Organic Suff

In unserem Viertel hängen Aufkleber mit seltsamen Botschaften. Weil sie niemand verstand, wurde nochmal nachgeklebt. „Latte Macchiato 4 Euro, Bier 4 Euro, Kreuzberg 2010“, das verstehe ich im Gegensatz zu „Spree ohne Ufer“ sehr gut.

Ich bin auch ganz niedergeschlagen ob des Verfalls unserer Gesellschaft. Als ich gestern im 27. Biomarkt unseres Kiezes einkaufen ging, begegnete mir doch tatsächlich eine Horde Punks, die ihr Bier dort kauften und sich dann grölend und stinkend in den Eingangsbereich setzten, um es dort zu trinken.

Furchtbar sowas!

Begegnungen der 27. Art

Falls es demnächst keine neuen Einträge mehr gibt, hier die Erklärung.
Nuf steht nichtsahnend auf der Straße. Ein ca. vierjähriges Kind reißt sich von der Hand des Vaters los und läuft zu Nuf.
– Hallo, sagt es.
– Hallo, sagt Nuf.
– Du musst bald sterben.
Kind lächelt und geht wieder zum Papa.
Stellen Sie sich vor, wie man sich fühlen würde, wäre man abergläubisch.
Bin ich aber gar nicht. Sicherheitshalber habe ich die Zunge im Mund verdreht, den Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger gesteckt und ein Paar Gläser zerworfen.

Väter in Not

Nicht nur die Sorgen sondern auch die Ausgaben werden mit dem Heranwachsen der Kinder größer. Wenn das 30jährige Kind, meist ganzkörpertätowiert und wie eine glitzernde Offenbarung mit Piercings geschmückt, das 7. Studium abbricht, wird man noch die Tage loben, an denen Blähungen ein ernsthaftes Problem darstellten.
Einen ersten Vorgeschmack auf die bevorstehenden Investitionen bekommt man beim Kauf der ersten Schuhe.
Kostspielige Hausschuhe kann man glücklicherweise vermeiden indem man das Barfußlaufen von Anfang an fördert.
Sobald das Kind jedoch außerhalb des Eigenheims lauffähig ist, kommt man an Straßenschuhen leider nicht vorbei. Alte Autoreifen aufschneiden und um die Füße binden, so sagt der Kinderarzt, sind keine Alternative.
Umso besser versteht man die Nöte eines Vaters, den ich gestern am Spielplatz beobachtete.
„Lutz, sag mir jetzt SOFORT, wo Du Deinen Schuh vergraben hast!“
Lutz lacht
„Lutz, das ist nicht lustig, sag mir, wo der Schuh ist!“
Während der Vater den Sohn mit verzweifeltem Gesichtsausdruck über den Platz zerrt, folgen ihm mitfühlende Blicke.
Keiner der Erwachsenen sieht amüsiert aus. Ich nutze die emotionale Verbundenheit und gehe mit dem Sonnenhut meines Kindes Spenden einsammeln.
Lutz dreht sich währenddessen unnachgiebig auf dem Stehkreisel. Sein Rumpelstilzchenlachen wabert in Wellen an meine Ohren. So ein böses Kind!

Projizierfläche

Das Zusammenleben mit einem Partner hat vielerlei Vorteile.
Zum Beispiel gibt es so immer jemanden, den man aller möglichen Dinge verdächtigen kann. Gestern war da noch eine Tafel Schokolade im Kühlschrank. Man selbst, streng auf seine Linie achtend und allerhöchstens mal eine kleine Kante naschend, kann nämlich unter gar keinen Umständen derjenige sein, der schon wieder alles aufgefressen hat.
Besser noch man sucht eine sehr wichtige Unterlage für das Finanzamt. Sieben Mal hat man bereits die komplette Wohnung auf den Kopf gestellt – dennoch will sie sich nicht einfinden.
Es wäre nun mentalhygienisch äußerst ungesund davon auszugehen, dass man selbst im Trance versehentlich genau dieses wahnsinnig wichtige und nahezu unverzichtbare Papier weggeworfen hat. Wer war’s also? Natürlich, der Partner, der mit einem Teller und Bett teilt. Dieser Schuft! Rot wird man vor Wut, die Augen kneift man zusammen, Schaum läuft einem aus den Mundwinkeln. So sauer! Man ist so unsäglich sauer! Die Faust geballt, zähneknirschend ruft man ihn an. Ohne große Einleitung schreit man darauf los.
„Wo hast Du Dokument XYZ hingelegt? Wie das weißt Du nicht? Wie, das hast Du noch nie gesehen? Gib’s doch zu! Ja, ja. Du bist schuld, ich hab den Ärger, ich leg’ jetzt auf, so wütend bin ich!“
Die Unterlage taucht auf diese Weise freilich nicht auf, doch das Magengeschwür ist erst mal abgewendet. Wunderbar. Und hat man am Ende noch Glück und der Partner zeigt sich einsichtig, weil er sich eingesteht, dass er, hätte er das Dokument jemals zu Gesicht bekommen, durchaus in der Lage hätte sein können, es zu verbummeln, dann bekommt man am Ende des Tages Blumen als Trost geschenkt und vielleicht auch ein Buch über die korrekte Setzung von Kommata. Man weiß es nie.

Freiwillige gesucht

Als ich gestern den Herren Pjaer und Erasmus von Meppen lauschte, frug ich mich, ob man vielleicht doch mal die Idee der Groschenromanlesung umsetzen sollte.

Im lauschigen Rahmen läsen dann Passionierte aus wunderbaren Romanen mit den Titeln „Der Rosenpavillon am Neckar“ oder „Am Freitag schlug das Schicksal zu“ vor. Gäbe es da Freiwillige?

Nachtrag: Wie wäre es denn, wenn man diese Lesung nachmittags am Wochenende bei Kaffee und Kuchen gemeinsam mit einem Seniorenverein abhält? Dann könnte man gleich Oma, Opa und die Kinder mitbringen?

Besser nicht fragen

Die Wahrheit ist ein oftmals hochgelobtes Gut. Dass es sozial durchaus nicht wünschenswert ist, ständig die Wahrheit zu sagen oder gar zu hören, zeigt Jim Carrey in Der Dummschwätzer recht eindrücklich. Dies wissend, sollte man Kinder nie nach der Meinung fragen.
–    Sag, findest Du mich schöner geschminkt oder ungeschminkt?
–    Ich weiß nicht Mami, das sieht doch eigentlich gleich aus, nur bunter. Das Gesicht ist doch das selbe und an das bin ich schon gewöhnt.