#kitavortrag

Unser Kindergarten ist sehr klein und wenn Eltern möchten, können sie sich jederzeit beteiligen. In diesem Rahmen gibt es ein Projekt, das sich mit dem Thema Identität befasst. Da stellen die Kinder ihre Familie vor, es werden die Lieblingsgerichte gekocht und wer möchte, lädt den ganzen Kindergarten zu sich nach Hause ein. Einige der Kinder haben Verwandte in anderen Ländern und das ist ein schöner Anlass den anderen Kindern Einblicke in unbekannte Welten zu verschaffen. In diesem Rahmen habe ich einen italienischen Vormittag gemacht. Auch wenn ich nicht in Italien aufgewachsen bin, ist Italien für mich immer wieder ein Thema. Für die meisten genügt es schon, dass ich einen italienischen Nachnamen trage. Das scheint so eine Art Zugang zur allumfassenden Kenntnis des italienischen Kulturraums zu sein. Nicht selten höre ich: „Du bist doch Italienerin, da weißt Du doch bestimmt wie dieser Schafskäse heißt, der speziell auf Capri von einarmigen Witwen hergestellt wird?“

Tatsächlich weiß ich ziemlich wenig über Italien. Ich hatte deswegen großen Spaß mich ein bisschen in das Thema reinzusteigern.

Die Kunst ist es, am Ende die Inhalte rauszufiltern, von denen man glaubt, dass sie Drei- bis Sechsjährige interessieren könnten und von denen sie vielleicht sogar eine Sache mitnehmen könnten.

Ein super Thema sind tatsächlich Flaggen. Oft kennen Kinder bereits einige Flaggen und Flaggen zeigen meistens etwas, das für das Land steht. Die italienische Trikolore zum Beispiel erinnert an die fruchtbaren (grünen) Ebenen, die weißen Gletscher der Alpen und an das Blut, das während der Unabhängigkeitskriege vergossen wurde.

Die ersten zwanzig Minuten waren dementsprechend schnell gefüllt mit der einfachen Frage „Was denkt ihr, für was die Farben stehen?“. Rot stehe für Rosen, Krebse oder Feuer. Weiß für Papier oder Eis. Bei Grün einigte man sich ziemlich schnell auf Dinosaurier.

Als ich ziemlich leichtfertig bestätigte, dass Eis im Grunde schon die korrekte Antwort Gletscher sei, entbrannte eine empörte Diskussion, dass Eis bestenfalls eine Grundlage für Gletscher sei, dass es sich im Grunde aber um zwei völlig verschiedene Dinge handele, weil die Gletscher sich eher durch ihre Flußhaftigkeit auszeichneten als durch ihre Eishaftigkeit. Gletscher seien eben EisFLÜSSE, die sich stetig und unaufhaltsam bewegten und eine solche Gewalt besäßen, dass sie schließlich sogar Berge wegschleifen könnten.

Wir beendeten die Diskussion und gingen nahtlos zum Thema Vulkane über. Während ich pädagogisch geschickt einleiten wollte und fragte, ob eines der Kinder einen der drei Vulkane kenne, meldete sich eines und sagte „Vesuv, Stromboli und Ätna“. Ich war sehr verwundert und fragte woher es das wisse. Die Antwort lautete: „Das hast Du da geschrieben.“ Das Kind deutete auf die Beamerpräsentation. Wir plauderten ein bisschen über Vulkane. Ein Kind hatte Wissen zum Thema Supervulkan und schilderte Ausbruchszenarien, so dass einige kleinere Kinder schon verängstigt wimmerten. Ein weiteres Kind stellte in der Zwischenzeit die Frage, warum der Stromboli nicht erloschen sei, der stünde schließlich mitten im Wasser. Ich bin immer wieder erschüttert über die Schläue von Kindern. Ich meine mich zu erinnern, dass ich als Kind nie so kluge Gedanken hatte.

Jedenfalls zeigte ich noch einige Bilder vom Lago Bracciano. Das ist ein kreisrunder See in der Nähe von Rom, der entstand weil der Kegel eines erloschenen Vulkans einsank und sich mit Wasser füllte. Wir haben dort mal Urlaub gemacht als ich mit Kind 3.o schwanger war. Es gibt ein besonders schönes Foto mit Kind 2.0 und mir. Wir liegen im Wasser und mein schwangerer Bauch ragt in den Himmel. Ich fragte die Kinder: „Na, wer erkennt was Besonderes auf dem Bild?“ Die Kinder starrten verschämt auf den Boden, einige popelten in der Nase und andere beobachteten angestrengt die Meisen vor dem Fenster. Nach drei Minuten Stille gab ich auf und sagte: „Also seht ihr denn den Bauch nicht? Da ist Kind 3.0 drin.“ Erleichtertes Aufatmen in der Kindergartengruppe. Eines der Kinder sagte: „Weißt Du, ich habe gedacht, dass Du einfach nur sehr dick bist…“

Zur Auflockerung hörten wir uns als nächstes „Se sei felice tu lo sai “ an und verglichen das Lied mit der deutschen „Wenn du glücklich bist“ Version und stellten dabei Unterschiede fest. An der Stelle an der die Deutschen zum Beispiel seufzen, schließen die Italiener die Augen. Eine wunderbare Metapher für die beiden Kulturen.

Nachdem wir alle ausreichend geklatscht, getrampelt und die Augen geschlossen hatten, verteilte ich italienische Euro. Große Begeisterung: ein  Mann auf einem schwangeren Pferd und der Mann mit sehr vielen Armen und Beinen von Mamas Krankenkassenkarte.

Der vitruvianische Mensch war super um uns ein bißchen zu Vermessen. Tatsächlich ist es ja erstaunlich, dass man von einer Zeigefingerspitze zur anderen genauso breit ist, wie man vom Kopf bis zu den Füßen lang ist oder dass man wirklich so große Füße hat wie die Entfernung vom Handgelenk zur Armbeuge. Man kann sich hervorragend verrenken, wenn man versucht diese Maße zu verifizieren.

Ich habe den Kindern dann erzählt, dass Kinder in Italien (zumindest im Sommer) nie um 20 Uhr ins Bett gehen und dass sie auch ziemlich laut sein dürfen. Kind 1.0 hat das im Urlaub mal entgeistert mit einem „Ja, kümmern sich die Erwachsenen denn hier gar nicht um die Kinder? Warum bringt die niemand ins Bett! Es ist doch schon dunkel!!!“ kommentiert.

Dann haben wir Pizza gebacken und zwar in drei Fassungen. Die erste, historische Variante, die ihre historischen Wurzeln in ägyptischen oder sumerischen Fladenbrot hat und nur mit Olivenöl und Kräutern bestreut wird. Dann die zweite Variante, die an Focaccia erinnert sich erst im späten 18. Jahrhundert verbreitete, weil man erkannte, dass Tomaten nicht giftig sind und dann ein Blech Pizza Margherita, weil die Geschichte dazu so schön ist. So waren wir wieder bei den Farben Grün, Weiß und Rot angelangt.

Wir aßen im Anschluss die Pizzen. Variante eins (Fladenbrot) fand reißenden Absatz. Von Variante zwei wurden die Tomaten entfernt und von der Pizza Margherita popelten die Kinder Tomaten, Käse und natürlich das ekelige „Petersilikum“.

Nach dem Essen las ich Pinocchio vor und alle Kinder malten die mitgebrachten Malvorlagen an. Nur Kind 2.0 malte die Haare der Fee blau. Alle anderen wählten die blonde Disneyvariante. Kind 2.0 kommentierte: „Ich kann diese Abweichung nicht ertragen. Ich richte mich lieber nach dem Roman.“

Zum Abschluss hörten wir „Mi Scappa La Pipi“. Das war für mich als Kind das witzigste Lied, das ich mir vorstellen konnte. Es handelt von einem kleinen Jungen, der immer Pipi muss und den Vater bittet, mit ihm Pipi machen zu gehen. Der Vater ist aus verschiedenen Grunden so eingespannt, dass er auf später verweist. Das Kind pullert nach jedem Refrain einfach irgendwo hin. Unvorstellbare Anarchie in den Augen von Vierjährigen. Außerdem sehr ohrwurmig. Die Kinder wankten beschwingt „Scapelapipipapa“ in den Hof, um den Nachmittag zu begehen.

P’takh wer’s nicht zu schätzen weiß

Der Wolf, das Lamm auf der grünen Wiese
HURZ!
Und das Lamm schrie HURZ!

Der Wolf, das Lamm, ein Lurch lugt hervor

1991 (!) schrieb Hape Kerkeling als Tenor Pjotr Stianek Fernsehgeschichte. Er präsentierte vor interessiertem Publikum sein Musikstück „Hurz!“. Ich fühlte mich gestern als ich der klingonischen Oper u lauschte, auch ein bißchen hurz.

Nichtsdestotrotz kann ich reinen Gewissens sagen, dass u die beste Oper war, die ich in meinem Leben bislang gehört habe (was zu einem nicht unwesentlichen Teil daran liegt, dass u die erste Oper war, die ich in meinem Leben gehört habe).

Inszeniert wurde u vom niederländischen Klingon Terran Research Ensemble.
Beeindruckend waren für mich v.a. die Musiker, die original klingonische Instrumente spielten. Darunter z.B. der Dov’agh (Anne La Berge), die Supghew (James Hewitt) und nicht zu vergessen, die ´In (Juan Martinez), welche mit Hilfe der mupwI’Hom gespielt wurde.

Da ich weiß, dass man die klingonische Seele nur verstehen kann, wenn man auch ihre Lieder und Mythen zu schätzen weiß, war der Opernbesuch für mich ein Muss. Zumal ich so endlich die komplette Geschichte von Kahless kennenlernen konnte und somit auch endlich den Ursprung des Bat’leths kenne.

Bleibenden Eindruck hat Michael Mason, der Master of Scream, bei mir hinterlassen. Sein Klingonisch war wirklich hervorragend und beinahe akzentfrei. Der Master of Scream führte durch die Handlung und wies das Publikum an den entscheidenten Stellen an mitzuschreien. Ein sehr befreiendes und großartiges Erlebnis.


(Das Publikum stimmt ein in Lukanas Schrei)

Am Ende jedenfalls stehende Ovationen und das nicht nur durch die Klingonen im Publikum. Fast wäre ich auch auf die Bühne gesprungen als die Initiatoren des Stücks am Ende immer wieder wohlwollend in meine Richtung deuteten. Glücklicherweise drehte ich mich dann aber doch noch mal um und konnte so feststellen, dass ich genau vor Marc Okrand, dem Erfinder der klingonischen Sprache, saß.


(Marc Okrand und ein Paar Föderationswesen)

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Bechdel Test bestanden?
Leider nein. Was übrigens sehr bedauerlich ist. Denn sonst sind Frauen im Klingonischen Reich vergleichsweise gleichberechtigt.

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Fürs nächste Mal zum Mitsingen:

Qoy qeylIs puqloD [Kroi keylisch puklod]
Qoy puqbe’pu‘ [kroi pukbäpu-hu]
yoHbogh matlhbogh je SuvwI‘ [jochboch matlboch dschä schufwi]
SeymoHchu‘ mayu‘ [scheymochtschu maju]
maSuv manong ‚ej maHoHchu‘ [maschuf manong edsch machochtschu]
nI’be‘ yInmaj ‚ach wovqu‘ [nibä jinmatsch atsch wof-ku]
batlh maHeghbej ‚ej yo‘ qIjDaq [batl machechbedsch ädsch jo kidschdak]
vavpu’ma‘ DImuvpa‘ reH maSuvtaH [wafpuma dimuvpa rech maschuftach]
Qu‘ mamevQo‘ maSuvtaH ma’ov [kru mamefkro maschuftach maow]

Quelle: Internet

Berlin, Hejo!

Die Berliner machen einiges anders als die anderen. Zum Beispiel feiern sie bereits eine Woche vor Restdeutschland Karneval. Aus Rücksichtnahme. Denn dann können alle Karnevalsjecken mit den Berlinern gemeinsam feiern und müssen sich nicht entscheiden, ob sie in Köln, Düsseldorf oder Berlin feiern. Dementsprechend gab es auch dieses Jahr 2.456 Karnevalsbegeisterte, die den Karnevalsumzug begleiteten. Rücksicht ist für die Berliner ohnehin das Hauptthema beim Karneval. Der Umwelt zuliebe wird kein Konfetti geworfen, den Vögeln und Anwohnern zuliebe sind Freudesrufe und Musik maximal 75 dB laut und den missmutigen Karnevalshassern zuliebe verzichtet man sogar auf eine Übertragung ins TV.

Weil wir keine Schwaben sondern Hessen und Bayern Rheinländerinnen sind, integrieren wir uns in solche langjährigen Traditionen und rufen gemeinsam „Berlin Hejo!“. Hejo ist übrigens der karnevalistische Gruß in Berlin und setzt sich aus „Heiterkeit“ und „Jokus“ zusammen.

Der Preis für das beste Kostüm ging dieses Jahr an den Bodybuilder, der sich als Hulk verkleidete und wütend auf die vorausfahrenden Polizeiautos sprang und versuchte sie umzuschmeißen. Da ich eine feine Beobachtungsgabe besitze, entging mir nicht, dass andere Familien thematisch einheitlich verkleidet waren. Wir sahen eine Familie Feuerstein, eine Familie Gefangene und Polizisten, eine Familie Glücksbärchi und eine Familie, die als Wald (also Bäume in unterschiedlichen Größen) verkleidet war. Wir gehen nächstes Jahr als Elvis.

Seit 2006 sind wir nun dabei. Mein Mann, der größte Karnevalist in der Familie, ist dabei unübertroffen in seiner Kreativität der Kostümwahl. Auch dieses Jahr verneige ich mich ehrfürchtig:

(Super Bunny Verkleidung)

Kind 1.0 war dieser Aufzug sehr peinlich. Besonders schön war dabei zu beobachten, wie fließend Normalität ist. Wir starteten in Friedrichshain und waren natürlich die einzigen Verkleideten und wurden angestarrt, als seien wir frisch gelandete Aliens. Je näher wir dem Kudamm und damit dem Karnevalsumzug kamen, desto mehr Verkleidete begegneten uns in den öffentlichen Verkehrsmittel. Als wir schließlich in der Uhlandstraße ankamen, waren nur noch wenige Unverkleidete in der U-Bahn. Wir kicherten laut und fotografierten sie heimlich.

Berlin hat mich verdorben

Die Lego-Ausstellung in Hamburg ist für Playmobilfans unbedingt zu empfehlen.

Erwähnde ich an irgendeiner Stelle schon mal, dass ich in Bayern [Aufschrei] in Franken groß geworden bin? Bis 1999 war ich dort und habe mich, so wie es die CSU auch gerne möchte, ordentdich indegrierd. Zum Integrieren gehören einige Verhaltensweisen wie das ewige Siezen. Unsere Nachbarn z.B., neben denen wir ein gutes Jahrzehnt lebten und auch regen Kontakt hatten, die sieze ich bis heute. LehrerInnen natürlich, die Eltern der FreundInnen, VerkäuferInnen. Sogar Gleichalte und schlimmstenfall Jugendliche.

Dann kam ich nach Berlin. Mein damaliger Freund duzte alle. ALLE. Er hat auch mal den Berliner Bürgermeister gesehen und geduzt. Mir war das unglaublich peinlich.

Mehr als 10 Jahre später kann ich bestimmte Menschen nur unter großen Qualen siezen.

In Bayern war es neben dem Siezen sehr wichtig allerlei andere Regeln einzuhalten. Egal wie schwachsinnig die Regel auch sein mag. In Berlin fällt es mir immer schwerer mich an Regeln zu halten, v.a. wenn ich sie unsinnig finde. Glücklicherweise gibt es allgemein weniger Regeln an die man sich halten muss. Sobald ich jedoch Berlin verlasse, sind sie wieder da: die Quatsch-Regeln nach denen ich mich richten soll.

Vor einiger Zeit waren wir beispielsweise im Hamburger Helms Museum in der Lego-Ausstellung „Zeitreise“. Da trug ich einen Rucksack. Kaum hatte ich einen Fuß in die Ausstellung gesetzt, kam eine der Aufseherinnen und wies mich darauf hin, dass Rücksäcke verboten seien. Ich deutete fragend auf die Handtasche einer anderen Besucherin, in der man ohne Probleme ein kleines Pony hätte verstecken können. Mir wurde erläutert Handtaschen seien OK Rücksäcke hingegen nicht. 1995 in Bayern hätte ich meinen Rücksack mit den Taschentüchern, Kinderwechselsachen, Geldbeutel etc. sofort weg gebracht. 14 Jahre Berlin hingegen führten zu einer längeren Diskussion über den Hintergrund des Verbots. Nachdem Argumente wie „man könne etwas einstecken“ oder „Sicherheitsbedenken“ für mich unsinnig erschienen, einigten wir uns darauf, dass ich den Rücksack an einem Gurt unter dem Arm tragen dürfe.

Die Kinder hatten in der Zwischenzeit angefangen sich durch den bespielbaren Legoberg abseits der Ausstellung zu bauen. Ich zückte die Kamera und wollte ein Paar Bilder von den aufgebauten Szenarien machen. Zehn Sekunden später stand eine zweite Aufseherin neben mir und wies mich darauf hin, dass es verboten sei, die Ausstellungsstücke jenseits der Absperrung zu fotografieren. Die Absperrungen waren ca. 40 cm hohe Glaswände, die um die Szenarien gestellt waren. Sie ragten mir ungefähr bis zur Hüfte und ich nahm an, dass sie v.a. Kinder davon abhalten sollten kreativ in die Aufbauten einzugreifen. Ich hatte meinen Arm mit der Kamera in den Luftraum über den Ausstellungsobjekten gehalten… (über nicht dahinter!) um Bilder ohne fingerverschmierte Glasscheiben zu machen. Wir diskutierten eine Zeit lang, aber aus Diskutierunlust gab ich nach und fotografierte brav durch die Scheiben.

Meine Begleiterin, lobpreiste währenddessen die Spielmöglichkeiten für die Kinder und um nicht vollends als ekelige Spaßbremse abgestempelt zu werden, schwieg ich. Die Kinder hatten ja wirklich Spaß beim Bespielen der Duplo- und Legosteine. Ich ertappte mich jedoch bei dem Gedanken, dass in Berlin jedes noch so poplige Eltern-Kind-Café im Vergleich zur Hamburger Ausstellung besser ausgestattet und kinderfreundlicher sei.

Die Ausstellung selbst, fand ich „nett“. Also angelehnt an das Schimpfwort „nett“. Für Erwachsene nett anzusehen. Jedoch habe ich kein Konzept bei der Auswahl der dargestellten Objekte erkannt. Die chinesische Mauer, das Colosseum von Rom, ein Paar Wikinger, hmmm. Die Beschreibungen der Objekte tja für welche Altersgruppe sollten die sein? Ich glaube kaum, dass ein Kind unter 12 auch nur zwei Sätze freiwillig gelesen – geschweige denn verstanden hätte. Für mich war die Ausstellung kein Stück auf Kinder sondern ausschließlich auf deren Eltern ausgerichtet. Meine Kinder sind pflichtbewusst einmal durchgestapft, haben aber rein gar nichts mitgenommen (gedanklich).

Ich bin einfach zu verwöhnt was kindgerechte Ausstellungen angeht. An Konzepte wie ArtPod oder das Kindermuseum im Dresdner Hygienemuseum kann die Hamburger Ausstellung nicht mal im unteren 10% Bereich heranreichen.

Im Gegensatz zu Playmobil liebe ich Lego weil es so offen ist. D.h. wenn erst mal die Aufbauanleitungen verloren gegangen sind, dann lassen sich aus ein Paar Steinen die großartigsten Fantasien nachbauen. Immer und immer wieder anders. Zuhause hängen wir noch ein bißchen auf Duplosteinen. Sehr passend hat Grindcrank Duplo als als hervorragende Möglichekit des Rapid Prototypings bezeichnet. Mit ein Paar Steinen erreicht man schnell ansehliche Ergebnisse und wenn man geduldiger ist, baut man die Modelle in Lego mit vielen weiteren Feinheiten nach.

Playmobil hingegen ist eher ein Inszenierungsspiel. Da gibt es vorgegebene Sets und die werden immer wieder aufgebaut mit wenig Freiraum für Variationen. Man kann mal die Kühe unterschiedlich hinstellen, aber im Grunde gibt das Set vor, was am Ende dort steht. Mit einem Lego City Set, ist man viel flexibler. Da kann aus einer Feuerwehr am Ende trotzdem ein Bauernhof gebaut werden.

Jedenfalls – wer eigentlich ein Playmobil-Herz hat und versehentlich in der Kindheit Lego-sozialisiert wurde, dem sei die Ausstellung empfohlen. Die historischen Szenen sind in der Tat detailreich und liebevoll inszeniert. Mehr aber auch nicht.

ArtPod „Imaginäre Reisen“

ArtPod – zeitgenössische Kunst für Kinder mit der Ausstellung „Imaginäre Reisen“ hat uns schwer begeistert. Bis zum 16.12.2012 kann man sie noch im Amerika Haus bestaunen.

Mindestens einmal in der Woche schreit Kind 2.0 auf dem Weg in die Kita: „Maaamaaaa, schau mal daaaaa KUNST!!!“ Wir begutachten dann das referenzierte Objekt und wägen gemeinsam ab, ob der Wind Müll nur exotisch angeordnet hat oder ob es wirklich einen menschlichen Erschaffer gibt. Eindeutig bestimmen lässt sich das nicht immer.

Auf Kunst im  Lebensraum ist Kind 2.0 durch Werke der Straßenkünstlergruppe bosso fataka aufmerksam geworden. Für sehr kurze Zeit konnten wir z.B. einen Stuhl bewundern, der an einer der Säulen am Frankfurter Tor befestigt war.

Ich habe von kunsttheoretischen Ansätzen keine Ahnung und kann nur schwer erklären, warum mir eine bestimmte Art von Kunst zusagt und v.a. auch warum ich sie für lebensnotwendig halte – aber den meisten Bezug habe ich zur zeitgenössischer Kunst. V.a. dann wenn sie erfahrbar und im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar ist. Zu meinen persönlichen Highlights gehört deswegen das von Hornbach gesponsorte Projekt in einem Haus in der Torstraße 166 und auch viele Ausstellungselemente unterschiedlicher Ausstellungen im Hygienemuseum Dresden (z.B. „Gehirn und Denken“ oder „Glück – Welches Glück„)

In meiner Elternzeit hatte ich jeweils eine Museumsjahreskarte und habe die Kinder schon im Babyalter munter mitgeschleppt. Zu einer meiner schönsten Erinnerungen gehört eine Szene mit meinem damals 4 jährigen Patenkind, mit dem ich eine Ausstellung anschaute. Es fragte mich bei jeder Skulptur und bei jedem Bild: „Wie heißt die Kunst?“ und „Warum hat der/die KünstlerIn das gemacht?“.

Ich weiß, dass v.a. letztere Frage nach der Intention, das typische Was-will-uns-der-Kunstschaffende-sagen, v.a. den Kunstschaffenden selbst auf die Nerven geht. Aber mir gefällt die Frage. Ich weiß es nämlich ebenso wenig wie das Kind, das fragt. Also unterhalten wir uns und stellen Hypothesen auf und ich finde, die kindlichen Ansätze sind völlig gleichberechtigt zu meinen Interpretationen und manchmal lenken sie meine Aufmerksamkeit zu ungesehenen und unbedachten Aspekten.

Wie für mich gemacht ist deswegen die Galerie ArtPod im Amerika Haus, die am 03.11.2012 ihre erste Ausstellung namens „Imaginäre Reisen“ eröffnet hat:

ArtPod stellt in wechselnden Ausstellungen Arbeiten von international agierenden Künstlern aus, die sich auf das Experiment freuen, ihre künstlerische Neugier mit Kindern zu teilen. Die ausgewählten Werke zeichnen sich aus durch ihre Kraft, die Phantasie der Ausstellungsbesucher in Schwingung zu versetzen, Freude und Staunen hervorzurufen.

Die Ausstellung ist unfassbar großartig. Das ganze Konzept ist toll. Am Eingang können die Kinder sich einen Stempel aussuchen. Kinder und Stempel ist schon ein Mysterium für sich. Ich habe gesehen, wie ein ca. 13 jähriger Junge nach uns reinkam und sich richtig freute, dass er einen Eingangsstempel aussuchen durfte. Dann bekommen die Kinder erklärt, dass es Exponate gibt, die man anfassen darf (grüne Hand) und welche, die nur zum Anschauen bestimmt (rote durchgestrichene Hand) sind. Ich würde schätzen, dass das Verhältnis grün zu rot ca. 80 zu 20 ist.

Während der ganzen Ausstellung gibt es außerdem ReisebegleiterInnen. Ich vermute KunststudentInnen – ähnlich wie damals die MOMAnizer. Sie passen auf, dass im Enthusiasmus nicht gleich das ganze Kunstwerk zerlegt wird und ermuntern die Kinder (und Erwachsenen) andererseits die Ausstellungsstücke zu erfahren. Sie stellen Fragen oder lenken die Aufmerksamkeit auf ungesehene Details. Sie schlendern durch die Räume und Gänge und unterhalten sich mit den Kindern. Beispielsweise gibt es ein großes Holzschiff, das man herumschieben kann. Es sieht aus wie aus Papier gefaltet. Kind 2.0 saß darin und ruderte und ruderte. Einer der Ausstellungsbegleiter kam zu ihm und hat gefragt, wohin die Reise ginge. Man tauschte sich kurz aus und eine halbe Stunde später, als Kind 2.0 erneut im Boot saß, hielt man wieder Smaltalk. Wie sei es in Indien gewesen, was hätte Kind 2.0 erlebt – es entstand ein erstaunliches Gespräch.

Kind 3.0 stand im wesentlichen vor Begeisterung kreischend in einem Raum, der komplett zu einer Half-pipe verbaut war. Die Half-pipe war mit Hunderten von Pingpongbällen befüllt und diese wurden durch ein Gebläse im Kreis geschleudert. Die Kinder durften Bälle aus dem Kreislauf entnehmen und an unterschiedlichen Stellen wieder reinwerfen.

Das waren nur zwei von über 20 Objekten (22 Künstler in 12 Räumen). Die Kinder konnten sich frei bewegen und haben sich teilweise sehr lange an einzelnen Ausstellungsstücken erfreut. Als Erwachsene würde ich normalerweise nie 20 Minuten bei einem Objekt verbringen – aber ich fand das wunderbar, denn tatsächlich gibt es selbst an einem schnöden Holzstück viel zu entdecken.

Wir verbrachten gut drei Stunden in der Ausstellung. Ich schätze, ohne die Kinder hätten wir insgesamt zwanzig Minuten gebraucht. Aber genau das finde ich großartig. Ich bin regelrecht beseelt nach Hause gegangen. Ich weiß nach wie vor nicht, was mir so gut daran tut, aber es ist selten, dass ich so zufrieden bin wie am Ende dieses Nachmittags.

Deswegen: Wenn ihr Kinder habt oder mögt (es müssen ja gar nicht die eigenen sein) und wenn ihr Geduld und etwas für Kunst übrig habt, plant die Ausstellung bis zum 16.12.2012 ein.

Amerika Haus am Bahnhof Zoo
Hardenbergstr. 22-24, 10623 Berlin

 

03. November – 16. Dezember 2012
Öffnungszeiten: Mi, Do, Fr 14:00 – 17:00 (vormittags offen für Schulklassen
nach Anmeldung Tel: 0173-6079796 oder info@artpod.org), Sa – So 11:00 – 17:00

KünstlerInnen: Dominik Lejman (PL), Ellen Harvey (UK), Wolfgang Karl May (DE), Max Frey (AT), Egill Saebjornsson (IS), Ethan Hayes-Chute (US), Kirstine Roepstorff (DK), Michael Johansson (SE), Nina Braun (DE), Katharina Lackner (AT), Rebecca Raue (DE), Konrad Mühe (DE), Olafur Eliasson (DK), Stefan Saffer (DE), Andy Graydon (US), Thilo Frank (DE), Sophie Erlund (DK), Franz Hoefner und Harry Sachs (DE), Sebastian Hempel (DE), Hollie Chastain (US), Guy Ben-Ner (IL), Eduardo Basualdo (AR), Gaby Taplick (DE), Dustin Schenk (DE), David Krippendorff (DE)

Vielen Dank an Caroletta von Kinderzimmerkunst, die mich mit Ihrem Artikel zu dieser Ausstellung gebracht hat!

Alles Traditionalisten

Wie der Versuch scheiterte, einmal einen anderen Adventskranz zu nehmen.

Mit Kindern ist es nicht leicht. Die können ganz schlecht von ihren Vorstellungen abweichen. Da macht man EINMAL was anders, schon liegen alle am Boden und weinen. Als ich heute den Kindern den Adventskranz präsentierte, waren sie sprachlos. Sie hielten sich an den Händen und warteten auf das Signal „Das war jetzt ein Witz“.

Als ich vom Zähneputzen zurück kam, war der Kranz ausgetauscht.

Da half auch kein Bitten und Betteln: „Aber im Internet wurde das innerhalb der ersten Stunde mehr als 40 Mal gefavt!!!“ Die Kinder schüttelten stumm ihre Köpfe. (Und die Steine bekomme ich nur wieder, wenn ich aufhöre zu jammern.)

Das Gegenteil von Spitzer ist nicht stumpfer

Ich freue mich, dass es neben dem viel diskutierten, sehr lauten Manfred Spitzer nun zwei sanfte Stimmen gibt, die mit „Netzgemüse“ einen Gegenpol zum Thema Das-Internet-ist-der-Untergang-des-Abendlandes-und-wird-unsere-Kinder-alle-verderben gibt.

„Doch ein Zurück in eine Welt vor dem Internet […] gibt es nicht mehr. Es nützt daher wenig, sich gegen eine Welt mit Internet zu wehren, stattdessen sollten wir uns mit ihr beschäftigen, sie kennen(lernen), sie aktiv zum Besten formen und uns gemeinsam mit unseren Kindern: kümmern.“

Netzgemüse, Seite 145

Damit ist im Grunde eigentlich alles gesagt. Jedenfalls über das Internet und unsere Elternaufgaben.

Ich habe Netzgemüse sehr gerne gelesen. Ein bißchen hatte ich mich als Internetsüchtige Bloggerin und Mutter bereits mit dem Thema auseinander gesetzt und vieles, was beschrieben wird, ist ohnehin nicht neu für mich. Ich kenne und benutze Facebook, Twitter, YouTube und noch einige andere Plattformen seit einigen Jahren – auch erinnere ich mich lebhaft an Lebensphasen, in denen ich eher damit beschäftigt war, bei Monkey Island weiter zu kommen, als meine Französischvokabeln zu lernen. Mir ist auch durchaus der Reiz – das Suchtpotential – bewusst und dennoch habe ich durch das Buch noch einiges gelernt. Ich möchte das Buch aber auch all denjenigen wärmstens empfehlen, die sich im Gegensatz zu mir im Internet nicht zuhause fühlen – ja, die vielleicht sogar eher Berührungsängste mit dem Internet haben.

Für mich persönlich ist das Buch so wunderbar, weil es völlig unaufgeregt berichtet. Es ist hype- und hysteriefrei. Zudem hat es etwas, was ich sehr schätze: Es zeugt von einem durchweg respektvollen Miteinander zwischen Eltern und Kindern. Gut zu sehen an Kapitelüberschriften wie Vertraue deinem Kind so wie dir selbst (S. 247ff) und Tschüss, Kontrolle! Hallo, Gemeinsamkeit! (S. 260ff).

Ich habe z.B. sehr gerne Jesper Juuls Das kompetente Kind und Herbert Renz-Polsters Kinder verstehen gelesen. Beide haben gemeinsam, dass Kinder nicht als Tabula Rasa gesehen werden, die von den ach so erfahrenen und klugen, niemals irrenden Eltern geformt werden müssen. Diese Autoren gehen davon aus, dass Kinder gut und richtig sind und nicht erst zu irgendwas gemacht werden müssen. Die meisten Bücher dieser Art beschäftigen sich aber eher mit Kindern im Alter von 0 – 6. Bücher, die sich mit der Eltern-Kinder-Lebenswelt jenseits des Schuleintritts beschäftigen, sind rar. Das ist ein weiterer Grund warum ich Netzgemüse gerne gelesen habe.

Mir geht wirklich das Herz auf, wenn ich lesen kann, dass es andere Eltern gibt, die ihre Kinder ernst nehmen, die ihnen vertrauen, die sie begleiten und stärken. In vielen Gesprächen mit anderen Eltern bin ich erschüttert, wie wenig Kindern vertraut wird und ich finde es nach wie vor befremdlich, dass die Welt des Internets offenbar als parallel existierend neben der echten Welt gesehen wird. Auch das arbeitet Netzgemüse wunderbar heraus. Warum sollen im Internet andere Regeln gelten? Warum soll man dort anders kommunizieren, vertrauen, misstrauen, hinterfragen etc.

D.h. Netzgemüse bejubelt nicht das Internet sondern es führt LerserInnen zu den verschiedenen Haupthaltestationen des Internets und beleuchtet viele Aspekte – sowohl Chancen als auch Risiken und es gibt Beispiele, wie man mit eben diesen umgehen kann. Völlig undogmatisch.

Ich freue mich, dass es neben dem viel diskutierten, sehr lauten Manfred Spitzer nun zwei sanfte Stimmen gibt, die einen Gegenpol zum Thema Das-Internet-ist-der-Untergang-des-Abendlandes-und-wird-unsere-Kinder-alle-verderben gibt.

Homöopathie, der Teufel – Schulmedizin, der Teufel

Die Schulmedizin ist teilweise genauso doof wie Homöopathie. So!

Gerade ist es wieder schick, sich kritisch über Homöopathie zu äußern. Zum Beispiel „Über die weite Verbreitung von geschütteltem Wasser und von Stärkekugeln“ oder „Die Homöopathie-Lüge: So gefährlich ist die Lehre von den weißen Kügelchen

Und ich muss sagen, ohne die klassische Medizin wäre ich seit 29 Jahren tot. Mit 8 hatte ich einen Blinddarmdurchbruch. Ich bin also alleine deswegen dankbar, dass es die Schulmedizin gibt.

In letzter Zeit habe ich jedoch die Erfahrung gemacht, dass Schulmedizin oder zumindest, die Ärzte, die mir so begegnen mit ihrer klassischen Ausbildung und v.a. mit ihrer Haltung an Grenzen stoßen. Ich vermute, das ist der Grund warum die Homöopathie so boomt. Sie spendet Hoffnung und das ist manchmal, wenn man krank ist, sehr wichtig.

Die Schulmediziner (der Kamm, der Kamm! Ich schere alle über einen Kamm – in den Kommentaren bitte darüber beschweren) haben meist eine Spezialisierung und auf diese Spezialisierung sind sie so fokussiert , dass sie den Blick für das Ganze völlig verlieren.

Einen Vorfall, der dies schön illustriert, schilderte ich bereits 2007:

[…] So entschloss ich mich in der 37. Woche einige Stufen zu übersehen und meinen Fuß wie in einem asiatischen Horrorfilm um 180 Grad zu verdrehen und mir zur Abwechslung mal die chirurgische Abteilung der Notaufnahme anzuschauen.
Dort schilderte ich den Vorfall und man wollte gleich röntgen, was ich mit einer schüchternen Nachfrage, ob man das denn während einer Schwangerschaft so mache, unterbrach. Ach? Schwanger sei ich? Ja, 9. Monat. Große Verwunderung. Ach!
Ja während der letzten Wochen einer Schwangerschaft sei es ganz normal dicke Gelenke und Wasserfüße zu haben. Natürlich schätze ich bei Ärzten einen gewissen Sinn für Normalität jedoch konnte ich es mir nicht verkneifen darauf hinzuweisen, dass das Beschränktsein der Schwellung auf eine Körperseite plus der vorangehende Treppensturz ein gewisser Hinweis auf ein extern verursachte Verletzung sein könnte […].

Zunächst war ich für den Arzt ausschließlich ein Fuß. Fuß kaputt = röntgen. Als er erfahren hat, dass ich schwanger bin, war ich eine Schwangere. Fuß dick = Wasser in den Beinen. Dazwischen gab es nichts.

Eine viel unerfreulichere Erfahrung habe ich neulich gemacht. Da hatte ich nämlich eine rechtsseitige Gesichtslähmung. Sie begann mit Geschmacksstörungen, die ich zunächst gar nicht zuordnen konnte. Dann „schlief“ mir die Unterseite des Gesichts ein und schließlich erreichte die Lähmung mein Auge. Als mir am 3. Tag das Essen aus dem Gesicht fiel, entschied ich mich, die Notaufnahme (es war Wochenende) aufzusuchen. Zum Thema Gesichtslähmung fallen einem leider nur hässliche Dinge wie Schlaganfall oder Gehirnhautentzündung ein.  Der freundliche Neurologe machte seine neurolgische Untersuchung und empfahl eine Lumbalpunktion, um entzündliche Gehirnkrankheiten auszuschließen. Man konnte nichts finden, gab mir Cortison und schickte mich zum Hausarzt.

Der hatte natürlich rein gar keine Ahnung. Wo sowas her kommt, hach das kann viele Gründe haben (zählt ein Paar gräßliche auf) und wie lange das dauert, wer weiß es, wer weiß das schon. Ich hatte natürlich gegoogelt. Von einer Ohrenentzündung vielleicht? Ich hatte zwei Wochen starken Druck auf den Ohren. Ah Ohrenentzündung ja, das könnte es sein. Ich ging zur HNO Ärztin. Der Gehörgang gerötet, jaja, aber sonst, man weiß es nicht, man weiß es nicht. In der Zwischenzeit war mein rechtes Auge, das nicht mehr eigenständig blinzeln konnte, so ausgetrocknet, dass ich 1,5 Stunden beim Augenarzt wartete, um zu erfahren, dass ich Augentropfen nehmen könnte.

Die Ohrenentzündung soll es nicht gewesen sein. Borreliose vielleicht? Ich ging wieder zum Hausarzt. Ah ja, das könnte man mal testen. Borreliose war es auch nicht. Meine chronische Nebenhöhlenentzündung, könnte die was damit zu tun haben? Der HNO Arzt sagt, man weiß es nicht, man weiß es nicht. Theoretisch könnte es sein. Aber unwahrscheinlich.

Ich nehme also zwei Wochen Cortison und irgendwann wird es besser. Zum MRT soll ich gehen, ein Tumor könnte es sein. Nachdem ich acht radiologische Praxen angerufen habe, bekomme ich sechs Wochen später einen Termin. So ein Tumor naja unwahrscheinlich, deswegen eilts ja nicht. Dass einen diese Option etwas beunruhigt – Pech.

Kurze Zeit später steht Kind 3.0 morgens auf – besser gesagt, will aufstehen, kann aber nicht. Den ganzen Tag schafft es keinen einzigen Schritt. Es krabbelt tapfer, doch es hat offensichtlich Schmerzen. Abends gehen wir zum Kinderarzt, der Gelenkschnupfen diagnostiziert. Wir weisen auf eine rote Stelle am Fuß und dass das Kind über Fußschmerzen berichtet, um uns anschließend anzuhören, wenn wir doch alles besser wüßten und unserem Kind das einreden, dann sei das auch kein Wunder, wenn das Kind sowas sagen würde. Zwei Tage später kann das Kind immer noch nicht laufen. Nachts weint es furchtbar und den Fuß hält es seltsam verbogen. Wir gehen in eine chirurgische Praxis. Man stellt eine Entzündung fest. Ein Insektenstich, der sich bakteriell infiziert hat. Wir bekommen ein Mittelchen und einen Verband. Weitere zwei Tage später kann das Kind immer noch nicht laufen, es weint und weint. Wir gehen wieder zum Arzt. Hm ja, gebrochen könnte der Fuß vielleicht sein. DAS SAGEN SIE NACH EINER WOCHE???!!! Man röntgt – doch – genaues weiß man nicht. Ich meine Hallo? Hokuspokus? Wo lebe ich denn? Wieso kann man das nicht sehen? Vorsichtshalber legt man einen Gips an. Das Kind blüht auf und kann zumindest wieder krabbeln. KLONK KONK KLONK. Eine Woche später wird der Gips entfernt und drei Tage später kann das Kind wieder laufen. Was hatte es? Das steht in den Sternen. Die Ärztin sagt: „Seien sie froh, dass es fort ist, hoffen sie, dass es nicht wieder kommt.“

Dafür waren wir bei drei Ärzten. Drei Mal hat meine Krankenkasse Geld überwiesen. Wir haben insgesamt 4,5 Stunden in Wartezimmern gewartet.

Oh Mann, ich verstehe sie, die Leute, die an Homoöpathie glauben. Wenn man sich sogar völlig von der Schulmedizin abwendet. Wenn man zum Heilpraktiker oder zu jemanden geht, der eine TCM Ausbildung hat, wird man wenigstens ernst genommen. Meiner Erfahrung nach wird zugehört. Man ist nicht nur ein Fuß oder eine Gesichtslähmung – man ist ein Mensch in irgendeinem Kontext und das versuchen diese Menschen zu berücksichtigen. Tatsächlich liegt darin vielleicht oft der Schlüssel. Es gibt viel weniger dieses Gefälle „Gott in Weiß“ und „der nichtswissende Patient“.

Ich habe das Gefühl, dass viele Ärzte ihren Beruf nach einigen Jahren gar nicht mehr ernst nehmen. Wahrscheinlich treten pro Fachrichting rund 30 verschiedene Krankheitsbilder zu 80% auf und die restlichen 20%, die haben einfach Pech. Da liest kein Arzt zwischen dem ersten und zweiten Besuch nochmal etwas nach. Bestenfalls machen das die engagierten Neulinge, weil sie noch bescheiden und demütig sind. Wenn man erstmal sein festes Klientel hat und zwanzig Jahre eine Praxis betreibt, kann man gut auf die anstrengenden 20% verzichten. Viele haben offensichtlich auch Probleme ihre Grenzen zu sehen und an weitere fachkundige Menschen zu überweisen (siehe der selbstherrliche Kinderarzt).

Vielleicht ist es an der Zeit die extremen Positionen zu verlassen und einen Mittelweg zu gehen. SO muss es ja auch nicht sein, nech?

Quelle: Kaltmamsell ihre Kommentare

 

Ach und BINGO!