Zukunftsängste

Mitglieder der Generation Ü30 wissen, dass es staatliche Rente nicht mehr geben wird. Deswegen vermehrt man sich. So ist es folglich nicht verwunderlich, dass man kurz nachdem das Kind den ersten Laut von sich gibt, Hypothesen darüber aufstellt, welchen beruflichen Werdegang es einschlagen wird.
Bei unserem Windelpupser mache ich mir jetzt schon Sorgen. Eine kriminelle Karriere scheint unausweichlich, denn bislang ließen sich nur drei berufsrelevanten Aktivitäten beobachten.
Das Baby schaut sich gern die Waschmaschine an. Doch interessiert es sich mitnichten für die wirbelnden Farben in der sich drehenden Trommel. Seine Aufmerksam richtet sich einzig und allein auf den Drehknopf zur Auswahl der Waschprogramme.
Der gibt beim Winden leise, klickende Geräusche von sich – ganz so wie ein Safeverschluss.
Dahin robbt das Baby, zieht sich hoch und hält das Schnabeltässchen an die Stelle kurz unter dem Drehschalter. Es faltet die Hände, lässt kurz die Finger knacken, legt das Ohr auf die Tasse und beginnt dann mit der Zunge zwischen den Lippen gepresst, das Rädchen zu drehen.
Es kräuselt die Stirn und wenn ich z.B. die Haare föhne oder mich anderweitig unangemessen laut verhalte, wirft es mir böse Blicke zu. Kaum stelle ich meine Aktivitäten ein, wendet es sich wieder dem Rad zu.
Erst nach Stunden gibt es auf und tritt dann wütend gegen die Trommel, die sich wieder einmal nicht geöffnet hat.
Das ist was es macht, wenn wir in den eigenen vier Wänden sind. Sind wir hingegen unterwegs, lächelt es alten Damen zu und mustert, sobald diese arglos winken, deren Hände.
Befinden sich daran Ringe, juchzt und gurrt es, bis die Omas es streicheln. Ich kann meist nicht verhindern, dass es die Finger der Fremden ablutscht und dann an deren Goldschmuck zieht und saugt.
Die leichtgläubigen alten Frauen bleiben ringlos zurück und ich wundere mich am nächsten Tag über Windelgold.
Auch die Herren werden von meinem Baby nicht verschont. Denen macht es schöne Augen und deutet das Babyzeichen ‚Telefon’, was zugegebenermaßen wirklich niedlich aussieht.
Wenn das Herz der Mutter aufgeht, bleibt selbst der härteste Macho nicht unberührt und zückt freudestrahlend das Handy – das – so können Sie sich es denken – ebenfalls nicht lange in seinem Besitz bleibt.
Jetzt können Sie vielleicht verstehen, warum ich mich so grämen muss.

Regelknöpfe

Langweile, ein ausgelebter Traum

Ich erinnere mich, dass ich mich vor Vollendung meines 28. Lebensjahres des öfteren gelangweilt habe. Das fällt mir vor allem ein, wenn unser Kind 1.0 sich aus den Spielzeugbergen gräbt und ein langes, leidendes Gesicht macht und seine Lippen lautlos das Wort LANGEWEILE! formen.
Seit wir Kinder haben, habe ich mich nicht mehr gelangweilt. Hätte ich gewusst, wie sehr ich es vermissen werde, dann hätte ich mich bei meinem letzten Mal nicht einfach achtlos gelangweilt. Nein, ich hätte es ausgekostet. Ich hätte mich auf dem Boden hin und her gewälzt, wäre vielleicht bäuchlings auf die Straße gerobbt und hätte Passanten wie ein Verdurstender in der Wüste den Arm entgegen gestreckt und dabei: Langweilig, langweiiiiiliiiig! gekrächzt.
Jetzt, wenn ich zum Beispiel das Baby auf dem Rücken trage, mit der einen Hand staubsauge, mit der anderen Hand Babynahrung dünste und pürriere, während ich mit den Füßen Wollsöckchen stricke und dabei telefoniere, denke ich oft noch an diese schönen Zeiten.
Es wäre so schön: einmal alleine langweilen.
Wenn ich dann das Baby versuche in den Laufstall zu stellen, weil ich zum Beispiel eine giftige Pflanze umtopfe und es schreit und weint, als hätte ich es an einer Autobahnraststelle ausgesetzt, dann wünschte ich, wir könnten Plätze tauschen.
Ich hebe es dann raus, setze mich in den Laufstall, lege mich auf den Rücken, die Beine lasse ich rausbaumeln und starre an die Decke. Vielleicht lege ich mir auch ein Schnüffeltuch auf die Augen und dann schlummere ich langsam ein und träume, ich sei ein Kind mit vielen, vielen, vielen Spielsachen und ginge meinen beschäftigten Eltern auf die Nerven.

Schlaflos forever

Man kennt das. Kaum ist ein neuer Artikel erworben und man hat ihn nach Hause geschleppt, schon verspürt man den Handlungsdruck das besagte Ding auszuprobieren.
Max Goldt hat das sehr anschaulich nach dem Erwerb eines Superklebers beschrieben. Der Kopf sagt nein, doch es dauert nicht lange und schon hat man die Kühlschrankdichtung zugeklebt.
Ich bin auch nur ein Mensch, mir geht’s nicht anders. Allerdings habe ich keinen Klebstoff sondern einen Kaffeevollautomaten erworben. Gesundheitlich nicht weniger bedenklich.
Hatte ich es in der Schwangerschaft noch geschafft völlig auf Kaffee zu verzichten, bin ich jetzt bei 27 Tassen Latte Macchiato am Tag.
Das Baby schläft brav durch, doch ich bin immer noch schlaflos.
Da liege ich mit pochendem Herzen und schweißigen Fingern und denke nur an das eine: Der Vollautomat, köstliche Crema auf dem Espresso und fluffig zart geschäumte Milch.
Ich stehe auf und tue es erneut.
So verbringe ich die Nacht mit weit aufgerissenen Augen, betrachte die Schattenspiele an der Decke und höre dem Rest der Familie beim Schlafen zu.
Wenn sie um 6.30 Uhr aufwachen, ist alles erledigt. Das Kind 1.0 hat frische Schulbrote (LINK), das Baby das Morgenfläschchen und der Mann muss einen zehnfachen Espresso trinken.
Es ist so wunderbar einen Vollautomaten sein eigen zu nennen.

Mamasicherung

Unser Baby hat 432 Strampler. Es sind sehr schöne Strampler – außergewöhnlich schöne Strampler. Ich habe sie alle bei e*b*a*y ersteigert und weil sie so hübsch sind, kann ich sie leider nicht wieder verkaufen. Ich muss sie aufheben. Für unsere anderen sieben Kinder und natürlich für deren Kinder.
Es waren alles Schnäppchen. Kaum einer hat mehr als zwei Euro gekostet. Trotzdem macht mein Freund ein langes Gesicht. Er spricht von „Steigersucht“.
Das ist totaler Blödsinn! Sie waren doch alle so günstig! Günstiger bekommt man sie nirgendwo. Außerdem sind sie alle neu, noch nie getragen, Geschenke und ehe der ursprüngliche Besitzer sich versieht, ist dessen Baby rausgewachsen. Also alles Neuware! Steht jedenfalls in den Artikelbezeichnungen.
Außerdem fördert e*b*a*y die sozialen Kontakte. Das darf man auch nicht übersehen. Z.B. sehe ich den Hermes-Boten täglich rund drei Mal. Ich frage ihn dann wie die Morgenrunde war und ob er mit Mittagessen mag.
Mein Baby macht schon Winke-Winke wenn es Autos mit Hermes-Logo sieht. Außerdem sagt es „MAMA“, wenn es Computer entdeckt.
Ich verstehe nicht, wieso sich mein Freund da so aufregt. Immerhin kann es sprechen.
Er hat doch tatsächlich eines dieser Programme gekauft, das den Zutritt zu bestimmten Internetseiten verweigert. Nicht mal in Word kann ich das Wort e*b*a*y jetzt mehr schreiben!
Ich werde Männer nie verstehen. War doch alles so billig!

Was ein liebes Baby kostet

Nach der Geburt eines Kindes wieder rank und schlank zu sein, ist eine Sache. Eine andere ist es ein pflegeleichtes Kind zu haben. Und das liebe Leserinnen, ist meine Rache an all den bauchlosen Muttis. Ich klinke mich in jedes Babyklagegespräch mit den Worten „Seit mein Kind geboren ist, fühle ich mich als hätte ich Urlaub“ ein.
Hierzu die neiderregenden Fakten in aller Kürze:

  • Mein Kind beschäftigt sich am Tag seit der 4. Lebenswoche ca. 4 Stunden über den Tag verteilt selbst.
  • Es schläft von 9 bis 11 und von 13 bis 16 Uhr. Dazwischen ist es immer gut gelaunt.
  • Mein Kind weint an einem Tag aufsummiert ca. fünf Minuten. Es sei denn, es ist krank, dann weint es zehn Minuten.
  • Ich kann mein Baby tagsüber auf jede Veranstaltung, in jedes Museum und in jedes Café mitnehmen.
  • Es geht abends um 20 Uhr ins Bett und schläft, wenn ich ihm ein schief gesungenes Wiegenlied vorsinge.

Allerdings ist so ein liebes Baby nicht billig. Das Schicksal hat als Ausgleich unsere Waschmaschine, die Spülmaschine, die Hälfte meiner Kopfhaare und meine Lieblingsohrringe einkassiert.

Man solls eben richtig einteilen

Die Hebamme prophezeite, dass man im Schnitt nach der Geburt eine Konfektionsgröße mehr tragen würde. Im Geiste verabschiedete ich mich also von der 34. Und wirklich, am Ende hat sie Recht behalten, mir passt nur noch die 36.
Nun, werte Leserin, haben sie den Hass in sich aufkochen spüren? Ja? Dann wissen Sie, wie ich mich fühle, wenn ich solche postnatalen Gesprächen lauschen muss. Behaupten doch eine nicht unbeachtlich große Menge von Damen, ihnen würden die Kleidungsstücke aus dem kindlosen Leben gleich nach der Geburt wieder passen.
Im Wochenbett dachte ich noch, diese Frauen seien gemeine Lügnerinnen, doch im Rückbildungskurs wurde ich eines besseren belehrt.
Es gibt sie, diese Monster. Sie sind schmal wie grüner Spargel, haben keinen Bauch und selbst kurz nach dem Stillen stehen ihre Apfelbrüstchen keck nach oben.
Mit solchen Frauen einen Raum zu teilen, ist eine wahre Zumutung. Vor allem in so kinderreichen Gegenden wie dem Prenzlauer Berg muss das doch nicht sein. So wie in jedem vernünftigen Englischkurs, wo man die Teilnehmer in Anfänger, Fortgeschrittene und Profis aufteilt, könnte man Rückbildungskurse doch auch in Schwabbel, Ganz-Okene und Topmodels aufteilen.
Dann müsste ich sie nicht sehen, diese figürlichen Bohnenstangen.
Und was ich nicht sehe, gibt es nicht.

Hoffnungsspendender Nachtrag:
Genau 90 Tage nach der Geburt geschah, was ich für völlig unmöglich gehalten hatte. Ich passte trotz meiner enormen Kiste endlich wieder in meine allergrößten Hose. Das gibt überschwänglichen Optimismus für die Zukunft.