Authentizität schön und gut…

Authentisch zu sein, mag sympathisch machen – aber ob das alleine reicht um ein Land (mit)zuregieren?

Sascha Lobo, der sonst natürlich immer recht hat, schreibt in seinem Artikel über den Wahlerfolg der Piraten „Eingestandenes Unwissen wirkt kompetenter als entlarvtes Unwissen . Das mag für die Alltagskommunikation zutreffen und Frau Koch-Mehrin hätte mit einem ehrlichen „Oh, da habe ich leider rein gar keine Ahnung von“ sicherlich das ein oder andere Mal die klügere Antwort gegeben – aber in der Politik geht es nicht um Sympathien. Halt – geht es leider doch oft, sollte es aber nicht gehen.

Persönlich möchte ich, dass mein Volksvertreter sich besser auskennt als ich. Schön – der Identifikationswert ist vielleicht höher, wenn man feststellt: Hey, der Andreas Baum, der hat ja ebenso wenig Ahnung von Wirtschaft und Politik wie ich. Aber meine Interessen als Politiker sollte er deswegen noch lange nicht vertreten.

Die Gesellschaft mag die inszenierten Persönlichkeiten schon lange satt haben – das Gegenteil – der authentische Mensch von der Straße – das kann (zumindest für die Politik) auch nicht die Lösung sein wenn das Ganze mit Unwissenheit verbunden ist.

Ich will jemanden, der sich nicht inszeniert aber trotzdem Ahnung hat.

In einem ganz anderen Kontext habe ich folgende Zeilen verfasst: Nehmen wir an, ich baute ein Haus. Das Haus sollte Wände, Decken, Fenster und Treppen haben – jedoch beauftragte ich einzig einen Schreiner. Der hatte einen schicken Flyer, ist Fensterexperte und Holzdielen kann er auch verlegen. Mit dem Rest, so bedauert er, kenne er sich derzeit noch nicht so aus, er sei jedoch willens, seine Defizite aufzuholen. Das Geld zum Hausbau überweise ich ihm vorab.
Irrational? Seltsam. Immerhin haben vergangenes Wochenende 129.795 BerlinerInnen genau das getan. Eine Partei gewählt, die in einigen wenigen Themen inhaltlich gut aufgestellt ist und in allen anderen Themen versichert „sehr schnell zu sein, was das Lernen angeht“.
Die Piraten sehen sich selbst als „weiche Themenpartei“ und nicht als Allrounddienstleister. Eine ernstzunehmende Partei sollte aber Sachverstand in allen nötigen Bereichen aufweisen, wenn sie ein Land (mit-)regieren möchte.

Das Bedürfnis nach Unverstelltheit mag den Erfolg der Piraten erklären, es rechtfertigt ihn jedoch noch lange nicht. Dieter Bohlen ist übrigens auch total authentisch und hat keine Ahnung von Politik. Soll er deswegen Abgeordneter im Berliner Abgeordenetenhaus werden?

Sterntaler wider Willen

Annette hatte vermutlich die allerbesten Eltern in der Schule – vermutlich der ganzen Stadt. Annette hatte nämlich Marmeladenbrote in ihrer Brotbüchse auf der Sara Key Mädchen abgebildet waren. Meine Eltern hatten mich nicht so lieb. Meine Brote waren in Brotpapier eingeschlagen und ich hatte Thunfischcreme drauf.
Heute in ca. 30 Jahren wird Kind 1.0 vermutlich etwas ähnliches in irgendeinem ultramodernen Infranet posten. Denn wir schlagen dessen Brote auch nur in Butterbrotpapier ein. Was anderes können wir uns nicht mehr leisten. Im ersten Schuljahr hat Kind 1.0 sieben Brotdosen verloren. Die Anzahl der Brotdosen mit unbekannten Verbleib verdoppelten sich im zweiten Schuljahr. Bis zum fünften Schuljahr ist die Zahl jedoch logarithmisch exponentiell gestiegen. Selbst wenn wir die Brotdosen bei Billigdiscountern gekauft haben, hatten wir ein Defizit von 56.765 Euro zu verbuchen. Plus 75.976 Euro für die verschwundenen Trinkflaschen.
Deswegen schlagen wir die „Brote“ in Butterbrotpapier ein und es bekommt Pfandflaschen mit, die wir in regelmäßigen Abständen austauschen.
Ich schreibe Brote in Anführungszeichen, weil Kind 1.0 schon lange keine echten Brote mehr mit bekommt. Denn wir packen ihm Pressspanplatten ein. Die mühevoll geschmierten Brote, hat es nämlich immer weggeworfen – egal was drauf war. Ihm nichts mitzugeben erschien uns lieblos. Also haben wir uns entschieden Holzstücke in Brotpapier zu verpacken.

Wenn man mal von den vergessenen Jacken, Helmen, Schlüsseln, Handys und Turnsachen absieht, spart das eine Menge Ärger.

(Wie man Informationen aus Schulkindern rauspresst, verrate ich übrigens hier.)

Groß werden

Die frühe Kindheit ist ein Klacks gegen das was einen nervlich erwartet wenn die Kinder im Übergang zum Erwachsenwerden sind. Eine Versuchsreihe soll herausfinden, welche Erziehungsmethode die besten Ergebnisse bringt.

Kaum ward das erste Kind geboren, häuften sich die aufmunternden Worte in der Umgebung: „Das erste halbe Jahr, das ist der Horror.“ Das erste halbe Jahr kam und ging und nichts passierte. „Warte nur, bis die Zähne kommen! Ein Albtraum!“ Die Zähne kamen und nichts passierte. „Wenn die mobil werden! Stress ohne Ende“. Nichts passierte. „Die Trotzphase!“ Nichts! “

So zogen die Jahre ins Land und plötzlich ebbte das Warnen ab.

Völlig zu unrecht! Denn heute frage ich mich: Warum warnt eigentlich niemand vor den großen Kindern? Sie können laufen, sprechen, sich selbst essen machen, Handys bedienen, selbständig an Dinge denken, … jedenfalls theoretisch. Theoretisch erreichen Kinder relativ schnell ein Alter in dem sie relativ eigenständig existieren könnten und es war durchaus mein Wunsch eigenständige Kinder zu haben. Doch vom Eifer des Vorschülers ist bald nichts mehr übrig.

So steht Kind 1.0 z.B. heute morgen in der Küche und trägt einen Pullover, den es schon am Sonntag, Samstag, Freitag, Donnerstag und Mittwoch an hatte. Weiter erinnere ich mich nicht zurück. Ich vermute also, dass es das Kleidungsstück auch schon am Dienstag und Montag trug.

Am Montag Morgen möchte man nicht gleich schlechte Stimmung sähen, also frage ich [scheinheilig]: „Ach, hattest Du den Pullover nicht schon gestern an?“ „Nein, da irrst Du Dich, gestern hatte ich einen Pullover an, der sieht so ähnlich aus. Er hat keinen Aufdruck und dafür eine Kapuze, er ist rot und nicht blau, aber nein DIESEN hatte ich nicht an.“ „Weißt Du,“ informiere ich das Kind „Ich bin weder blöd noch farbenblind und deswegen denke ich, Du solltest jetzt zurück ins Zimmer gehen und Dich umziehen…“

Das Kind, außer sich vor Wut, trampelt ins Zimmer zurück. Wir würden es auch immer wieder zum Duschen zwingen! Wir seien sowas von streng! Auch das Wechseln der Socken forderten wir regelmäßig ein! Wie es dadurch unter Druck gesetzt würde, darüber machten wir uns wahrscheinlich nie Gedanken! Vom Händewaschen und anderen abstrusen Forderungen gar nicht zu sprechen! Zähne putzen sogar mehrmals täglich! Die Kinderhotline würde es anrufen, wenn es so weiter ginge mit uns Despoten!!!

Da bin ich noch mal in mich gegangen und habe die Männer in meiner Umgebung geprüft. Tatsächlich wechseln gut 80% relativ regelmäßig ihre Kleidung und nur wenige müffeln. Ein Großteil hat mit 35 noch alle Zähne und recht viele haben einen stattlichen Beruf.  Ich entschließe mich eine Versuchsreihe unter meinen Kindern zu starten. Das erste werde ich jetzt einfach nicht mehr ermahnen – zumal ich bereits die Erfahrung gemacht habe, dass alles meckern völlig ohne Effekt bleibt. Das zweite ständig. Das dritte intermittierend. Wollen wir doch mal sehen, welches dann das beste und klügste wird!

Statistik-Abrakadabra

Letzte Woche stellte Kristina Schröder den „Monitor Familienleben 2011“ vor. Den habe ich mir mal angeschaut und festgestellt: Wunderschöne Worthülsen und keinerlei Überraschungen.

Statistik ist vom Teufel, das hat mein Professor an der Uni schon immer gesagt. Dennoch wollen viele Psychologen in der Wissenschaft mathematisch kaum anzweifelbare Ergebnisse liefern und gelangen nach jahrelanger und kostenintensiver Forschung zu Einsichten wie „Wenn sich jemand ärgert, steigt der Blutdruck.“

Daran musste ich denken, als ich mir die Studie „Monitor Familienleben 2011“ (besser den Auszug aus der Ergebnispräsentation der Studie) ansah, die Kristina Schröder letzte Woche als Wiedereinstieg in ihr Berufsleben vorstellte.

Der Familienmonitor 2011 findet im Wesentlichen heraus:

  • Familienpolitische Anliegen haben einen relativ hohen Stellenwert.
  • Finanziell wünschen sich die meisten mehr Unterstützung, das gilt v.a. für Familien mit Kindern unter 18 Jahren.
  • Elterngeld hält man für eine gute Regelung.
  • Beruf und Familie lassen sich nicht so gut vereinigen.
  • Beruf und Familie lassen sich meist nur vereinen, weil es Unterstützung durch die Großeltern gibt.
  • Außerdem ist es nicht so leicht einen Kinderbetreuungsplatz zu bekommen (das finden Menschen mit Kindern unter 18 sogar noch mehr als Menschen ohne Kinder oder mit Kindern über 18!).
  • Die Menschen finden, Unternehmen könnten auch was tun, um Beruf und Familie vereinbar zu machen.
  • In den letzten 5-10 Jahren „beteiligen“ sich Männer mehr „an der Familienarbeit“.
  • Kinder könnten besser gefördert werden. Das finden v.a. „Eltern mit einfacher Bildung“.
  • Toll wäre es, wenn der Staat da finanziell helfen würde. Wobei der überwältigende Anteil der Familien, die bereits das Bildungspaket nutzen konnten finden, dass das sinnvoll ist.
  • Die vorletzte Folie entbehrt dann jeder Sinnhaftigkeit, denn dort werden Eltern befragt, ob sie noch weitere Kinder haben wollen. Man unterscheidet die Grundgesamtheit „Eltern unter 50“ und „Kinderlose unter 50“ – Nicht etwa Eltern mit 1, 2, 3 oder mehr Kindern. Zusammenfassend kann man hier sagen, dass viel mehr „Kinderlose unter 50“ als „Eltern unter 50“ noch Kinder haben wollen.

Wenn man sich den „Monitor Familienleben 2010“ anschaut , kann man zumindest erschließen, dass die jährlich durchgeführte Studie weitaus differenzierter als die Ergebnispräsentation 2011 ist. Die Studie „Monitor Familienleben“ wird seit 2008 durchgeführt.

Monitor Familienleben 2008
Monitor Familienleben 2009
Monitor Familienleben 2010
Monitor Familienleben 2011

Wenn ich mir die Studien so anschaue, kann ich kühn weitere Dinge feststellen:

2008 startet der Monitor Familienleben mit einer ausführlichen 28 seitigen, schick gelayouteten Broschüre, steigert sich über 32 Seiten auf 69 Seiten Erläuterungen Schriftgröße 12 bis schließlich 2011 läppische 22 Seiten Powerpointfolien Schriftgröße 22 übrigbleiben.

Weniger Geld für Forschung, weniger Transparenz für die Bürger und Eindampfen wichtiger familienpolitischer Fragestellungen auf eine oberflächliche, polierte Ergebnispräsentation, die aus meiner Sicht keinerlei Wert im Vergleich zu den Vorjahren hat. Ich hoffe, das ist nicht gleichzeitig Symbol für unsere Familienministerin, die dadurch, dass sie selbst Mutter geworden ist, bestimmt trotz der anderen finanziellen Möglichkeiten bereits einige erhellende Einsichten bezogen auf das Leben mit Kindern hatte.

Happy End Garantie bei Lush

Lush wirbt jetzt damit, dass sie irgendein hartes Zeug verkaufen, um jede Massage zu einem Happy End zu bringen.

Lush, die Firma, die mir am Arbeitsweg schon oft durch den penetranten Geruch, der durch die Ladentür nach außen zieht, negativ aufgefallen ist, garantiert jetzt durch „Feste Massage Bars“, dass jede Massage mit einem Happy End abschließt. Das finde ich noch schweinischer als wenn mir jemand sein Backend zeigen will.

Die Kinder der anderen

Freunde braucht man nicht unbedingt. Hauptsache man hat gut erzogene Kinder, die freiwillig Zähne putzen, alleine ins Bett gehen und morgens die Zeitung holen.

In Erziehungsfragen mischt man sich nicht ein. So sehe ich das jedenfalls. Ich würde anderen nie ungefragt irgendwelche Tipps und Verbesserungsvorschläge geben. Nie, nie, nie. Das erhält Freundschaften.

Allerdings ist nichts dagegen einzuwenden mal mit guten Beispiel voraus zu gehen. Dann sehen die anderen einfach mal, wie toll ihre Kinder sein könnten, wenn sie sie nur ordnungsgemäß erzögen.

Als wir in den Scubes übernachtet haben, bot sich eine Möglichkeit bei der wir den anderen Übernachtungsgästen mit Kind ein gutes Vorbild sein konnten. Während deren Kinder nämlich um 22 Uhr immer noch aus den Scubes plärrten, schliefen unsere Wonneproppen schon seit zwei Stunden. Wir haben vorher vor den Augen der anderen gemeinsam Zähne geputzt, dabei hat natürlich keines unserer Kinder geschrieen. Dann haben unsere Kinder die Schlafanzüge angezogen und haben sich hingelegt.

Wir saßen ab da vor den Scubes und haben Wein getrunken und den anderen dabei zugeschaut wie erst die Väter geschickt worden sind, die Kinder bettfertig zu machen, dann die Mütter hinzukamen, um die Kinder ein siebtes Mal hinzulegen bis schließlich gegen Mitternacht alle anderen Kinder schliefen.

Wir sind dann ins Bett und haben bis 10.30 Uhr geschlafen. Wir hätten freilich noch länger geschlafen, wäre da nicht seit 6.30 Uhr der Lärm der anderen Kinder gewesen. Da die Kinder dann aber schon wach waren, haben wir sie geschickt und Kaffee und Brötchen zu holen.

Komischerweise waren die anderen übrigens total unfreundlich zu uns und wollten nichts mit uns zu tun haben. Warum? Das weiß nur der Wind.

Manntje-Timpe-Te-Effekt

Man könnte noch allerhand machen an die Blog. Zum Beispiel?

Wenn man einmal anfängt was an die Blog zu machen, findet man kaum ein Ende. Ich komme mir dabei ein bißchen vor die des Fischers Frau. Noch dieses Plugin und jenes Widget. Es fehlt mir im Moment z.B. noch dass man die Kommentare liken kann. Neben all den Dingen, die mir gerade nicht einfallen, gibt es bestimmt noch tollere Dinge, die ich gar nicht kenne! Als Schreiber hat man da einen ganz anderen Fokus als als Leser. Was fehlt Euch noch so?

Kinderbücher für Eltern

Das Vorlesen von Kinderbüchern hat viele Vorteile. Zum Beispiel dass man Experte für lebensfremde Themen wird. Irgendwie könnte man das tägliche Elternschicksal auch besser nutzen.

Wenn ich mich gerade bewerben müsste, wäre ich qualifiziert für vielerlei Jobs. Es mangelt vielleicht hier und da ein wenig an der Praxis – theoretisch gibt es jedoch kaum Grenzen.

Beispielsweise könnte ich sofort am Bauernhof anfangen. Ich kenne alle Tiere, ich weiß was sie fressen und mit den richtigen Gummihandschuhen ausgerüstet, könnte ich Geburtshelferin für Kühe werden.

Auch bei der Feuerwehr müsste ich nicht lange fackeln. Problemlos bediene ich Leiterwagen, rette Kätzchen, lösche Feuer und der Gebrauch des Spreizers ginge mir ebenfalls leicht von der Hand.

Gleiches gilt fürs Piraten- und Rittertum – Märchenprinzessin sein, alles gar kein Problem.

Seit beinahe einem Jahrzehnt lese ich Bücher zu diesen Themen vor. Manche so oft, dass ich sie schon versteckt habe, so dass keines der Kinder es freudestrahlend auswählen kann und ich gezwungen bin, es vorzulesen. Immer und immer wieder.

Das gebetsmühlenartige Vorlesen hat, wie bereits erwähnt, durchaus seine Vorteile. Gut 35% meiner Engramme dürften sich zu den Themen Feuerwehr, Bauernhof, Stadtfahrzeuge, Insekten, Ritter, Indianern und Prinzessinnen gebahnt haben.

Dennoch wünsche ich mir Kinderbücher mit Themen, die mich interessieren oder die mir wenigstens im Leben weiterhelfen. Meinen Kindern sind die Texte im Grunde völlig egal. Wenn ein Bagger auf dem Cover ist, genügt ihnen das. Kaum setzen sie ich neben mich und ich beginne zu vorzulesen, bekommen sie diesen leeren Blick und auch wenn ich Wörter wie „ALIENATTACKE“ oder „NEUROPLASTIZITÄT“ einbaue, horchen sie nicht auf. Es geht ihnen einfach um die beruhigenden Wiederholungen und den gleichbleibenden Rhythmus.

Deswegen schreibe ich mir jetzt selbst welche und ich wette, ich werde reich damit.

Band 1: Unser buntes Bundeskabinett. Die 15 putzigen Minster und Ministerinnen samt Bundeskanzlerin.

Band 2: Die 16 Bundesländer. Eine fröhliche Zugreise durch Städte und über Flüsse von Schleswig-Holstein bis nach Baden-Württemberg.

Band 3: Die USA. Eine putzige Weltmacht räumt auf.

Band 4: Atomkraft: Wie oft noch schlafen bis die Halbwertszeit rum ist.

Band 5: Der bunte Alltag der Anglizismen. Als der Outsourcer mal mit dem Inboundsupporter stritt.

[…] Weitere Vorschläge willkommen.