Der Alleszusammenmach-Kult

Durch meine Twitter-Timeline geisterte neulich eine Konversation einiger Menschen, die sich darüber unterhielten, wie seltsam es sei, dass manche Paare alles zusammen machen wollten.
Ich war versucht gleich zu antworten, merkte dann aber, dass 140 Zeichen ganz sicher nicht ausreichen würden, das was ich dazu sagen wollte zum Ausdruck zu bringen.

Stellen Sie sich nun vor, wie ich im Kreise meiner Enkel mit besticktem Deckchen auf dem Schoß in einem elektrischen Schaukelstuhl sitze und von früher™ berichte.

„Früher™ habe ich nämlich auch so gedacht! Was soll dieser Pärchenquatsch. Alles zusammen machen. Die Hochzeit im Standesamt anmelden? Den Kita-Gutschein im Amt? Das Kind vom Kindergarten abholen? Ineffizienter geht es wohl kaum! Womöglich noch den raren Urlaub vergeuden?“

Und wenn ich daran denke, habe ich sofort das Bild vor Augen als ich alleine im Standesamt sitze, um einen Termin für unsere Hochzeit zu bekommen und die nötigen Dokumente vorzulegen. Das Zimmer voll mit Pärchen – nur ich sitze alleine da und verdrehe innerlich die Augen. So eine sinnlose Warterei, eine langweilige Formalität, warum sollen sich da beide frei nehmen? Ist das diese LIEBE von der alle reden? So rein Kitsch.

Auch Pärchen, die ihre Kinder gemeinsam bringen und abholen. Du meine Güte! Was für ein Orgastress – oder sind die beide arbeitslos?

Bei mir ging es immer nur um Effizienz. Zeit sparen! Aufgaben verteilen! Mehr ToDos in weniger Zeit! Haken dran, weiter, Haken dran, weiter! Neuen Punkt auf die ToDo-Liste! Jetzt aber flott. Wenn man den Weg anders plant und noch eine Stunde früher aufsteht, dann schafft man noch drei weitere Punkte. Das muss jetzt aber klappen. Kind mitgeschleppt, Stulle unterwegs reingezogen, Anschlusszug erwischt, schneller, mehr!

Mit Kindern dauert es dann meiner Erfahrung nach nicht lange und man sieht sich kaum noch. Elternteil 1 macht dies, Elternteil 2 macht jenes. Nie machen beide beides und schon gar nicht gleichzeitig!

Einer verlässt morgens das Haus extra früh, der andere versorgt die Kinder und bringt sie weg. Dann kann der erste sie abholen und der zweite länger arbeiten. Abends gibt man sich dann die Klinke in die Hand. Der erste geht vielleicht aus (oder zum Elternabend). Der zweite übernimmt die Kinder.

Ich habe immer gescherzt man solle sich keinen Partner suchen, den man liebt und mit dem man gerne Zeit verbringt, schließlich sieht man sich dann nicht mehr (wenn man Kinder hat, kann man sich ohne Babysitter nicht mal verabreden, um noch miteinander auszugehen).

(Sie erinnern sich? Ich bin die Oma im E-Schaukelstuhl. Ich fuchtele jetzt ein bisschen in der Luft rum und lächle versonnen.)

„Ja und dann habe ich gelernt, dass das falsch ist. Jedenfalls für (m)eine Beziehung.“

Wie ich das gemerkt habe? Ich habe jemanden kennengelernt, der noch nie gesagt hat „Ach, das lohnt ja nicht!“. Mit großem Erstaunen stellte ich fest, dass mein neuer Freund sich nachmittags zwischen der einen und der anderen Arbeit gerne zwanzig Minuten Zeit nimmt, um mit mir und meinen Kindern ein Eis essen zu gehen. Damit wir uns eben sehen an diesem Tag. Wenn schon nicht länger, dann wenigstens auf ein Eis.

Und an einem anderen Tag gehen wir gemeinsam die Kinder in Schule und Kindergarten bringen. Zwei Mal fünfzehn zusätzliche Minuten. Die hätten wir auch ganz anders einsetzen können. Aber wir setzen sie ein, so zu tun als wären wir Detektive, während wir im Auto darauf warten, dass die Kita öffnet. Wir rutschen die Sitze runter und luken aus den Autofenstern, sprechen uns Notizen über ankommende Kinder ins Handy und kichern.

Und noch romantischer: Wenn es Formulare für die Rentenversicherung auszufüllen gibt, machen wir das auch (quasi) gemeinsam. Ich fülle Freitextstellen aus und lese erbost Sätze in Beamtendeutsch vor und mein Freund sagt irgendwas und wir würfeln dann aus, ob wir bei der doppelten Verneinung jetzt ja oder nein ankreuzen.

Ja, ja. Sie schütteln jetzt leicht angewidert den Kopf.
Ich hätte sowas ja auch nie von mir gedacht. Aber Dinge gemeinsam tun, auch wenn das höchst ineffizient ist, ist ein großer und schöner Luxus. Wir schaffen jetzt viel weniger und manches gar nicht oder viel langsamer, aber ich mag dieses Gemeinschaftsgefühl.

Und ganz pragmatisch gesehen: ich habe das Gefühl, dass man weniger vergisst oder übersieht, wenn man IMMER ALLES zu zweit macht. Es ist auch viel leichter Anteil am Leben des anderen zu nehmen.

(Jetzt streiche ich mein Häkeldeckchen am Schoß und mache ein wissendes Gesicht.)

Klar geht das nicht immer (wenn beide Vollzeit bei unflexiblen Arbeitgebern arbeiten und jedes Kind in eine andere Einrichtung muss etc.). Und natürlich WILL ich auch nicht wirklich immer alles zusammen machen. Aber ich habe für mich gelernt, dass Effizienz nur ein Weg ist ein Roboter zu werden. Und offensichtlich bin ich doch zu menschlich, denn irgendwie ist mir irgendwann der Strom/das Benzin/das was auch immer ausgegangen.

Jetzt bin ich lieber ein verplanter Mensch und setze mich auch debil grinsend in ein Amtswartezimmer während ich mit meinem Freund knutsche die aktuelle politische Lage diskutiere.

(Ja, ja. Wedeln Sie nur mit ihrem Krückstock. Ich werde schon sehen, wie das in zehn Jahren ist! Ja! Sehen werde ich, was ich von dieser Einstellung haben werde!)

Meine (etwas fruchtlose) Affäre mit Snapchat

Ich bin ja eigentlich sehr glücklich mit Twitter und auch schon total raus aus dem Alter, in dem ich mich immer fragen muss: „Gibts noch was besseres?“

Twitter und ich, das ist was für die Ewigkeit. Ob nun Sternchen oder Herzchen, ob mit oder ohne Gifs, ob ich Umfragen erstellen kann oder nicht. Is mir alles egal. Selbst die zunehmenden Werbetweets, ignoriere ich einfach standhaft. Ignorieren ist, manche Leserin mag das verwundern, eine meiner Kernkompetenzen.

Allerdings kommt man als Internetkranke (wie ich liebevoll von einigen Menschen genannt werde), kaum an Snapchat vorbei. Irgendwie ist das wahnsinnig groß und damit eben relevant und offenbar tummelt sich dort die Jugend (Wahrscheinlich genau die Jugend, die in Facebook vor der nervigen Elterngeneration geflohen ist).

Neben der Jugend ist Snapchat offenbar für den Journalismus als solches auch ein heißes Ding (Breitband Radiobeitrag).

Ach und ach, also musste ich mir dieses Snapchat doch mal anschauen, immerhin werden

„bei Snapchat […] pro Tag rund 700 Millionen Fotos gepostet und damit 10 mal mehr als bei Instagram. Ebenso generiert die App bereits jetzt schon ta?glich 6 Milliarden Videoaufrufe und damit fast so viele wie Facebook (8 Milliarden).“

und

„Snapchat ist mittlerweile 19 Milliarden US-Dollar wert und geho?rt zu den am schnellsten wachsenden sozialen Netzwerken unserer Zeit.“

Quelle: Philipp Steuer „Snap Me If You Can„, S. 5 und S. 17

Kapiert habe ich erstmal nichts. Ich kenne Leute, die sagen: Die Usability ist so unter aller Kanone, dass ich das deswegen nicht benutze.

Ich halte solche Aussagen für das „Mama will mit dem neumodischen Videorekorder nichts zu tun haben“-Phänomen meiner Kindheit. Wir 40jährigen werden einfach alt und sind vielleicht eine bestimmte Logik gewohnt, die bei Snapchat nicht eingehalten wird und schimpfen dann krückstockwedelnd dass die Plattform nichts taugt, weil wir nicht verstehen wie sie funktioniert.

Und ungewohnt ist es ja wirklich bei diesem Snapchat. Ohne Gebrauchsanweisung hab ich wirklich nicht viel mehr geschafft als die App zu öffnen.

Nach drei Wochen mache ich im Grunde zwei Dinge:

  • Mich staunend gemeinsam mit den Kindern über die Videofilter (eigentlich „Lenses“) schlapp lachen

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Kurzer Einschub hierzu: Für mich sind diese Filter ebenso faszinierend wie für Kind 3.0. Ich kann stundenlang vor meinem Telefon sitzen und mein Gesicht verziehen, weil ich nicht verstehen kann, wie das so gut funktioniert. Das ist für mich wie Zauberei.

  • Die (wie sagt man dazu eigentlich?) Snapchats anderer Leute anschauen

Was mich extrem irritiert ist, dass man nicht liken kann. Ich schaue mir also etwas an, das mir sehr gut gefällt und dann denke ich: Hm und nu? Wie sage ich dem- oder derjenigen, die das produziert hat, dass es mir Freude bereitet hat? Mit einer Bildantwort? Einem „Danke“ oder „haha“ im Chat?

Snapchat fühlt sich außerdem seltsam intim an. Fremden schreibe ich gar nichts (sehr im Gegensatz zu Twitter übrigens) und Menschen, die ich persönlich mittelgut kenne, schicke ich auch nichts, weil es sich so wie äh kleine Liebesbotschaften anfühlt? Schwer zu beschreiben, jedenfalls höchst inadäquat. Lediglich Menschen, denen ich ohnehin nahe stehe, kann ich einfach Snaps schicken. Aber auch da irritiert mich in ein schwarzes Loch zu kommunizieren, da oft einfach nichts zurück kommt.

Snapchat ist außerdem jedes Mal wieder eine Entscheidung. Es gibt keine Timeline in dem Sinne sondern man klickt jeden Beitrag, den man sehen will, bewusst an. Die Bewegungsrichtung ist eine andere. Bei Twitter und Facebook rauscht meine Timeline an mir vorbei. Bei Snapchat wende ich mich aktiv den einzelnen Nutzerinnen und Nutzern zu.

Wer sich wirklich einarbeiten möchte, dem empfehle ich „Snap Me If You Can“ von Philipp Steuer (den Tipp habe ich übrigens von @leitmedium). Dort ist das Thema wirklich sehr gut aufgearbeitet und man findet sogar „Snapchat Hacks“.

Meine Snapchatnutzung bleibt jetzt erstmal das Nutzen der Lenses, das Abspeichern der Fotos und das verschlüsselte Verschicken der Fotos an Freunde per iMessage oder Threema. Snapchat selbst bleibt mir suspekt.

Über Follower-Empfehlungen freue ich mich übrigens. Bislang blieb mir da der große AHA-Effekt aus.


 

Nachtrag: Wer wissen möchte, wie man an die viel zitierten Pimmelbildchen bei Snapchat kommt, liest bei dem Snapchat-Veteran (2013!!!1!) Heiko „Ich hab Snapatmung“ weiter.

Kindheitskuchen

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der eigentlich nie gebacken wurde. Wenn – dann gab es Fertigteigmischungen – was mich gar nicht gestört hat.

Einer meiner Lieblingskuchen war eine Backmischung namens „Tortina“, die es schon lange nicht mehr gibt. Im letzten Weisheits-Podcast haben wir über unsere Lieblingskuchen gesprochen und deswegen habe ich vorher nach dem Rezept gegoogelt und bin tatsächlich fündig geworden.

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Weil das auf so große Begeisterung gestoßen ist, verblogge ich das Rezept, ganz so wie man das von einem ordentlichen Mutti-Blog erwartet (wie z.B. im Blog von Felix Schwenzel, dessen verbloggte Rezepte ich sehr gerne lese).

Zutaten

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Kuchenschicht 1
100 g weiche Butter oder Margarine
140 g Zucker
1 Pck. Vanillin-Zucker
1 Pr. Salz
1 Ei (Größe M)
3 Eigelb (Größe M)
100 g Weizenmehl
3 gestr. TL Backpulver
50 g Feine Speisestärke
4 EL Milch
50 g Schokoflocken

Kuchenschicht 2
3 Eiweiß (Größe M)
120 g Puderzucker
100 g Gemahlene Haselnüsse

Kuchenschicht 3
Puderzucker

Zubereitung

Bis auf die Schokoflocken alle Zutaten von Kuchenschicht 1 nehmen, zusammenwerfen und rühren. Am Ende die Hälfte der Schokoflocken zärtlich in den Teig einrühren.

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Für Kuchenschicht 2 die Eiweiße steif schlagen. Puderzucker reinsieben (man kanns auch klumpig reinwerfen und zerdrücken), Haselnüsse dazu, rühren und sich dabei immer fragen, was „vorsichtig unterrühren“ in herkömmlichen Rezepten wohl meint.

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Springform ausfetten, Globsch von Kuchenschicht 1 reinwerfen, glatt streichen, Globsch von Kuchenschicht 2 reinwerfen, glatt streichen. Ganz oben drauf die übrig gebliebene Hälfte der Schokoflocken der Zutaten aus Kuchenschicht 1 auf dem Teig verstreuen. Häufchenbildung vermeiden.

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Das Ganze bei 180 Grad eine Stunde in den Ofen.

Kuchen auskühlen lassen, aus der Form nehmen und mit Puderzucker (diesmal aber wirklich sieben) bestreuen.

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Fertig!

Wer es komplizierter mag mit einer bestimmten Reihenfolge welche Zutat mit wem und so, der liest das Originalrezept.

Allen anderen: Guten Appetit.

12 von 12 im März

Ich bin seit 6.50 Uhr wach. Leider habe ich den Kindern gesagt, dass wir ausschlafen möchten und sie uns nicht vor 9.30 Uhr wecken sollen. Es ist verrückt, seit dem letzten Urlaub klappt das. Ich hab einfach eine Regel aufgestellt und sie halten sich (wenngleich immer unter Protest und mit Augen verdrehen) dran. Vor 9.30 Uhr aufzustehen, wäre jetzt natürlich fatal. Ich lese also ein wenig im Internet, dann kommentiere ich noch ein bisschen und endlich ist es 9.00 Uhr. Dann gebe ich auf und gehe in die Küche. Mein Freund versteht nicht, was so hart am Ausschlafen ist.

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Natürlich wären die Kinder schon lange verhungert. Zum Ausschlaf-Deal gehört, dass sie selbst bis mindestens 8.00 Uhr in ihrem Zimmer bleiben und dann Schoko-Müsli essen dürfen. Erziehung durch Bestechung heißt das, glaube ich.

Es gibt bei uns fast nie süßes Frühstück. Keine Marmelade und allerhöchstens am Wochenende sowas wie Nuss-Nougat-Creme. Ich rede mir ein, dass das deswegen OK ist.

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Dann stehe ich mit meinem Freund auf. Wir frühstücken erstmal. Meine Frühstückskultur hat sich durch das Internet total verändert. Früher gabs eine lieblose Stulle und fertig. Durch die ganzen Fotos von Frühstückstischen, habe ich jetzt andere Bedürfnisse. Vor allem nach Schnickschnack. Avocado! Frische Paprika! Körnerbrötchen! Würden wir nicht gleich zu einem Brunch gehen, wäre da noch viel mehr. Und diese Schüsselchen! Ich liebe sie.

Ich bin sogar so weit, dass ich oft eine Kerze anmache. Heute nicht. Man muss ja nicht übertreiben.

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Mein Freund geht arbeiten und ich gehe mit den Kindern zu Freunden, die ein Baby erwarten. Was dort aufgetischt ist, ist irre. Diese Torte. Oft sehen Torten ja geil aus und schmecken dann nach nichts, v.a. weil alles, was Deko ist, aus Fondant besteht. Das hier ist Marzipan, mit Schokolade, Buttercreme und Himbeeren. Das schmeckt so gut, dass ich meine Obstphobie ignoriere und ohne pulen alles aufesse.

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Teil des Party „Programms“ sind Henna-Tattoos, die sich alle machen lassen können. Ich überlege schon lange, ob ich doch ein Tattoo brauche. Ein Motiv hätte ich schon – das Problem ist nur, dass ich große Angst vor allem habe, das irgendwie „für immer“ gedacht ist.

Ich bin gespannt, wie lange das hält. Die Dame, die das gemacht hat, ist wirklich sehr handfertig. Ich bewundere solche Talente.

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Auf der Party war es total entspannt. Ich bin dort sehr gerne. Alles unhektisch, irgendwie kuschlig und es gibt hervorragenden Kaffee. Was kann man mehr wollen? Die Kinder sind ebenfalls sehr, sehr gerne dort. Auf dem Weg nach Hause schlagen sie mir vor, dass ich einfach alles in unserer Wohnung mache, wie es bei unseren Freunden ist. Ich könnte ja fragen, wie es geht. SO schwer ist das bestimmt nicht.

Ich würde den Tag gerne gemütlich ausklingen lassen – nur leider habe ich es die letzten beiden Wochen vor Arbeit und kranken Kindern nicht geschafft, den Lieferdienst rechtzeitig zu beauftragen.

Wir fahren mit der Tram zum Freund, der dann mit uns gemeinsam einkaufen geht.

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Im Einkaufsland ist alles wie Mordor. Ich bin schlecht gelaunt, meine Kinder sind schlecht gelaunt, die Regale verstecken die Artikel, die wir eigentlich kaufen wollen. Hass. Hass. Hass.

Der Lieferdienst ist wirklich jeden Cent wert. Ich weiß, das ist großer Luxus, aber es ist echt irre, was das an Stress spart. Abends am Rechner eine Einkaufsliste durchzuklicken, ist eben was anderes als mit zwei Kindern durch absurd riesige Supermärkte zu irren, genervt an Kassen zu stehen und den ganzen Mist dann nach Hause in den 4. Stock ohne Aufzug zu schleppen. Ich bin so sauer auf mich, dass ich es diesmal nicht auf die Reihe bekommen habe.

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Draußen dann wieder eine „Hunde-Situation“. Im Moment bin ich total abgenervt von rücksichtslosen HundebesitzerInnen. Ich verstehe es nicht. Dieses auf Straßen kacken lassen – in Parkanlagen frei rumlaufen lassen – zur Krönung auf Spielplätze scheißen lassen und wie hier – mit langer Leine in den Eingang stellen.

Ich habe da schlimme Fantasien, was ich gerne alles machen würde. Dann denke ich an den Film Muxmäuschenstill und atme tief durch.

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Mein Freund hat wohl gemerkt, dass ich GRROOAAARRRRR ein bisschen genervt bin. Statt selbst kochen, schlägt er Burger essen gehen vor. Nach einigem Abwägen, entscheide ich mich für YOLO.

Im Burgerladen dann: kein Platz.

Also Pizza! Im Pizzaladen: kein Platz!

GEHEN WIR HALT GOTTVERDAMMTE FLAMMKUCHEN ESSEN.

Und dann geschieht ein Wunder: Wir bekommen einen Platz und das Essen ist wirklich sehr, sehr gut. Die Kinder essen alles auf. Wir lassen der Köchin unsere Glückwünsche übermitteln. Mein Flammkuchen mit Ziegenkäse, Cocktailtomaten und Oliven, sowie einem Hauch von Rucola, ist ebenfalls hervorragend.

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Kind 3.0 ist sehr zappelig und steht unterm Essen immer wieder auf, um zu tanzen. Wie ermahnen abwechselnd wie ein Metronom (30 BPM): „Hinsetzen – leise – hinsetzen – leise“

Mein Freund bekommt dabei eine weitere Einsicht in die Elternschaft:

Wir entscheiden uns (natürlich) für Nachtisch.

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Die Kinder wünschen sich statt Geschichte vorlesen, Trailer für Kinderfilme anschauen. Über Zoomania und Pets müssen wir sehr lachen. Dann kuscheln wir noch und die Kinder schlafen ein.

Es ist für mich ein Ritual geworden, abends noch eine Tasse Tee zu trinken. Ich fürchte, ich besitze so 20 Sorten Tee und trinke dann doch fast immer den selben.

Interessant finde ich übrigens, dass viel über überteuerten Kaffee geschimpft wird und kaum über bekloppt teuren Tee. Der Tee aus dem Bio-Laden kostet pro Tasse rund 18 Cent.

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Den Rest des Abends schauen wir Serien. Aktuell Limitless und neu Lucifer, einer Neil Gaiman Verfilmung, deren Pilot ganz unterhaltend ist. It’s all very British.

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Christine Finke: Allein, alleiner, alleinerziehend

Vor einigen Tagen habe ich ein Rezensionsexemplar von Christine Finke’s „Allein, alleiner, alleinerziehend: Wie die Gesellschaft uns verrät und unsere Kinder im Stich lässt“ (Amazon Werbelink) erhalten und ein Bild davon auf instagram gepostet. Innerhalb weniger Minuten hatte ich zwei Kommentare darunter, die inhaltlich so etwas sagten wie: „Orrr, jetzt hat die auch noch ein Buch geschrieben. Die nervt mit ihrem Gejammer doch schon auf Twitter.“

Das hat mich wütend gemacht und ich hab nach einigem Hin- und Herüberlegen die Kommentare einfach gelöscht, statt darauf zu antworten.

Am Abend darauf habe ich das Buch gelesen. Nach den ersten 80 Seiten habe ich (weil es schon spät war) das Buch beiseite gelegt. Es ist ein ehrliches, sehr persönliches und informatives Buch, das sich zudem gut liest, weil Christine einfach gut schreibt. Das weiß man eigentlich schon, wenn man ihren Blog Mama arbeitet regelmäßig liest.

Und ja, es ist teilweise schmerzhaft zu lesen, was Christine erlebt hat und noch erlebt.

Ich habe mich an vielen Stellen stark identifizieren können. Ich versuche mich zu dem Thema in der Öffentlichkeit zurück zu halten und würde auch nicht sagen, dass ich zu den Alleinerziehenden gehöre, aber zumindest betreffen mich einige Themen auch seit meiner Trennung vor zwei Jahren.

Ich kenne zumindest die Erschöpfung, die man erreichen kann, wenn man die Hauptverantwortung für mehrere Kinder hat und nebenher arbeiten geht.

Ich kenne auch die Kommentare, die man sich anhören darf, wenn man sich trennt. Von „Hast du nicht an die Kinder gedacht“ bis hin zu „Eigentlich hattest du es doch gut, was willst du denn noch?“.

Einige meiner Freundinnen sind wirklich alleinerziehend und zwar im Sinne von: Sie haben die Kinder zu 100%, die Väter melden sich nicht mal zum Geburtstag. Und sie bekommen keinen Unterhalt. Wie sie den Alltag meistern, was sie auf sich nehmen (müssen), es lässt mich oft sprachlos zurück. Ich habe mir schon oft beim Zuhören gedacht, ich würde einfach zusammenbrechen.

Zurück zum Buch: All das schildert Christine und sie geht auch auf andere Modelle ein. Sie geht auf persönliche Umstände ein, nimmt die Perspektive der Kinder ein, schildert die wirtschaftliche Situation, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und zeigt, was politisch alles noch getan werden muss.

Das Buch ist eine gute (und in meinen Augen sehr mutige) Mischung aus persönlichen Erfahrungen und Sachinformationen.

Und plötzlich verstehe ich die Ablehnung der Kommentatorinnen auf instagram. Sie haben Angst. Sie haben Angst sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Weil wenn sie es täten, dann würden sie verstehen, dass wir alle verantwortlich sind, wie es Alleinerziehenden in Deutschland geht. Dann kann man sich nicht einfach zurücklehnen und sagen: „Alles fein, mir gehts gut. Was habt ihr denn?“

Also stößt man weg, was einen darauf aufmerksam macht, dass es in diesem Bereich noch große Probleme gibt. Nur leider ist das Realität und es gehört zur gesellschaftlichen und persönlichen Verantwortung sich mit all diesen Themen auseinanderzusetzen: Mit den Alleinerziehenden, mit der Kinderbetreuungssituation im Allgemeinen, mit Armut, mit den gesellschaftlichen Normen, mit der Diskriminierung von Alleinerziehenden bei der Arbeitssuche, am Arbeitsplatz selbst, mit all dem! Das ist natürlich schmerzhaft.

Deswegen ist es auch viel einfacher zu sagen: „Geh mir weg damit. Ich will davon nichts hören!“

Ich hingegen lege allen ans Herz das Buch zu lesen und sich damit auseinanderzusetzen und sich die Frage zu stellen, an welcher Stelle man vielleicht helfen kann. Im Kleinen… vielleicht mal ein Kind mit von der Schule oder dem Kindergarten abholen, an Schließtagen ein Kind mitbetreuen, helfen die Sozialkontakte aufrecht zu erhalten, indem man fragt, ob man abends zu Besuch kommen kann (und was mitbringt), statt sich in Kneipen zu verabreden, doofe KollegInnensprüche („Typisch, jetzt ist da wieder das Kind krank!“ oder „Die macht doch auch ständig nur Homeoffice, oder?“) gegenkommentieren. Es gibt einiges, bei dem man helfen kann und v.a. einfach machen. Nicht fragen, ob man vielleicht helfen kann und die Alleinerziehenden in ständige Bittstellerposition bringen – sondern einfach machen.

Meine Erziehungsnemesis

Ich erinnere mich an ein Entwicklungsgespräch im Kindergarten.

Erzieherin: „Hast du noch Fragen?“
Ich: „Ja, äh also, wie ist das bei euch mit dem Essen?“
Erzieherin: „Was meinst du?“
Ich: „Bleibt Kind 2.0 bei euch sitzen?“
*hysterisches Auflachen*

Dann erinnere ich mich an ein weiteres Entwicklungsgespräch im Kindergarten.

Erzieherin: „Hast du noch Fragen?“
Ich: „Ja, äh also, wie ist das bei euch mit dem Essen?“
Erzieherin: „Was meinst du?“
Ich: „Bleibt Kind 3.0 bei euch sitzen?“
*resigniertes Abwinken*

Diese beiden Dialoge fassen unsere gemeinsamen Mahlzeiten eigentlich ganz gut zusammen.

Egal ob Frühstück, Mittagessen oder Abendessen – es ist furchtbar. In meiner naiv romantischen Vorstellung dachte ich, gemeinsame Essen finden so statt: Wir setzen uns alle an den Tisch. Wir nehmen das Besteck in die Hand und essen. Während wir essen, erzählen wir uns vom Tag, wir lachen, gießen uns Saftschorle nach und am Ende lehnen wir uns zurück und plaudern noch ein bisschen mehr. Wir sind alle ganz entspannt.

Werbefernsehromantik, ja, ja. Ich bin wieder drauf reingefallen. Werbefernsehen hat mir eine unrealistische Vorstellung davon vermittelt, wie mein Leben mit Kindern sein könnte.

In Wirklichkeit sieht es so aus: Ich habe bis nachmittags gearbeitet, hole Kind 3.0 vom Kindergarten ab, wir gehen schnell einkaufen. Es ist 17.15 Uhr. Wir kommen zuhause an. Kind 2.0 ist schon da und mich überschwappt eine Welle heuteinderSchuldeunddieAnnahatdannnochaberdahatdannderTimblblblblblblbl schwaaahhhblablablabalbalbalblubblu.

Ich bin müde, total erschöpft, ich will eigentlich nur eines: meine Ruhe.

Ich packe die Einkäufe weg. Kind 3.0 hat jetzt auch was zu erzählen. Ohne Punkt und Komma. Es fällt mir schwer zuzuhören. Ich höre graues Rauschen wie Jen bei der IT Crowd wenn Moss etwas Technisches erklärt.

Ich fange an zu kochen. Die Kinder „spielen“ derweil im Kinderzimmer.

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Mit letzter Kraft schleppe ich mich an den Wohnzimmertisch und rufe „Essen ist fertig!“.

Die Kinder kommen. Kind 3.0 greift mit den Händen ins Essen.

Ich: „Kannst du bitte Besteck benutzen?“

Kind 3.0 verdreht die Augen. Kind 2.0: „Jetzt nimm das Messer, ey!“

Kind 3.0: „Du sollst nisch über misch bestimmen!“

Ich: „Richtig, aber bitte benutz doch das Besteck, Kind 3.0!“

Kind 3.0 wirft wütend die Hand voll Kartoffelpürree, die es gerade aufgenommen hat auf den Teller zurück. SCHLOZ. Soße spritzt auf den Tisch. Kind 3.0 steht auf und stempelt mit den vollgesabberten Händen folgende Gegenstände: Tisch, Stuhl, Türgriff Wohnzimmer, Türrahmen Wohnzimmer, Türgriff Küche, Türrahmen Küche, Ablage Küche, Spüle, unerklärlicherweise Wand, wieder Türgriff Küche, Türrahmen Küche, Türgriff Wohnzimmer, Türrahmen Wohnzimmer, Stuhl, Tisch.

Es „wischt“ die Soße auf.

In der Zwischenzeit hat Kind 2.0 das Essen aus dem Mund fallen lassen: „Ist ja ekelhaft. Ist das wieder so ein komisches vegetarisches Zeug?“

Ich: „Wollte ich mal ausprobieren.“

Kind 2.0: „Ich esse Jogurt!“

Kind 3.0: „Isch auch.“

Ich bin zu schwach Widerstand zu leisten. Jogurt wird geholt. Kind 3.0 ist derweil verloren gegangen.

Ich rufe: „Kind 3.0, bist du fertig mit dem Essen?“

Kind 3.0 aus der Ferne: „Neeee!“

Kind 2.0 fängt an zu singen.

Ich: „Nicht singen am Tisch!“

Kind 3.0 erscheint im Türrahmen und singt mit.

Ich nicke kurz ein. Als ich aufwache, hat Kind 3.0 die Füße auf dem Tisch abgelegt. Kind 2.0 übt Capoeira-Tritte. Eine Flasche Wasser segelt an mir vorbei.

Ich: „Bitte! Könnt ihr bitte leiser sein und normal essen?“

Ich atme durch. Ich zähle langsam im Geiste bis zehn. Ich reiße mich zusammen und frage in meiner lieblichsten Stimme: „Na, wie war es denn in der Schule?“

Kind 2.0: *murmelmurmel*

Kind 3.0: „Also im Kindergarten, da war der Robert und der Robert <insert 20 minütigen Monolog.>“

Kind 2.0: „ICH WILL AUCH MAL WAS SAGEN!“

Kind 3.0: „ABER ICH REDE!!!“

Kind 2.0: „ABER DU HÖRST JA NIE AUF.“

*Gerangel* *Stühle fallen um*

Die Kinder stehen auf.

Ich sitze alleine am Tisch. Einsam und alleine. Alles ist vollgeschmiert.

Ich: „Räumt ihr bitte ab?“

Kind 3.0: „DAS IST SKLAVEREI!“

Kind 2.0: „IMMER MUSS ICH ALLES ALLEINE MACHEN!!!1“

Tagein, tagaus, wochentags, wochenends. Immerzu. Immerzu.

Das gemeinsame Essen ist meine Erziehungsnemesis*. Völliges Versagen. Alles falsch gemacht. Täglich scheitere ich daran. Ich stehe auf, setze mich an meinen Rechner und schaue mir auf YouTube Clips glücklicher Familien beim Essen an.

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*Dafür schlafen meine Kinder immer um 20 Uhr. Immer. IMMER!

„Schmusen“

Ich verband mit dem Wort „Schmusen“ immer eine Gewisse Zärtlichkeit. Stimmt ja auch, wenn man das Wort nachschlägt, steht da „sich zärtlich berühren“. Auch die Synonyme lassen auf einen sanften Kontext schließen: kraulen; liebkosen; kuscheln; tätscheln; ei, ei machen (umgangssprachlich); streicheln; schmiegen; herzen.

2006 änderte sich meine Vorstellung von schmusen schlagartig. (Haha! Schlagartig passt so gut in diesem Zusammenhang!)

2006 lernte ich nämlich das damals fast dreijährige Kind 1.0 kennen. Schmusen wurde zu irgendwas mit Knien.

Wenn ein Kleinkind (im Grunde zieht sich das bis ins Grundschulalter) „schmusen“ möchte, zieht sich mein Körper instinktiv zusammen. Kinn an die Brust, Bauchmuskeln anspannen, der Körper bildet ein C. Arme schützend überkreuzen, am besten einrollen, Augen zur Sicherheit schließen, totstellen. Nach einigen Jahren mit Kindern, kann nicht mehr anders. Es ist ein Reflex geworden. Auch wenn meine Vorstellung nach wie vor unerschütterlich romantisch ist. Ich falle nämlich immer wieder auf den Schmusewunsch der Kinder rein.

Vielleicht bin ich nur ein bedauerlicher Einzelfall – aber bei meinen kleinen Kindern bedeutet schmusen in der Regel mit den Knien voraus auf einen springen. Das ist nicht unbedingt angenehm. 20 kg (+) beschleunigte Masse mit zwei spitzen Knien voraus. LKW-Fahrer, die sich mit dem Thema „Ladung angemessen sichern“ beschäftigen, werden die zu erwartenden Schmerzen sogar exakt ausrechnen können.

Ich hab leider in Physik nicht so gut aufgepasst, sonst könnte ich es nachrechnen, aber meine Recherchen ergaben: Ein 40kg schwerer Hund, der mit 50 km/h auf einen draufspringt, entwickelt eine kinetische Energie von 3,8 Tonnen. Kann man das einfach halbieren, wenn das Kind 20 kg wiegt? Und äh nur mit 10 km/h auf einen springt?

Im Grunde ist die physikalische Korrektheit an dieser Stelle auch völlig egal. Ob nun eine halbe Tonne oder eine ganze… es tut furchtbar weh. Je nach Größe des schmusebereiten Kindes und nach Geschlecht des Zubeschmusten sogar noch mehr. Ich habe in einem komplizierten Verfahren errechnet, dass das Maximum an Schmerz erreicht wird, wenn ein ca. 1,05 m großes Kind auf einen ca. 1,80 m großen, aufrecht stehenden Mann springt.

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Neben dem Besprungenwerden kennen Kleinkinder auch andere Schmusevarianten. Eine unter der ich immer wieder leide, ist die Beschmusung von unten mit dem beschleunigten Kinderkopf an das eigene Kinn.*

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Eher harmlos ist die Bekletterung im liegenden Stadium, in der das gesamte Kindesgewicht auf die Füße oder ebenfalls Knie konzentriert wird.

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Als schmusebereite Eltern durchläuft man verschiedene Phasen der Beschmusung. Unerfahrenen Eltern empfehle ich deswegen Phase I besonders intensiv zu genießen. Die Phase kommt nie wieder.

Phase 1: passives Schmusen I; Kindesalter unter 2 Jahre, Gewicht unter 20kg; das noch relativ unbewegliche Kind kann nach belieben geherzt werden.

Phase 2: aktives Schmusen I, Kindesalter über 2 Jahre, Gewicht über 20kg; die Eltern sind noch ahnungslos und empfangen die Kinder mit offenen Armen.

Phase 3: aktives Schmusen II, Kindesalter unter 7 Jahre, Gewicht unter 40kg; die Eltern haben eine Reihe sehr eindringlicher Schmuseerfahrungen gemacht und reagieren wie Gürteltiere in Gefahr, wenn das Kind schmusen möchte.

Phase 4: passives Schmusen II, Kindesalter über 7 Jahre, Gewicht über 40kg; das Kind möchte (zumindest öffentlich) nicht mehr geherzt werden (Tut den Eltern nur im Herzen weh, äußerlich keinerlei Schmerzen).

Übrigens gibt die etymologische Herkunft des Wortes werdenden Eltern eigentlich schon ausreichend Hinweise. Schmusen kommt tatsächlich von „Schmus“ – schmues – Gerüchte. Es ist nämlich nur gerüchteweise schön mit Kleinkindern zu schmusen. Das weiß man dann jedes Wochenende morgens im Bett, wenn die Kinder um 6.20 Uhr schmusen kommen. Je mehr, desto schmerzlicher.


 

*In billigen Liebesromanen soll frau angeblich in totaler Ekstase  Glocken läuten hören. Leider ist mir das noch nie widerfahren. Sehr wohl habe ich in diesem völlig unsexuellen Schmuseszenario schon öfter Sterne gesehen. Das nur am Rande.

Aufklärungsdings

Seit einigen Wochen mache ich mir Gedanken über das Thema Aufklärung bei Kindern. Ich dachte eigentlich, wir gehen in der Familie ganz offen mit allem um und die Kinder wüssten schon über alles Bescheid. In einem völlig anderen Kontext habe ich Kind 2.0 und 3.0 mal gefragt: Wisst ihr wie lange man schwanger ist?

Kind 3.0 selbstbewusst: „Na klar! Zwei Jahre!“

Kind 2.0, empört: „Entschuldigung? Elefanten sind zwei Jahre schwanger. Menschen nur vier Monate!“

Da wusste ich: Wir haben Redebedarf.

Auf Twitter hatte ich schon mal rumgefragt, ob mir jemand Hefte, Bücher, Filme, Comics empfehlen kann. Ich selbst hatte als Kind in den 80ern „Peter, Ida und Minimum.“ (Amazon Webelink). Ganz vorne gab es eine Doppelseite gezeichneter nackter Menschen, die man von vorne und hinten sah. Frauen und Männer, Kinder in groß, klein, dick, dünn. Das fand ich als Kind toll. Ich hab mir diese Seiten lange angeschaut und war fasziniert, dass es große Brüste gab und kleine, dicke Bäuche, flache Bäuche, runde Popos, faltige Popos – eben Vielfalt.

Der Rest des Comics war eher so naja. Die Mutter ist z.B. ständig entnervt, während der Vater abwinkt: So sind sie die Schwangeren.

Als Leserin von Krachbumm (tolle Seite, abonniert außerdem den Newsletter!), hatte ich zudem eine (späte) Erleuchtung. Aufklärung bezieht sich meistens nur auf den Fortpflanzungsakt. Mir ist wirklich noch nie ein Aufklärungsbuch in die Hand gekommen, in der es auch darum ging, dass Sex Spaß macht.

Das ist auch der Grund warum mich das Thema als Kind dann nicht interessiert hat. Ich wußte ja wie Babys entstehen und da Babys für die nächsten zwanzig (mindestens) Jahre keine Rolle spielen würden, war das Thema Sexualität für mich abgehakt.

Aus heutiger Perspektive erscheint mir das wirklich total seltsam. Warum läuft Aufklärung so ab? Warum tut man so, als ginge es bei Sex ausschließlich um Fortpflanzung? Auf meine persönliche Erfahrung zurückblickend ist das Verhältnis Fortpflanzung zu Spaß doch ein eher anderes.

Das mal so nebenbei. Ich finde ein ordentliches Aufklärungsbuch darf gerne auch von Wohlgefühlen und Spaß sprechen…

In der Grundschule von Kind 2.0 gibt es nun Sexualkunde und in diesem Zusammenhang wird der Film „Wo komme ich eigentlich her?“ geschaut. Der Film entstand 1985. Mein Kind wird also in der Schule mit einem Film aufgeklärt, der älter als 20 Jahre ist.

Eine Mutter, die den Film gesehen hat, berichtete ausserdem von anderen Szenen, die ich in Anbetracht der (z.B.) aktuellen Stilldebatte für wirklich fragwürdig halte.

Gegner des öffentlichen Stillens argumentieren ja viel über die Nacktheit und die „übergriffige“ Intimität der sie ausgesetzt sind, wenn Frauen ihre „Brüste auspacken“.

Ein sehr schöner Artikel zum demonstrativen Stillen übrigens bei unangespießt:

„Nun hat sie ihre Brust befreit, doch statt endlich das heulende Kind daran zu klemmen, hält sie es noch hoch, quatscht es voll und dreht es noch fünfmal hin und her, bevor sie endlich die anscheinend richtige Positon gefunden hat. Schließlich tritt Ruhe ein, aber nein! In die Stille hinein fängt diese Frau an zu erläutern: “Stillen ist ja das Beste! Bis zur Einschulung werde ich mein Kind mindestens stillen! Sehen Sie, wie prall meine Brüste  sind? Damit könnte ich eine Fußballmannschaft ernähren!”

Und das ist es genau! In der Regel sieht man weder nackte Brust noch ist der stillenden Frau daran gelegen auffällig und provokant zu stillen.

Im Film sieht das so aus:

stillen

(Klick aufs Bild, springt zu der Stelle im Film, Tipp für die Nerven, Ton weglassen)

Eine Frau sitzt unangeschnallt auf der Rückbank eines Autos, packt beide Brüste aus und stillt so wie man das da sehen kann: beide Brüste ausgepackt. Danach packt sie auch erstmal nicht mehr ein.

WTF?

Das wird dann ggf. Kindern gezeigt, die zuhause noch nie gesehen haben, wie gestillt wird und die ohnehin im Kicher-Alter sind.

Das lässt mich wieder zu der Frage kommen: Habt ihr Tipps für gute Aufklärungsbücher, Comics, Filme? Wie macht ihr das zuhause?

Vorhanden sind „Wie sag ich’s meinem Kind?„, Make Love (Amazon Webelink) und Klär mich auf (Amazon Webelink).