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Wer wirklich mal einen Blick in die Grundschulzeugnisse wirft, wird feststellen, dass man in seiner Vorstellung irgendwie die schulische Vergangenheit idealisiert hat.

Wenn elterliche Vorstellungen und kindliche Schulleistungen aufeinander prallen, hilft es meist, die eigenen Zeugnisse hervorzukramen. Über mein Zeugnis der 1. Klasse musste ich heute schmunzeln. Irgendwie erkennt man schon den Hang zum Bloggen.

Wie war das bei Euch so?

Erzähl‘ mir alles

Es ist nicht immer lustig PsychologIn zu sein.

„Mein Freund hat einen Pullover, den finde ich furchtbar. Ich habe es ihm aber nie gesagt.“ oder „Obwohl meine Oma eine sehr liebe Frau ist, habe ich ihr als Kind Geld gestohlen.“ oder „Ich habe eine Affäre mit dem Freund meiner Schwester, das macht mir ein wirklich schlechtes Gewissen!“. Das sind Sätze, die man gar nicht hören möchte. Sie sollten geheim bleiben. Die meisten Menschen haben solche dunklen Geheimnisse. Glücklicherweise sprechen sie nicht darüber. Jedenfalls so lange man nicht den Satz: „Ich studiere Psychologie…“ ausspricht.
Kaum ist dieser Satz verhallt, verwandeln sich Menschen in Abgründe und sie haben nichts dringlicheres zu tun als einem genau jene Geheimnisse zu erzählen. Das ist nicht immer angenehm.
Dieser Effekt hat meine frühe Adoleszenz beinahe versaut. Glücklicherweise bin ich irgendwann darauf gekommen auf Partys auf die Frage: „Was machst Du so?“ mit „Ich bin Fleischereifachverkäuferin“ zu antworten. Zwar machte mich das nicht zum begehrten Gesprächspartner, es sorgte jedoch zumindest dafür, dass die Menschen ihre Geheimnisse freundlicherweise für sich behielten.

Ich muss sagen, die Neigung wildfremden Menschen die intimsten Details seines Lebens zu erzählen, war mir bislang unbegreiflich und fremd.

Jedenfalls war es mir bis vor einigen Wochen ein totales Rätsel, was mit den Menschen passiert, die sonst so viel Energie darauf verwenden nach außen alles perfekt scheinen zu lassen, wenn sie erfahren, dass ich irgendwann mal Psychologie studiert habe und mir unabhängig davon ob sie mich seit Jahren kennen oder vor zehn Sekunden kennen gelernt haben, all ihre schmuddeligen Seelenabgründe offenbaren.

Doch neulich hatten wir Besuch von der Mutter eines Freundes von der ich wußte, dass sie Psychologin ist. Da saß sie nun an unserem Tisch, unterhielt sich mit uns und es war als wirbelte um sie herum eine Erzählmiralles-Aura. Sie saß da, lächelte und tat eigentlich nichts. Doch in mir stieg dieses Gefühl auf, ihr mein ganzes Leben, ja jedes Detail offenbaren zu wollen. Nein, nicht nur leise davon berichten, am liebsten hätte ich mich auf den Boden geschmissen und alles ausgeschrien. All die Gefühle und Gedanken, die man manchmal hat, die man aber nie sagt, weil das sozial nicht erwünscht ist. Am liebsten hätte ich mich an ihren Hals geschmissen und ihr Gesicht zu mir gedreht, um sicherzugehen, dass sie mir zuhört, wenn ich von den letzten 36 Jahren meines Lebens berichte. Sie hatte so eine gütige und verständnisvolle Ausstrahlung, ich hätte mich auch gerne auf ihren Schoß gesetzt und hätte mich umarmen lassen wollen. So wie die Bekloppten in den amerikanischen Filmen, wenn sie auf Psychologen treffen.
Dank meiner übermenschlichen Fähigkeit meine Gefühle robotermäßig im Griff zu haben, kaute ich stattdessen unauffällig meine Kartoffeln weiter und flötete mir innerlich ein Liedchen, UM MICH ENDLICH ZU BE R U H I G EN!

Sie sind unter uns

Trolle gibt es überall. Im Internet sind sie nur lauter.

Bislang bin ich völlig von ihnen verschont worden. Glücklicherweise, denn ich weiß nicht, ob ich mit ihnen umgehen könnte: den Trollen. Sie begegnen mir v.a. in den Kommentarspalten von Zeitungen, dort gehäuft bei den KollumnenschreiberInnen. Sascha Lobo hat auf der re:publica eindrücklich von ihnen berichtet, Harald Martenstein schrieb ebenfalls über sie und heute lese ich in der Twittertimeline diesen Tweet von Antje Schrupp.

https://twitter.com/#!/antjeschrupp/status/151981578845818880

Mir ist bekannt, dass es sie gibt, aber ich bin jedes Mal schockiert wenn ich lese, was sie schreiben.

Generell bin ich nicht so der Fluch- und Beschimpfungstyp. Ich glaube, schlimmer als mit „Arsch“ habe ich noch nie jemanden bezeichnet und das waren dann Autofahrer, die beinahe mich und meine Kinder überfahren haben. Mir das Seelenleben von Trollen vorzustellen, fällt mir unendlich schwer. Was geht in ihnen vor? Warum tun sie das? Warum fühlen sie sich so gereizt, dass sie in dieser unangemessenen Weise reagieren müssen? Ist es der Schutz der Anonymität und selbst wenn, inwiefern bereichert ihr Tun ihr Leben?

Wenn man nach Antworten googelt, so meinen die meisten, es ginge um Provokation. Doch alleine wenn man den Satz im Tweet liest, wo soll da die Provokation sein? Was soll provoziert werden? Ich bin über sowas nur entsetzt. Gelegentlich auch sprachlos wenn man z.B. den Vortrag von Jaclyn Friedman gehört hat und sich die Seite hatr.org anschaut.

Es gibt natürlich deutliche Abstufungen von Trollen. Angefangen beim bloßen Generve bis hin zu den Hasstiraden, die einem wirklich angst machen können. Dementsprechend ist „Ihre Motivation […] vielseitig: Langeweile, die Gier nach Aufmerksamkeit, die Lust am Unruhe stiften oder simple Rache.“

Bei den extremeren Formen spielt sicherlich der Wille Macht und Einfluss auszuüben eine Rolle. Diese Trolle hoffen vielleicht Einfluss auf andere (auch andere Leser) zu nehmen. Gleichgesinnte zu finden. Ihr persönliches Weltbild bestätigt zu bekommen. V.a. dann wenn es sozial nicht akzeptiert ist – nicht salonfähig ist. Vielleicht gibt ihnen diese Art der Äußerung das Gefühl die Exemplare einer Gemeinschaft aufzudecken, welche die eigene Meinung teilen und eigentlich sonst auch im Verborgenen leben. Ein Weltbild zu haben, das von anderen geteilt und affirmiert wird, das gibt Selbstbewußtsein und das scheint nicht allzu üppig vorhanden zu sein. Ich denke, wenn man sich seiner selbst bewußt ist, sich sicher fühlt und sich einer Gemeinschaft zugehörig fühlt, dann ist man auf solche Provokationen nicht angewiesen. Selbst wenn jemand etwas schreibt, was mich wirklich ärgert – eine sachliche Auseinandersetzung wäre möglich, wenn man auf tatsächliche Argumente zurück greifen könnte. Kann man aber nicht und deswegen bleibt nur der Weg der Beleidigung. Vielleicht genügt es den Trollen auch eine funktionierende, geschlossene Gruppe zu zerstören, in Lager zu spalten, einzelne auszuschließen?

Auch wenn man das alles halbwegs erklären kann, angst macht mir das Phänomen trotzdem. Ich stelle mir vor, dass die U-Bahnen und S-Bahnen, in denen ich täglich sitze voll von solchen Menschen sind, die so schlechte Gefühle haben und derartige Aggressionen mit sich rumschleppen. Denn ich befürchte, dass diese Menschen in der physischen Welt nicht wirklich seltener sind, sie offenbaren sich mangels Anonymität nur seltener.

Möglichkeiten, wie man mit Trollen umgehen kann: Managing „Trolling“ in a Feminist Forum

Gastarbeiter und Döner-Morde

Wir Gastarbeiterkinder in der 2. Generation und wie der sensible Umgang mit Worten helfen könnte…

Ich habe Glück. Meine Großeltern sind zwar Gastarbeiter gewesen – aber eben „nur“ Italiener. Italiener sind nach über 50 Jahren in der deutschen Gesellschaft angekommen und „integriert“. Ich bin nicht zweisprachig aufgewachsen. Leider. Mein Vater hat darauf verzichtet, weil man in der Gegend aus der er stammt, einen starken Dialekt spricht. Richtig Hochitalienisch hat er nie gelernt, denn da wanderte seine Familie schon nach Deutschland aus. Er hatte damals einen Schulabschluss, der in Deutschland natürlich nicht anerkannt wurde. Sein Weg zum Ingenieursstudium war lang und steinig. Aber er war ehrgeizig und hat sich nicht unterkriegen lassen. Mein Ohr hört es kaum, aber sein Deutsch ist nicht das Deutsch eines Muttlersprachlers. Manchmal vertauscht er Artikel und nicht jeden Umlaut spricht er aus. Wenn unser jüngstes Kind fröhlich „Tschuuuss“ statt „Tschüss“ ruft, schenkt es mir jedesmal einen Gruß von meinem Vater.

Die Sprache war für die Karriere meines Vaters ein Hindernis. Ich denke, dass das ein weiterer Grund war mir kein Italienisch beizubringen, um gar nicht erst zu riskieren, dass mein Deutsch am Ende nicht 100% perfekt ist. Heute macht mich das sehr traurig, denn in die andere Richtung ist Sprache wieder ein Hindernis. Wenn ich meine Nonna in Italien anrufe, können wir nur über Allgemeines sprechen, nie über Kompliziertes oder gar Philosophisches oder Emotionales. Meine Nonna ist 91 und sie ist geistig so fit und jung, dass sich so mancher eine Scheibe abschneiden könnte. Es wäre so schön ohne die Sprachbarriere mit ihr sprechen zu können.

Ich habe über Italiener wenig diskriminierende Bemerkungen gehört. Persönlich habe ich in der Schule nur ein Paar Spaghettifresser-Witzchen abbekommen. Nichts weltbewegendes. Die Assoziationen zu Italien gefallen den Menschen. Das gute Essen, Sonne, Urlaub, Kultur. Das war sicherlich nicht immer so. Meine Mutter ist Deutsche und als sie meinen Vater heiratete, waren die Bedenken groß. Die Palette der Sachen, die sich meine Eltern anhören mussten, war breit gefächert. Man fürchtete beispielsweise, dass mein Vater im Falle einer Scheidung die Kinder entführen und nach Sizilien verschleppen könne.

Vor einigen Wochen, am 30. Oktober feierte das Anwerbeabkommens mit der Türkei 50. Geburtstag. Im Spiegel schreibt man passend dazu: „Vor 50 Jahren kamen die ersten türkischen Gastarbeiter nach Deutschland – nun klopfen sich Politiker selbst auf die Schultern. Wofür eigentlich? Die Türken haben das Land verändert, doch viele fühlen sich noch immer fremd.“ Beim Spiegel benutzt man das Wort „Gastarbeiter“ selbstverständlich – so wie ich es weiter oben getan habe. Der Begriff selbst ist jedoch schon heikel, wenn man genauer über ihn nachdenkt. Schon 1972 veranstaltete der WDR ein Preisausschreiben zur Findung eines geeigneteren Wortes. Ein Paar Tausend Vorschläge wurden eingereicht, kein Wort konnte sich bis heute durchsetzen. Dennoch kann man feinfühliger formulieren, wie bei Zeit Online im Artikel 50 JAHRE EINWANDERER geschehen.

Im Rahmen der Festivitäten musste ich viel an meine Familie denken. Ich sprach auch mit einigen türkischen Freunden und Bekannten über das Thema und bin nachhaltig bestürzt wie viel mehr Diskriminierung Menschen türkischer Abstammung erfahren mussten. Auch noch in der zweiten und dritten Generation – ganz normale Deutsche also.

Ich schreibe das alles, weil es mich so traurig macht aktuell auch immer mehr zum Thema Fremdenfeindlichkeit zu lesen. Denn letztendlich ist schon der Ausdruck, den die Medien zur Zeit so gerne benutzen so furchtbar: Döner-Morde

Auf Google+ habe ich es bereits geschrieben: 

Als Halbitalienerin, regt mich die Formulierung „Döner-Morde“ besonders auf. Gerade aufgrund des Tat-Hintergrunds. Gerade weil Menschen türkischer und griechischer Abstammung getötet worden sind. Keine Döner. Die Formulierung alleine ist schon menschenverachtend.

Und noch treffender kommentierte Marcus Hammerschmitt darunter: „In dieser Bezeichnung steckt der ganze strukturelle Rassismus der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Die Reduzierung der Opfer auf Dönerbuden-Besitzer. Ihre Namenlosigkeit: „acht Türken und ein Grieche“ – ein bisschen wie zehn kleinen Negerlein; auch im Vergleich zur ständigen Nennung des Namens der ermordeten Polizistin. Die Blindheit, mit der man eine Mordserie von Nazis seitens der Polizei nicht als solche erkennen wollte. Die Unfähigikeit und Wurstigkeit der Presse. Usw., usw., usw.“

Sprache beeinflusst das Denken und umgekehrt, das ist nicht erst seit George Orwell bekannt. Ich fände es schön, wenn man sich das von Zeit zu Zeit mal bewusst macht und auch einzelne Formulierungen prüft. Es lohnt sich sensibel für sowas zu sein und manchmal sind es die kleinen Gesten, die helfen. Mich macht es wirklich sehr betreten, weiterhin Berichte wie „Und es hört einfach nicht auf“ lesen zu müssen.

Auch hier lesen: Alles Döner oder was? via @haekelschwein

Erziehung: Das Fass ohne Boden (Einer von möglichen hundert Beiträgen)

Erziehung ist ebenso wenig wie das Leben selbst kein Ponyhof. Hier einige meiner Gedanken dazu.

Als Kind habe ich mich wahnsinnig viel gelangweilt. Aufgewachsen in einem fränkischen Dorf, in dem es Kinderbetreuung erst ab drei Jahren und dann nur zwischen 8 und 12 Uhr gab, war das sicherlich kein Spaß für meine Mutter. In Ermangelung eines Gartens hat sie mich einfach raus geschickt. Vielleicht nicht im Kindergartenalter, aber ich habe deutliche Erinnerungen an die Grundschulzeit in der ich in Gummistiefeln Kaulquappen in Tümpeln eines kleinen Waldstücks sammelte, Staudämme baute und Schnecken sammelte. Alleine und mit Freunden. Wir stiegen in verlassene Grundstücke ein und erdachten uns haarsträubende Mutproben.

Als die Pubertät einsetzte, sollte ich mehr zu Hause oder zumindest an Orten sein, an denen keine Gefahren in Form des anderen Geschlechts lauerten. Mein Vater ist Sizilianer. Ich verbrachte viel Zeit in Jugendgruppen der katholischen Kirche und las mich durch die Dorfbibliothek. Ich erinnere mich, dass die ausgeliehenen Bücher händisch eingetragen wurden und dass ich eines Tages jedes Buch meiner Altersklasse durchgelesen hatte.

Die Kindheit meiner eigenen Kinder verläuft völlig anders. Auf eine Weise. Denn wir leben in Berlin. Ich denke, es wird meinen Kindern nie möglich sein eine Bibliothek durchzulesen. Auf der anderen Seite können sie alles ausprobieren auf was sie Lust haben. Da meine Eltern keinerlei sportliche Ambitionen hatten, besuchte ich nicht mal den örtlichen Tennisverein. Meinen Kindern wünsche ich eine Grundsportlichkeit – v.a. aus gesellschaftlichen Aspekten. Ist die Ausbildung erstmal beendet, stellt Sport für mich eine der bequemsten Arten dar neue Menschen kennenzulernen. Auch war mein Kontakt zu anderen Kulturen sehr eingeschränkt. Ich schwöre, ich habe Döner erst mit 19 kennengelernt, als ich nach Bamberg zog, um zu studieren. Das exotischste Essen, das ich kannte war „chinesisch“. Ganz anders unsere Kinder. Sie wünschen sich Bliny, Kotbullar, Schawarma und endlich mal wieder Haloumi. Sie lernen Englisch im Kindergarten und halten Euromünzen aus anderen Ländern in den Händen.

Bei uns im Dorf gab es einen einzigen herunter gekommenen Spielplatz. Allein in einem Umkreis von 1000 Metern, gibt es in unserer derzeitigen Wohngegend zehn. So lange es das Wetter erlaubt, gehen wir jeden Tag nach dem Kindergarten auf einen der umliegenden Spielplätze. Ich denke, allein deswegen haben unsere Kinder es ganz gut bei uns.

V.a. aber weil ich ihnen ebenfalls das unschätzbare Geschenk des Sichlangweilens schenke. Wenn wir an einem Ort sind, an dem keine Gefahren drohen, klinke ich mich aus und überlasse die Kinder (altersgemäß) sich selbst. Nach anfänglichen Protesten, am Bein zerren und ähnlichen Versuchen mich in ihr Spiel einzubeziehen, zeigt meine Passivität Früchte. Die Kinder beginnen sich selbst zu beschäftigen. Sie erdenken sich Spiele, nehmen zu anderen Kindern Kontakt auf oder hängen sich bäuchlings über eine Schaukel und lassen sich das Blut in den Kopf steigen.

Auf unsere Familie trifft also nicht zu, was Jesper Juul in einem etwas älteren Interview mit Zeit Online bemerkt: „Die armen Kinder haben ja heute kaum noch Zeit für sich, sie haben keinen erwachsenenfreien Raum, wie meine Generation ihn noch hatte.

Eine Sache, die bei uns sehr anders ist als in meiner Kindheit, ist die Sache mit der Konsequenz. Was von meinen Eltern einmal gesagt war, war Gesetz. Es wurde nicht verhandelt. Wenn man Pech hat, erzieht man so Fatalisten. Für mich ist die Botschaft einer konsequenten Erziehung: Egal wie Du Dich bemühst, egal was Du tust, egal wie Du argumentierst – nichts ändert sich.

Deswegen sind wir ziemlich inkonsequent. Inkonsequent auch in dem Sinne, dass ich nicht davon ausgehe überhaupt in der Position zu sein alle Wahrheiten und Gesetzmäßigkeiten zu kennen. Ich habe oft festgestellt, dass Kinder Lösungen für Konflikte hervorbringen können, die mir nie im Leben eingefallen wären und die für mich völlig akzeptabel sind. Für die Freiräume, die ich meinen Kindern einräume, bekomme ich oft sehr viel zurück. Wenn ich in einer Situation nachgebe, in der es mir durchaus möglich ist, lassen meine Kinder im Gegenzug Dinge der Art: „Ich bin zu erschöpft jetzt noch Eis essen zu gehen, können wir das bitte verschieben?“ gelten.

Ein dritter großer Themenkomplex, der eine Rolle in unserer Erziehung spielt, wird ebenfalls im oben genannten Interview angesprochen: Er betrifft das Glücklichsein.

Natürlich wünschen auch wir uns glückliche Kinder – aber wie man weiß, ist das Leben kein Ponyhof und damit muss man umgehen lernen. Unsere Kinder bei Rückschlägen zu unterstützen und sie mit Kompetenzen auszustatten dennoch glücklich und optimistisch zu bleiben, ist mir viel wichtiger als sie in einer Glücksblase aufwachsen zu lassen. Einen wunderbaren Artikel dazu hat Dirk Böttcher in der brand eins geschrieben (bitte UNBEDINGT lesen). Dem ist nichts hinzuzufügen.

Deswegen halte ich es auch für richtig sich vor den Kindern authentisch zu verhalten. In unserer Familie gibt es die geflügelte Formulierung: „Streitet ihr jetzt oder diskutiert ihr noch?“.  Ich finde es sehr wichtig, dass Kinder mitbekommen, dass nicht alles glatt und ideal verläuft, dass es Meinungsverschiedenheiten, Befindlichkeiten, äußere Zwänge und negative Gefühle gibt. Sie lernen hoffentlich auch, dass es immer Wege der Bewältigung gibt und dass man sich verzeihen kann, dass man Kompromisse erarbeiten und mit Alternativen zufrieden sein kann. Jedenfalls wünsche ich mir das. Wie schön, dass Jesper Juul das auch denkt:

ZEITmagazin: Was ist Ihr wichtigster Rat an die Eltern von heute?

Juul: Seid nicht so perfektionistisch. Bis man wirklich gut ist im Erziehen, muss man mindestens vier Kinder haben. Aber glücklicherweise brauchen und wollen Kinder keine fix und fertigen Eltern. Kinder haben viel Verständnis für Fehler – sie machen ja selbst den ganzen Tag welche und lernen daraus. Eltern fragen mich ständig: Ist es erlaubt, Kindern gegenüber laut zu werden? Natürlich ist es das, man darf heulen, schreien, alles Mögliche. Kinder brauchen lebende Eltern. Sie brauchen keine Schaufensterpuppen.

Braucht noch jemand Buchempfehlungen? Meine Bibeln in Sachen Kindererziehung sind: „In Liebe wachsen“, „Das kompetente Kind“ und „Kinder verstehen“.

„Dass ich erkenne, was das Internet im Innersten zusammenhält“

Die Schwarmintelligenz des Internets bringt vor allem eines hervor: Katzencontent. Warum nochmal?

Die Kinder fragen öfter, ob wir uns nicht ein Haustier zulegen könnten. Selten fällt mir eine eindeutige Antwort so leicht: Nur über meine Leiche. Tiere verursachen zusätzliche Arbeit, sie stinken, sie kacken, sie machen unflexibel, sie haaren oder federn, sie kosten Geld und wenn sie sterben, muss man wieder welche kaufen, sonst weinen die Kinder. Ich will definitiv keine Haustiere. Ich brauche sie nicht zum kuscheln und selbst Bilder von Tieren erfreuen mich in den seltensten Fällen. Anscheinend geht es da vielen, die im Internet unterwegs sind, ganz anders. Besonderer Beliebtheit erfreut sich in Online-Kreisen die Katze. Das ist nicht neu.

Die Geschichte der Katzenpostings geht weiter zurück als man zunächst glauben mag. Schon in der frühdynastischen Zeit, die ca. 3020 v. Chr. begann, wurden Katzendarstellungen an Wände gepostet. Kein Wunder, denn die Hauskatze ist seit über 9.500 Jahren ein von Menschen gehaltenes Haustier. Wobei das falsch formuliert ist, denn die Katze hat sich als Abfallvertilger mit beginnender Sesshaftigkeit der Menschen selbst domestiziert. Als die alten Ägypter begannen Katzencontent zu produzieren, waren die Katzen schon ein Paar Tausend Jahre Begleiter der Menschen.

Was das Internet angeht, so wurde es erst 1990 für eine breitere Masse außerhalb der Universitäten zugänglich. Der Software-Entwickler Harry Johnson postete ab da regelmäßig Fotos seiner Katze Ethercat, die er per Handscanner digitalisierte. Im gleichen Jahr war der erste genervte Katzenhasser geboren.

Die allgemeine Datenlage zu Katzencontent ist sehr dünn. Zumindest übertrifft das Keyword „Katzencontent“ bei der Google-Suche mit 92.000 Treffern deutlich das Keyword „Hundecontent“ mit nur 6.300 Treffern (von Elefantenbabycontent gar nicht erst zu sprechen!).

Persönlich habe ich auf Google+ 765 Leute in Circles. Im Durchschnitt postet jeder von ihnen 3,6 Beiträge pro Tag. Ganze 12% beziehen sich davon auf Katzen. Es muss allerdings erwähnt werden, dass ich Peter Glaser gecirclet habe, was die Stichprobe hinsichtlich der tatsächlichen Häufigkeit von Katzencontent sicherlich statistisch relevant verzerrt. Hochgerechnet auf das Jahr fließen allein auf Google+ 120.625,2 Katzenbeiträge an mir unbeachtet vorbei.

Warum aber Katzen? Warum nicht Eichhörnchenbabys? Eichhörnchenbabys sind eindeutig niedlicher als Katzen (Eindeutig auf Intervall-Niveau durch die SERVEIsche Niedlichekeitsskala zu berechnen).

Das hat nach meiner Einschätzung zwei wesentliche Gründe. Für mich sind Katzen das Symbol der postmodernen Gesellschaft, in der sich die klassischen Familienstrukturen auflösen. Lange Ausbildungszeiten, häufige jobbedingte Ortswechsel und das Ideal der Selbstverwirklichung, haben es den Menschen in der jüngeren Vergangenheit schwer gemacht, Familien zu gründen. Ehe man es sich versieht, ist man über 40 und hat es verpasst, eine fröhliche Nachkommenschaft zu zeugen. Der Partner fürs Leben wird in diesem Alter nur noch selten gefunden, da die Checkliste, welche Eigenschaften er doch bitte mitbringen soll, nicht selten hundert Punkte überschreitet. Da sitzt man nun, abends um 22 Uhr nachdem man bis 19 h gearbeitet und sich anschließend im Sportstudio ausgepowert hat und fühlt sich einsam. Die Entscheidung zur Katze fällt dann nicht mehr allzu schwer. In den Stunden der Inaktivität setzt sie sich gerne auf den Schoß und lässt sich streicheln – wohingegen sie den Rest des Tages, wenn man ohnehin nicht zuhause ist, ihrer eigenen Wege geht. Das Wesen der Katze macht es nebenbei leicht möglich Gefühle und andere Eigenarten in fotografische Darstellungen hineinzuinterpretieren. Vögel, Fische oder Schildkröten bieten in dieser Hinsicht zu wenig Projektionsfläche. Eine Lolbird-Welle wäre im Internet nie entstanden (IT NOT TEH SAME WIF BIRDZ, BLEEV ME). Bereits der Erfolg der Comic-Serie Garfield zu Beginn der 80er Jahre zeigt wie wichtig der Faktor Identifikationswert ist. Hätte Garfield nicht v.a. menschliche Probleme, er wäre nicht annähernd so berühmt geworden.

So wundert es nicht, dass ausgerechnet die Katze Deutschlands beliebtestes Haustier ist. Es wird geschätzt, dass in Deutschland 8,2 Millionen Katzen leben. Und wenn sie schon mal da sind, kann man sie auch fotografieren und die Bilder ins Internet stellen. Somit wären wir beim zweiten – beinahe banalen Grund – der Verfügbarkeit. Wenn 16,5% aller Haushalte in Deutschland eine oder mehrere Katzen haben und sie durchschnittlich 2 Mal pro Woche fotografieren und laut Statistik beinahe 80% Prozent einen Internetzugang haben, dann greifen sie auf einen Pool von äh .. sehr vielen Katzenfotos zurück. Katzenbilder sind also deutlich verfügbarer als Fotos von auch sehr niedlichen Elefantenbabys. Darüberhinaus greift (mal wieder) meine Lieblingstheorie zum Sozialverhalten. Katzenpostings geben ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Ich poste Bilder meiner Katze, ihr schreibt, dass sie voll süß ist und ihr postet Katzenfotos und ich schreibe wie bezaubernd ich sie finde. Schon sind wir eine Gemeinde von Katzenliebhabern und fühlen uns als Teil eines großen Ganzen. Dann kommt noch die Gruppe der Katzenverächter (die quantitativ deutlich in der Minderheit ist) und wir grenzen uns gemeinsam gegen dieses Volk der Unwissenden ab – was unsere schnurrige Katzengemeinschaft noch weiter verstärkt. Es ist eben das Katzengewöll, was das Internet im Innersten zusammenhält.

Glück – manchmal ziemlich einfach (auf Holz klopfen)

Glück ist gelegentlich Einstellungssache (oder hormonelle Verstrahlung?)

Vor einigen Tagen saß ich nach der Arbeit mit Kind 3.0 beim Araberimbiss in der Sonne. Wir aßen gemeinsam Makale, Schwarwama und Falafel. Kind 2.0 war für mich (weil ich arbeiten musste) von einer Freundin abgeholt und zum Kindertanz gebracht worden. Kind 1.0 baute auf einem Abenteuerspielplatz mit seinen Freunden ein Baumhaus. Da wurde mir plötzlich gewahr, dass ich zur Zeit wirklich sehr glücklich bin.

Abends lief auf 3sat passenderweise eine Sendung mit dem Titel „Die Glücks-Invasion„. (Eine schöne Ausstellung gab es in Dresden auch schon dazu „Glück – welches Glück?“)

Ich kann mich erinnern, dass ich mich in der Zeit zwischen 13 und ca. 26 eigentlich permanent unglücklich fühlte. Nicht immer gleich stark, aber das Grundgefühl war negativ.

Das hat sich komplett umgedreht. Die meiste Zeit fühle ich mich gut und zufrieden. Selbst in der Phase, in der ich mich 20 mal übergeben und gelegentlich ins Krankehaus musste.

Warum das so ist, ist mir nicht bis ins letzte Detail klar. Ich vermute aber es ist im Wesentlichen eine Frage der Einstellung. Im Thema „Liebe“ merke ich das ganz deutlich. Noch vor wenigen Jahren hatte ich eine Art Hollywoodeinstellung. Liebe bedeute andauerndes Glück. Eine gerade Linie ohne jede Ausschläge auf hohem Niveau. Zusätzlich hatte ich ungefähr 2.538 unscharfe Regeln im Kopf, wie sich jemand zu verhalten hätte, wenn er mich WIRKLICH liebt. Oder wie jemand zu sein hätte, den ich WIRKLICH lieben könnte.

Ein Lehrer hatte mit ins Abiheft geschrieben: „Life is like a sea saw, up – down. Thanks for the ups, sorry for the downs. The pre-reqisities that make you sociable are most difficult to calculate. Having gained a faint feeling for (or even an understanding of) what’s going on, the rules are suddenly changed without prior notice and one is left in a foggy nothingness.“

Fünfzehn Jahre später finde ich, dass es das ziemlich gut trifft (und frage mich gleichzeitig wie es all meine langjährigen Freundinnen und Freunde mit mir aushalten konnten).

Natürlich ist das Leben zu mir zusätzlich sehr freundlich. Das spielt sicherlich eine nicht zu unterschätzende Rolle. Wir sind alle gesund – uns fehlt es an nichts. Wir haben gute Freunde, tolle Jobs, eine schöne Wohnung. Weil es uns so gut geht, versuchen wir auch Gutes an das Leben zurück zu geben. Genug Möglichkeiten gibt es immer wieder. Sei es durch Spenden und dass man einfach mal irgendwo mitanpackt oder dass man mal nachfragt oder sich einmischt, wenn es nötig ist. Oder die Klappe hält, wenn man es aushalten kann. Jedenfalls habe ich das Gefühl, dass man so einen Kreislauf beschreitet, der Gutes sät und Gutes erntet.

Warum ich das alles schreibe? Ich wollte auch mal flauschig sein und kann nur empfehlen: Haltet gelegentlich einen Moment inne und fragt Euch, ob es gerade jetzt nicht mindestens einen Grund gibt, sich gut zu fühlen und Glück zu empfinden.

Freunde und andere Grausamkeiten

Vom Kindergarten bis heute, hat sich gar nicht so viel geändert.

Kind 1.0 musste seinerzeit Kita wechseln. Ein sehr schwerer Schritt, wenn man bedenkt, dass es zu diesem Zeitpunkt das gesamte Leben die gleichen Freunde hatte. Der Wechsel ließ sich aber nicht umgehen, weil die alte Kita einem Brandanschlag zum Opfer gefallen war. Als der Tag nahte, an dem das Kind den ersten Tag in die neue Kita gehen sollte, versuchte ich es aufzumuntern: „Da sind dann neue Freunde! Es wird Dir gefallen!“

So erkundigte ich mich am ersten Tag: „Na, hast Du neue Freunde gefunden?“, brach es in Tränen aus und berichtete: „NEIN! Uähhhääähäää! Da sind keine Freunde NUR ANDERE KINDER!!!“

Ähnliche Dramen erleidet Kind 2.0 täglich. Sabine ist sein Freund. Sabine ist nicht sein Freund. Warum? Man weiß es nicht, einfach so. Man kann nichts daran ändern. Großer Zank mit Geschrei, Haare reißen und nur knapp verhinderten Kopfnüssen und dann hat Sabine Geburtstag und Kind 2.0 kommt mir freudig entgegen, um mir mitzuteilen, es sei auf die Geburtstagsparty eingeladen. Als ich das anzweifele, stapft Kind 2.0 los und fragt Sabine: „Du hast mich doch eingeladen oder?“ Sabine grübelt, sicher ist sie sich nicht, doch da hat Kind 2.0 die Erleuchtung und schlägt sich an die Stirn: „Ach soooo! Wir sind ja gar keine Freunde!“

Ein solches Sozialverhalten mag einem fremd erscheinen, ist jedoch ganz normal. Schaue ich in mein Tagebuch, entdecke ich ähnliche Dramen.

(Orginalauszug!!!)

Und ein bisschen bleibt das in mir. Hier ein aufflammendes Gefühl, dass ich irgendwems beste Freundin sein möchte und da ein Gefühl, dass ich jemanden nie, nie, nie wieder sehen möchte und genau in diese Welt führt facebook mich zurück und deswegen mag ich facebook trotz aller sachlichen Einwände, die man durchaus haben kann.

Ich finde eine Person, klicke „Freundschaftsanfrage senden“ und wenn sie affirmiert wird, bin ich glücklich. Ich häufe meine Freunde und bin irgendwann genervt und dann zack „Freundschaft beenden“ und die Sache ist erledigt. Und wenn einer meine Freundschaftsanfrage nicht beantwortet, fühle ich mich wieder so wie 1986. Leer, verlassen und einsam.