Böse Zungen behaupten in meiner Studentenzeit habe sich das Geschirr in meiner Spüle so lange gestapelt bis nur noch ein flauschiger Schimmelball zu sehen war.
Das Problem habe ich schnell in den Griff bekommen indem ich 90% des Geschirrs weggeschmissen habe und von jedem Gebrauchsgegenstand nur ein Exemplar verwahrte.
Trotz dieser hohen Schmutz- und Unrattoleranz, war ich nie ein WG-Typ. Fremder Unrat war mir schon immer ein Dorn im Auge.
Bis vor wenigen Monaten war das kein Problem. Als Nicht-WG-Typ zieht man einfach in keine WG.
Doch eines Tages wachte ich auf und wohnte doch in einer. Kind 1.0 hatte sich wie Gregor Samsa über Nacht vom harmlosen Kind zum präpubertierenden Ungeheuer verwandelt .
Eben noch niedliches Kindlein mit roten Apfelbäckchen, das stets um 5.30 Uhr morgens den Tag fröhlich begann, standen wir nun um 10 Uhr laut klopfend an seiner Zimmertür es aufzufordern zum gemeinsamen Frühstück zu erscheinen.
Ca. eine Stunde später kam es missmutig an den Tisch, legte die Füße auf selbigen, stützte einen der Ellbogen am Hochstuhl des Geschwisterkindes und verschlang mit einem Haps das Salamitoast um kurz darauf wieder im Zimmer zu verschwinden.
Fortan war Kind 1.0 lediglich zu den Essenszeiten im Kreise der Familie zu sehen. Wenn es das Zimmer verlies, nahm es Gegenstände mit, um diese wie Revierduftmarken in der Wohnung zu verteilen. Das Zimmer selbst war geschmückt mit dreckstarren Kleidungsstücken, Umverpackungen seltsamer, nie von uns gekaufter Lebensmittel und Bergen von zerknitterter Schulsachen.
Alles Reden und Appellieren über Befindlichkeiten und Konsequenzen war umsonst. Kind 1.0 wollte sich fortan nicht mehr an gemeinsamen Aktivitäten beteiligen, nichts für andere tun und schon gar nicht Ordnung halten oder schulische Angelegenheiten ernst nehmen.
Bestimmte Sätze wurden solange gesagt, bis die Elternlippen rau und die Zungen ermüdet waren.
Wir beschlossen einen Eltern-Streik, die größte Herausforderung meines Lebens.
Kulinarische Höhepunkte
Während einer Kroatienreise machte ich Bekanntschaft mit einem neuseeländischen Koch, dessen Frau und Kind. Das Kind aß nur wenn die Eltern Tiergeräusche machten.
Das erschien mir seltsam.
Dann lernte ich eine Freundin meines Mannes kennen, deren Tochter entweder gefrorene Erbsen oder korsische Kräuteroliven aus einem speziellen Laden in Steglitz aß.
Ich hielt das für einen Erziehungsfehler.
Heute weiß ich, irgendein evolutionärer Sinn muss dahinter stecken. Kind 2.0 isst als sei es ein Hollywoodstar auf Diät. Gekochtes Eiweiß, ungesüßten Jogurt und bis zu drei Rosinen am Tag. Am Wochenende isst es allerdings Frikadellen. Frikadellen in Hackfleischsoße.
Kind 3.0 ernährt sich von Physalis und kernlosen Bio-Trauben. Beides deutlich über acht Euro das Kilo. Es isst drei Kilo am Tag. Von beidem. Man kann leicht rechnen, dass der Staat uns ungefähr das dreifache Elterngeld zahlen müsste, denn sowohl Physalis als auch Trauben haben eine abführende Wirkung, was den Windelverbrauch gegenüber dem bundesdeutschen Durchschnitt verdoppelt.
Das Kochen habe ich aufgegeben. Schließlich kann ich mich ausreichend von dem was meinen Kindern aus dem Mund fällt ernähren und Kind 1.0 isst einfach alles was die Brotbüchsen der anderen Schulkinder hergeben.
Begegnung mit des Teufels inkontinenter Großmutter
Neulich beim Großeinkauf: Unendlich lange Schlange, nur eine Kasse geöffnet. Zweihundert Leute stehen an, geschätzte Wartezeit: eine Stunde. In der Mitte der Schlange steht ein Wagen unbeaufsichtigt. Von rechts reiht sich eine Oma ein. Direkt in die Schlange.
Die Besitzerin des Wagens kehrt zurück, sieht, dass Omi nur eine Tasse in der Hand hat und gesteht ihr freundlich zu, sich vor sie zu stellen. Die alte Frau keift: „Dit hilft mir nu och nich weiter, wa?! Dit sind ja trotzdem massich Leute!!!“
Die Warteschlange bewegt sich langsam nach vorne. Die Oma schimpft unverständlich vor sich hin. Sie tritt ihren Vordermann einige Male gegen die Beine: „Nu mach ma! Kann ja wohl nich wahr sein. Wie lang dauertn ditte hier?“
Verstehe, die Frau hat wahrscheinlich nur noch kurz zu leben und da möchte man seine rare Zeit nicht an den Supermarktkasse verschwenden.
Als sie an der Reihe ist, knallt sie die Tasse auf das Laufband. Die Kassiererin sucht nach dem Preis und fragt die alte Frau, woher sie die Tasse denn habe? Diese bricht in spuckendes Geschrei aus und deutet in eine bestimmte Richtung. Die Kassiererin steht auf und macht sich auf die Suche.
In der Zwischenzeit wechselt die Vettel die Farbe von rot zu lila und brüllt mit Schaum vor dem Mund: „Ik piss mir hier glei ein. Ik muss PISSEN! Konnte ja nich wissen, dat dit hier so lange wird!“
Die Verkäuferin kommt im Galopp zurück und verkündet, dass die Tasse aus einem Karton ist, welcher nur als Gesamtheit zu verkaufen ist.
„Wissen se, wie viel Tassen ik zuhause habe? Da kann ik nich den janzen Karton koofen!“ Dampf tritt aus ihren Ohren hervor. Ihre Augen glühen wie Grillkohle. Sie nimmt die Tasse, frisst sie auf, der Boden unter ihr öffnet sich, Flammen schlagen den anderen Wartenden entgegen. „Jetzt jeh ik pissen!“ Ein Donnergrollen, ein Blitzschlag und die Alte löst sich in Rauch auf. Samt Tasse.
Eine willkommene Abwechslung im sonst sehr öden Warteschlangenanstellalltag.
Papilla mammaria Phobie
Stillen ist eine super Sache. Man spart Geld, hat das Essen immer in der richtigen Temperatur dabei. Keine Sorge um Verderblichkeit oder Hygiene und auch ohne selbsterfundenes Siegel ist alles umweltfreundlich verpackt.
Spätestens beim zweiten Kind ist es einem auch egal wann man die Brust auspackt und wer das wohlmöglich sehen könnte.
Einzig und allein macht mir Sorge, dass ich vergesse die Brust wieder einzupacken. Es gibt schließlich die Tage an denen das Baby ganz auf Du und Du mit der Brust ist. Sollte es dann mal an der Tür klingeln oder man ist aufgrund schwindendender Essensvorräte gezwungen das Haus zu verlassen, könnte es passieren, dass es sich überaus natürlich anfühlt wenn die Brust aus dem T-Shirt hängt. Oder man stillt gerade und die anderen Kinder machen den üblichen Radau, man ist spät dran zum Impftermin und bricht deswegen überstürzt und barbusig auf.
Jedenfalls befürchte ich ein solches Missgeschick zunehmend. V.a. wenn mich Menschen auf der Straße seltsam anschauen. Es kommt mir dabei selten in den Sinn, dass sie entsetzt sind, weil ich die Haare nicht gewaschen oder Babykotze auf der Jacke habe. Ich fürchte stets die Brust lugt hervor.
Ich nenne das ab heute Papilla mammaria Phobie. Die Dinge brauchen schließlich einen Namen, damit man mit ihnen umgehen lernt.
Mein Leben als gleichseitiger Hexaeder
Ich liebe es übersichtlich. Am liebsten hätte ich eine Wohnung aus unterschiedlich großen Kuben. Sofakubus, Tischkubus, Stuhlkuben, Schrankkubus mit Kerzenkuben und Bücherkuben. Am Ende des Tages schiebt man alles wie bei Tetris zu einem großen Klotz zusammen und es ist perfekt aufgeräumt. Der Raum ist gekachelt, einmal alles ausspritzen, fertig.
Mein Leben wäre perfekt und sauber.
Wären da nicht diese Kinder. Kinder schleppen Kleinteile an. Kleinteile liegen rum. In Kleinteile kann man reintreten. Reintreten verursacht Schmerzen. Schmerzen machen schlechte Laune.
Ich habe deswegen ein Indenfußeintrittsqualifizierungssystem für Spielsachen erfunden und ich verlange, dass die entsprechende Eintrittsschmerzkennzeichnung auf den Gegenständen neben der CE Kennzeichnung vermerkt wird.
Die von mir entwickelte Skala reicht von 0 wie „fluffig am Fuß“ bis 10 wie „muss aus Muskelfleisch entfernt werden“.
Die Skala wird dann von den Anforderungen an Sicherheitsschuhe abstrahiert und auf Hausschuhe angeglichen.
- SB – Grundanforderungen: wärmt Fuß, verhindert direkten Kontakt mit Haut
Zusatzangaben:
- A – Antistatische Schuhe (wichtig damit gerubbelte Luftballons nicht angezogen werden)
- Sp – Spielzeugerhaltende Flauschsohle mit verstärktem Fersenbereich für zerbrechliche Materialien
- P – Durchtrittsicherheit bei kantigen oder spitzen Spielsachen
- FO – Schwabbelmaterialresistente Sohle (für z.B. Slime und ähnliche Produkte)
Danach baue ich einen Megasortierstaubsauger mit mehreren Trofast-Kästen als Sammelbehälter. Der Staubsauger saugt Kleinteile auf und sortiert sie je nach Materialbeschaffenheit, Größe und Gewicht in unterschiedliche Kästen. Dann ist er endlich wahr geworden, mein Traum von der immer aufgeräumten Wohnung.
Neues aus dem Urlaub
Papa: Wire bestellene jetzt Pizza. Welche willste Du habene?
Nuf (das Pizzabestellleporello studierend): Ich nehme die Vegetariana.
Papa: Warume nichte die mit Thunfisch und Schinkene?
Nuf: Warum fragst Du mich eigentlich, wenn ich eine bestimmte bestellen soll?
Papa: Iche habe an Deine gute Geschmacke geglaubte.
Nuf: Dann bestell‘ doch die, die Du möchtest.
Papa: Aber bist Du zu Besuche! Sollste Du bestimmen!
Nuf: Ich sagte bereits, ich hätte gerne die Vegetariana.
Papa: Aber warume? Die schmeckte nicht!
Nuf: Wieso? Hattet ihr die schon mal oder wie?
Papa: Nein, aber es fehlte die Thunfisch und de Schinkene.
Nuf (seufzend): Dann nehmen wir die mit Thunfisch und Schinken.
Papa (umarmt fröhlich sein Kind): Aha! Meine Tochtere! Hatte eben doch gute Geschmacke! Ich habe das gleiche gewußte!
Haushalt und das Lebensglück der Kinder
Manche fürchten, dass man verblöden könnte, wenn man sich ausschließlich um Haushalt und Kinder kümmert. Sofern man seine Aufgaben nicht allzu ernst nimmt, mag es dieses Risiko tatsächlich geben.
Arbeitet man jedoch stets mit dem Vorsatz maximal effizient zu sein und replizierbare Ergebnisse bei gleichbleibender Qualität zu erhalten, dann kann davon nicht die Rede sein. Es scheint mir deswegen selbstverständlich wenn für alle Abläufe Prozessablaufschemata erstellt werden.
Eine Maschine Wäsche wird nicht einfach so aufgehängt! Sie wird nach Regeln, die durch mehrere Testläufe verifiziert wurden, der Wäschetrommel entnommen. Die Testläufe werden mitgestoppt und der Lauf, der in kürzester Zeit als Ergebnis die meiste Wäsche in korrekter Form auf das Wäschereck bringt, ist die Grundlage für das eben erwähnte Prozessablaufschemata.
Dieser Prozessablaufschemataerstellungsprozess ist mit diversen Haushaltstätigkeiten zu durchlaufen.
Hilfreich ist hierbei, wenn man sich zunächst alle alltäglichen Aufgaben auf ein Blatt Papier schreibt, sie thematisch ordnet und dann Oberkategorien erstellt. Im zweiten Durchlauf werden diese auf Vollständigkeit überprüft und ggf. ergänzt.
Dann erstellt man eine Prioritätenliste und weist Zeiten zu. Am Ende der Bemühungen hat man einen Haushaltstätigkeitenkatalog, der alphabetisch sortiert, schnell Überblick über die optimierten Abläufe gibt.
Als mein Mann in Elternzeit ging und sich willig zeigte Aufgaben rund um Haushalt und Kinder zu übernehmen, überreichte ich ihm hocherfreut die gerade überarbeitete Version des Haushaltstätigkeitenkatalog.
Ein wenig überrascht musste ich zur Kenntnis nehmen, dass er nicht die erwartete Begeisterung zeigte. Beinahe entsetzt stellte ich fest, dass er sich an die Idealabläufe gar nicht halten will. Obwohl ich ihm mehrere Male eindringlich erklärt habe, dass es völlig sinnlos sei erneut bei dem Schritt „Wie geht das eigentlich?“ und „Kann man das noch besser machen?“ anzufangen, überging er meine Ablaufdiagramme böswillig.
Er denkt, es ist egal, ob man erst die Unterhosen und dann die T-Shirt aufhängt. Er denkt sogar man könne Wäschestücke einfach irgendwie auf den Wäscheständer hängen.
Über Folgen macht er sich keine Gedanken! Es ist nämlich so: Heute ein Kinderschlüppi falsch aufgehängt, in zweiundzwanzig Jahren das Lebensglück des Kindes nachhaltig zerstört.
Ein Beispiel: Der rosa Mäuschenschlüpfer um neunzig Grad zur oberen Abschlusskante des Beineinstiegs verdreht auf die Wäscheleine gehängt, bewirkt aufgrund des unschönen Abdrucks der Wäscheleine am nächsten Tag einen hysterischen Anfall beim Kind. Der kann entgegen aller pädagogischen Vorsätze nur mit einem Gummibärchen beendet werden. Das passiert täglich bis zum 13. Lebensjahr. Macht 4.745 Gummibärchen zusätzlich zu den Süßigkeiten an Ostern, Weihnachten und zum Geburtstag. Sind 61.685 Kalorien allein wegen einer Unterhose. Von den Auswirkungen auf das Gewicht nicht zu sprechen. Allein schon die Katastrophe wenn das Übermaß an eindeutig vermeidbaren Süßigkeiten Hautprobleme bei unserem zukünftigen Teenager auslöst. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Hautprobleme negativ mit der Variable Beliebtheit innerhalb der Peergroup korrelieren. Dies wiederum führt zu wenig Erfahrungen mit Liebeleien. Was bedeutet, dass das arme Kind erst mit fünfundzwanzig die erste ernsthafte Beziehung zu einem Mann eingehen wird. Leider mit dem falschen, was das Kind aufgrund der mangelnden Erfahrung aber nicht erkennen kann. Persönlich empfundenes Unglück wirkt sich negativ auf den Selbstwert aus, weswegen ein anderer Bewerber im Assessment Center für die berufliche Traumposition unseres Kindes vorgezogen wird. Die Kurve des Lebensglücks fällt erneut ab.
Ich sehe aus Platzgründen davon ab, den weiteren, unabwendbaren Verlauf der Zukunft unseres Kindes zu schildern. Es dürfte klar geworden sein, dass man eine Unterhose eben nicht irgendwann und irgendwie aufhängt.
Liebe ist…
Früher hat mein Vater mir von Geschäftsreisen portionierte Marmelade vom Frühstücksbuffet seiner Geschäftsreisen mitgebracht. Heute bringt der Ehemann kleine Präsente wenn er eines der Kinder zu den Großeltern fliegt. Das ist Liebe!