Ein paar naive Fragen

Ich erinnere mich gut an den Geschichtsunterricht in der Schule und meine damals kindliche Bedrückung, mein Entsetzen und mein Unverständnis als wir über das 3. Reich sprachen. Wie hat das alles passieren können? Es gab doch einen Anfang? Warum haben nur so wenige etwas getan? Naiv hat sich bei mir eine Art Verteilung der Handelnden ergeben: Eine kleine Gruppe von Menschen, die sich aktiv gegen all die Geschehnisse gewehrt haben, ein breites Mittelfeld schweigender Menschen, die weggeschaut haben und eine vergleichsweise kleine Gruppe Menschen, die Macht hatten und diese Gräueltaten verübt oder veranlasst haben.

„Habt ihr von all dem nichts gewusst? Warum habt ihr nichts getan?“

Ich habe diese Frage nie aktiv jemanden gestellt. Da war sie immer. Ich wollte schließlich begreifen, wie all der Hass, diese völlige Entmenschlichung, diese Abkehr von allem Guten stattfinden konnte.

Im Kopf spule ich 20 Jahre nach vorne. Meine Kinder sind groß. Clausnitz, die Pegida-Demonstrationen, all die Angriffe auf Flüchtlingsheime sind Teil der Geschichte. Ich möchte mir im Detail nicht ausmalen, in welcher Welt wir 2036 leben. Aber ich will eine Antwort haben auf die Frage: „Habt ihr von all dem nichts gewusst? Warum habt ihr nichts getan?“

Denn ich habe es gewusst, ich habe es gesehen. Ich habe mir Videos mit Unbehagen angeschaut und schließlich mit Tränen in den Augen. Ich habe mich geschämt, ich war entsetzt und ich war fassungslos. Ich bin es noch.

In meinen Kopf geht nicht rein, was dort (z.B. in Clausnitz) passiert. Ganz im Detail. Was passiert da?

Ich lese „Mehr als 100 Protestierende stellten sich dem Bus in den Weg„. Ich google den Ort und die Einwohnerzahl. Clausnitz ist ein Ortsteil der Gemeinde Rechenberg-Bienenmühle. Die letzte Angabe der Tabelle: 1990 gab es 1.151 Einwohner. Die Jahre davor schrumpft die Einwohnerzahl. Vielleicht sind es ein paar weniger, vielleicht ein paar mehr. Am Abend des 18. Februars kommt ein Bus mit 30 Asylsuchenden in der Ortschaft an. Irgendwie spricht sich das rum**. Übers Knie gebrochen zieht sich jeder 8. Einwohner des Ortsteils* an (manche nehmen sogar ihre Kinder mit) und versammeln sich am Ankunftsort. Was genau wollen sie? Warum ziehen sie ihre Jacken und Schuhe an dem Abend an?

Der Bus kommt an und die Asylsuchenden sollen in die vorgesehene Unterkunft. Die Protestierenden stellen sich dem Bus entgegen, umzingeln ihn. Wissen sie genau was sie da tun? Haben sie sich vorher schon Sprüche ausgedacht, die sie brüllen können? Einer? Drei? Fünf? Zehn schreien „Wir sind das Volk!“ Duzende stimmen mit ein.

Sie stehen also um diesen Bus herum, brüllen aus vollem Halse und blicken auf einen Bus voll mit verängstigten Menschen. Einige von ihnen fangen an zu weinen. Wenn ich das auf dem Video sehen kann, haben die Menschen die da waren, es erst recht gesehen. Sie schreien weiter. Da steht am Ende also ein hasserfüllt schreiender Vater und brüllt so laut er kann einigen weinenden Flüchtlingskindern, Frauen und Männern entgegen: „Wir sind das Volk“ und „Ausländer raus!“ und andere Ekelhaftigkeiten. Sieht er nicht, dass das Menschen sind? Kinder? Kinder verdammt nochmal. So wie seine?

Was ist da kaputt? Was zur Hölle ist kaputt bei diesen Menschen?

Ich sehe täglich Bilder von Flüchtenden und lese Artikel. Ich sehe Bilder der Städte aus denen sie fliehen, ich sehe Familien mit ihren Kindern, die Tausende von Kilometern zurück legen, die alles zurück lassen, die das eigene Leben und das ihrer Kinder riskieren, um von dort wegzukommen, wo sie aufgewachsen sind, wo sie gearbeitet haben, wo ihre Familie und Freunde gelebt haben. Unvorstellbar schlimm finde ich das. Ich kann mir nicht vorstellen wie schlecht es mir gehen müsste, wie viel Angst ich haben müsste, wie verzweifelt ich sein müsste, um so eine Entscheidung zu treffen.

Und dann sehe ich wieder das Video von Clausnitz an, sehe den wütenden Mob und frage mich: Wie kann das sein? Wie kann es sein, dass sie mehr Angst als Mitgefühl haben?

 

In mir kommt nach der Hilflosigkeit und der Wut über diesen menschenverachtenden, rechten Mob in Clausnitz wirklich sowas wie Hass auf. Warum wird da nichts unternommen? Warum wird da nicht rechtlich gegen vorgegangen? Ich kenne die Rechtslage nicht, aber wird da nicht gegen etwas verstoßen? Kann man sich einfach irgendwohin stellen, Menschen zu Tode verängstigen und menschenverachtende, rechte Parolen rumschreien?

Und wenn ich dann all die Wut, die Hilflosigkeit und das Entsetzen im mir spüre, dann schwant mir: so wird es nicht weitergehen. Hass gegen Hass gegen Hass. Das bringt nichts. Es muss doch andere Wege geben. Aufklärung? Die Menschen in der Region haben offensichtlich Angst. Sie hatten sie vermutlich vorher schon und wurden angeheizt durch das was durch diverse Parteien (wie der AfD) vor Ort weiter angeschürt wird.

Es muss doch Konzepte geben. Kann nicht eine Task-Force Aufklärung gegründet werden, die vor Ort Gemeindemitglieder, Polizei und was weiß ich wen schult? Meine Güte ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht, aber irgendwas muss doch getan werden. Vor Ort und auch anderen Orten.

Und die Medien – die Zeitungen und das Fernsehen und ihre immer währende Hetze. Es ist ekelhaft. Ich habe neulich mal eine Stunde ferngesehen. Es ist unfassbar wie da „berichtet“ wird. Unerträglich. Nach 60 Minuten wusste ich wieder, warum ich keinen Fernseher habe.

 

Und am Ende, hätte ich gerne eine Antwort auf die Frage „Warum habt ihr nichts getan“. Ich weiß gerade nicht, was ich tun kann. Was ich tun muss. Wirklich muss. Ich will diese Entwicklungen nicht mehr dulden. Ich will nicht Teil einer fremdenfeindlichen Kultur sein. Ich will ein Mensch bleiben. Menschlich sein, Mitgefühl haben, Empathie. Ich will nicht zuschauen und alles geschehen lassen.

 


 

*Der Bürgermeister sagt, es habe viele „Demonstrationstouristen“ gegeben.

** Die Ankunft des Busses soll nur wenigen bekannt gewesen sein, einer davon sei der Leiter des Asylheims gewesen sein, der selbst Mitglied der AfD sein soll

Lesungen are coming

Liebe Leserinnen und Leser,
auf mich warten mehrere Lesungstermine in fremden Städten vor womöglich fremden Menschen. Huhuuuu!
Bislang habe ich vor Publikum gelesen, das gefühlt aus ca. 85% BlogleserInnen und FreundInnen bestand. Auch haben die Lesungen bislang nichts gekostet.
Bei den kommenden Lesungen wird das anders sein. Jetzt zerbreche ich mir den Kopf:

  • Muss ich was anders machen?
  • Was sind die Erwartungen, der LesungsbesucherInnen?
  • Habt ihr Tipps?
  • Wenn ihr zu Lesungen gegangen seid, wann hat es euch besonders gut gefallen?
  • Was wollt ihr mehr als Geschichten vorgelesen zu bekommen?

Vielleicht mag mir die oder der ein oder andere Tipps, Ideen und Wünsche auf den Weg geben?

Ich habe nichts gegen Kinder, nur nicht hier II

Hach ja, ich hab Aufregwochen. Bestimmt hormonell oder so und ja, ich sollte gar nicht erst anfangen fremde Replys zu lesen…

Eben begegnete mir folgender Tweet in meiner Timeline:

The Barn Roastery hat also wieder eine neue Einschränkung für Eltern gefunden. 2012 wurden Poller gegen Kinderwagen aufgestellt. Natürlich aus Gründen des Brandschutz. Jetzt die Botschaft: In meinem Laden wird nicht gestillt, weil es sich um ein gehobeneres Etablissement handelt.

In den Replys dann Argumente wie: Na und? Es gibt doch genug andere Läden in der Gegend. Geht man da eben nicht mehr hin, was solls?

Oder: Was ist denn gegen kinderfreie Einrichtungen zu sagen? Warum soll es die nicht geben?

Spontan fällt mir dazu mein Artikel zur Frage nach den Kleinkindabteilen der Deutschen Bahn ein.

Ich finde es einfach diskriminierend mit solchen Maßnahmen und Vorgaben Eltern und Kinder auszuschließen. Wo sind da die Grenzen? Wen darf man wie ausschließen?

Was zur Hölle kann denn daran stören, dass eine Mutter ihr Kind stillt? Wie oft kommt das vor? Wie kann ich mir diese Rösterei vorstellen? Alles voll mit Frauen, die an beiden Brüsten Säuglinge haben? Der Boden voll Muttermilchpfützen?

Ganz bestimmt nicht (nicht mal im Prenzlauer Berg). Um also 2 (?) stillende Mütter pro Woche (? Monat?) aus der Rösterei fernzuhalten ein Verbot aussprechen? Ist das wirklich nötig?

Bescheuert ist das! (So bescheuert im Übrigen, wie einem zahlenden Gast Vorgaben zu machen, wie er seinen Kaffee zu trinken hat, by the way).

Mich nervt diese Kinderfeindlichkeit (grundsätzlich) und ich sehe darin auch eine Entmündigung der Eltern. Was kann denn der wirkliche Grund sein? Kinder, die im Laden rumrennen, die Theke anfassen? Hinter die Theke greifen? Babys, die schreien (vielleicht weil sie hungrig sind, da würde ja helfen… doch ach ne, das ist dann ja verboten…)

Wie im oben, etwas älteren Artikel schon gesagt: Für mich ist das Zauberwort gegenseitige Rücksichtnahme. Wenn der Anblick stillender Mütter im Café den Chef (oder andere Gäste verstört), wieso nicht einen nicht so gut einsehbaren Stillplatz anbieten? Ein schöner großer Ohrensessel? Wenn Kleinkinder, die rumlaufen, stören: Wieso nicht ein paar Stifte und Ausmalbilder bereit legen? Und im Gegenzug davon ausgehen, dass Eltern sehr wohl Rücksicht nehmen können und ihre Kinder bitten, am Platz zu bleiben, nicht alles anzufassen etc.

Ich verstehe es nicht. Macht doch einen Online-Shop, wenn ihr von Menschen genervt seid. Weil Eltern (stillende Mütter inklusive) und Kinder sind Menschen und sie haben ein Recht in jeden x-beliebigen Laden gehen zu können, wie alle anderen auch.

Oder doch mal nen Laden aufmachen, in dem Männer mit Bärten unerwünscht sind?

12von12 im Februar

Heute völlig unspektakulärer 0815 Freitag (und eigentlich ist Freitag fast mein Lieblingswochentag).

Wir laufen in den Kindergarten. Früher sind wir oft faul eine Station Tram gefahren. Jetzt kostet Kind 3.0 – also laufen wir. Ich habe mir fest vorgenommen, sobald es etwas wärmer ist wieder mehr Fahrrad zu fahren. Kind 3.0 soll bis zum Sommer so sicher sein, dass wir kleinere Radtouren machen können. Irgendwie war ich da bislang nicht richtig „hinterher“…

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Am Weg finden wir ein neues Kunstwerk. Ziemlich groß sogar. Ich schätze 80 mal 80 cm? Die Pilze habe ich schon öfter gesehen, allerdings eher klein.

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Das Kind ist abgegeben. Das Abschiedsritual verlangt, dass außen an die Fenster der Kita Auftragsarbeiten erstellt werden. Heute ist Kind 3.0 tolerant drauf und macht keine detailreichen Vorgaben. Wir dürfen Monster ohne weitere Spezifikation malen.

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Weil die Kinder vom Vater abgeholt werden, kann ich freitags lange arbeiten. Das wiederum bedeutet, ich muss nicht früh ins Büro, was seinerseits bedeutet, ich kann bummeln und frühstücken gehen.

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Wenn ich im Büro ankomme, mache ich ziemlich exakt immer dasselbe: Licht an, Fenster auf, Rechner aufklappen. Sonst steht nur ein bisschen Lego am Tisch. Papierordner habe ich keine. Ich habe ein Notizbuch und sonst alles digital. Der Tisch ist immer komplett frei. Ich mag Ordnung :)

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Tatsächlich habe ich heute mal dran gedacht, mir mein Essen von Zuhause mitzunehmen. Oft friere ich Reste ein und freue mich dann über selbstgekochtes Essen. Sieht vielleicht nicht sooo toll aus, schmeckt aber super. Ich mag Kreuzkümmel und Zimt in der Bolognese.

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Als ich das Büro verlasse, ist es bereits dunkel. Ich fühle mich so als wenn es eine gute Idee wäre ohne Umwege ins Bett zu gehen.

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Leider muss ich noch den Wocheneinkauf machen. D.h. ich mache ihn lieber am Abend nach der Arbeit als mir das Wochenende mit den Kindern dadurch zu vermiesen. Es gibt Mairübchen! (Nicht im Bild)

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Das dauerte wieder alles viel länger als gedacht. Ich war insgesamt in drei Geschäften. Jetzt bin ich wirklich, wirklich hungrig. Ich schnippele mir eine Möhre, ein Stückchen Mairübchen, rolle eine Scheibe Schinken und nehme einen Rest Emmentaler. Muss. Essen. Sonst. UUAAARRRR!!!

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Ich habe nicht viele Möglichkeiten joggen zu gehen unter der Woche. Also überwinde ich mich und quetsche mich in die Jogginklamotten. Seit der Herzsache war ich sehr sporadisch laufen. Vielleicht schaffe ich es ja wieder regelmäßiger. Heute jogge ich das 1. Mal mit Brille. Sonst habe ich immer Kontaktlinsen genommen. Es geht erstaunlich gut. Genaugenommen ist es kein Untesrschied zu sonst. Die Strecke ist allerdings nur kurz.

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Ich hole die Kinder beim Vater ab und wir fahren mit der U-Bahn nach Hause.

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Zuhause dann das übliche: Schlafanzug anziehen, Zähne putzen, vorlesen. Die letzten Tage durfte ich immer Lustiges Taschenbuch vorlesen. Das gefällt mir viel besser als Coni oder die andren Dinge, die die Kinder so begeistern…

Im Urlaub ist mir auch schon aufgefallen, dass sich die Kinderinteressen und meine Interessen langsam annähern. Auch Gesellschaftsspiele werden komplexer und machen (mir) mehr Spaß. „Große“ Kinder haben, ist cool.

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Offensive Väter und ihre Vorbildfunktion

Für den Weisheitspodcast haben wir eine Themenliste. Seit Wochen steht darin „Warum soll man Männer nicht loben, wenn sie Windeln wechseln?“

Die Frage ist natürlich zu einfach gestellt. Richtig müsste sie lauten „Warum soll man Väter nicht loben, wenn sie ausnahmsweise mal Windeln bei ihrem eigenen Kind wechseln?“.

Daran musste ich denken, als ich gestern die Schlagzeile „Tochter krank – Vizekanzler nimmt sich frei“ las. Ein berufstätiger Mann nimmt sich frei, um sich um seine Tochter zu kümmern – Schlagzeile!

Im Artikel steht ausserdem das Zitat „Ich bin in den nächsten Tagen häufiger zu Hause, weil meine Frau den Spruch, dass ich immer ganz Wichtiges zu tun hätte, wenn’s zu Hause mal Probleme gibt, nur begrenzt erträgt„.

Er ist also nicht da, weil er sich für das gemeinsame Kind mitverantwortlich fühlt?

Weiter steht im Artikel „Es ist nicht das erste Mal, dass Gabriel offensiv mit seiner Vaterschaft umgeht – was seinem Image zumindest nicht schaden dürfte.“ Denn! Vor zwei Jahren (!) kündigte er an, dass er an einem (!) Nachmittag in der Woche frei nimmt, um seine Tochter vom Kindergarten abzuholen.

Ob jetzt Herr Gabriel selbst seine Leistung als Vater so in der Öffentlichkeit dargestellt haben möchte oder nicht, sei mal dahin gestellt. Interessant ist der Umstand alleine, dass es eine Schlagzeile wert ist, wenn ein Vater (in einer wichtigen beruflichen Position), sich um seine kranke Tochter kümmert.

Ich musste da an den Artikel von Jochen König (u.a. Autor von „Mama, Papa, Kind? Von Singles, Co-Eltern, und anderen Familien„)  zum Thema „Feministische Vaterschaft“ denken. Er schreibt darin zwei für mich sehr wichtige Dinge:

„Während Väter gefeiert werden, wenn sie nur den kleinen Finger rühren, wird von Müttern wie selbstverständlich erwartet, dass sie nach der Geburt eines Kindes ihre persönlichen Bedürfnisse zurückstellen und im Zweifelsfall auch komplett alleine für das Kind sorgen.“

und

„Bei genauerem Hinsehen und Nachfragen wird deutlich, dass die unsichtbaren Arbeiten dennoch fast immer ausschließlich an der Mutter hängen bleiben. In einer Auseinandersetzung um feministische Vaterschaft muss deshalb auch über „unsichtbare Arbeit“ gesprochen werden: Wer bleibt zuhause, wenn das Kind krank ist? Wer wird vom Kindergarten angerufen, wenn es dem Kind nicht gut geht? Wer hat im Blick, wann die nächste Impfung oder Vorsorgeuntersuchung bei der Kinderärztin ansteht und ob sich noch genügend passende Klamotten im Kinderkleiderschrank befinden? Wer geht mit dem Kind neue Schuhe (auch Hausschuhe für die Kita) kaufen? Wer besorgt das Geburtstagsgeschenk für den Kindergeburtstag? Und wer fordert immer wieder Gespräche darüber ein, wie das Ganze aufzuteilen ist?“

In meinem Maternal Gatekeeping Artikel schreibe ich auch über diese Aufgaben und über meine persönliche Erfahrung irgendwann von genau diesen Aufgaben und Verantwortlichkeiten erschlagen worden zu sein.

Um auf die Einstiegsfrage zurück zu kommen: Ich glaube diese Einstellung, dass ein Vater gelobt werden sollte, wenn er sich beteiligt, kommt genau von dieser Geisteshaltung, die mir immer wieder begegnet: Die Frau/Mutter wird in den meisten Fällen nämlich als Hauptverantwortliche in Sachen Elternarbeit gesehen. Gleichberechtigung und/oder Beteiligung bedeutet für viele Männer: die Frau erstellt To Do Listen und delegiert einzelne Aufgaben an den Mann. Der erledigt sie und weil er ja was für die Frau tut, ist ihm zu danken. Der Frau ist nicht zu danken, denn die übernimmt zwar die Verantwortung, die Planung und einen Hauptteil der Aufgaben, aber es ist eben ihre per Geburt zugeteilte Aufgabe Mutter und Familienmanagerin zu sein. Sie leistet ihr Soll.

An anderer Stelle schreibe ich dazu:

„Es gibt tatsächlich einen Unterschied zwischen der Vater- und der Mutterrolle: Der Vater kann entscheiden, ob er sich an der Elternarbeit beteiligen möchte oder nicht. Die Mutter hat diese Option nicht. Eine Mutter, die sich der Elternarbeit verweigert, ist eine Rabenmutter, ein schlechter Mensch. Ein Vater lediglich nicht modern eingestellt, kein „neuer Vater“.

Die Ausgangsbedingungen für die Bewertung ihrer Elternarbeit sind verschieden: Alles, was die Mutter tut, ist selbstverständlich. Sie hat schließlich einen Mutterinstinkt. Man geht davon aus, dass sie alles kann. Es liegt ihr in den Genen. Mutterschaft ist ein ganz natürliches Verhalten. Es wird erwartet. Lob gibt es nicht. Denn selbst wenn die Mutter allen Pflichten nachkommt, erreicht sie nur eines: Sie trifft die Erwartungen.
Beim Vater ist die gesellschaftliche Messlatte in Sachen Elternschaft eine ganz andere: Alles, was er tut, ist „on top“. Er tut es freiwillig. Ihm gilt Dank für seinen Einsatz.“

Ebenfalls passend dazu ein älterer Text von Antje Schrupp:

„Es geht dabei nicht nur um die anfallende Arbeit, sondern auch um die psychische Belastung, die es mit sich bringt, eine so große Verantwortung für die gesamte Existenz eines anderen Menschen zu tragen. Bei der Lektüre von „Fritzi und ich“ ist mir (ich bin ja keine Mutter) sehr klar geworden, dass es ein großer Unterschied ist, ob ich jemand anderen beim Kindererziehen unterstütze, selbst wenn ich das in erheblichem Ausmaß tue, oder ob ich die Person bin, an der letztlich alles hängt.“

Und deswegen bin ich am Ende immer wieder genervt, wenn es eine Schlagzeile wert ist, wenn ein Vater ausnahmsweise mal seine Elternaufgaben ernst nimmt oder wie oben beschrieben mal Windeln wechselt, mal auf den Spielplatz geht, mal sein Kind abholt, mal abends vorliest und denke, dass er dafür kein ausdrückliches Lob verdient.

Ganz anders ist es für mich, wenn man sich die Aufgaben wirklich gleichwertig aufteilt. Wenn man Verantwortung teilt, wenn man miteinander verhandelt was, wann, für wen gut ist. Wenn auch der Vater die „unsichtbaren Aufgaben“ übernimmt. Denn durch das Gleichgewicht entsteht gegenseitige Wertschätzung und Dankbarkeit. Für mich ist das mit dem Lob dann eine ganz andere Sache.

Am Ende halte ich den Vorbild-Effekt, den man unserem Vizekanzler unterstellen könnte auch für zu vernachlässigen und stimme nicht mit der folgenden Haltung überein.

Christine Finke schreibt in ihrem Blog „Mama arbeitet“ weiter:

„Wer will, dass kinderfreundliche und familienfreundliche Politik gemacht wird, muss auch oben ansetzen, bei den Vorbildern. Deswegen gefällt mir auch, wie Manuela Schwesig ihre zweite Elternzeit organisiert hat – nämlich mit ihrem Ehemann, der sich um das Baby kümmern wird. Wir brauchen dringend Vorbilder, Pioniere in der Politik, die solche Themen vorantreiben. Drum habe ich durchaus Respekt für Sigmar Gabriel, der für dieses Zuhausebleiben wahrscheinlich von etlichen Menschen belächelt werden wird oder dem (vielleicht durchaus zu Recht) taktische Motive dafür unterstellt werden. Er hätte ja auch einfach Zuhause bleiben können, ohne das über sein Büro mitteilen zu lassen, vermute ich mal.“

Ich glaube nicht, dass diese Art Berichterstattung in irgendeiner Form dazu beiträgt, dass

a) Väter sich mehr an der Elternarbeit beteiligen („Ahhh, wenn der Herr Gabriel das macht, dann könnte ich ja auch mal?“ Really???) oder

b) dadurch ein Argument bei ihrem Arbeitgeber bekommen, sich mehr an der Elternarbeit beteiligen zu können („Der Herr Gabriel kann sich aber auch frei nehmen!“ „Ah, ok, ja, dann überdenken wir hier im Betrieb nochmal unsere familienfeindliche Einstellung!“).*

Ich glaube nicht, dass das so passiert und diese Art Berichterstattung zeigt mir wie unendlich weit der Weg zur Gleichberechtigung noch ist.

 


 

*Im Übrigen: Es wird ja immer so getan, als wenn Arbeitgeber es ohne weiteres akzeptieren, dass Mütter ihren Elternaufgaben nachkommen, sich um kranke Kinder kümmern, in Elternzeit gehen und früher nach Hause gehen, um auf den Elternabend zu kommen und als ob das bei Vätern dann plötzlich ein ganz anderes Thema sei.

Das ist in meinen Augen auch Unsinn, v.a. dann wenn es um eine ähnliche Position in der Hierarchie geht! Ein Arbeitgeber ist entweder familienfreundlich, dann gestattet er das Müttern wie Vätern und schafft enspechende Strukturen oder aber er ist es nicht, dann gibt es Diskussionen, Hürden, Degradierungen, Mobbing (Aber das Thema wäre wieder ein ganz eigener Blogartikel…)


 

Nachtrag:

Ich mag ja Diskussion und setze mich gerne mit weiteren Aspekten auseinander. Deswegen aus den Kommentaren hochgezogen der Artikel „Lob der Superpapas„:

„Vielleicht sollte man das Ganze überhaupt weniger als Diskurs begreifen, sondern als eine Art Erziehung. Und da würden Mütter ja auch nicht erwarten, dass ihre Kinder von ganz allein und stillschweigend Dinge lernen und sich ändern. Bei Kindern gehen wir selbstverständlich so vor: Wenn das Kind das erste Mal allein den Löffel in den Mund steckt, die Hose anzieht, das Zimmer aufräumt, die Schulmappe packt – jedesmal wird es lauthals gelobt. Niemand sagt: “Ist ja wohl keine große Sache, selber essen, das macht doch jeder!” Oder “Wurde ja wohl mal Zeit, dass du dich selbst anziehst, das ist ja wohl eine Selbstverständlichkeit!”“

Was noch?

Im Blog komme ich ja selten zu irgendwas, was nicht heißt, dass ich gar nichts mache (also außer arbeiten und Serien schauen äh mich um meine Familie kümmern). Deswegen trage ich einfach mal zusammen, was es außerdem noch so gibt von mir:

Geschriebenes

Bei sofatutor habe ich z.B. darüber geschrieben, warum Modern Family die (un)perfekte Familienserie ist.

Gesprochenes

Regelmäßig unregelmäßig podcaste ich mit drei sehr schnuffigen Menschen bei DerWeisheit.de zu weltbewegenden Themen wie Mode, Terror und Sex (ja, meine Güte, man muss ja für Traffic sorgen…).

Einmalig war ich Gast beim Picknick am Wegesrand Podcast mit Gregor Sedlag und Caspar Clemens Mierau und wir haben über Star Wars gesprochen und zwar als Nerd, als Neueingestiegene und als völlig Unbefleckter.

Eigenlob stinkt ja, aber… *hüstel* ich finde den Podcast selbst wirklich sehr hörenswert, weil ich wirklich mal im Thema war und es auch super spannend ist, was Gregor und Caspar aus ihren Perspektiven zu den Star Wars Filmen berichten. Immerhin habe ich jetzt final gelernt, dass Star Wars kein Science-Fiction ist, was vieles von meiner bislang eher nicht vorhandenen Begeisterung erklären kann.

Wenn man Science Fiction mag, sollte man diesen Podcast ohnehin öfter mal hören…

Außerdem gibt es Gelesenes!

Am 20. März in Stuttgart im Merlin um 11.30 Uhr – ihr könnt sogar eure Kinder mitbringen! Ich bereite dazu eine 200 Powerpointfolien umfassende Präsentation vor, die kurz in die Familienverhältnisse einführt, so dass ihr auch gerne Menschen mitbringen könnt, die weder mich noch mein Blog kennen!

Am 19. April in Hannover um 20 Uhr, u.a. mit der großartigen Ninia LaGrande. Ich habe außerdem gehört, es gibt Gesang an diesem Abend.

Und einen Vortrag im Rahmen der denkst Familienbloggerkonferenz am 23. April in Nürnberg werde ich auch halten: Es wird um Privatheit gehen.

Apropos Lesungen: Wenn mir die Anfahrt und ggf. eine Übernachtung erstattet wird, komme ich eigentlich überall hin.

Und was mich besonders freut: Gewonnenes

Nämlich den Goldenen Blogger 2015 für mein Buch „Sehr gerne, Mama, Du Arschbombe“. Das ist für sich alleine genommen schon super toll und ich danke allen, die mich gewählt haben, von Herzen. Ich überlege jetzt allerdings, ob ich mich zur Ruhe setze, da ich letztes Jahr ja schon „Bestes Tagebuch-Blog 2014“ geworden bin oder ob wir es 2016 noch mit unserem Weisheits-Podcast in die Liste der Nominierten schaffen. Man muss ja Ziele im Leben haben, oder?

Blogger des Jahres – es gibt einen neuen Titel zu gewinnen

Liebe Leserinnen und Leser,

bloggeram kommenden Montag, den 25.1.2016 ab 18.30 Uhr könnt ihr mir eine Freude machen. Im Rahmen des „Blogger des Jahres 2015“ wurde nämlich mein Buch in der Kategorie „Beste Büchern von Bloggern“ nominiert (Danke!).

Ich war ja immer sehr unsportlich und habe deswegen keine Pokale in meinem Schrank (nicht mal Sieger-Urkunden…) – das wäre also die Gelegenheit für Ausgleich zu sorgen (und mein Kindheitstrauma zu beseitigen) und zu meinem wunderbaren „Blogger des Jahres 2014“ noch einen Preis dazuzustellen.

Wobei, ich muss gestehen, die Bücher „Auerhaus“, „Willkommen im Meer“ und „Heute koch ich, morgen brat ich“ sind natürlich auch sehr wählenswert… deswegen egal wen ihr am Ende wählt – eure Stimme bereitet bestimmt Freude.

Abgesehen davon gibt es noch viele andere Kategorien und man kann z.B. Maximilian Buddenbohm (Bestes Tagebuch-Blog) oder Jojo Buddenbohm (Bester Newcomer) zu Gewinnern machen!

Wie funktioniert das Ganze?

Folgt Thomas Knüwer auf Twitter. Wenn die entsprechende Kategorie dran ist, wird er einen Link zum Abstimmen twittern. Es geht dann immer alles ganz, ganz schnell. Seid also bereit!

Mehr Details und alle Nominierten sind in Daniel Fienes Blog zu finden.

Wir differenzieren uns zu Tode

Neulich habe ich einen großartigen Text gelesen. Er war voller Wut, voller Energie und gespickt mit Verallgemeinerungen. Der Text hat sich gar keine Mühe gegeben, die andere Seite zu betrachten oder Gegenbeispiele zu finden. Er hat einfach Dampf abgelassen. Die Formulierungen waren rotzig und die Erklärungen einleuchtend einfach, gar monokausal!

Es war eine Wohltat ihn zu lesen. Nein – mehr – es war eine verdammte Wohltat ihn zu lesen.

Ich habe die glattgebügelten, ausgeglichenen und runden Artikel satt. Die ausgewogenen Worte und die dramaturgisch gut inszenierten Spannungsbogen mag ich nicht mehr lesen. In meiner Filterbubble ist alles voll davon und wenn es doch mal eine/r wagt eine klare, unbeschönigte Meinung preis zu geben, so sammeln sich darunter die mahnenden Kommentare: „Das musst du aber differenzieren! Da gibt es aber Ausnahmen! Du hast vergessen zu berücksichtigen dass…“

Und da denke ich mir: gar nichts muss ich! Gar nichts! Und ICH will auch nicht. Das ist nicht mein Job. Ich bin keine – ja ich weiß gar nicht an wen man diesen Anspruch haben soll – WissenschaftlerInnen? JournalistInnen? FernsehmoderatorInnen?

Ich möchte endlich wieder gepflegten Streit! Ich möchte Austausch! Ich möchte Bewegung! Steile Thesen! Wilde Spekulationen!

Dieses „das musst du aber differnziert sehen!!!1!“, das macht doch alle mundtot. Vor lauter Kontext, historischer Herleitungen, Einbettung in soziokulturelle Thesen und Berücksichtigung aller Sichtweisen, geht doch die Kraft verloren. Am Ende kommt doch nur ein unscharfes Wischiwaschi raus, was irgendwie für alle stimmt.

Ich mochte das schon an der Uni nicht. So viele Einzelfälle aufsummieren, bis am Ende irgendwas korreliert. Da geht doch alles verloren. Am Ende sind die Erkenntnisse so gähnend langweilig, dass man sich schulterzuckend umdreht und denkt: Nun, das hätte ich denen auch so sagen können… („Wenn man sich aufregt, steigt der Blutdruck!“)

Es ermüdet mich. Ich will das nicht lesen und nicht sehen. Ich will Provokation, eigene Ideen, ich will Leute, die ihre Meinung kund tun. Am besten drei davon, die unterschiedliche Meinungen haben und sich gegenseitig empört ins Wort fallen. Frauen und Männer, die sich in Diskussionen die (eigenen!) Haare raufen, empört aufspringen, vielleicht sogar ein bisschen zu laut sprechen oder vor Aufregung spucken.

Das wäre schön. Das wäre so schön. Man könnte sich aneinander reiben, neue Energie gewinnen, sogar einander Zuhören und am Ende vielleicht einen Schritt weiter kommen. Einen Schritt auf neues Terrain. Ins Unbekannte, die abgetretenen haben-wir-auch-wirklich-alle-Faktoren-berücksichtigt-Pfade verlassen. Ein wenig Mut haben, weg von den Verallgemeinerungen kommen, hinzu der eigenen Sichtweise, wohlwissend, dass es die allgemein gültigen Wahrheiten gar nicht gibt und uns dann versöhnlich die Hände reichen. Zuhören, empathisch sein und einander die Formfehler verzeihen.

Naja, oder auch mal einen Tisch zerhacken.