Mother Gatekeeping erzählt euch jetzt mal was

Wenn das Gate so aussieht, einfach mal klopfen.

Hallo, mein Name ist Patricia und ich rege mich gerne im Internet auf. Zum Beispiel über Begriffe. In meiner Timeline wird zur Zeit viel über Mental Load diskutiert. Immer wenn es um Themen geht, die die faire Verteilung von Familienarbeit thematisieren, tun sich Nebenschlachten auf. Da erklären die vollzeitarbeitenden Männer, dass sie schließlich eine 40 bis 50 Stunden-Woche haben und deswegen von allen Hausarbeiten entbunden sind und als nächstes kommt die Welle der Männer, die ja so gerne wollten aber nicht dürfen. Der Fachbegriff dafür ist Maternal Gatekeeping. Frauen würden den Vätern systematisch den Zugang zum Kind verweigern und noch weiter gefasst: Sie würden sich in Sachen Kinder und Haushalt nicht reinreden lassen. Denn oh weh!, die ganzen Mütter sind ja immer so ach! verspannt. Die Väter hingegen, die seien ja immer so easypeasy locker und wenn es nach denen ginge, dann gäbe es den ganzen Stress nicht. Der ist nämlich im wesentlich von den verkniffenen Müttern selbstgemacht.

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Wir verstehen uns ohne Worte

Beziehungsverträge
Beziehungsverträge aushandeln und schriftlich festhalten. Wäre das nicht sehr unromantisch?

Neulich schrieb Sue Reindke in ihrem Newsletter (den ich so sehr liebe, dass ich ihn oft nicht sofort lese, sondern mir aufspare für einen ruhigen Moment, in dem ich ihn langsam und mit Genuss lesen kann) über Beziehungsverträge, die im BDSM-Bereich wohl durchaus üblich sind.

Sie spielt mit dem Gedanken wie es wäre, wenn man einfach den Modus Operandi einer jeden Beziehung gemeinsam aushandeln würde?

Tatsächlich kenne ich kein Paar, das sowas macht.

Warum eigentlich nicht, habe ich mich heute früh beim Spaziergang zum Bäcker gefragt.

Zum einen steht dem natürlich das romantische Ideal der Liebe entgegen. Ganze Armaden von Kalendersprüchen verweigern sich Aushandeln und Liebe in einen Zusammenhang zu bringen.

Wer sich liebt, versteht sich ohne Worte. Man ist sich so nahe, dass der andere stets die Bedürfnisse des Partners kennt und weil man sich schließlich liebt, versucht man alles, um diese zu erfüllen.

Klar.

Funktioniert in Paarbeziehungen hervorragend. So zwei Wochen. Manchmal vielleicht auch einige Monate. Kommt auf die hormonelle Verblendung an. Menschen sind da ja unterschiedlich anfällig.

Hormonell verblendet (oder wie andere sagen: frisch verliebt) ist alles toll. Alles klappt, es ist unkompliziert, man schenkt sich Blumen, bringt dem Partner Kaffee ans Bett und dann naja… kommt der Alltag.

Bei genügsamen Menschen funktioniert es wortlos bestimmt auch noch länger – doch spätestens wenn ein Kind in die Beziehung kommt, sollte man doch zur Verhandlung übergehen.

Und nicht nur das. Man sollte in Verhandlung bleiben. Denn egal wie mühsam man Dinge ausgehandelt hat, das Leben ändert sich, die Rahmenbedingungen ändern sich und – auch das kommt vor – man hat sich (selbst) falsch eingeschätzt und wünscht sich vielleicht doch was anderes als gedacht.

Das Aushandeln ist unendlich anstrengend.

Meine ersten Beziehungen habe ich nicht gehandelt. Da haben wir uns auf Annahmen ausgeruht. Das Resultat war am Ende immer unendlicher Frust und dann irgendwann Trennung.

Beziehungsverträge aushandeln – darauf wäre ich früher nie gekommen.

Auch jetzt habe ich keinen Beziehungsvertrag, aber wir haben eine Wochenbesprechung. Die dient zum einen der konkreten Planung der Woche, aber wir nehmen auch Punkte auf die Agenda, die uns sonst im Beziehung- und Familienleben wichtig erscheinen. Wir nehmen auch immer wieder Entscheidungen der Vergangenheit mit auf unsere Gesprächsliste: „Wir hatten ausgemacht, dass du die kleinen Einkäufe direkt nach der Arbeit erledigst, wie fühlst du dich damit?“

So versuchen wir sicher zu stellen, dass sich bestimmte Vereinbarungen nicht zur Bürde entwickeln, weil man vielleicht im Alltag gar nicht genug Zeit hat zu reflektieren, ob man sich wirklich wohl mit dieser Entscheidung fühlt.

Tatsächlich nutzen wir auch diverse Tools, um uns zu koordinieren und Vereinbarungen und ToDos festzuhalten. Eine Wunderlist z.B. für die täglichen Einkäufe, eine für die Großeinkäufe, eine mit Gerichten, die wir kochen können, eine mit wiederkehrenden ToDos (z.B. Essenplan der Schule ausfüllen) und eine mit unregelmäßig auftretenden ToDos (z.B. Geschenk für Kindergeburstagseinladung besorgen).

Wir benutzen Trello für die konkreten Wochentage (wer übernimmt was, wer arbeitet wann wie lange) und haben einen geteilten Kalender (online) und einen Kalender an der Wand, wo auch die Kinder eintragen, wo sie so sind und wann sie nach Hause kommen.

Das klingt aufwändig – ist es tatsächlich auch, aber es hat wirklich mehrere Vorteile. Viele Aufgaben, die vorher jahrelang unsichtbar waren, sind jetzt sichtbar. Da jede/r Zugang zu den Inhalten hat, kann man sich auch einfach Aufgaben nehmen (Halbe Stunde bis zum nächsten Termin? Dann gehe ich noch schnell den Klebestift besorgen… die Pushnachricht beim Abhaken der Aufgabe benachrichtigt den Partner darüber, dass etwas erledigt wurde) und Aufgaben eintragen, die neu dazu kommen.

Perfekt ist das System dennoch nicht. Es gibt immer wieder Frust und wir vergessen auch Sachen. Es ist ein stetiger Lernprozess.

Und das ist übrigens was für mich Liebe ausmacht. Nicht das wortlose verstehen sondern die Bereitschaft zu teilen und zu kommunizieren.

(Naja und das Interesse am langfristigen Wohlergehen des Partners.)

Das alles fiel mir wieder ein, als letzte Woche mehrere Male der Emma-Comic „You should have asked“ durch meine Timeline ging. Da wird erklärt wie es dazu kommen kann, dass Frauen an ihren alltäglichen Familienaufgaben, die unsichtbar nebenher laufen, kaputt gehen können – obwohl sie doch angeblich so unterstützungsbereite Partner haben, die durchaus mithelfen würden, wenn man sie nur darum bitten würde.

Emma bringt den Begriff „mental load“ auf. Ich kannte den Begriff vorher nicht, aber ich würde sagen, dass mein „mental load“ der Vergangenheit mich kurz vor den Burnout gebracht hat.

Ich war irgendwann so weit, dass ich so erschöpft war, dass ich mit dem Gedanken gespielt habe, mich einfach auf die Straße zu legen und mich dort auf dem Asphalt ein wenig auszuruhen.

Ich war so fertig, dass mein Körper wirklich einfach nur noch liegen wollte. Egal wo. Es war für mich unendlich schwer, dem nicht nachzugehen und stattdessen einfach einen Fuß vor den anderen zu setzen und dann weiter ins Büro zu gehen.

Wenn man das nicht erlebt hat, kann man sich wirklich nur schwer vorstellen, dass es anstrengend sein kann und Kraft kostet, einfach nur zu gehen (von allen anderen Tätigkeiten mal abgesehen).

Zurück zum Comic – die Autorin erklärt dort sehr gut, wie es dazu kommt, dass dieser Typ Mann („Natürlich helfe ich, wenn meine Frau mich darum bittet!“) so verbreitet ist. Sozialisation und tradierte Rollenbildern, die in Werbung und Medien ständig reproduziert werden.

Das Comic bleibt beschreibend und erklärend.

Und vielleicht wurde es deswegen so gerne und zahlreich geteilt.

Ich würde unterstellen, dass viele Männer diese Beschreibung als eine Art Absolution empfinden. In der Art „Schaut her, wir können nichts dafür, wir wurden so erzogen, wir sind herzensgut und gewillt zu unterstützen. An uns liegt es nicht, die Gesellschaft ist schuld. Wir können die unsichtbaren Sachen einfach nicht sehen. So sorry!“

Leider macht mich das wütend.

Schaut euch das Comic nochmal an.

Die Anfangsszene, die beschrieben ist, zeigt für mich v.a. eines: Man(n) muss schon wirklich ignorant sein, um nicht zu sehen, dass Unterstützung notwendig wäre.

(Jetzt schreibe ich „Unterstützung“… was natürlich falsch ist, denn wenn man das Leben teilt, dann ist nicht die Frau die Managerin und der Mann der auf freiwilliger Basis Zuarbeitende!).

Jedenfalls – um es mal als frustrierte Emanze in deutliche Worte zu packen – Mann muss schon ignorant, faul und doof sein, in solchen und ähnlichen Situationen unbeteiligt rumzusitzen und darauf warten, gefragt zu werden, ob man denn bitte mal helfen kann.

Die Sozialisation kann man sich da gerne an den Hut stecken.

Da geht es für mich schlichtweg ums WOLLEN bzw. eben ums Nichtwollen.

Denn natürlich ist Teilen anstrengend. Wenn mein Partner in der Küche hantiert, kocht, Tisch deckt und nebenher aufräumt und ich in einem anderen Zimmer vorm Rechner sitze, dann ist das Gefühl in mir sehr stark sitzen bleiben zu wollen und nicht nach den Schultaschen zu schauen, die Brotdosen auszupacken, die Elternhefte zu kontrollieren oder die Wäsche, die gerade fertig geworden ist, aufzuhängen.

Die Verlockung sich keinen Schritt zu bewegen, ist sehr groß. Ich weiß nämlich, dass mein Partner das auch alles noch machen würde und sich zumindest heute nicht beschweren würde. Vielleicht auch morgen nicht und wie schön wäre es da, wenn ich auf meinem bequemen Schreibtischstuhl sitzen bliebe und ein wenig Twitter läse?

Und dann, wenn er nach einer Woche meines Nichtstun sagen würde: „Patricia, Du könntest vielleicht auch mal was im Haushalt machen?“ zu sagen: „Warum ist denn Dein Ton so gereizt? Du musst mir doch nur sagen was ich tun soll. Warum hast du denn nicht früher gefragt? Du weisst doch, dass ich immer helfe, wenn du mich darum bittest!“

Ich übernehme also nicht eigenaktiv meine Hälfte sondern lasse mich alle drei Tage auffordern. D.h. ich arbeite nur ein Drittel meiner Hälfte ab und muss somit nicht mal 17% aller Aufgaben erledigen.

PLUS: Ich bin noch total nett. Denn immerhin unterstütze ich IMMER wenn mein Partner mich fragt. Ich sage schließlich nie nein.

Also: Was ich sagen will – im Familienalltag all das nicht zu sehen, das ist keine unglückliche Sozialisation sondern Ignoranz. Fertig.

Und: Auf der anderen Seite davon auszugehen, dass sich alles von alleine gerecht aufteilt, ist leider auch sehr naiv.

Beziehungen sind Arbeit und vielleicht wäre es gar nicht so doof wirklich Beziehungsverträge auszuhandeln. Man lernt sich und den Partner dadurch besser kennen. Und wenn man den Beziehungsvertrag regelmäßig neu bespricht, dann bleibt man auch UpToDate was die Lebensumstände, die Tagesform und die aktuelle Belastbarkeit angeht.

Also weg mit den dämlichen Liebesidealen und hin zu einer Kultur des Austauschs – denn natürlich wäre es schön, wenn wir uns ohne Worte verstünden, nur leider sind wir keine Betazoiden.


Auch Melanie von glücklich scheitern hat sich Gedanken zu dem Comic gemacht und sagt auch „Familienmanagement“ ist Teamwork.