Direkt nach der re:publica fand die blogfamilia statt. Mir hat die blogfamilia sehr gut gefallen. Zum einen, weil sie perfekt organisiert war und zum anderen weil es keine parallelen Vorträge gab. Das überfordert mich während der re:publica regelmäßig.
Ich fand es sehr angenehm zu entscheiden – höre ich mir das an – oder gehe ich zu den anderen Müttern bzw. sehr raren Vätern und trinke mit denen einen Kaffee.
Die Vorträge, zu denen ich versucht habe ein bisschen mitzuschreibmalen, waren alle sehr informativ und kurzweilig.
Am Ende des Abends gab es noch eine Podiumsdiskussion zum Thema Hatespeech, die mir dann doch ein wenig Blutdruck gemacht hat.
Ich kenne die genaue Definition von Hatespeech nicht. Ich stelle mir eher so eine Art Kontinuum in Sachen Kommentare vor. Von freundlich über pöbelnd, Tendenz zum trollen bis man schließlich bei Hatespeech ankommt.
Müsste ich raten, würde ich denken, dass Hatespeech auch an bestimmte typische Themen gebunden ist: Feminismus, Rassismus, Inklusion…
Über das Ausmaß der Grausamkeit der Kommentare hatte ich mir nie so richtig Gedanken gemacht – bis Anne Wizorek 2013 auf der re:publica einige Hasskommentare vorgelesen hat. Die Kommentare haben mir das Blut in den Adern gefrieren lassen und irgendwann die Tränen in die Augen getrieben (und ich möchte behaupten, ich bin wirklich nicht zimperlich).
Mareice Kaiser, die auf der blogfamilia u.a. mit Nicole von Horst zu dem Thema auf der Bühne saß, hat ebenfalls einige Kommentare vorgelesen.
Diese Kommentare gehen mir sehr nah. Sie gehen mir nah auch wenn ich nichts mit dem Thema zu tun hab, weil sie die Abscheulichkeit einiger Menschen zeigt. Unerträglich wird es, wenn es dann ums eigene Kind geht, was in Mareices Beispielen der Fall war.
Man möchte schreien und bleibt gleichzeitig fassungslos.
Die Podiumsdiskussion wurde schnell zu einer Publikumsdiskussion, als es darum ging, was man denn gegen diese Art Kommentare tun könnte.
Es wurde mehrere Male auf das Social Media Team der Welt verwiesen, die wohl beispielhaft seien, für eine bestimmte Art humorvoll auf pöbelnde Kommentare zu antworten (Ich lese die Welt nicht).
Es ging also immer um den Punkt: Wenn sowas kommt, dann nimm dem doch mit Humor den Wind aus den Segeln.
Ich möchte niemanden persönlich angreifen. Dennoch haben mir diese Art Ratschläge wirklich Bauchschmerzen gemacht. Mein erster Gedanke war: Natürlich, wenn man über neutrale, unpolarisierende Themen schreibt, dann bekommt man schlimmstenfalls Pöbelei ab. Ich blogge ein Kuchenrezept. Irgendwer kommentiert völlig unqualifiziert, dass das ein Kackkuchen ist. Das kann auch verletzen, schließlich hat man sich Mühe gemacht, man wollte mit dem Kuchen jemanden eine Freude bereiten, statt Wertschätzung ernte ich doofe Kommentare von Menschen, die womöglich neidisch sind, vielleicht sind sie auch einfach nur schlecht gelaunt oder frustriert.
Ich denke aber, es geht bei Hasskommentaren um etwas ganz anderes. Es handelt sich um eine völlig andere Qualität. Das ist wie Brötchenmesser und Axt.
Mir fehlt jedes Verständnis und auch jeder Humor, wenn ich (sinngemäß) sowas höre wie „Warum hast du dieses Kind geboren? Wann stirbt es endlich? Das liegt doch dem Steuerzahler auf der Tasche.“
Deswegen glaube ich auch, dass auch andere irgendwann keinen Humor mehr haben, dass es Grenzen gibt, dass es so persönlich wird, dass man auf Dauer verhärtet.
Ich habe mir bereits Gedanken zu dem Thema gemacht und versucht eine Liste zu erstellen, was man gegen diese Anfeindungen tun kann (auch oder gerade wenn man nicht selbst betroffen ist).
Ein Punkt, in dem es um eine bestimmte Art von Solidarität ging, wurde stark diskutiert
Wenn ihr mal nicht der Meinung bestimmter Menschen, die permanent Angriffen ausgesetzt sind, seid: sagt einfach nichts. Keine zusätzliche Kohlen ins Feuer werfen, wenn es nicht unbedingt sein muss. Dieser Punkt mag einige empören, aber ganz ehrlich: manchmal lohnt es sich Nutzen und Kosten abzuwägen und darüber nachzudenken auf wessen Kosten etwas geht und jemanden, der ohnehin schon ständigen Angriffen ausgesetzt ist, nicht noch zusätzlich zu schwächen. Ich finde es verständlich, dass Menschen, die ständigen Attacken ausgesetzt sind nicht immer die differenziertesten Dinge von sich geben. Deswegen seis drum. Einfach mal nichts sagen.
Dieser Punkt ist mir wieder eingefallen und ich finde ihn aktuell und nach wie vor richtig.
Ich glaube, dass bestimmte Menschen bestimmten Hasstiraden so dauerhaft ausgesetzt sind, dass sie irgendwann ihre Differenzierungsfähigkeit und ihren Glauben an das Gute verlieren. Sie hören dann irgendwann schlimmstenfalls Angriffe, wo vereinzelt vielleicht keine sind. Kübra Gümüsay berichtet im Ansatz von diesen Effekten, die sie und andere erleiden, weil sie im permanenten Kreuzfeuer stehen.
Nochmal auf die Kommentare zurück zu kommen. Immer wenn ich über bestimmte Themen blogge und da Personen erwähne, die sich im Internet für dieses Thema stark machen, habe ich sofort eine völlig andere Qualität von Kommentaren im Blog. Es ist als zögen diese Menschen einen Schwanz von Hassorks hinter sich her. In dem Fall steht dann auch außer Zweifel um welche Art Kommentare es sich handelt. Es geht dann nicht mehr um falsch verstandene Kritik oder ähnliches. Es geht da zweifelsfrei um bösartige Angriffe.
Ich habe mich entschieden diese Kommentare gar nicht erst frei zu geben, denn sie reproduzieren nur das worüber die Menschen berichten, die Hasskommentare aushalten müssen.
Man könnte einfach immer q.e.d. drunter schreiben. Ich schwöre, ich muss nach Veröffentlichung eines solchen Blogbeitrags keine fünf Minuten warten und schon habe ich was in der Moderationsschleife.
Es ist einfach nur ekelhaft und meine Solidarität gilt den Menschen, die solchen Anfeindungen ausgesetzt sind und deswegen schnellt mein Blutdruck auch in die Höhe, wenn ich Ratschläge höre, dass man doch bitte gelassen bleibt und sich eine witzige Erwiderung ausdenkt.
Im Idealfall mag das helfen. Aber woher sollen diese Menschen die Kraft dafür nehmen? Es geht ja nicht um Einzelfälle, um einen Kommentar alle drei Monate. Es geht um deren Alltag. Und diese Kommentare haben sehr oft einen sehr persönlichen Bezug.
Meinen Ohren tun diese gut gemeinten Ratschläge leider weh. Ich glaube, es reicht nicht zu sagen: Nimms mit Humor. Wir müssen diesen Menschen beistehen, wir müssen uns solidarisieren, klar Position beziehen und gegenreden und ermutigen*.
*An dieser Stelle nochmal öffentlich vielen Dank an Anna Berlinmittemom, die für mich in Sachen Ermutigung und Beistand wirklich Vorbildcharakter hat. Es war so gut, dass du in der Diskussion was gesagt hast als niemand mehr was sagen konnte!
Nachträgliche Ergänzungen, mit Dank an Katrin Rönicke
Carolin Emcke: „Den Hass schüren die, die sich von ihm einen Gewinn versprechen“ von Lisa Hegemann
Carolin Emcke verdeutlicht in ihrem Vortrag aber auch, dass Hass nicht nur von denen gesät wird, die laut schreien […]. Sie redet auch über die Nicht-Einschreitenden, die Mitläufer. […]
Aber sie nimmt auch diejenigen in die Pflicht, die nicht auf der Straße stehen und schreien oder einfach nur beobachten. „Den Hass schüren die, die sich von ihm Gewinn versprechen“, sagt sie. Sie redet von Bestseller-Autoren, von TV-Shows und Einschaltquoten, von Grundsatzprogrammen einiger Parteien. „Sie alle mögen sich distanzieren, aber sie wissen den Hass für sich ökonomisch zu nutzen“, so Emcke. Und dann sagt sie: „Sie hassen nicht selbst, sie lassen hassen.“
Ruhe im Karton! von Katrin Rönike
Beide Hater-Strategien sind zigfach im Netz dokumentiert, und es gibt nur eine richtige Art, damit umzugehen: löschen, blockieren, muten(ausblenden), und wenn all diese Funktionen nicht zur Verfügung stehen – ignorieren.