Aufmerksamkeitsökonomie und technische Hürden

Superväter bekommen Aufmerksamkeit
Papa hat eine Windel gewechselt und jetzt spricht die ganze Welt darüber?

Heute Morgen habe ich im Halbesachen-Blog einen Artikel gelesen, der sich mit der Frage beschäftigt, ob es so etwas wie eine geschlechtsspezifische Verteilung von Aufmerksamkeit gibt.

Die tldr Zusammenfassung lautet: Ja – und das sogar bei klassischen „Mütterthemen“ wie Erziehung und Familie.

(Was ich mit den Anführungszeichen sagen will: Selbst da, wo v.a. Frauen – rein statistisch ausgezählt – einen Großteil der Arbeit übernehmen und dort auch die entsprechende Erfahrung haben, werden Männer besser gehört.)

Konkret geht es um den Artikel zum Kinderkrankenschein von Papa Pelz im Vergleich zu dem Artikel von Petra, die ebenfalls dazu schreibt und das Ganze aus der Sicht einer Alleinerziehenden beleuchtet.

Aufmerksamkeit kann sichtbar gemacht werden

Auf den Artikel von Petra gibt es derzeit 9 Reaktionen. Auf den von Papa Pelz 414.

Ich schreibe jetzt mal bewusst Reaktionen statt Kommentare auch wenn das im Template dort anders steht. Denn es handelt sich eben nicht um Kommentare sondern um Reaktionen, die meiner Auffassung nach von einem Indieweb-Plugin zusammengetragen werden.

D.h. es werden hier alle Reaktionen referenziert und nicht nur die Kommentare, die jemand im Blog verfasst. In die 414 zählen rein: Twitter Shares, Twitter-Quotes, Retweets, facebook-Shares, facebook-Kommentare und facebook-Likes.

Ich habe dieses Plugin auch, weswegen man unter jedem Artikel in der Regel einige Duzend Reaktionen sieht. Allein meine Reichweite von über 10.000 Followern auf Twitter bewirkt, dass meine Artikel eine gewisse (durchschnittliche) Aufmerksamkeit bekommen.

Zudem, so meine magische Hypothese: Gibt es erstmal sichtbare Reaktionen, so ist es viel wahrscheinlicher, dass andere auch kommentieren. Wenn kein Kommentar zu sehen ist, scheint es sowas wie eine blank page panic zu geben.

Technische Hürden aus dem Weg schaffen

Jedenfalls was ich sagen will: Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass das Sichvernetzen und das Gehörtwerden im Internet auch etwas mit dem Senken technischer Hürden zu tun hat.

Schon 2013 habe ich das Thema mal angerissen: Blogs leben durch männliche Seilschaften.

Woran liegt das?

In weniger als einer Minute fallen mir eine Menge Dinge ein, die sich in meiner Beobachtung in der Filterbubble Elternblogs rein technisch bei Vätern und Müttern unterscheiden:

  • Kommentierbarkeit von Artikeln

Oft muss man sich in irgendeinem System extra anmelden, um zu kommentieren. Man hat bei Mütterblogs oft nicht die Wahl verschiedene Logins oder gar ohne festen Login zu kommentieren.

Persönlich habe ich oft keinen Bock mich anzumelden oder ein Passwort zu suchen (selbst im Schlüsselbund nicht, das sind zwei weitere Klicks).

Effekt: Weniger Kommentare, weniger Interaktion, weniger Wiederkehrer etc.

  • RSS Feeds

Viele Mütterblogs kümmern sich nicht um ihre RSS Feeds. Die sind dann nicht einfach mit einem Klick abonnierbar oder aber gekürzt.

Gekürzte RSS Feeds lesen macht keinen Spaß. Wenn ich mir die Artikel in einen Reader ziehe und z.B. offline lesen möchte – dann bedeutet das: Ich lese nicht, RSS Feed fliegt raus, ich lese das Blog nicht mehr.

(Die Beschreibung wie man das in WordPress ändert und wie man ein volles RSS Feed erzwingen kann, findet sich im oben genannten Artikel)

  • Seitensuche

Wirklich viele Mütterblogs haben keine Seitensuche.

Es passiert mir immer noch, dass ich Dinge lese, toll finde, später verlinken will und dann nicht mehr finde. Auch hier: Faulheit siegt

In Google kann man „site:http://www.blogname.de  suchbegriff“ eingeben, um eine Seitensuche zu „erzeugen“ – aber pfffft.

Bestimmt gibt es noch weitere Hürden – das sind die, die mir seit Jahren begegnen und die mir sofort einfallen.

Per se bedeutet das eine schlechtere Verteilbarkeit und damit eine schlechtere Sichtbarkeit.

(Ich selbst lasse mir auch helfen und kann das alles nicht alleine. Ich glaube, einige andere weiblichen Blogs mit großer Reichweite holen sich auch Hilfe. Es gibt sehr viel, das man zusätzlich tun kann, um besser gehört zu werden. Zum Beispiel kann man sich überlegen, wo die Menschen sind, die einen hören sollen und dann dort was anbieten. Sei es nun bei WhatsApp oder Snapchat oder facebook etc.

Es ist zB relativ einfach Infos von einer Plattform zur nächsten durchzureichen. Ich schreibe zB auf Twitter und das wird auf facebook durchgereicht… egal. Was man tun kann, um besser gehört zu werden, also rein technisch, das wäre ein eigener Artikel. SEO übrigens gehört im Sinne von Zugänglichkeit auch dazu. Auch eine bestimmte Schreibweise hilft die Leute bei der Stange zu halten [Zusammenfassungen, Zwischenüberschriften, Bulletpoints])

Jedenfalls was ich sagen will: Ich stimme Jette von Halbesachen grundsätzlich zu. Männer (Väter) bekommen mehr Aufmerksamkeit – und wollte nur ergänzen – evtl. hat das neben den gewachsenen gesellschaftlichen Gründen auch rein technische (die dann auch wieder gesellschaftlich gewachsen sind, aber das wird tautologisch). Zumindest im Netz.

(Zwischeneinschub: Ich glaube übrigens, dass ich von Anfang an meiner „Blogkarriere“ mehr Aufmerksamkeit als andere bloggende Mütter hatte, weil dasnuf als männlich wahrgenommen wurde – in den Kommentaren der ersten Blogjahre, werde ich immer wieder als Mann angesprochen.)

Leuchtturm-Väter pushen oder ignorieren?

Ganz abgesehen davon, geht es aber in dem Artikel um Jette um eine zweite Frage, die mich wirklich auch sehr beschäftigt.

Sie nennt das Phänomen „Leuchtturm-Väter“. Gemeint sind die paar Väter, die öffentlich über das Vatersein schreiben oder die etwas selbstverständliches tun und dann in den Himmel gelobt werden (über Superpapa Gabriel habe ich mich schon ausgiebig echauffiert).

Mich frustriert das auch. Ein Politiker (Gabriel) kümmert sich um sein krankes Kind: SUPERPAPA KÜMMERT SICH UM KIND. ER IST UNSER ALLER VORBILD! Eine Politikerin (Schwesig) tut das selbe: FRAU IST ÜBERFORDERT UND KANN NICHT DELEGIEREN. SOLLTE SIE IHR AMT ABGEBEN?

Das findet so nicht nur in den Medien statt, sondern auch im ganz normalen Leben.

Die Helden-Väter eben. Die neuen Väter. Die, die pro Tag eine Windel wechseln und am Wochenende nachmittags ohne Frau (!) auf den Spielplatz gehen.

ABER. War klar, dass ein aber kommt, oder?

Ich sehe auch zunehmend Männer, die ich in ihrem Vatersein ernst nehmen kann, weil sie genau das tun, was Frauen als Mütter auch tun: Sie kümmern sich um kotzende Kinder, sie schneiden Fingernägel, sie gehen zu U-Untersuchen, schauen in den Sack mit den Wechselsachen, kaufen Geschenke für Kindergeburtstage, trösten, lesen vor, gehen auf Elternabende, sie nehmen mehr als zwei Monate Elternzeit und erleben auch den Spagat der Vereinbarkeit…

Das sind meine Verbündeten. Denen möchte ich auch Aufmerksamkeit geben (können). Da möchte ich nicht zögern im Sinne von – hat eine Frau auch schon darüber geschrieben? Muss ich die verlinken? (Wenn ich es ohnehin weiß, mache ich es natürlich)

Kenne Deine Verbündeten

Was ich sagen will: Es wäre falsch, sich nicht mit Menschen, die das selbe Ziel verfolgen wie ich (Gleichberechtigung, Abschaffung systemimmanenter Benachteiligung von Menschen, die Kinder haben etc.) zu verbinden, sie zu verlinken und ihre Texte zu teilen nur weil sie eben Männer sind.

Das geht für mich in die falsche Richtung.

Jette schreibt abschließend:

Ich wünsche mir ein miteinander Einstehen für Themen. Daher werde ich auch zukünftig Artikel männlicher Autoren liken, kommentieren und teilen, wenn ich sie wichtig finde. Für das richtige Thema bin ich gern einer dieser weiten Kreise.

Sollte sich allerdings irgendein Papa öffentlich dafür feiern, dass er das Baby in aller Herrgottsfrühe zwei Stunden durch den Park geschoben hat, damit die Mama noch schlafen kann – dann klicke ich einfach stumm weiter. Und hoffe, dass es immer mehr (Frauen) mir gleich tun.

Also: Differenzierung ist wichtig. Im Zweifelsfall die Welle nutzen, die ein Verbündeter im selben Thema macht und einfach darauf surfen.

 

Lügen

Übrigens eine Lüge ist eine Aussage, von welcher der Sprecher weiß, dass sie unwahr ist. Meistens wird gelogen, um einen Vorteil zu erlangen. Eine Täuschung hingegen kommt ohne Falschaussage aus.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf folgenden Beitrag hinweisen. Eine superlustige Gesprächsrunde. Es lohnt sich die 29 Minuten durchzuhalten. Ab Minute 25 jagt ein Knaller den nächsten. Quasi wie das Feuerwerk bei der Eröffnung des neuen Hauptbahnhofs zu Berlin.

Löschung bei der Kindererziehung, ein Anwendungsfall

Heute erfolgreich bis 8.30 Uhr Tiefschlaf imitiert.

Das Kind, schon ab 6.30 Uhr jammernd vor der Tür, es hätte nun schon drei Mal „Peter“ gehört und wolle jetzt endlich rein kommen. Wir mit blutunterlaufenen Augen auf die Vereinbarung hingewiesen, dass wir erst um Null Acht Drei Null aufstehen.
Kind trampelnd und kreischend im Flur auf und ab gelaufen und dabei seltsame Sätze gerufen wie: „Das ist Kindervernachlässigung!“ oder „Habe ich nicht auch ein Anrecht auf ein kinderfreundliches Wochenende?“
Im Halbschlaf darüber nachgedacht, wo Kind dieses Vokabular her hat und mir mandalaartig vorgesagt, was das Kindererziehungsbuch prophezeit: Der schwierige Vierjährige wird eines Nachts als bezaubernder Fünfjähriger aufwachen. Freund neben dran murmelte vor sich her: „Was auch immer um mich herum ist, in meiner Mitte ist Ruhe.“

Kurz darauf begann Kind an den zahlreichen Schlafzimmertüren Luft mit der Luftpumpe einzuführen und dabei drachengleich zu schnauben. Jede Tür gut halbe Stunde bearbeitet.
Nach der ersten Stunde Phantasien gehabt, wie ich mit Axt rausrenne und wortlos die Luftpumpe zweiteile. Dann auch damit begonnen die Ruhe in meiner Mitte zu beschwören.
Punkt halb neun hat Kind aufgegeben und ist spielen gegangen. Vorsichtshalber weitere fünf Minuten nicht bewegt und dann freudentränig in die Arme des Freundes gewälzt: Denkst Du, für heute haben wir gewonnen?

A, B, C, der FCI Standard Nr. 172 lief in den Schnee …

Kinder versuchen auf zahlreichen Wegen Aufmerksamkeit zu erheischen. Die Erstgeborenen z.B. sind meist die eifrigen, die alles ganz genauso machen, wie die Eltern es wollen. Das werden die Anwälte und Ärzte unserer Welt. Dem entgegen müssen sich die Letztgeborenen eine andere ökologische Nische suchen, in der sie ebenfalls die Liebe und Aufmerksamkeit der Eltern erlangen können. Sie ergreifen deswegen meist das, was man unter kreative und freie Berufe zusammenfasst.
Während in ihrer Jugend ihre Geschwister meist mit Bestnoten und Auszeichnungen auffallen, wählen sie den Kopfdurchdiewandweg.
Sowohl der Charakter der Angepassten als auch jener der Querläufer wird durch das Verhalten der Eltern verstärkt. Psychologen sprechen hier gerne vom Begriff der Verstärkung.
Die zahmen Streberkindchen werden positiv verstärkt.
Die kleinen Querulanten werden für ihr krakeliges Verhalten ebenfalls belohnt, denn je lauter und unverschämter, desto mehr Aufmerksamkeit.
So manifestiert sich der Charakter und die Verhaltensmuster beider Varianten.
Den Eltern ist es deswegen zu empfehlen im Fall des unerwünschten Verhaltens mit Löschung zu reagieren. Auf Geschrei nicht zu reagieren mag bisweilen anstrengend sein, lohnt sich langfristig aber in jedem Fall.
Die Eltern sollten eines im Kopf behalten: Am Ende wollen die Kinderlein nur eines – Liebe.

Und jetzt ein bißchen Werbung.

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