Nestverschönerungen

Hormonell tut sich in der Schwangerschaft so einiges. So habe ich seit Monaten eine ausgeprägte Form von 17Uhrwahnsinn. Das geht so: Ich laufe von der Arbeit nach Hause und egal was passiert oder wem ich begegne, ich finde es toll.
Es stürmt, gefühlte minus zwanzig Grad, Hagelkörner peitschen in mein Gesicht, ich habe meine Jacke vergessen. Meine Gedanken: Hach so ein erfrischender Herbststurm. Wie der Straßendreck so durch die Luft wirbelt. Mir direkt ins Gesicht. Das macht ja nichts, das kann ich ja abduschen und die Straßen, die sind dann schön sauber.
Hm, diese Ohrenschmerzen … hach schön, dass man mal die Ohren überhaupt am Körper bemerkt. Das ist ja selten. Hallo ihr kleinen Ohren. Ha, ha.
Ein Punker rotzt vor mir auf die Straße. Der Wind treibt seinen Schleimstreifen auf meinen Schuh. Sein Körpergeruch mischt sich mit hundert Jahre abgestandenen Rauch und weht mir in die Nase. Meine Gedanken: Hach, jetzt habe ich endlich mal einen Anlass die Schuhe ordentlich zu putzen. Macht man ja sonst nie. Und Punker? Schön dass es die in Berlin gibt. In Bamberg gabs ja gar keine richtigen. Also jedenfalls nicht so welche, die auf der Straße leben und richtig stinken – nur so ne Persil-Punker. Das ist ja nichts. Die in Berlin, die sind wenigstens authentisch. Schön!
In einer tiefen Ebene meines Bewusstseins ist mir dabei natürlich klar, dass ich das nicht wirklich denke! Aber ich fühle es. Ich will den Wind umarmen, den Punker und seine Kumpels samt Hunderudel nach Hause auf mein heiliges Sofa einladen, mit ein Paar Jugendlichen kichernd um die Wette rülpsen.
Neben diesen Stimmungshochs habe ich auch furchtbare Attacken von Sorge. Zum Beispiel wenn ich andere Mütter sehe, wie sie ihr hässliches, glotzäugiges Kind liebkosen, es der Freundin vor die Nase halten, die sich angewidert wegdreht und dabei allen ernstes davon ausgehen, sie hätten ein total süßes Baby.
Was wenn das bei mir auch so ist? Schlimmer noch: was wenn das bei mir NICHT so ist und ich erkenne, dass das kleine dauernd Rotzfahne tragende Ding total grässlich ist?
Doch dann warte ich wieder auf 17 Uhr und schon finde ich den Gestank von Fleischbreikacke wieder niedlich und schlage entzückt die Hände zusammen, wenn ich beobachte, wie sich ein Kleinkind das halbe Gehirn aus der Nase zieht und genüsslich verspeist.
Nach dem 17Uhrwahnsinn kam dann eine Phase erschreckender Klarheit. So bereitete mir der Anblick von Kinderkleidung der Größe 54 und diese winzigen Erstlingssocken regelmäßig Panikanfälle. Sie machten mir klar: In nur n-Monaten wirst Du Deinen geliebten Job aufgeben und Dich nur noch mit Koliken, Kacka und Brustdrüsenentzündung beschäftigen. Du wirst verblöden, während Dein Mann weiter Karriere macht. Wenn Du Glück hast, passiert am Tag mal was ungewöhnliches, z.B. pinkelt Dich Dein Kind an und Du kannst es lachend Deinen Freundinnen erzählen, die Dich komischerweise immer seltener anrufen.
Das Kind wird Dich regieren und durchschlafen wird heißen, dass man vier Stunden am Stück geschlafen hat. Du wirst Dich immer um dieses kleine zerbrechliche Etwas sorgen, auch noch in 25 Jahren, wenn Gerd, Dein 100 Kilo schwerer Zögling nicht mehr essen will, was Du ihm kochst oder nicht zufrieden ist, wie Du ihm die Wäsche bügelst.
Die letzten Monate vor der Geburt steigt dann wieder die Hormonkonzentration und eingehüllt in die endokrinologische Wolke durchlebt man wie jeder eierlegende Vogel im Frühling etwas das sich Nesttrieb nennt.
Das ist glücklicherweise auch die Phase in der man Anschaffungen für mehrere Tausend Euro auf sich nehmen muss, um dem freudig erwarteten Nachwuchs ein lauschiges Zuhause zu schaffen.
Hat man erst mal das nötigste (Wickelkommode, Kinderwagen, Tragevorrichtung, Stubenwagen, Klamotten in drei verschiedenen Einstiegsgrößen, Babybadewanne, Spieluhrsortiment, etc.) besorgt, so will man die Wohnung generell ein bisschen freundlicher gestalten. Da wo man früher auf spartanische Einrichtung schwor, kauft man mannshohe Regale dazu und stellt jeden freien Millimeter zu. Ist das erst mal erledigt, geht es ans Verschönern. Der Baumarkt wirkt durch die Einrichtungsshows im Fernsehen inspirierend und im Mutterschutz das zweite Zuhause.
Wenn der Mann abends nach Hause kommt und es wagt sich nicht über die dilettantischen Blümchenmuster auf den ehemals mühevoll ausgesuchten Designermöbeln zu freuen, rennt man ins Schlafzimmer und wälzt sich Rotz und Wasser weinend in die gerade selbst genähten Kissenüberzüge im Landhausstil, die man früher als Grundlage für ein schönes Osterfeuer benutzt hätte.
[Mal abgesehen davon, möchte ich erwähnen, dass es mein Freund mit mir noch ganz gut hat. Seine letzte schwangere Freundin verlangte von ihm ein Degu-Pärchen, mit den Worten, die seien doch so süß und passen so gut ins neue Leben. Das balzbereite Nagerpaar vermehrte sich innerhalb weniger Balzperioden exponential und musste letztendlich an einen Schlangenverkäufer weitergegeben werden.]

Stapelweise Holz vor der Hütte

Ich weiß nicht wie es ist kleine Brüste zu haben. Ich habs mir immer toll vorgestellt, kann man doch auf BHs und anderen nutzlosen Tand verzichten.
Aus Erfahrung kann ich nur berichten, dass die meisten Frauen, die kleine Brüste haben, sich oft darüber beklagen. Dieses Klagen sollte in einer Schwangerschaft ein Ende haben. Denn da schwellen diese sekundären Geschlechtsmerkmale um ein vielfaches an. Schon ganz zu Beginn.
In der Mitte der Gravidität wird ein enges Umarmen des Partners schon fast unmöglich und wenn man sich dann gegen Ende der 40 Wochen größere Büstenhalter zugelegt hat, so wird man erkennen, dass mit der Geburt des Kindes eine weitere, ganz erstaunliche Vergrößerung möglich ist.
Wenn man also erst mal ein Paar Monate diese aufgeblähten Ballons vor sich her getragen hat, ist es kein Wunder, dass die meisten Frauen glauben, dass die Brüste mit dem Abstillen kleiner würden als vorher.
Tatsächlich ist das eine Fehlerinnerung.
Überholt eines Tages der Bauch den Busen, verspürt man das erste Mal so etwas wie angst. Diese Angst legt sich aber relativ schnell wieder, denn je umfangreicher der Bauch, je höher die Gebärmutter wandert, desto näher kommt einem der Busen und es dauert nicht mehr lang, da offenbart einem der Blick nach unten eigentlich nichts mehr außer den freundlichen Brüsten und vielleicht ein bisschen Bauch. Der Körper weiter unten wird ein fremdes und unbekanntes Areal und man ist nur noch auf Du und Du mit dem gigantischen Vorbau.
Ein evolutionstechnisch seltsames Phänomen. Während man nämlich für die Fremdmannheit unsichtbar wird, bekommt der sich deformierende Körper für den eigenen Mann eine gewisse exotische Attraktivität.
Alles wird größer und es gibt viel, viel mehr und selbst wenn das Männchen vorher auf die Dürrheit des Weibchens fixiert war, so wird er hormonell umprogrammiert und in ihm steigt das Verlangen das quasi durch ihn verursachte Anschwellen des Weibchens mit Streicheleinheiten und Liebkosungen zu ertasten.
Doch HALT lieber Mann. Wenn man prall wie eine fertig gekochte Weißwurst ist, jede Bewegung schmerzt, dann will man nicht angefasst werden.
Was man sich wünscht sind Massagen der wasseraufgedunsenen Beine, Herzungen der schwielengeplagten Füße und vielleicht eine kleine, vorbeugende Dammmassage.
Macht evolutionstechnisch bezogen auf die Partnerschaft also keinen Sinn, ist aber so.

Offizielle Aufforderung

Der BLOGine-Award im Klöppelnetzwerk Bondea war unglaublich spannend. Rücktritt um Rücktritt rutschte ich in der Rangliste nach vorne. Doch was passierte dann?

Die Gewinnerin (die im übrigen auch ohne Rücktritte seit Anfang in der Top 5 positioniert war) ist nicht zurückgetreten und verwährte mir somit den Gewinn.

Irgendwie fühlt sich das an, als hätte ich mich durch die ganze Firma geschlafen und wäre nun am Vorstandsvorsitzenden gescheitert. Deswegen wollte ich höflich anfragen, ob die charmante Gewinnerin Bettina von Pappalatur nicht evtl. in Erwägung ziehen würde ebenfalls zurückzutreten?

Information overflow

Newsletter sind an und für sich ja was schönes. So ergreift man in der Schwangerschaft zu Beginn zu jeder sich bietenden Möglichkeit einen zu abonnieren – möchte man doch möglichst alles über diese wundersame Zeit wissen.
Spätestens im 7. Monat gehen einen die Tipps und Tricks mächtig auf den Zeiger. Irgendwie hat man ja schon selbst gemerkt, dass Schlafen ob der Gebärmuttergröße und des Gewichts des Kindes am Besten im Stehen geht, wäre Stehen eben nur nicht so anstrengend.
Da liest man also mit blutunterlaufenen Augen um 5.10 Uhr im Newsletter: Vielleicht haben sie es schon gemerkt, aber das Schlafen geht jetzt immer schlechter. Unsere Tipps: Keine koffeinhaltigen Getränke vor dem Einschlafen * Versuchen Sie es doch mal mit einer Position in der Sie möglichst aufrecht sitzen * Schlafen Sie tagsüber so wenig wie möglich, dann sind Sie abends müder.
Aha. Was da noch an Weisheiten fehlt, möchte ich kurz ergänzen: Machen Sie das Licht aus * Lassen Sie Ihre sieben vorangegangen Kinder lieber im eigenen Bett schlafen * Legen Sie sich keine Küchengroßgeräte auf den Bauch * Lesen Sie keine Einschlafliteratur zum Thema Damm- und Scheidenriss.

Attraktivitätlevel NULL

Ich weiß nicht, ob Männer das auch können, aber als Frau kann man sich leicht unsichtbar machen. Auch etappenweise. Am Besten ist man zu sehen, wenn man offene Haare trägt, ein bisschen Dekolletee präsentiert und vielleicht etwas Bein im überkniekurzen Rock zum Besten gibt.
Mithilfe verschiedener Tricks kann man sich dann der sichtbaren Welt entziehen. Man trägt Zopf, greift zur Hose und wenn man wirklich ganz verschwinden will, getraut man sich eine Brille zu tragen. Zack – ist man quasi unsichtbar. Nur die ganz schrägen Typen nehmen einen dann noch wahr – glauben die ja noch an so was wie Interessantheit des Charakters oder gemeinsame Interessen als Paarungsgrundlage. (Wobei es natürlich auch sein könnte, dass mehrere Jahre Verzicht auf Geschlechtsverkehr wenig wählerisch machen.)
Haben einen die eben beschriebenen Accessoires noch unsichtbar wie Wasserdampf werden lassen, dann gibt es noch eine deutliche Steigerung: Schwanger sein. Schwanger sein führt zur selektiven Erblindung beim Gegenüber. Mit Babykugel kann man sich vier Zentimeter vor das Gesicht eines Mannes stellen und ihm Grimassen schneiden ohne wahrgenommen zu werden.
Ich vermute, das Ganze funktioniert hormonell. Hat das Wahrnehmen von gegengeschlechtlichen Menschen im Grunde nur die Mehrung der eigenen Gene zum Ziel so signalisiert eine schwangere Frau: ätsch, da war jemand schneller.
Demzufolge kann man Erfahrungen sammeln, wie es ist, mit Tarnmäntelchen durch die Gegend zu laufen. Endlich kann man Dinge tun, von denen man vorher nur geträumt hat.
Dabei fühlt man leise ein Gefühl in sich aufsteigen, das wohl Jean-Baptiste Grenouille ob seiner Eigengeruchslosigkeit verspürt haben muss.
Man kann ekelhaften Diskussionen über den Cellulitepo der Banknachbarin lauschen, bekommt verdrängenswerte Details des medizinischen Lebenslaufes mit und wird Zuschauer verschiedener – sagen wir – Rituale der Körperpflege.
Wer das erst mal erkannt hat, dem ist es auch egal, dass es keine erschwingliche und attraktive Schwangerschaftsmode gibt. Mann kann somit viel Geld sparen, denn Sandsäcke und andere Verpackungsmaterialien gibt es schon ab einem Kilopreis von fünf Euro.

Hä?

Weiß jemand der verehrten Leser mit Kind, deren es offensichtlich zahlreiche gibt, ob Elterngeld 12 Monate nach Mutterschutz gezahlt wird oder ob die 8 Wochen Mutterschutz angerechnet werden und man damit ’nur‘ 10 Monate Elterngeld bekommt?

Diese Mutterschutz-, Kindergeld-, Elterngeld-, Rentenversicherungs-, Krankenversicherungs, Kitaplatzbeantragungsformulare und Gesetzestexte machen mich noch ganz verrückt!

Gute Vorsätze

Gute Vorsätze hat jeder, der Elter wird. Leider sind diese so nachhaltig wie Silvestervorsätze. Zwar wollte man, was man im eigenen Elternhaus hörte, niemals nicht sagen – doch ehe man es sich versieht, verlassen den Mund Sätze wie: Ich will jetzt keine Diskussion mehr, Du machst das weil ICH das sage!
Viel schlimmer als diese Killerphrasen, ist das, was man immer und immer und immer und immer wieder sagen muss.
Seit Monaten versuche ich Kind 1.0 klar zu machen, dass das Aussprechen dieser Sätze für Erwachsene ebenso nervtötend ist, wie das Anhören. In der Beliebtheitsskala ganz oben rangieren:

– Du sollst Händewaschen, nicht planschen!
– Nicht mit dem Stuhl wackeln, setz‘ Dich bitte richtig hin.
– Wäre es möglich, erst runter zu schlucken und dann zu sprechen?
– Ich habe gesagt, Du sollst Dich bitte anziehen!
– Kann man die Tür auch leiser zumachen?
– Bitte leiser sprechen, leiser bitte, verdammt noch mal LEISER! ICH BIN NICHT TAUB … ICH VERSTEHE DICH AUCH SO!!!

Wenn Kind 2.0 groß genug ist, um angeschrien zu werden, werde ich zu alt und schwach sein, um diese Sätze weiterhin live zu performen. Ich habe deswegen eine CD aufgenommen. Sie deckt die Sektionen ‚Berufstätig: Kind morgens in die KiTa bringen und trotzdem pünktlich zur Arbeit kommen‘, ‚Zu Tisch: Ohne kippelbedingten Kieferbruch speisen‘, ‚Nachtruhe: Mit geputzten Zähnen schläft es sich besser‘ und ‚Alltag: Auch ohne Süßigkeiten und Zeitschriftengimmicks kann man einkaufen‘.
Die CD gibt es ab März 2008 in jedem gut sortierten Musikfachgeschäft (auch als Hörzedee für Jehörjeschädichte).