FFRR – it works

Man braucht nur mehr als 200 FFRRs und schon kann man beim Radio was zum Thema Internetsucht sagen.

Weil meine Theorie zur Stillung des Affiliationsbedürfnisses (FFRR!) richtig ist, habe ich mir gestern ein Paar L-Signale bei Trackback abgeholt und etwas zum Phänomen Internetsucht erzählt.

Im dazugehörigen Podcast ab Minute 28:03 nachzuhören. Wer psychologische Fachbegriffe ebenso liebt wie ich, unbedingt weiterhören und bei Anja Weller etwas über intrinsische und extrinsische Motivation hören.

Eine weitere sehr treffende Zusammenfassung zum Thema Internetsucht = Untergang der Zivilisation ist nachzulesen im Blog „Die Wahrheit über die Wahrheit“

Mickey Mouse-Abhängigkeit

Als mein Vater Mickey Mouse süchtig war und was mir das heute sagt.

Anfang der 50er Jahre kam das erste Mickey Mouse Heft auf den Markt. Es dauerte nur wenige Jahre bis Mickey Mouse meinen Vater erreichte, der damals in einer kleinen sizilianischen Stadt lebte. Von seinem Taschengeld kaufte er sich die Comics und die Jungs tauschten sie untereinander. Sie trafen sich und taten nichts anderes als den ganzen Tag in den Comics zu lesen. Sie malten Mickey Mouse, sie erzählten sich selbst ausgedachte Mickey Mouse Geschichten und sie stellten sich vor selbst Mickey Mouse zu sein.

Meine Oma machte sich über dieses Verhalten große Sorgen. Sehr große Sorgen. So große Sorgen, dass sie meinem Vater das Konsumieren von den Heftchen unter Strafandrohung verbot.

Natürlich hörte mein Vater nicht auf damit.

Das heißt, er hörte lange Zeit nicht auf damit. Ich kann dem besorgten Leser aber bestätigen – in der Zwischenzeit ist er runter von dieser gefährlichen Droge „Mickey Mouse“.

Vielleicht mag diese Geschichte ein wenig lustig klingen – aber sie ist (ausnahmsweise) mal wahr und wahr ist auch, dass meine Oma WIRKLICH besorgt war, mein Vater könne verdummen, seine sozialen Kontakte würden sich reduzieren, seine Schulleistung könne absinken, etc.

Heutzutage wäre man froh wenn die Kinder „nur“ Mickey Mouse abhängig wären. Wahrscheinlich würde man für so eine Sucht das Taschengeld erhöhen.

Man ahnt es, ich möchte nochmal auf das Thema Internetsucht hinaus. Ich habe in der Zwischenzeit die viel zitierte Studie nochmal gelesen und auch in andere Studien zum Thema Internetsucht rein geschaut. Da ich keine Wissenschaftlerin bin, kann ich meine Eindrücke nur wie folgt zusammenfassen:

1. Kernaussage der Studie ist: Statt der bislang befürchteten 3,6% sind anscheinend nur 1% der 14 – 64 Jährigen betroffen.

2. Zu“ Internet“ gehören neben Onlinespielen, sozialen Netzwerken auch Internettelefonie, Email schreiben und Unterhaltung (Internetradio, Filme, etc.)

3. Die Skala, welche die Internetsucht misst, ist 5stufig. Es gibt so etwas wie eine Tendenz zur Mitte, d.h. es wird unbewußt gerne die aussagelose Stufe 3= „manchmal“ gewählt. (Mehr zu der Statistik beim DRadio Wissen)

4. Schaut man sich die Veränderungen der Prävalenz nach Alter an, stellt man fest: Je älter, desto weniger Internetsucht (v.a. bei Mädchen bzw. Frauen). Wild spekuliert hat das was mit den sich aufdrängenden Lebensumständen zu tun (Job, Kinder, Haushalt, etc.).

Kurz gesagt: Ich halte die Zahlen für übertrieben und die öffentlichen Reaktionen darauf für albern. Wie in so vielen Fällen gilt:

Panik, Verbote und Sperrungen helfen nicht. Im Gegenteil. Man sollte sich als Eltern, Lehrer, Mensch intensiv mit dem Thema Internet auseinandersetzen, um die Thematik überhaupt beurteilen zu können und als nächstes sollte man sich der tatsächlichen Gefahren bewusst werden (z.B. Umgang mit den persönlichen Daten im Netz). Dann sollte man seine Kinder altersgemäß an das Thema heran führen und ihnen dann Vertrauen schenken. Das ist besonders wichtig, denn wenn es wirklich mal Probleme geben sollte („Cybermobbing“), dann sollten die Kinder Ansprechpartner haben, an die sie sich wenden können. Verbietet man, schiebt man die Kinder weg von sich und wie sollen sie sich Hilfe holen, wenn sie nicht mal sagen können, was aktuell vorliegt – eben weil allein schon das im Internet sein ein Verbot bricht…

Abschließend kann man sagen, es gibt bestimmt Fälle von suchtähnlichem Verhalten, die man ernst nehmen sollte und denen man Hilfe angedeihen lassen sollte – aber man sollte wirklich mal prüfen an welchen Stellen das der Fall ist. Für mich, wie bereits gesagt, gibt es einen Unterschied von Sucht und Abhängigkeit.

Wenn ich keine Monatskarte für den öffentlichen Nahverkehr und kein Auto habe, bin ich abhängig von meinem Fahrrad und fahre durchaus viel. Zu den täglichen Fahrzeiten (im Moment über den Tag verteilt gut zwei Stunden), kommen die Zeiten die ich mit Reparatur etc. verbringe. Dennoch: Ich bin nicht Fahrradfahrsüchtig.

Sucht umfasst neben (durchaus exzessivem) Gebrauch immer soziale, psychische und/oder leistungsmäßige Beeinträchtigungen.

Außerdem ist es langsam an der Zeit zu verstehen, dass das Internet einen gesellschaftsstrukturellen Wandel eingeläutet hat. Peitsche für jeden der das Wort „neue Medien“ benutzt. Neue Medien sind langsam kalter Kaffee. Wer mehr darüber wissen will, liest und schaut ein bisschen Gunter Dueck. Internet ist das Betriebssystem unserer Gesellschaft.

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Lesetipp: Ein weiterer Artikel zum Thema Panikmache & Internet (via Blog für Kultur)

Internetabhängig. Ich so – aus Gründen

560.000 sind internetsüchtig. Ich gehöre dazu. Und Du so?

560.000 Süchtige, weitere 2,5 Mio suchtgefährdet. So lautet das Ergebnis einer repräsentativen Studie, bei der 15.000 Personen im Alter zwischen 14 und 64 Jahren per Telefon befragt wurden.

Noch vor 15 Jahren wäre das gar nicht möglich gewesen. Denn dann wäre bei den Betroffenen die Leitung permanent belegt gewesen. Jedenfalls nach 22 Uhr.

Mir wird ganz warm ums Herz, wenn ich an diese Zeit denke. Damals mit dem Analogmodem. Das Geräusch beim Einwählen. Diese wunderbaren Emailadressen an der Uni dasn.ufstud-psych@rar-pool.uni-bamberg-rchz.de.

Ich habe die Kriterien für Sucht wirklich gegoogelt. Genannt werden beispielsweise:

    • Für den Konsum sinnvolle Grenzen setzen und sie dann nicht einhalten können („Ich setze jetzt das Nudelwasser auf und gehe nur kurz ins Internet….“)
    • Das soziales Umfeld ist drogenorientiert („Oh cool, meine Freunde sind auch gerade online!“)
    • Der Konsum wird ständig rationalisiert („Ich schau nur mal schnell nach was Neutrinos eigentlich sind…“)
    • Die Droge wird als Motivator eingesetzt („Ich hänge jetzt schnell die Wäsche ab und dann kann ich noch eine Stunde online sein bis …“)

Hups. Überall einen Haken hintergesetzt? Schön reden kann man das jetzt nur noch wenn man Internetsucht von Internetabhängigkeit  abgrenzt. Die WHO macht das nicht, aber ich finde, dass man Sucht als Vertiefungsstufe von Abhängigkeit ansehen kann. Sucht würde im Vergleich zur Abhängigkeit zusätzlich so etwas wie Dosissteigerung beim Konsum und Beschaffungskriminalität umfassen.

Da ich noch  nie länger als 24 Stunden an einem Tag online war und auch noch nie einem meiner Freunde das Internet geklaut habe (oder Geld geklaut habe, um an Internet ran zu kommen), bin ich beruhigt.

Denn somit bin ich nicht süchtig, sondern lediglich internetabhängig.

Laut ICD/DSM gibt es Internetabhängigkeit übrigens gar nicht. Ginge ich zum Therapeuten oder Psychiater, diagnostizierte der nur eine „nicht näher bezeichnete Störung der Impulskontrolle“.

Wer gefährdet ist, sollte mal die  Broschüre Online sein mit Maß und Spaß der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung lesen. Die bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kennen sich mit Internet nämlich ebenso gut aus wie Metchild Ross-Luttmann mit Vorratsdatenspeicherung.

Auf Seite 11 wird zum Beispiel von den Gefahren des Internet gewarnt: „In sozialen Netzwerken besteht die Gefahr, dass die virtuellen Beziehungen wichtiger als die echten Kontakte werden.“

Wundervoll. Die Grenze zwischen virtuell und echt kann mir gerne mal jemand genau erläutern.

Als Psychologin ist für mich ohnehin interessanter zu sehen, was an diesem Internet so verführerisch ist. Meiner Theorie zufolge ist das nämlich so:  Eines der Grundbedürfnisse des Menschen ist das Affiliationsbedürfnis (s. Boulding, 1978, S. 196 ff). Mittels sogenannter Legitimitätssignale wird das Bedürfnis nach Anerkennung gestillt. Sich in sozialen Netzwerken aufhalten ist eine Form Legitimitätssignale zu sammeln bzw. auszutauschen. Man bekommt z.B. auf Twitter durch die Anzahl der Follower, Favs, Retweets und Replys (FFRR) signalisiert „Du bist ok, du gehörst in unsere Gemeinschaft“. Je mehr FFRR, desto mehr Legitimitätssignale.

Man kann den Like-Button auf Facebook als Legitimitätsspender in Reinform ansehen. Genauso sieht es aus bei Verlinkungen, Erwähnungen bei Google+oder bei Flattr. Seiten wie Favstar machen nichts anderes als die Anzahl der Legitimitätssignale optisch darzustellen.

Zusätzliche Anerkennungssymbole sind denkbar. Wer im Internet sehr aktiv ist und deswegen zu Lesungen eingeladen wird, Preise erhält, in den Lieblingstweets des Monats bei anderen erscheint, die Möglichkeit bekommt Artikel in Zeitungen und Magazinen zu veröffentlichen … dessen Legitimitätsspeicher ist randvoll und sein Affiliationsbedürfnis befriedet.

Das macht das Internet so verführerisch.

Und jetzt FFRRt mich. Ich gehöre zu den 560.000. Ich will das.

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Die vollständige Studie zum Thema Internetsucht kann man sich selbst durchlesen. Allerdings ist die nicht so wirklich spannend. Es sei denn man steht auf Statistik und SPSS.

Authentizität schön und gut…

Authentisch zu sein, mag sympathisch machen – aber ob das alleine reicht um ein Land (mit)zuregieren?

Sascha Lobo, der sonst natürlich immer recht hat, schreibt in seinem Artikel über den Wahlerfolg der Piraten „Eingestandenes Unwissen wirkt kompetenter als entlarvtes Unwissen . Das mag für die Alltagskommunikation zutreffen und Frau Koch-Mehrin hätte mit einem ehrlichen „Oh, da habe ich leider rein gar keine Ahnung von“ sicherlich das ein oder andere Mal die klügere Antwort gegeben – aber in der Politik geht es nicht um Sympathien. Halt – geht es leider doch oft, sollte es aber nicht gehen.

Persönlich möchte ich, dass mein Volksvertreter sich besser auskennt als ich. Schön – der Identifikationswert ist vielleicht höher, wenn man feststellt: Hey, der Andreas Baum, der hat ja ebenso wenig Ahnung von Wirtschaft und Politik wie ich. Aber meine Interessen als Politiker sollte er deswegen noch lange nicht vertreten.

Die Gesellschaft mag die inszenierten Persönlichkeiten schon lange satt haben – das Gegenteil – der authentische Mensch von der Straße – das kann (zumindest für die Politik) auch nicht die Lösung sein wenn das Ganze mit Unwissenheit verbunden ist.

Ich will jemanden, der sich nicht inszeniert aber trotzdem Ahnung hat.

In einem ganz anderen Kontext habe ich folgende Zeilen verfasst: Nehmen wir an, ich baute ein Haus. Das Haus sollte Wände, Decken, Fenster und Treppen haben – jedoch beauftragte ich einzig einen Schreiner. Der hatte einen schicken Flyer, ist Fensterexperte und Holzdielen kann er auch verlegen. Mit dem Rest, so bedauert er, kenne er sich derzeit noch nicht so aus, er sei jedoch willens, seine Defizite aufzuholen. Das Geld zum Hausbau überweise ich ihm vorab.
Irrational? Seltsam. Immerhin haben vergangenes Wochenende 129.795 BerlinerInnen genau das getan. Eine Partei gewählt, die in einigen wenigen Themen inhaltlich gut aufgestellt ist und in allen anderen Themen versichert „sehr schnell zu sein, was das Lernen angeht“.
Die Piraten sehen sich selbst als „weiche Themenpartei“ und nicht als Allrounddienstleister. Eine ernstzunehmende Partei sollte aber Sachverstand in allen nötigen Bereichen aufweisen, wenn sie ein Land (mit-)regieren möchte.

Das Bedürfnis nach Unverstelltheit mag den Erfolg der Piraten erklären, es rechtfertigt ihn jedoch noch lange nicht. Dieter Bohlen ist übrigens auch total authentisch und hat keine Ahnung von Politik. Soll er deswegen Abgeordneter im Berliner Abgeordenetenhaus werden?

Manntje-Timpe-Te-Effekt

Man könnte noch allerhand machen an die Blog. Zum Beispiel?

Wenn man einmal anfängt was an die Blog zu machen, findet man kaum ein Ende. Ich komme mir dabei ein bißchen vor die des Fischers Frau. Noch dieses Plugin und jenes Widget. Es fehlt mir im Moment z.B. noch dass man die Kommentare liken kann. Neben all den Dingen, die mir gerade nicht einfallen, gibt es bestimmt noch tollere Dinge, die ich gar nicht kenne! Als Schreiber hat man da einen ganz anderen Fokus als als Leser. Was fehlt Euch noch so?