Quelle: eltern.de
Kategorie: Kinder Kinder
Nachwehen der Piratenparty
Das Kind ist jetzt Insektenforscher. Es bekam ein Insektenforschungsset geschenkt, welches nun permanent um den Hals getragen wird. Dabei handelt es sich um eine kleine verschließbare Plastikschale, die mit Luftlöchern und einer Lupe versehen ist. Im Gürtel trägt es die Folter Forschungsinstrumentarien: eine Pinzette, eine Schere und ein Bestimmungbuch.
Am Sonntag werden wir gezwungen, die freie Natur aufzusuchen und dem Kind Forschungsmaterial zu beschaffen. Wir kriechen stundenlang über die Wiese, inspizieren die Unterseiten von Steinen, bohren mit Stöckchen sogar in Hundehaufen. Nichts. Absolut nichts. Berlin ist insektenfrei.
Wir geben auf und zerren das weinende Kind nach Hause. Im Treppenhaus dann die Rettung. Ein einbeiniger Grashüpfer, der gleich in das Beobachtungsschälchen geworfen wird. Das Kind fragt, ob es den Grashüpfer zerschneiden darf. Ich verneine. Der Vater sagt, wenn es der Wissenschaft dient, dann ja. Während wir in eine Ethik- und Moraldiskussion abgleiten, entscheidet sich das Kind für einen Kompromiss. Es scheidet nur ein bisschen was vom Grashüpfer ab. Danach schläft der Grashüpfer tief und fest.
Wenige Minuten später hat der Vater für das Kind, welches wütend die Dose hin und herschüttelt, damit das grüne Ding wieder aufwacht, ein neues Opfer entdeckt. Unsere Küchenkräuter haben Raupen. Dicke grüne mit weißen Bäuchen. Sie haben die ganze Fensterbank vollgekackt.
Mein Freund kennt sich aus mit Raupenkacke. Ich leider nicht. Ich hatte die Kötteln am Morgen entdeckt, verwundert aufgehoben und in den Mund gesteckt, weil ich sie für spontan entstandene Thymiansamen hielt.
Es ist Abendessenszeit, die neuen Gefangenen werden beiseite gelegt. Es gibt Schweinebraten mit Knödeln. Während ich in der Küche mit dem angebrannten Wirsing kämpfe, stopft das Kind im Wohnzimmer einen Kartoffelknödel in das Insektenbeobachtungsschälchen. Die Raupen überleben diese Fürsorge nicht und sterben den Quetschtod unter einem Riesenkloß direkt unter der Lupe.
Tragisch, aber so ist es passiert.
Zusammenfassung der Piratenparty
Minute 10: Erste blutige Nase.
Minute 13: Sechs der acht Kinder weinen, weil sie nichts vom Blutsaft mit Fischaugen trinken wollen.
Minute 23: Es gibt nur noch sieben auffindbare Kinder.
Minute 67: Die Kinder singen Worte, für die sie leider einzeln den Mund mit Seife ausgewischt bekommen müssen.
Minute 98: Das Motto wird in Cowboys und Indianer geändert.
Minute 100: Ich bin froh, dass wir beim Umzug so viel Seil gekauft haben.
Minute 211: Die Kinder müssen wieder los gebunden werden, weil sie Pipi müssen.
Minute 228: Alle Kinder sind im Badezimmer verschwunden. Als ich rein schaue, stehen sie im Kreis um die Toilette. Eines entfernt mit der elektrischen Zahnbürste unabgespülte Fäkalien aus der Schüssel.
Erläuterung zur Funkstille
So manch einer mag sich gefragt haben, was ich die letzten Wochen wichtiges erledigen musste, dass nicht mal Zeit zum Bloggen blieb. Die Antwort lautet: Ich musste mich um einige Details bezüglich einer Geburtstagsfeier kümmern.
Das Kind wurde kürzlich fünf. Zeit für die erste Party. Als moderne Eltern weiß man natürlich dass Mottopartys gerade der letzte Schrei sind. Folglich haben wir uns nach Abwägung verschiedenster Alternativen (Ritter oder Piraten?, Ritter oder Piraten?, Ritter oder Piraten?) für die Piratenparty entschieden.
In Schritt eins haben wir uns bei Deko Behrendt für knappe 1.087 Euro mit den nötigsten Dekomaterialien eingedeckt. Piratenflagge groß, Piratenflagge klein, Piratenluftballons, Piratenhüte, Piratenfernrohre, Sortiment an verschiedensten Meeresfischen im Netz, Papppapppergeien, sieben mittelgroße Palmen, zwei Tonnen echter Meeressand, Teichfolie und fünfhundert Liter Quellwasser, angereichert mit südpazifischem Meeressalz, antike Pistolen, Schießpulver und einem Sparpack Stachelrochen.
In Schritt zwei haben wir uns für einen Caterer entschieden, der mottogerecht kleine Partyhappen für die Kinderparty zur Verfügung stellt. Schildkrötensuppe, Austern, Kornmjölsgröt, Hummergrün und Kobe-Beef-Frikadellen sind dabei unverzichtbar.
Schritt drei beinhaltet die wochenlange Planung des Rahmenentertainments. Das Internet ist dabei sehr hilfreich.
Typische Spiele sind: Piratentaufe, Plankenlaufen und Wetttrinken.
Bei der Piratentaufe beispielsweise, stellt man die Kinder unter prall gefüllte Wasserbomben und gibt ihnen einen angemessenen Piratennamen – Finchen Brezelzopf, Swen Schwarzzahn, Smutje Hefekloss, Peter Säbelrost, Pepe Rumbuddl, Björn Schielauge, Jonathan Rauhbein, Einäugiger Messerjockel, Quallen-Ede. Sobald das 5jährige Kind sich den Namen gemerkt hat (und das klappt meist erst unter Androhung von körperlicher Gewalt), sticht man den Ballon an und gratuliert dem pitschnassen, weinenden Kind.
Beim Plankenlauf verbindet man den Kindern die Augen. Die Erwachsenen stehen mit spitzen oder scharfen Gegenständen rechts und links neben der maximal drei Zentimeter breiten Planke und malträtieren die Kinder auf angemessene Art und Weise, wenn sie aus dem Gleichgewicht geraten. Kinder, die ganz runter fallen, werden umgehend den Haien zum Fraß vorgeworfen.
Die Party schließt, kurz bevor die Eltern ihre Zöglinge abholen mit Wetttrinken. Rum wäre hier typisch. Eine Flasche auf ex trinken bringt Extrapunkte. Jede weitere Flasche einen besonderen Bonus.
Soweit so gut. Sowas hätte natürlich alles in allem lediglich eine Woche gedauert. Schließlich war ich beruflich bereits in vorstandsnahen Bereichen tätig. Da kennt man sich mit organisatorischen Dingen ganz gut aus.
Leider hat das Kind uns vergangene Woche eröffnet, es würde jetzt doch lieber eine Power-Ranger-Party veranstalten. Meinem Freund blieb also nichts anderes übrig als in die USA zu reisen und die richtigen Kostüme zu besorgen. Ich habe ihm eben noch telefonisch eingebläut dass er auch ja die richtigen Kostüme besorgt. Wenn er Power Ranger Ninja Storm mitbringt, weint das Kind wieder.
Ich kann Kinder nicht weinen sehen.
Über die Nebenwirkungen von Eismangel
Der Tag war perfekt geplant, doch leider kam etwas dazwischen, was dem Kind die Laune nachhaltig verdarb. Als Erwachsene ist man sehr bestrebt das Kind dennoch bei Laune zu halten und so versuchten wir es mit dem Ersatzprogramm Schwimmbad.
(Schwimmbad gefällt mir eigentlich ganz gut. Erstens bietet es die in den letzten Wochen selten gewordene Gelegenheit des Nicht-Schwitzens und zweitens kann man das Kind gelegentlich untertauchen und das Ganze nach einem Zufall aussehen lassen.)
Während das Kind nach drei Stunden im eiskalten Becken zähneklappernd mit blauen Lippen beschwört ihm sei kein Stück kalt, keimt im Erwachsenen das Bedürfnis sich auf den Nachhauseweg machen. Just in diesem Moment wird das Kind bedauerlicherweise von schweren Bauchschmerzen heimgesucht. Folglich lässt es die Schultern nach vorne hängen, verzieht leidvoll das Gesicht und wandelt zehn Meter hinter den Erwachsenen als sei es direkt aus Night of the Living Dead entsprungen. Dabei jolt es: „Ihr gemeinen Erwachsenen, ich habe so schreckliche Bauchschmerzen, bringt mich zu dem Arzt meines Vertrauens!“
Der Vater hatte natürlich Zweifel, ob das Kind, das auch schon als Zweijähriger regelmäßig von sog. Bauchschmerzen geplagt war, wenn es zu faul zum Laufen war, nicht doch ausnahmsweise echte Bauchschmerzen hätte. Ich sage zum Kind: „Wenn du so schlimme Bauchschmerzen hast, dann müssen wir ins Krankenhaus, dein Kinderarzt hat frei am Wochenende, im Krankenhaus hats nur den Dr. Grobian, der kann dir aber helfen.“
Das ginge natürlich nicht, es lasse sich nur vom bekannten Hausarzt untersuchen! Dann wieder auf den Boden fallen lassen, einige Meter robben, eine Hand in die Luft strecken, um Erbarmen flehen. Man könne es doch nicht hier liegen lassen, es versterbe!
Die Bauchschmerzen machten sich beim Liegen bemerkbar, ja sogar beim Einatmen!
Während der Vater auf Blinddarmdurchbruch untersucht, frage ich beiläufig, was den Schmerzen wohl Abhilfe verschaffen würde?
Erdbeereis wahrscheinlich, eine doppelte Portion Schokoladeneis mit Sahne, das würde WIRKLICH helfen, so viel sei sicher!
Aha. Eismangelbauchschmerzen.
Die Sorge um das vorzeitige Dahinscheiden des Kindes verpufft und nun geht es nur noch darum die Mitfahrer in der U-Bahn davon abzuhalten den Sozialdienst zu alarmieren.
Man räuspert sich also und sagt liebevoll zum sich am Boden vor Schmerzen krümmenden Kind an jeder der zwanzig Stationen auf dem Weg nach Hause: „Ohoooo! Du denkst nur Sahneeis kann dir bei deinen Bauchschmerzen helfen? OhooooOOOhh!“ und macht beim Aussprechen des Wortes Bauchschmerzen Anführungszeichen in die Luft und ärgert sich innerlich schwarz, dass man nun das für den Nachhauseweg ohnehin geplante Eis natürlich auf gar keinen Fall essen kann.
Der Schweinsteiger stammt von den Ferengi ab
Der Schweinsteiger wohnt jetzt bei uns. Nur die nächsten vier Jahre. Bis zur nächsten WM eben. Ich hab ihn gestern vom Kindergarten abgeholt. Das Kind sei weg, der Papa solle nicht weinen, der Schweini käme jetzt mit, der sei auch ganz nett, so teilte man mir mit.
Am Anfang hab ich mich ein bisschen schwer getan. Hab das Kind irgendwie auch lieb gewonnen. Nach dem ersten Tag muss ich aber sagen, der Schweinsteiger ist eigentlich fast so wie das Kind, außer dass er mir immer von den WM-Spielen erzählt. Als er zum Beispiel den Portugiesen soundsoviel Tore reingeballert hat. Das nervt auf Dauer ein bisschen. Der Poldi sei auch schwer in Ordnung und der Kita-Kumpel vom Schweini. Zusammen passen sie auf die Kleineren auf.
Ich wollte die Gelegenheit dann beim Schopfe packen und bat, weil einer meiner Kollegen so großer Fußballfan ist, um ein Autogramm. Was denn ein Autogramm überhaupt sei, wollte der Schweinsteiger wissen. Ja da schreibt man so den Namen irgendwo hin, mit nem Gruß vielleicht.
Schweinsteiger schaut mich fragend an, was er denn auf das Auto-Gramm schreiben solle?
Ja hm so Viele Grüße an Klaus, Dein Schweini.
Da war der Schweinssteiger echt entsetzt und verdreht entnervt die Augen. Schweini würde er nicht schreiben. Schweinsteiger hieße er und nichts anderes komme auf den Zettel.
Jedenfalls heute hab ich den Schweini wieder abgeholt und bei REAL wollte er unbedingt ein Panini-Fußballalbum. Ein Euro kostet das. Ich wies ihn darauf hin, dass das aber leer sei. Egal, er wolle es unbedingt haben, un-behe-dingt! Na gut, sage ich, wenn du das Geld von der Zahnfee nimmst, dann kannst du dir den Quatsch kaufen. UHUNBEDINGT!
Als wir zuhause waren und ich das Geld eintreiben wollte, sagt Schweini, ja sorry, das Geld habe er schon lange ausgegeben. Da war ich sauer. Da wedelt der Schweini vorwurfsvoll mit den Armen. Ich hätte ihm schließlich nur einen Euro zum Bezahlen gegeben! Ich sei doch selbst schuld. Hätte ich ihm zwei gegeben, wäre das gar kein Problem und er hätte mir den Euro vom Wechselgeld wieder geben können!
Der arme Junge!
Sacht man das so? Sie wurde von einem Jungen entbunden?
Aus der SZ vom 11. Juli 2006
Maispürree als letzte Eskalationsstufe
Normal sind wir, wenn andere Menschen das tun, was wir tun. Z.B. nervige Kinder ablecken. Wenn ich mich recht entsinne, hat mein Vater etwas ähnliches mit uns gemacht. Im Winter sogar mit Eiszapfen im Vollbart. Die einzige Abwandlung der neuen Generation ist: Wir drohen zusätzlich mit Maispürree mit Muscheln (Allerdings droht mir das Kind dann, es gäbe bald Erdbeeren, brrrr!) und wenn es hart auf hart kommt, sagt das Kind im Eifer des Gefechts: „Wenn ihr jetzt nicht sofort macht, was ich sage, dann spiele ich nie wieder mit Euch! Nie wieder!“