schubladen tauschen. Ich dachte, das dauert zehn Minuten, doch am Ende sitze ich schwitzend eine Stunde da und wünsche mir einen Akkuschrauber als ich die Schienen der Schubladen das dritte mal anschraube. Dann erst sehe ich, dass die Schubladenblenden zwei unterschiedliche Positionen haben und ach, ach, ach, was man alles falsch machen kann [1].

Am Ende siege ich, aber nur weil ich mir vorstelle, ich sei einer dieser Orks, die um ihre Ehre bemüht sind, die mir gestern Abend in Warcraft begegnet sind.

IMG_7639

Danach schnell noch die Wäsche. Schnell noch. Haha. Vier Maschinen waren das ingesamt, aber noch länger aufschieben geht nicht. Ich habe ausserdem seit neusten Spaß am Zusammenfalten, weil der Freund immer so ordentlich faltet, dass ich es auch so hübsch haben will und siehe da, wenn ich die Wäsche auf einem Tisch falte, dann sieht es halbwegs ordentlich aus.

IMG_7651

Am Nachmittag schwingen wir uns auf die Fahrräder und treffen die Illustratorin und den Autor von Pinipa bei Aldemir Eis.

Wie eine alte Oma denke ich mir als erstes: Also das wird hier ja auch immer teurer. Bald haben wir Preise wie auf Korsika. Dafür gibt es wirklich exotische Eissorten. Nachdem ich ca. zwanzig Minuten in Schockoptionsparalyse verharre, entscheide ich mich für Erdnusseis mit Sahne und Schokosoße. „Halbe Portion Sahne?“, fragt die Verkäuferin. Irre, halbe Portionen kann man bestellen? Weil das geht, bestelle ich eine halbe Portion.

Vielleicht hätte ich doch lieber das Ingwer-Eis nehmen sollen? Oder Zimt? Oder Kokos? Hmmm…

IMG_7654

Wir spazieren am Kanal entlang. Es ist früher Abend und wir sind alle hungrig. Also gehen wir zu Il Casolare. Ich bin gerne dort, weil es tatsächlich so italienisch ist, wie ich Italien als Kind kennengelernt habe. Ich mag die Schnoddrigkeit und die Gleichgültigkeit der Bedienungen. Mich nerven die Raucher. Also Kinderverbote finde ich unmöglich, aber Raucher! Raucher, die möchte ich gerne verbieten oder ihnen eigene Schutzräume geben. Raucher, die draußen in Restaurants sitzen und qualmen – das brauche ich wirklich nicht.

Wir bestellen eine Pizza Incredibile und eine Golosa und teilen sie uns. Unverschämt lecker sind die. Schade, dass ich nicht noch als Vorspeise die Auberginen hatte. Naja, dann esse ich wenigstens eine Nachspeise: Profiteroles. Seit Tagen habe ich Lust auf Profiteroles [2].

Der Espresso ist auch hervorragend und den Rest des Tages bin ich komplett essensbefriedigt. Ich liebe gutes Essen. Es macht mich so glücklich. Eigentlich will ich nur gut essen. Wie ich es hasse, irgendwas in mich rein zuschaufeln nur damit ich nicht mehr hungrig bin. Nein! Am liebsten würde ich jeden Tag so köstlich essen. Überhaupt essen. Es. ist. so. toll.

Mein Freund bestellt sich derweil Chinotto [3] und als ich den Geruch wahrnehme, muss ich mir auch ein Chinotto bestellen. Als Kind durfte ich mir Chinotto statt Cola bestellen und kam mir dann immer wahnsinnig erwachsen vor. Geschmeckt hat es mir nie, aber weil ich es durfte, hab ich es bestellt.

Chinotto ist irgendeine bittere Zitrusfrucht, zu den Bitterorangen gehört sie, mehr weiß ich nicht. Schmeckt eigentlich auch nicht. Ich gebe einen Teil meiner bitteren Limonade an meinen Freund. Das halbe Glas hat mich ausreichend glücklich gemacht.

IMG_7659

Nach dem Essen verabschieden wir uns von unseren Freunden und fahren mit dem Rad wieder nach Hause. Gegenüber haben die Nachbarn ihr Fernsehgerät auf das Fensterbrett gestellt und eine Bierbankgarnitur auf die Straße.

Ich mag Berlin, ich mag es wirklich. Wie schön, dass die Leute hier machen auf was sie Lust haben und sich in den allermeisten Fällen nicht allzu sehr gegenseitig auf die Nerven gehen.

IMG_7662


[1] Bonusmaterial „Was man alles falsch machen kann“

IMG_7677

[2]

[3]

IMG_7657