Drei Links

Drei Links, die nichts miteinander zu tun haben, die ich dennoch gerne teilen möchte.

iMom

Der Kurzfilm iMom hat keine überraschende Handlung, ist dennoch sehenswert.

The iMom from Ariel Martin on Vimeo.

Kinder auf Konzerten

Der Text „Ein Plädoyer dafür Kinder zu Konzerten mitzunehmen“ hat mir sehr gefallen.

Dabei suche ich nicht nach Ereignissen die inhaltlich auf Kinder ausgerichtet sind, sondern wähle vor Allem Veranstaltungen, die zu (relativ) kinderfreundlichen Zeiten stattfinden. So waren meine großen Kinder in den letzten Jahren auf einem schwedischen Chorkonzert, bei einer norwegischen Veteranen-Blaskapelle, isländischem Vokal-Jazz, diversen Konzerten mit klassischer Musik, bei norwegischen Volksmusikgruppen, schwedischer Balkanmusik und bei dem fulminanten Konzert einer isländischen post-rock Band (in einer Kirche).

Ich handhabe das ähnlich. Ich glaube, das hat dazu geführt, dass ich mich z.B. durch die Geburt meiner Kinder nie so richtig eingeschränkt gefühlt habe, weil ich sie immer gerne mit zu allen möglichen Veranstaltungen nehme, die mich interessieren. Im ersten Lebensjahr z.B. habe ich mir eine Jahreskarte für die Berliner Museen gekauft und bin mindestens einmal in der Woche ins Museum. Ich habe die Kinder auch mit in Ausstellungen aller Art genommen (z.B. die Pictoplasma, das Festival der singenden Balkone, die re.publica, den Chaos Communication Congress uvw.).

Wertschätzung statt Druck

Manchmal sind es sehr einfache, kleine Ideen, die einem das Herz erwärmen. Zum Beispiel eine Lehrerin, die ihre SchülerInnen ermutigt.

Nimms doch mit Humor!

Mir persönlich bleibt ab einem gewissen Hassgrad bei Kommentaren der Humor im Hals stecken.

Direkt nach der re:publica fand die blogfamilia statt. Mir hat die blogfamilia sehr gut gefallen. Zum einen, weil sie perfekt organisiert war und zum anderen weil es keine parallelen Vorträge gab. Das überfordert mich während der re:publica regelmäßig.

Ich fand es sehr angenehm zu entscheiden – höre ich mir das an – oder gehe ich zu den anderen Müttern bzw. sehr raren Vätern und trinke mit denen einen Kaffee.

Die Vorträge, zu denen ich versucht habe ein bisschen mitzuschreibmalen, waren alle sehr informativ und kurzweilig.

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Am Ende des Abends gab es noch eine Podiumsdiskussion zum Thema Hatespeech, die mir dann doch ein wenig Blutdruck gemacht hat.

Ich kenne die genaue Definition von Hatespeech nicht. Ich stelle mir eher so eine Art Kontinuum in Sachen Kommentare vor. Von freundlich über pöbelnd, Tendenz zum trollen bis man schließlich bei Hatespeech ankommt.

Müsste ich raten, würde ich denken, dass Hatespeech auch an bestimmte typische Themen gebunden ist: Feminismus, Rassismus, Inklusion…

Über das Ausmaß der Grausamkeit der Kommentare hatte ich mir nie so richtig Gedanken gemacht – bis Anne Wizorek  2013 auf der re:publica einige Hasskommentare vorgelesen hat. Die Kommentare haben mir das Blut in den Adern gefrieren lassen und irgendwann die Tränen in die Augen getrieben (und ich möchte behaupten, ich bin wirklich nicht zimperlich).

Mareice Kaiser, die auf der blogfamilia u.a. mit Nicole von Horst zu dem Thema auf der Bühne saß, hat ebenfalls einige Kommentare vorgelesen.

Diese Kommentare gehen mir sehr nah. Sie gehen mir nah auch wenn ich nichts mit dem Thema zu tun hab, weil sie die Abscheulichkeit einiger Menschen zeigt. Unerträglich wird es, wenn es dann ums eigene Kind geht, was in Mareices Beispielen der Fall war.

Man möchte schreien und bleibt gleichzeitig fassungslos.

Die Podiumsdiskussion wurde schnell zu einer Publikumsdiskussion, als es darum ging, was man denn gegen diese Art Kommentare tun könnte.

Es wurde mehrere Male auf das Social Media Team der Welt verwiesen, die wohl beispielhaft seien, für eine bestimmte Art humorvoll auf pöbelnde Kommentare zu antworten (Ich lese die Welt nicht).

Es ging also immer um den Punkt: Wenn sowas kommt, dann nimm dem doch mit Humor den Wind aus den Segeln.

Ich möchte niemanden persönlich angreifen. Dennoch haben mir diese Art Ratschläge wirklich Bauchschmerzen gemacht. Mein erster Gedanke war: Natürlich, wenn man über neutrale, unpolarisierende Themen schreibt, dann bekommt man schlimmstenfalls Pöbelei ab. Ich blogge ein Kuchenrezept. Irgendwer kommentiert völlig unqualifiziert, dass das ein Kackkuchen ist. Das kann auch verletzen, schließlich hat man sich Mühe gemacht, man wollte mit dem Kuchen jemanden eine Freude bereiten, statt Wertschätzung ernte ich doofe Kommentare von Menschen, die womöglich neidisch sind, vielleicht sind sie auch einfach nur schlecht gelaunt oder frustriert.

Ich denke aber, es geht bei Hasskommentaren um etwas ganz anderes. Es handelt sich um eine völlig andere Qualität. Das ist wie Brötchenmesser und Axt.

Mir fehlt jedes Verständnis und auch jeder Humor, wenn ich (sinngemäß) sowas höre wie „Warum hast du dieses Kind geboren? Wann stirbt es endlich? Das liegt doch dem Steuerzahler auf der Tasche.“

Deswegen glaube ich auch, dass auch andere irgendwann keinen Humor mehr haben, dass es Grenzen gibt, dass es so persönlich wird, dass man auf Dauer verhärtet.

Ich habe mir bereits Gedanken zu dem Thema gemacht und versucht eine Liste zu erstellen, was man gegen diese Anfeindungen tun kann (auch oder gerade wenn man nicht selbst betroffen ist).

Ein Punkt, in dem es um eine bestimmte Art von Solidarität ging, wurde stark diskutiert

Wenn ihr mal nicht der Meinung bestimmter Menschen, die permanent Angriffen ausgesetzt sind, seid: sagt einfach nichts. Keine zusätzliche Kohlen ins Feuer werfen, wenn es nicht unbedingt sein muss. Dieser Punkt mag einige empören, aber ganz ehrlich: manchmal lohnt es sich Nutzen und Kosten abzuwägen und darüber nachzudenken auf wessen Kosten etwas geht und jemanden, der ohnehin schon ständigen Angriffen ausgesetzt ist, nicht noch zusätzlich zu schwächen. Ich finde es verständlich, dass Menschen, die ständigen Attacken ausgesetzt sind nicht immer die differenziertesten Dinge von sich geben. Deswegen seis drum. Einfach mal nichts sagen.

Dieser Punkt ist mir wieder eingefallen und ich finde ihn aktuell und nach wie vor richtig.

Ich glaube, dass bestimmte Menschen bestimmten Hasstiraden so dauerhaft ausgesetzt sind, dass sie irgendwann ihre Differenzierungsfähigkeit und ihren Glauben an das Gute verlieren. Sie hören dann irgendwann schlimmstenfalls Angriffe, wo vereinzelt vielleicht keine sind. Kübra Gümüsay berichtet im Ansatz von diesen Effekten, die sie und andere erleiden, weil sie im permanenten Kreuzfeuer stehen.

Nochmal auf die Kommentare zurück zu kommen. Immer wenn ich über bestimmte Themen blogge und da Personen erwähne, die sich im Internet für dieses Thema stark machen, habe ich sofort eine völlig andere Qualität von Kommentaren im Blog. Es ist als zögen diese Menschen einen Schwanz von Hassorks hinter sich her. In dem Fall steht dann auch außer Zweifel um welche Art Kommentare es sich handelt. Es geht dann nicht mehr um falsch verstandene Kritik oder ähnliches. Es geht da zweifelsfrei um bösartige Angriffe.

Ich habe mich entschieden diese Kommentare gar nicht erst frei zu geben, denn sie reproduzieren nur das worüber die Menschen berichten, die Hasskommentare aushalten müssen.

Man könnte einfach immer q.e.d. drunter schreiben. Ich schwöre, ich muss nach Veröffentlichung eines solchen Blogbeitrags keine fünf Minuten warten und schon habe ich was in der Moderationsschleife.

Es ist einfach nur ekelhaft und meine Solidarität gilt den Menschen, die solchen Anfeindungen ausgesetzt sind und deswegen schnellt mein Blutdruck auch in die Höhe, wenn ich Ratschläge höre, dass man doch bitte gelassen bleibt und sich eine witzige Erwiderung ausdenkt.

Im Idealfall mag das helfen. Aber woher sollen diese Menschen die Kraft dafür nehmen? Es geht ja nicht um Einzelfälle, um einen Kommentar alle drei Monate. Es geht um deren Alltag. Und diese Kommentare haben sehr oft einen sehr persönlichen Bezug.

Meinen Ohren tun diese gut gemeinten Ratschläge leider weh. Ich glaube, es reicht nicht zu sagen: Nimms mit Humor. Wir müssen diesen Menschen beistehen, wir müssen uns solidarisieren, klar Position beziehen und gegenreden und ermutigen*.


*An dieser Stelle nochmal öffentlich vielen Dank an Anna Berlinmittemom, die für mich in Sachen Ermutigung und Beistand wirklich Vorbildcharakter hat. Es war so gut, dass du in der Diskussion was gesagt hast als niemand mehr was sagen konnte!



Nachträgliche Ergänzungen, mit Dank an Katrin Rönicke

Carolin Emcke: „Den Hass schüren die, die sich von ihm einen Gewinn versprechen“ von Lisa Hegemann

Carolin Emcke verdeutlicht in ihrem Vortrag aber auch, dass Hass nicht nur von denen gesät wird, die laut schreien […]. Sie redet auch über die Nicht-Einschreitenden, die Mitläufer. […]

Aber sie nimmt auch diejenigen in die Pflicht, die nicht auf der Straße stehen und schreien oder einfach nur beobachten. „Den Hass schüren die, die sich von ihm Gewinn versprechen“, sagt sie. Sie redet von Bestseller-Autoren, von TV-Shows und Einschaltquoten, von Grundsatzprogrammen einiger Parteien. „Sie alle mögen sich distanzieren, aber sie wissen den Hass für sich ökonomisch zu nutzen“, so Emcke. Und dann sagt sie: „Sie hassen nicht selbst, sie lassen hassen.“

Ruhe im Karton! von Katrin Rönike

Beide Hater-Strategien sind zigfach im Netz dokumentiert, und es gibt nur eine richtige Art, damit umzugehen: löschen, blockieren, muten(ausblenden), und wenn all diese Funktionen nicht zur Verfügung stehen – ignorieren.

Das geht an alle Muttis

Und für die Kinder auch noch einen Clip. Schaut euch den an und das sage ich jetzt zum aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-aller-letzten Mal!

Über die Privatheit von Familienblogs

Auf der #denkst Familienbloggerkonferenz habe ich mit nur 54 Folien einen Vortrag zum Thema „Über die Privatheit von Familienblogs und die Frage: gehört das wirklich ins Netz?“ „Kinderfotos gehören ins Netz!“* gehalten.

Tweets dazu gibt es bei Twitter mit dem Hashtag #privatheit und #denkst.

*Zu meinem eigenen Erstaunen, hat sich meine Haltung zur Frage des Postens von Kinderfotos im Netz durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema im Vergleich zum Vorjahr deutlich gelockert. Nach der 3. Überarbeitung habe ich den Vortragstitel geändert und die Inhalte entsprechend angepasst. Ich erwarte nun freudig die hitzige Diskussion.

Im Schwerpunkt habe ich mich mit Kinderfotos beschäftigt – bin am Ende aber noch auf die Frage der Texte über Kinder eingegangen.

Bevor ich überhaupt über die Argumente für und gegen das Posten von Kinderfotos gesprochen habe, habe ich mir ein paar Gedanken zu der motivationalen Lage gemacht.

Wir posten Fotos denn:

  • ­Bilder schaffen Nähe
  • ­Bilder sagen mehr als 1000 Worte
  • ­wir können den Moment festhalten
  • ­Freunde und Stolz teilen
  • ­mit den Bildern vermitteln wir Persönlichkeit und natürlich
  • ­erhöhen Bilder die Aufmerksamkeit bei Leserinnen und Lesern.

Wenn man sich Fotos von Kim Kardashians Sohn (2,9 Mio Likes!) anschaut, fragt man sich zu Recht: Was kann denn überhaupt das Problem sein? Wie könnte so ein niedliches Babyfoto ein Problem für irgendwen werden?

Ich stelle deswegen einige Beispiele vor, bei denen Fotos ein Problem wurden.

Es gibt z.B. ein niederländisches Aktionistenduo (Ellen Bijsterbosch und Tijmen Schep), die aus fremden Kinderfotos, die von Eltern bei flickr unter einer CC Lizenz eingestellt wurden, einen Tassenshop gemacht haben.

Ähnlich unschön ist es, wenn eigene Bilder auf einer viel geteilten Buzzfeed-, 9GAG- oder imgur-Liste landen. Wer will schon Teil auf der Liste 22 Akward Moments That Happen When You’re Bad With Kids oder 27 People Who Are Way Worse At Parenting Than You sein?

Nirvana Nevermind Cover Baby Spencer Elden ist heute 25 und muss sich immer noch anhören, dass er „the guy with the small penis“ ist. Das Album wurde bis heute 26 Mio verkauft…

Auch können Fotos total aus dem Kontext gerissen werden und unabhängig von den Nutzungsrechten missbraucht werden. Jüngstes Beispiel ist das blonde Kind in einer Runde indischer Kinder, das u.a. Steinbach dazu benutzt hat, um Ängste gegen Überfremdung zu schüren.

Schwarzseherisch kann man jetzt sagen: Alles, was ins Netz gestellt wird, kann potentiell missbraucht werden.

Das einzige, was außerdem gegen die GesichtserkennungsalgorithmenFacebook Profiling und Corporate data mining hilft, ist in letzter Konsequenz gar keine Fotos zu postenNetzwerke sind Wirtschaftsunternehmen, die am Ende immer das Ziel haben Profit zu machen. Es werden in der Regel riesige Datenmengen gesammelt und weiterverwertet (zB um auf den User abgestimmte Werbung zu schalten).

Netzwerke haben immer wieder Probleme die Sicherheit der personenbezognen Daten zu gewährleisten. Egal wie die Benutzereinstellungen sind, es gibt keine 100% Sicherheit, dass Daten nicht abhanden und ggf. missbraucht werden können.

Natürlich gibt es auch Fälle, in denen Kinderfotos Gutes bewirkt haben. Der Junge vom Success Kid Mem, Sammy Grinder, konnte z.B. 2015 über 90.000 $ crowdfunden, weil sein Vater Geld für eine Nierenplantation benötigte.

Ist das am nur die Ausnahme der Ausnahme? Will man wirklich keinerlei Risiken eingehen, bleibt weiterhin als letzte Konsequenz keine Kinderfotos im Netz zu posten.

ABER: Soll das Internet wirklich ein kinderfreier Raum werden?

In der Kohlenstoffwelt gibt es ja schon kinderfreie Orte oder Orte, die gerne kinderfrei wären.

The Barn Rostery hat erst mit angeblichen Brandschutzmaßnahmen (Pollern im Eingang) die Kinderwagen ausgeschlossen und dann Müttern das Stillen in der Fensterfront des Cafés untersagt.

Das Hotel Esplanade in Bad Saarow ist kinderfrei und damit nur Teil einer aktuellen Entwicklung.

Zwei asiatische Airlines rühmen sich kinderfreier Zonen und am Ende kann man sich den Science-Fiction Film „Children of Men“ mal anschauen. Da leben die Menschen in einer komplett kinderfreien Welt, weil seit 18 Jahren kein Kind mehr geboren wurde. Ich spoilere nicht zu viel wenn ich verrate, dass das keine schöne Welt mehr ist.

Ob Internet oder Kohlenstoffwelt – persönlich möchte ich keine kinderfreien Orte. Ich halte nichts von Exklusion. Deswegen habe ich mir die Argumente für das Posten von Kinderfotos mal angesehen. Ich lasse sie bewusst unkommentiert und hoffe, dass sie nicht sofort Reaktanz auslösen sondern Anlass bieten wirklich mal darüber nachzudenken, was für Kinderfotos im Netz spricht.

  • Alle machen das, das ist die Normalität

„Das Posten von Fotos im Netz ist gerade für junge Menschen so normal geworden, dass unsere Jungs uns ein paar Familienfotos der letzten Jahre, auf denen sie auch zu sehen sind, garantiert nicht vorwerfen würden.“*

Johnny Haeusler

  • Ich bin die Mutter/der Vater, ich entscheide auch andere Dinge für mein Kind, deswegen kann ich das auch entscheiden.

Das ist völlig richtig. Rechtlich gesehen können Eltern minderjähriger Kinder frei entscheiden, ob sie Bilder ins Netz stellen oder nicht. Die Kinder gelten als noch nicht einsichts- und geschäftsfähig, und das betrifft auch das Recht am eigenen Bild. Sobald das Kind die Risiken, die damit verbunden sind, selbst einschätzen kann, darf es aber mitentscheiden. Das ist in etwa im Alter von 12 bis 14 Jahren der Fall.

  • Ja, vielleicht sind die Kinder mal unzufrieden mit der Entscheidung, aber das wird in anderen Erziehungsthemen auch so sein, damit muss man leben.

„Das Kind könne ja noch nicht mal entscheiden, ob es das will, so der Tenor. Gegenfrage: Hat denn das Kind was zu sagen gehabt beim Eintritt in die Kinderkrippe?“*

Claudia Marinka

  • Gewisse Grenzen sind zu wahren – peinliche und entkleidete Fotos werden ohnehin nicht ins Netz gestellt, harmlose Fotos sind OK.
  • Das Risiko, dass „was Schlimmes“ mit den Bildern passiert, ist gering. Gemessen an der Anzahl aller hochgeladenen Bilder im Netz, ist die Anzahl der Fälle von Missbrauch verschwindend gering.
  • Bilder helfen den Alltag von Eltern zu vergleichen (Stichwort: Online-Eltern-Clan), deswegen sind sie hilfreich und gut.

„Die große Chance sozialer Medien, Kindern aus der Ausgrenzung wieder zurück in den Alltag zu holen, wird durch eine kulturhistorische Ablehnung des Bildes und paternalistische Haltung Eltern gegenüber vertan.“*

Caspar Clemens Mierau

Von Susanne Mierau stammt der Begriff des Online-Eltern-Clans. Fotos und Texte über Kinder helfen uns Teil einer Gemeinschaft zu werden. Sie helfen uns beim Austausch von Erfahrungen und Lebensrealitäten. Sie sind uns Rat und Einblick, wir teilen unsere Elternschaft dadurch und sind nicht mehr auf uns alleine gestellt. Für mich ist das neben dem Sichtbarkeitsaspekt, das wichtigste Argument für das Teilen von Fotos und Texten über Kinder.

Also: Am Ende ist die Frage gar nicht, ob oder ob nicht, sondern in welcher Art und Weise Kinderfotos im Netz gepostet werden.

Es gibt eine Menge Alternativen, wie man Fotos posten kann und trotzdem die Persönlichkeitsrechte der Kinder wahrt.

(Danke an @caschy, @heibie und @Mama arbeitet für die Beispielbilder)

Gar keine Fotos posten, kann also nicht der Weg sein. Kinder sind Teil unserer Gesellschaften und sollen deswegen auch sichtbar stattfinden.

Ein kleiner Exkurs zu behinderten Kindern: Ich wurde in den Kommentaren von einer Mutter eines behinderten Kindes darauf hingewiesen, dass die Situation hier nochmal eine besondere ist. Zum einen, weil es sein kann, dass die Kinder unabhängig vom Alter (z.B. aufgrund einer geistigen Behinderung) nie entscheiden werden können, ob sie Fotos von sich im Netz haben wollen und zum anderen weil Inklusion in der realen Welt schon so rar ist, dass das Nicht-Zeigen von behinderten Kindern das Internet zu einem weiteren Ort machen würde, der frei von Behinderungen gehalten wird.

Natürlich ist die Meinung über dieses Thema auch hier nicht bei allen die selbe.

Am Ende ist und bleibt es die eigene Entscheidung. Es gibt lediglich Entscheidungshilfen.

Zum Beispiel die Uni Basel forscht zu diesem Thema und dabei sind  zwei, wie ich finde, sehr gute und differenzierte Broschüren entstanden:
Der Entscheidungskreis für das Online-Stellen von Bildern und der Elternguide für das Online-Stellen von Fotos.

Ansonsten kann man sich durch die Tipps anderer hangeln, wie z.B. Béa Beste, die sagt:

„Better safe than sorry – aber „safe“ heißt nicht „nix machen“, es heißt „vorsichtig machen“*

Zusammengefasst hilft nur nachdenken, nachdenken, nachdenken. Und wenn die Kinder alt genug sind – einfach in die Entscheidung miteinbeziehen.

Sowie regelmäßig prüfen: Wer profitiert vom Posten der Kinderfotos? Und hier kann die Antwort eben ganz klar sein: Die Gesellschaft

Apropos Verantwortung! Bei der Frage um die Kinderfotos geht es nicht nur um das Posten sondern auch um die Frage was like ich eigentlich, was teile ich und was bewirkt das?

Da packe ich mich an die eigene Nase. Ich habe mir auch schon zweifelhafte Videos und Bilder angeschaut und gelikt oder geteilt. Ich bin dann Teil dieser viralen Verbreitung!

Es ist und bleibt also ein Lernprozess. Wir müssen den richtigen Umgang damit lernen. (Dass das geht, zeigt der Umgang mit den geleakten Promifotos. Es gibt in meiner Filterbubble nur sehr wenige Ausnahmen, die diese Fotos noch geteilt haben…)

Noch ein Wort zum Unterschied von Fotos und Texten. Texte sind für mich eher wie gemalte Bilder. Sie beschreiben etwas, geben aber kein 1 zu 1 Bild wieder. Ich glaube, es gibt auch weitere Unterschiede.

Bei Fotos ist die Usability des Missbrauchs besser. Es ist viel einfacher sie in einen anderen Kontext zu stellen, sie sind leichter zu teilen und man erreicht viel schneller eine höhere Reichweite.

Ich habe länger nach einem Beispiel eines Textes gesucht, der so wie die oben genannten Bilderbeispiele missbraucht wurde und nichts gefunden. Wer ein Beispiel kennt, möge es mir bitte sagen!

Ein guter Hinweis kam noch auf auf meine Frage: Sind Texte über Kinder im Netz was anderes als Fotos von Kindern? Wenn ja, warum?

Natürlich gibt es auch im Textbereich Beispiele von Texten über Kinder, die viele hunderttausend, vielleicht millionenfach gelesen worden sind und in diesem Zusammenhang bin auf die Bücher und Kolumnen von Jan Weiler gestoßen, der u.a. sehr erfolgreich über das Thema Pubertät schreibt.

Ich habe ihn gefragt, ob er glaubt, dass Bilder und Texte das selbe sind und wie seine Kinder sich mit seinen Texten fühlen. Er hat die Frage bejaht und klar gestellt “ [ich muss deutlich machen], dass ich keine Texte über meine Kinder veröffentliche.“ Er schreibe Texte über fiktionale Figuren. Natürlich habe er zwei Kinder, aber die hießen anders und seien anders als die Figuren seiner Geschichten. Er achte die Persönlichkeitsrechte seiner Kinder und schreibe nur über verallgemeinbare Prozesse oder Themen, niemals über individuelle Probleme seiner Kinder.

Auch würden sich seine Kinder mit den Texten wohl fühlen und kämen auch gelegentlich zu seinen Veranstaltungen.

Für mich ist das ähnlich. Meine Texte entsprechen den Fotos mit den Katzenköpfen. Sie sind ein Gemisch aus wahren und erfundenen Gegebenheiten – mir geht es um die prototypischen Situationen. Kind 1.0, 2.0, 3.0 sind Projektionsflächen – keine 1 zu 1 Darstellungen. Ich versuche immer Fokus auf mich und meine Sicht/Rolle als Mutter und dem Verarbeiten von Erlebten zu setzen.

Plus: In der Zwischenzeit sind alle Kinder in dem Alter, in dem ich Rücksprache halten kann, ob OK ist, was ich poste – was ich auch mache.

Am Ende gilt für Texte dennoch was ähnliches wie für Fotos

  • ­Wenn Peinlichkeiten enthalten sind, nicht posten.
  • Wenn die Kinder damit googelbar werden, nicht posten.
  • Wenn Persönlichkeitsrechte verletzt werden, nicht posten.

Zuletzt geht es um Respekt und Grenzen. Bei Jesper Juul habe ich zu vielen Erziehungsfragen gelesen, dass es hilft sich zu fragen: Würdet ihr das mit einem Erwachsenen/dem Partner/einer Freundin auch so machen?

Deswegen zusammenfassend: Natürlich ist es eine persönliche Entscheidung der Eltern, ob sie Bilder posten und ob sie Texte über ihre Kinder veröffentlichen. Das klingt banal, aber ich möchte das wirklich nochmal hervorheben, v.a. nachdem ich facebook Kommentare unter einem Pro Posten Artikel gelesen habe und entsetzt war.

Jede/r muss für sich regelmäßig die Haltung überdenken, denn die Rahmenbedingungen ändern sich, die Kinder ändern sich, die Welt ändert sich, man selbst ändert sich. Was in 10-15 Jahren sein wird, können wir nicht sagen: Schlimmstenfalls (in meinem Fall):

„Mama, war ich nicht süß genug oder warum hast du nie ein Foto mit Gesicht gepostet?“*

¯\_(?)_/¯

Wichtige Anregungen für meinen Vortrag kamen von:

Im Vortrag genannt als Entscheidungshilfen:

tldr:

Kinder sind Teil unserer Gesellschaft. Natürlich sollen sie auch im Internet stattfinden. Die Frage ist also nicht, OB man Kinderfotos postet oder nicht, sondern viel mehr – auf welche Art und Weise man das tun.

 


Feedback zum Vortrag und weitere Artikel zum Thema:


Weltkugelbahn: Wenn Kinderbilder im Netz Familien zusammen halten


Mama Notes: Mein Besuch auf der Elternbloggerkonferenz denkst
Mamis Blog: Denkst 2015

Kurzrezension „Mut zur Lücke, liebe Eltern“

Disclosure: Ich habe das Buch ungefragt als Rezensionsexemplar überlassen bekommen.

IMG_6807Donnerstag hatte ich einen Zettel im Briefkasten, der mich darüber informierte, dass ich doch bitte eine Büchersendung von der nächsten Postfiliale abholen möge.

Ich stellte mich also Samstag Morgen erwartungsfroh in die lange Warteschlange, um dann zu meinem Ärger ein nicht bestelltes Buch abzuholen.

Für alle Werbenden zur Info: Ich finde es nicht so prall ungefragt Dinge zugeschickt zu bekommen. V.a. dann nicht, wenn ich kostbare Lebenszeit in einer Warteschlange verbringen muss. Vielleicht einfach mal anfragen, bevor man was schickt?

Jedenfalls, zog ich das Buch aus dem Umschlag: „Mut zur Lücke, liebe Eltern!“, blätterte darin rum und schimpfte vor mich hin.

Mein Freund schaute mich ein wenig fragend an und sagte: „Ach komm! Das ist doch DEIN Thema! Wenn sie dich gefragt hätten, du hättest es genommen…“

Gut, da hat er Recht. Das muss ich zugeben. Ich bin neuerdings großer Fan davon Perfektion Perfektion sein zu lassen und sich mit soliden 80% Lösungen abzugeben.

Also lese ich doch mal rein. Als erstes natürlich beim Thema „Mut zur Lücke … beim Sex“

Das Kapitel setzt vier Eltern einen Lückentext vor, der u.a. Auskunft gibt, wie oft man im Monat mindestens Sex haben sollte und was jetzt eigentlich noch geht, wo sich der Körper doch verändert hat (Sie sehen, ich werde schon pampig… warum gibt es nichts interessanteres zu fragen als „Seit meiner Schwangerschaft hat sich mein Körper…“ JA UND?). Im Anschluss gibt ein Sexualtherapeut Auskunft über was helfen könnte.

So wie dann in jedem Kapitel kommen drei Sätze für die Tonne, die dann genau die genannten Punkte wieder aushebeln sollen (Man höre und staune, es gibt gar keine gesetzlich festgelegte Mindestanzahl für Sex pro Monat und auch wenn man nicht dünn ist, darf man weiterhin Spaß haben! *gähn*)

(Wenn ihr mich fragt: wenn das Sexualleben irgendwann mal gut war und dann durch ein Baby schlechter wird, dann hilft es z.B. sich Haushalt und Elternarbeit aufzuteilen, so dass die Frau [es sind ja seltsamerweise immer die Frauen, die plötzlich keinen Bock mehr haben] nicht jeden Tag völlig erschöpft um 20 Uhr zusammenbrechen muss…)

Gut, das Kapitel wars also nicht. Da Kind 2.0 zufällig bald Geburtstag hat, lese ich noch in „Mut zur Lücke … beim Kindergeburtstag“ rein.

Präsentiert wird das Kapitel in Form eines Märchens über die königliche Perfektionistin, die den Geburtstag der Nachwuchsprinzessin vorbereitet und durchführt.

Hach ja. Beim Begriff Prinzessin hört es bei mir ja schon auf… die Geschichte liest sich für mich wie ein einziges „Biste eben selbst schuld du olle Perfektionistin, wenn du dich auch so stresst“. Der königliche Gatte hilft beim Kindergeburtstag natürlich nicht mit sondern tritt weise und belehrend am Ende der Geschichte auf und bietet an, sich beim nächsten Geburtstag frei zu nehmen (wow!!!) und auch zu helfen (uhhhh!). Allerdings nur, wenn die olle Perfektionistin ihre Ansprüche zurückschraubt.

Waaahh!

Ok, ok. Ich lese noch schnell in „Mut zur Lücke … bei der Vereinbarung von Job und Kids“

(KIDS!)

Da bekomme ich dann diesen ultimativen Tipp:

argh

YEAH! So, so toll. Einen ganzen Tag in der Woche darf auch mal der Papa ran! Damit wird der Papa so ein Super-Daddy wie der liebe Herr Gabriel und hat sich die 7.000 Euro vom Spitzenvater-Preis verdient.

Für mich fühlt sich das alles sehr nach 50er Jahre Rollenklischees an. Die Mutter ist eigentlich diejenige, die für alles verantwortlich ist und das einzig „Moderne“ an dem Buch ist dann die Auffassung, dass frau auch mal fünfe gerade sein lassen darf oder gar den Vater in Ausnahmefällen einspannt. Verstaubter geht’s kaum.

tldr: Mut zur Lücke? Ja, bitte! Zum Beispiel beim Lesen, wenn man dieses Buch einfach auslässt.

Terminhinweis: 19. April 2016, 20 h Lesung in Hannover

Ich freue mich wirklich sehr, dass ich gemeinsam u.a. mit der wunderbaren Ninia La Grande bei den Nachtbarden in Hannover einige Geschichten aus meinem Buch und dem Blog lesen darf.

Wer Lust hat, kommt vorbei. Es gibt noch wenige Tickets.

Wann: Dienstag, 19. April 2016, 20 Uhr
Wo: Hannover, bei den Nachtbarden auf der Lesebühne im TAK

Der Alleszusammenmach-Kult

Durch meine Twitter-Timeline geisterte neulich eine Konversation einiger Menschen, die sich darüber unterhielten, wie seltsam es sei, dass manche Paare alles zusammen machen wollten.
Ich war versucht gleich zu antworten, merkte dann aber, dass 140 Zeichen ganz sicher nicht ausreichen würden, das was ich dazu sagen wollte zum Ausdruck zu bringen.

Stellen Sie sich nun vor, wie ich im Kreise meiner Enkel mit besticktem Deckchen auf dem Schoß in einem elektrischen Schaukelstuhl sitze und von früher™ berichte.

„Früher™ habe ich nämlich auch so gedacht! Was soll dieser Pärchenquatsch. Alles zusammen machen. Die Hochzeit im Standesamt anmelden? Den Kita-Gutschein im Amt? Das Kind vom Kindergarten abholen? Ineffizienter geht es wohl kaum! Womöglich noch den raren Urlaub vergeuden?“

Und wenn ich daran denke, habe ich sofort das Bild vor Augen als ich alleine im Standesamt sitze, um einen Termin für unsere Hochzeit zu bekommen und die nötigen Dokumente vorzulegen. Das Zimmer voll mit Pärchen – nur ich sitze alleine da und verdrehe innerlich die Augen. So eine sinnlose Warterei, eine langweilige Formalität, warum sollen sich da beide frei nehmen? Ist das diese LIEBE von der alle reden? So rein Kitsch.

Auch Pärchen, die ihre Kinder gemeinsam bringen und abholen. Du meine Güte! Was für ein Orgastress – oder sind die beide arbeitslos?

Bei mir ging es immer nur um Effizienz. Zeit sparen! Aufgaben verteilen! Mehr ToDos in weniger Zeit! Haken dran, weiter, Haken dran, weiter! Neuen Punkt auf die ToDo-Liste! Jetzt aber flott. Wenn man den Weg anders plant und noch eine Stunde früher aufsteht, dann schafft man noch drei weitere Punkte. Das muss jetzt aber klappen. Kind mitgeschleppt, Stulle unterwegs reingezogen, Anschlusszug erwischt, schneller, mehr!

Mit Kindern dauert es dann meiner Erfahrung nach nicht lange und man sieht sich kaum noch. Elternteil 1 macht dies, Elternteil 2 macht jenes. Nie machen beide beides und schon gar nicht gleichzeitig!

Einer verlässt morgens das Haus extra früh, der andere versorgt die Kinder und bringt sie weg. Dann kann der erste sie abholen und der zweite länger arbeiten. Abends gibt man sich dann die Klinke in die Hand. Der erste geht vielleicht aus (oder zum Elternabend). Der zweite übernimmt die Kinder.

Ich habe immer gescherzt man solle sich keinen Partner suchen, den man liebt und mit dem man gerne Zeit verbringt, schließlich sieht man sich dann nicht mehr (wenn man Kinder hat, kann man sich ohne Babysitter nicht mal verabreden, um noch miteinander auszugehen).

(Sie erinnern sich? Ich bin die Oma im E-Schaukelstuhl. Ich fuchtele jetzt ein bisschen in der Luft rum und lächle versonnen.)

„Ja und dann habe ich gelernt, dass das falsch ist. Jedenfalls für (m)eine Beziehung.“

Wie ich das gemerkt habe? Ich habe jemanden kennengelernt, der noch nie gesagt hat „Ach, das lohnt ja nicht!“. Mit großem Erstaunen stellte ich fest, dass mein neuer Freund sich nachmittags zwischen der einen und der anderen Arbeit gerne zwanzig Minuten Zeit nimmt, um mit mir und meinen Kindern ein Eis essen zu gehen. Damit wir uns eben sehen an diesem Tag. Wenn schon nicht länger, dann wenigstens auf ein Eis.

Und an einem anderen Tag gehen wir gemeinsam die Kinder in Schule und Kindergarten bringen. Zwei Mal fünfzehn zusätzliche Minuten. Die hätten wir auch ganz anders einsetzen können. Aber wir setzen sie ein, so zu tun als wären wir Detektive, während wir im Auto darauf warten, dass die Kita öffnet. Wir rutschen die Sitze runter und luken aus den Autofenstern, sprechen uns Notizen über ankommende Kinder ins Handy und kichern.

Und noch romantischer: Wenn es Formulare für die Rentenversicherung auszufüllen gibt, machen wir das auch (quasi) gemeinsam. Ich fülle Freitextstellen aus und lese erbost Sätze in Beamtendeutsch vor und mein Freund sagt irgendwas und wir würfeln dann aus, ob wir bei der doppelten Verneinung jetzt ja oder nein ankreuzen.

Ja, ja. Sie schütteln jetzt leicht angewidert den Kopf.
Ich hätte sowas ja auch nie von mir gedacht. Aber Dinge gemeinsam tun, auch wenn das höchst ineffizient ist, ist ein großer und schöner Luxus. Wir schaffen jetzt viel weniger und manches gar nicht oder viel langsamer, aber ich mag dieses Gemeinschaftsgefühl.

Und ganz pragmatisch gesehen: ich habe das Gefühl, dass man weniger vergisst oder übersieht, wenn man IMMER ALLES zu zweit macht. Es ist auch viel leichter Anteil am Leben des anderen zu nehmen.

(Jetzt streiche ich mein Häkeldeckchen am Schoß und mache ein wissendes Gesicht.)

Klar geht das nicht immer (wenn beide Vollzeit bei unflexiblen Arbeitgebern arbeiten und jedes Kind in eine andere Einrichtung muss etc.). Und natürlich WILL ich auch nicht wirklich immer alles zusammen machen. Aber ich habe für mich gelernt, dass Effizienz nur ein Weg ist ein Roboter zu werden. Und offensichtlich bin ich doch zu menschlich, denn irgendwie ist mir irgendwann der Strom/das Benzin/das was auch immer ausgegangen.

Jetzt bin ich lieber ein verplanter Mensch und setze mich auch debil grinsend in ein Amtswartezimmer während ich mit meinem Freund knutsche die aktuelle politische Lage diskutiere.

(Ja, ja. Wedeln Sie nur mit ihrem Krückstock. Ich werde schon sehen, wie das in zehn Jahren ist! Ja! Sehen werde ich, was ich von dieser Einstellung haben werde!)

Meine (etwas fruchtlose) Affäre mit Snapchat

Ich bin ja eigentlich sehr glücklich mit Twitter und auch schon total raus aus dem Alter, in dem ich mich immer fragen muss: „Gibts noch was besseres?“

Twitter und ich, das ist was für die Ewigkeit. Ob nun Sternchen oder Herzchen, ob mit oder ohne Gifs, ob ich Umfragen erstellen kann oder nicht. Is mir alles egal. Selbst die zunehmenden Werbetweets, ignoriere ich einfach standhaft. Ignorieren ist, manche Leserin mag das verwundern, eine meiner Kernkompetenzen.

Allerdings kommt man als Internetkranke (wie ich liebevoll von einigen Menschen genannt werde), kaum an Snapchat vorbei. Irgendwie ist das wahnsinnig groß und damit eben relevant und offenbar tummelt sich dort die Jugend (Wahrscheinlich genau die Jugend, die in Facebook vor der nervigen Elterngeneration geflohen ist).

Neben der Jugend ist Snapchat offenbar für den Journalismus als solches auch ein heißes Ding (Breitband Radiobeitrag).

Ach und ach, also musste ich mir dieses Snapchat doch mal anschauen, immerhin werden

„bei Snapchat […] pro Tag rund 700 Millionen Fotos gepostet und damit 10 mal mehr als bei Instagram. Ebenso generiert die App bereits jetzt schon ta?glich 6 Milliarden Videoaufrufe und damit fast so viele wie Facebook (8 Milliarden).“

und

„Snapchat ist mittlerweile 19 Milliarden US-Dollar wert und geho?rt zu den am schnellsten wachsenden sozialen Netzwerken unserer Zeit.“

Quelle: Philipp Steuer „Snap Me If You Can„, S. 5 und S. 17

Kapiert habe ich erstmal nichts. Ich kenne Leute, die sagen: Die Usability ist so unter aller Kanone, dass ich das deswegen nicht benutze.

Ich halte solche Aussagen für das „Mama will mit dem neumodischen Videorekorder nichts zu tun haben“-Phänomen meiner Kindheit. Wir 40jährigen werden einfach alt und sind vielleicht eine bestimmte Logik gewohnt, die bei Snapchat nicht eingehalten wird und schimpfen dann krückstockwedelnd dass die Plattform nichts taugt, weil wir nicht verstehen wie sie funktioniert.

Und ungewohnt ist es ja wirklich bei diesem Snapchat. Ohne Gebrauchsanweisung hab ich wirklich nicht viel mehr geschafft als die App zu öffnen.

Nach drei Wochen mache ich im Grunde zwei Dinge:

  • Mich staunend gemeinsam mit den Kindern über die Videofilter (eigentlich „Lenses“) schlapp lachen

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Kurzer Einschub hierzu: Für mich sind diese Filter ebenso faszinierend wie für Kind 3.0. Ich kann stundenlang vor meinem Telefon sitzen und mein Gesicht verziehen, weil ich nicht verstehen kann, wie das so gut funktioniert. Das ist für mich wie Zauberei.

  • Die (wie sagt man dazu eigentlich?) Snapchats anderer Leute anschauen

Was mich extrem irritiert ist, dass man nicht liken kann. Ich schaue mir also etwas an, das mir sehr gut gefällt und dann denke ich: Hm und nu? Wie sage ich dem- oder derjenigen, die das produziert hat, dass es mir Freude bereitet hat? Mit einer Bildantwort? Einem „Danke“ oder „haha“ im Chat?

Snapchat fühlt sich außerdem seltsam intim an. Fremden schreibe ich gar nichts (sehr im Gegensatz zu Twitter übrigens) und Menschen, die ich persönlich mittelgut kenne, schicke ich auch nichts, weil es sich so wie äh kleine Liebesbotschaften anfühlt? Schwer zu beschreiben, jedenfalls höchst inadäquat. Lediglich Menschen, denen ich ohnehin nahe stehe, kann ich einfach Snaps schicken. Aber auch da irritiert mich in ein schwarzes Loch zu kommunizieren, da oft einfach nichts zurück kommt.

Snapchat ist außerdem jedes Mal wieder eine Entscheidung. Es gibt keine Timeline in dem Sinne sondern man klickt jeden Beitrag, den man sehen will, bewusst an. Die Bewegungsrichtung ist eine andere. Bei Twitter und Facebook rauscht meine Timeline an mir vorbei. Bei Snapchat wende ich mich aktiv den einzelnen Nutzerinnen und Nutzern zu.

Wer sich wirklich einarbeiten möchte, dem empfehle ich „Snap Me If You Can“ von Philipp Steuer (den Tipp habe ich übrigens von @leitmedium). Dort ist das Thema wirklich sehr gut aufgearbeitet und man findet sogar „Snapchat Hacks“.

Meine Snapchatnutzung bleibt jetzt erstmal das Nutzen der Lenses, das Abspeichern der Fotos und das verschlüsselte Verschicken der Fotos an Freunde per iMessage oder Threema. Snapchat selbst bleibt mir suspekt.

Über Follower-Empfehlungen freue ich mich übrigens. Bislang blieb mir da der große AHA-Effekt aus.


 

Nachtrag: Wer wissen möchte, wie man an die viel zitierten Pimmelbildchen bei Snapchat kommt, liest bei dem Snapchat-Veteran (2013!!!1!) Heiko „Ich hab Snapatmung“ weiter.