Väter in Not

Nicht nur die Sorgen sondern auch die Ausgaben werden mit dem Heranwachsen der Kinder größer. Wenn das 30jährige Kind, meist ganzkörpertätowiert und wie eine glitzernde Offenbarung mit Piercings geschmückt, das 7. Studium abbricht, wird man noch die Tage loben, an denen Blähungen ein ernsthaftes Problem darstellten.
Einen ersten Vorgeschmack auf die bevorstehenden Investitionen bekommt man beim Kauf der ersten Schuhe.
Kostspielige Hausschuhe kann man glücklicherweise vermeiden indem man das Barfußlaufen von Anfang an fördert.
Sobald das Kind jedoch außerhalb des Eigenheims lauffähig ist, kommt man an Straßenschuhen leider nicht vorbei. Alte Autoreifen aufschneiden und um die Füße binden, so sagt der Kinderarzt, sind keine Alternative.
Umso besser versteht man die Nöte eines Vaters, den ich gestern am Spielplatz beobachtete.
„Lutz, sag mir jetzt SOFORT, wo Du Deinen Schuh vergraben hast!“
Lutz lacht
„Lutz, das ist nicht lustig, sag mir, wo der Schuh ist!“
Während der Vater den Sohn mit verzweifeltem Gesichtsausdruck über den Platz zerrt, folgen ihm mitfühlende Blicke.
Keiner der Erwachsenen sieht amüsiert aus. Ich nutze die emotionale Verbundenheit und gehe mit dem Sonnenhut meines Kindes Spenden einsammeln.
Lutz dreht sich währenddessen unnachgiebig auf dem Stehkreisel. Sein Rumpelstilzchenlachen wabert in Wellen an meine Ohren. So ein böses Kind!

Projizierfläche

Das Zusammenleben mit einem Partner hat vielerlei Vorteile.
Zum Beispiel gibt es so immer jemanden, den man aller möglichen Dinge verdächtigen kann. Gestern war da noch eine Tafel Schokolade im Kühlschrank. Man selbst, streng auf seine Linie achtend und allerhöchstens mal eine kleine Kante naschend, kann nämlich unter gar keinen Umständen derjenige sein, der schon wieder alles aufgefressen hat.
Besser noch man sucht eine sehr wichtige Unterlage für das Finanzamt. Sieben Mal hat man bereits die komplette Wohnung auf den Kopf gestellt – dennoch will sie sich nicht einfinden.
Es wäre nun mentalhygienisch äußerst ungesund davon auszugehen, dass man selbst im Trance versehentlich genau dieses wahnsinnig wichtige und nahezu unverzichtbare Papier weggeworfen hat. Wer war’s also? Natürlich, der Partner, der mit einem Teller und Bett teilt. Dieser Schuft! Rot wird man vor Wut, die Augen kneift man zusammen, Schaum läuft einem aus den Mundwinkeln. So sauer! Man ist so unsäglich sauer! Die Faust geballt, zähneknirschend ruft man ihn an. Ohne große Einleitung schreit man darauf los.
„Wo hast Du Dokument XYZ hingelegt? Wie das weißt Du nicht? Wie, das hast Du noch nie gesehen? Gib’s doch zu! Ja, ja. Du bist schuld, ich hab den Ärger, ich leg’ jetzt auf, so wütend bin ich!“
Die Unterlage taucht auf diese Weise freilich nicht auf, doch das Magengeschwür ist erst mal abgewendet. Wunderbar. Und hat man am Ende noch Glück und der Partner zeigt sich einsichtig, weil er sich eingesteht, dass er, hätte er das Dokument jemals zu Gesicht bekommen, durchaus in der Lage hätte sein können, es zu verbummeln, dann bekommt man am Ende des Tages Blumen als Trost geschenkt und vielleicht auch ein Buch über die korrekte Setzung von Kommata. Man weiß es nie.

Freiwillige gesucht

Als ich gestern den Herren Pjaer und Erasmus von Meppen lauschte, frug ich mich, ob man vielleicht doch mal die Idee der Groschenromanlesung umsetzen sollte.

Im lauschigen Rahmen läsen dann Passionierte aus wunderbaren Romanen mit den Titeln „Der Rosenpavillon am Neckar“ oder „Am Freitag schlug das Schicksal zu“ vor. Gäbe es da Freiwillige?

Nachtrag: Wie wäre es denn, wenn man diese Lesung nachmittags am Wochenende bei Kaffee und Kuchen gemeinsam mit einem Seniorenverein abhält? Dann könnte man gleich Oma, Opa und die Kinder mitbringen?

Besser nicht fragen

Die Wahrheit ist ein oftmals hochgelobtes Gut. Dass es sozial durchaus nicht wünschenswert ist, ständig die Wahrheit zu sagen oder gar zu hören, zeigt Jim Carrey in Der Dummschwätzer recht eindrücklich. Dies wissend, sollte man Kinder nie nach der Meinung fragen.
–    Sag, findest Du mich schöner geschminkt oder ungeschminkt?
–    Ich weiß nicht Mami, das sieht doch eigentlich gleich aus, nur bunter. Das Gesicht ist doch das selbe und an das bin ich schon gewöhnt.

Einkaufsspaß mit Kind

Mit Kindern in letzter Minute dringende Einkäufe erledigen, ist nicht immer ein lustiges Erlebnis – jedenfalls nicht für einen selbst.
So waren wir samstags zu einer Hochzeit eingeladen und der Blick in den Kleiderschrank des Kindes um 19.20 Uhr am vorangehenden Freitag eröffnete, dass alle Hosen durchlöchert, zerschlissen oder mit unentfernbaren Flecken dekoriert waren.
Schnell also das Kind unter den Arm geklemmt und ins nächste Einkaufszentrum geeilt.
Das Kind, denkbar lustlos, war nur aufgrund mittelgroßer Bestechungen dazu zu bewegen in einer Umkleidekabine auf die Präsentation verschiedener Hosenmodelle zu warten.
Als ich endlich schwitzend vier Hosen anschleppte, war die Kooperationsbereitschaft vollends verflogen und selbst die Ankündigung einer siebenstöckigen Schokoladentorte zeigte keinerlei positive Wirkung.
Liebe, gegenseitige Akzeptanz und Freiräume bei der Kindererziehung in Ehren, die Hosen mussten anprobiert werden. Das Kind wand sich, es krakeelte, widerstrebte und als das alles nichts half, griff es instinktiv zu der letzten aller grausamen Maßnahmen: es brüllte Sätze, für die man in der Regel verhaftet wird.
–    Ich will nicht, die Hose kneift.
–    Die kneift nicht, jetzt probiere sie doch wenigstens.
–    Nein!
–    Doch, Du probierst jetzt die HOSE!
–    NEIN!
Mutter zerrt an Kind.
–    NEEEEEiiiiiiinnn, ich will nicht!
Mutter zerrt weiter.
–    NEEEeeeeeiiIIIIIIIIIIIIIN, bitte nicht, das tut so weh!
Zerrt und zerrt.
–    Nein, bitte nicht da unten, das tut so weh. NICHT DA UNTEN!!! AUA!!!! AUAAAAAAAA!
Draußen hört man die Verkäuferin heraneilen. Getuschel in der Nebenkabine.
Ohovenesk gedeiht in mir das dringende Bedürfnis zu einem übereilten Aufbruch. Ich packe drei Hosen, die vierte binde ich um den Mund des schreienden Kindes, eile zur Kasse, lege alle Scheine, die ich besitze auf den Tresen und verflüchtige mich in der untergehenden Sonne.

Her mit den Moneten!

Im Leben kommt man immer wieder in Situationen, in denen man fieberhaft über das Reichwerden nachdenkt. Im Studium habe ich als Alternative zum Abschluss Möglichkeiten recherchiert Safranhändler zu werden. Die Idee kam mir als ich für 10 DM 2 Gramm Safran kaufen musste weil ich leichtfertig einen jungen Mann auf eine selbstgemachte Paella eingeladen hatte. Da ich mein Studium dann doch noch erfolgreich beendete, ersann ich die nächste Möglichkeit um Millionen zu scheffeln als ich im Anschluss an mein Studium sieben Jahre unterbezahlt als Praktikantin arbeitete. Ich lies mir aus Protest für jedes Jahr ein weiteres Ohrloch stechen und errechnete erstaunt dass ein Liter Ohrlochantisept an die 8.000 Euro kostete. Keine Frage also dass ich Antiseptmogul werden wollte.
Dieser Plan wurde durch ein unerwartetes Jobangebot durchquert.
Jetzt da wir vor der Anschaffung eines Fahrradsitzes, eines Helmes, eines Autositzes und diverser Kinderzimmermöbel stehen, ist es wieder Zeit über das Geldscheffeln nachzudenken.
Ich evaluierte die Möglichkeiten eines erfolgreichen Vertriebs von würziger Eukalyptusmilch, die wir von Koalaweibchen gewinnen würden. Eukalyptusmozarella, Eukalyptusbutter, Eukalyptusjogurt … ein unendlich vielfältiger Markt – leider war es zu schwer an trächtige Koalaweibchen zu kommen. Von den Melkversuchen gar nicht zu sprechen…
Als ich unserem Kind 1.0 beim Abendbrot vom Fleckenmusang berichtete, die Kaffeebohnen isst und sie dann fermentiert ausscheidet und dass diese für 1.200 Euro das Kilo verkauft würden, bekam es Eurozeichen in den Augen.
„Ist Dir schon mal aufgefallen, dass unser Baby manchmal unverdautes Gemüse in der Windel hat? Nein? Ist aber so, ich habs genau gesehen. Sollen wir das auch verkaufen? Bei Ebay vielleicht?“
Wir haben es versucht. Vermutlich war die Produktbeschreibung nicht ansprechend genug.

Meine Liebe ist wie eine Giraffe

Eltern sorgen sich ständig um ihren Nachwuchs. Ob der Nachwuchs zwei oder fünfzig Jahre alt ist, spielt dabei keine Rolle. Diese Fürsorge treibt manchmal die seltsamsten Blüten. Man hört von Dreißigjährigen, die ihre Schmutzwäsche zur Mutter schicken und sie sauber und gebügelt zurückgesendet bekommen.
Persönlich habe ich eine Freundin, die arbeitet als Senior Consultant in einer namenhaften Unternehmensberatung und empfängt regelmäßig Pakete mit Grundnahrungsmitteln. Sie kann ihrer Mutter einfach nicht abgewöhnen Zucker, Mehl und Kekse zu schicken.
Auch ich bekomme bis zum heutigen Tag selbstgestrickte Socken und warme Unterwäsche zugeschickt.
All das kann durch kein Bitten und Flehen abgewendet werden. Wenn Mütter sich etwas in den Kopf gesetzt haben, gibt es kein Einhalt.
Stoppen lässt sich dieser Umsorgetrieb nicht – bestenfalls umleiten und zwar durch das in die Weltsetzen von Enkeln. Denn dann sind es die Enkel die Zielscheibe all jener Bemühungen werden. Freilich bleibt man trotzdem nicht völlig unberührt.
So erhielt unser jüngstes Kind kürzlich eine überdimensionierte rosa farbene, sehr fluffige Plüschgiraffe. Genauer gesagt war das Kuscheltier deutlich größer als das Kind. Hätten wir nicht schon mehrere riesenhafte Stofftiere und wäre ich nicht ohnehin schon völlig überladen mit dem Zug unterwegs gewesen, ich hätte mich vielleicht stellvertretend für den Säugling gefreut.
So hatte ich nur eines im Sinn: wie werde ich das Plüschungetüm los?
Am Bahnhof hatte ich die zündende Idee: ich würde sie einfach vergessen. Gedacht getan. Als der Zug einfuhr lies ich die Giraffe neben mit stehen und eilte zum Gleis. Als ich einsteigen wollte, kam mir schwer atmend ein freundlicher Mann hinterher und steckte die Giraffe durch die ICE-Tür. „Die haben Sie vergessen!“.
Im Zug verstaute ich sie gewissenhaft im Gepäckfach, packte möglichst viel Fremdgepäck davor und versuchte sie ebenfalls liegen zu lassen. Sie ahnen, auch von dort wurde sie mir hinterher geschleppt. Zuhause angekommen, suchte ich ihr ein schönes Plätzchen in der S-Bahn. Tatsächlich schloss sich die Tür hintermir ohne dass das Geschöpf mir nachgetragen wurde. Allerdings entdeckte mich ein jugendlicher Gentleman als ich parallel zur S-Bahn nach Hause lief und drückte mir stolz das rosa Vieh in die Hand.
Was ich auch tat, die Giraffe wurde mir zurück gebracht. Und daraus lernt man nur eines:
Manchmal ist elterliche Fürsorge ein pastellfarbiges Schnuffeltier – doch aufhalten lässt sie sich nicht.