Twitterliebe 12/14


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Geschlechtertrennung im Kaufhaus

Ich hatte vor einiger Zeit eine kleine Sammlung zusammengestellt nach geschlechtergetrennten Produkten und mich etwas aufgeregt, dass die Kinderklamottenabteilungen ein absurdes Ausmaß an rosa-hellblau-Trennung aufweisen.
Daraufhin war ich mit Gesine Kühne einkaufen und hab ihr fürs Radio erzählt, wieso mich dieses Genderdings so nervt.

Der Radiobeitrag dazu auf Deutschlandradio Kultur bei Echtzeit, gefällt mir gut. Reinhören

2014 – 10 Jahre

Im Mai 2004 habe ich angefangen zu bloggen (Wie konnte ich nur verpassen mein zehnjähriges Bestehen angemessen zu feiern, jetzt muss ich bis 2024 warten). Als ich damit anfing, hatte ich keinen Plan. Schreiben wollte ich. Immer wenn ich einen Artikel fertig hatte, nervte ich meinen Mitbewohner, ihn zu lesen. Auch meinen Nachbarn hab ich öfter genötigt meine Blogeinträge zu lesen.
Über was ich genau schreiben wollte, hatte ich mir auch keine Gedanken gemacht. Nach zehn Jahren schaue ich auf ein imposantes Archiv von über 2.000 Beiträgen zurück. 2.000 mal mein Leben. Das ist sehr erstaunlich.
Ich lese oft im Archiv und erinnere mich an die Begebenheiten, die mir einen Anlass boten, darüber zu schreiben.
Mein Leben ist gewachsen seitdem und nach zehn Jahren schließt sich auf seltsame Art ein Kreis.
Es ist schon kurios, dass man keine dieser Entwicklungen voraussehen kann.
Wenn ich 2004 schon nicht wußte, was ich wollte, wußte ich zumindest was ich nicht wollte. Einen Partner mit Kind z.B. (alles so kompliziert) und auf jeden Fall keinen, der BWL studiert hat (…).
Ich hab dann einen BWLer mit Kind kennengelernt. Ein sehr bezauberndes Kind und hinfällig zu sagen, der Mann gefiel mir auch. Mein bis dahin völlig chaotisches Leben bekam einen festen Rhythmus. Das tat mir sehr gut. Alles wurde gut. Gleichmäßig.
Ohne das Kind, das mein Freund mit in die Beziehung brachte, wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass es irgendwie schön sein könnte, ein Leben mit Kindern zu führen. Es war plötzlich ganz leicht, sich für eigene Kinder zu entscheiden. Nach einer überraschend ätzenden Schwangerschaft wurde Kind 2.0 geboren. Ein Kind, das schlief, lächelte und mit zwei Jahren nachfragte, ob man ihm heute ausnahmsweise ein Nuss-Nougat-Creme-Brot kredenzen (!) könne.
Die Elternzeit war die schönste Zeit meines Lebens bis dato. So frei und sorglos. Eine Museumsjahreskarte und viele, viele wunderbare Babyunternehmungsangebote in der unmittelbaren Umgebung. Es fiel daher nicht schwer sich für ein weiteres Kind zu entscheiden. Die Schwangerschaft war erträglicher, zumindest die regelmäßigen Krankenhausaufenthalte blieben mir erspart, aber ich bat meinen Mann (wir hatten zwischen Kind 2.0 und 3.0 geheiratet) mich zu filmen, wie ich in die Kamera sage: „Hallo Patricia, solltest du schon wieder vergessen haben, wie anstrengend deine Schwangerschaften sind, hier eine Nachricht an dich: Du möchtest keine weiteren Kinder! Wirklich! Glaub mir!“.
Kind 3.0 war dann etwas weniger entspannt als die beiden Kinder davor. Es war voller Energie und Schlaf wurde rar. Ich merkte sehr schnell, dass es bei Kindern nicht nur um Liebe geht. Liebe war nämlich für alle da. Liebe ist kein Kuchen, der einmal zum Lebensanfang ausgeteilt wird und den man dann in kleinen Stückchen verteilen muss. Eine Freundin sagte mal, Liebe sei eher wie ein kleines Feuer, das immer wieder ein weiteres Feuer entfachen könne. Das fand ich sehr passend. Man hat unendlich viel.
Was aber nicht unendlich ist, ist die Energie und die schwand mir zunehmend. Als ich dann wieder arbeiten ging, hatte ich das Gefühl meine letzten Reserven aufzubrauchen.
Ich war so erschöpft, dass ich manchmal den kaum zu unterdrückende Wunsch hatte, mich einfach auf die Straße legen zu wollen. Auf den kalten Asphalt. Einfach liegen und ausruhen, ganz still liegen bleiben, die Menschen an mir vorbei ziehen lassen. Ein völlig bizarres Gefühl. Oder einfach in der U-Bahn sitzen bleiben, weil man es nicht mehr schafft aufzustehen. Ins nirgendwo fahren. Die Augen schließen und die Welt anhalten. Oder gar nicht mehr sein.
Ich bin sehr schlecht darin mich in solchen Situationen mitzuteilen. Ich möchte kein schwacher Mensch sein, der sich beklagt. Ich bin ja mit allem gesegnet. Gesund, viele warmherzige Freunde, bezaubernde Kinder, finanziell abgesichert, ein familienfreundlicher Arbeitgeber. Mit welchem Recht sollte ich mich über irgendwas beschweren?
Bis zu einem gewissen Grad hat es mir immer geholfen, das Schlechte und Anstrengende zu ignorieren und nur das Gute und Schöne zu sehen.
Trotzdem ging der eingeschlagene Weg nicht mehr weiter. Von einer Sekunde auf die andere. Ich hatte nicht mitbekommen, dass ich zum Stillstand gekommen war und meine Kraft vollständig aufgebraucht war. Ich war einfach für alles zu müde.
Meinen kleinen Rest Kraft habe ich genutzt, um mein Leben neu zu ordnen. Ein bisschen zusammenfegen, schauen was man Schönes mit den Scherben machen kann und dann einen neuen Weg einschlagen. Es ist sehr schmerzhaft in so einen Prozess andere Menschen (v.a. die eigenen Kinder) mitreinzuziehen.
Danach kam das Aufatmen.
Der Bruch im Lebenslauf hat mir Gelegenheit gegeben alles nochmal zu überdenken. Den wohlstrukturierten Alltag. All die selbstauferlegten Zwänge. Loszulassen. Das Chaos umarmen. Wäsche nicht mehr nach Farben zu trennen, Sand von den Fußsohlen zu streichen statt zu kehren, ins Bett gehen statt aufzuräumen, die unendlichen ToDo-Listen ignorieren. All die kleinen Dinge.
Ich habe gelernt zu gewichten und übe mich darin mich mit 80% zufrieden zu geben.
Unterm Strich gehts mir besser, wenngleich manche Dinge mir mehr Probleme bereiten als erwartet.
Abends nicht mehr raus zu können, wenn ich Lust darauf habe zum Beispiel.
Ich meine, ich habe jedes 2. Wochenende und zusätzlich einen Wochentag – aber wie machen das die wirklich Alleinerziehenden? Wie lebt man ohne diese Freiheit? Ich stelle es mir schrecklich vor. Meine Assoziation zu meiner (dennoch zweifelsohne luxuriösen) Situation ist: offener Strafvollzug. Morgens in die Arbeit, nachmittags am Spielplatz, aber abends zuhause.

Und überhaupt Gefühle. Meine stoische, fast schon sture Ausgeglichenheit ist weg. Stattdessen ein stetiger Wechsel zwischen „Ja! Bitte“ und „Nein! Auf keinen Fall“ und „Bitte, näher!“ und „Stopp! Auf keinen Fall einen Schritt weiter!“. Ich fühle mich oft regelrecht seekrank und von diesem emotionalen Geschaukel. Wache gefühlsverkatert auf. Aber was nimmt man da ein? Was hilft am Herzen, wo Aspirin und Tomatensaft mit rohem Ei und Rollmöpse nach gewöhnlichen Katern helfen?

2014 war sehr anstrengend und auch sonst nicht zimperlich. Es war das Jahr des Loslassens. Ich bin froh, dass es sich dem Ende zuneigt.

Mein analoger Tod

Wenn man selbst Gast auf einer Beerdigung ist, stellt man sich beinahe automatisch die Frage, wie die eigene Beerdigung wohl sein würde. So ging es mir jedenfalls das letzte Mal, und der Gedanke hat mir Unbehagen bereitet. Ich möchte jetzt nicht sagen, dass ich ein Kontrollfreak wäre, aber ich richte meine Feiern schon gerne selbst aus.

Zuallererst plane ich, erst im hohen Alter zu sterben. Das hat u.a. den Vorteil, dass meine Freundinnen mit der Planung meiner Bestattung betraut würden. Das würde mich freuen, denn ich traue ihnen in jedem Fall ein ganz grandioses Fest zu. Sie würden weder Kosten noch Mühen scheuen, und ganz sicher würde alles perfekt aussehen, und auch die Rede wäre passend und zugleich herzergreifend. Nichtsdestotrotz erfüllt mich diese Vorstellung nicht unbedingt mit Freude, und das hat zwei Gründe.

Erstens: Ich bin sehr geizig und mich schmerzt allein der Gedanke an das investierte Geld. Die Kränze, der Sarg, die Urne, der Grabstein! Meine Güte! Der Leichenschmaus! So hohe Ausgaben! Das möchte ich nicht.

Noch schwerwiegender ist der zweite Grund: Alle müssten Rotz und Wasser heulen, die Schminke verliefe, Taschentücher würden verschwendet und das ist ein sehr trauriger Gedanke.
So bleibt am Ende nur eines: Ich möchte bitte gerne meine Beerdigung kostengünstig selbst planen.

Alles fängt mit der Wahl des idealen Ortes an. Ich habe lange über den optimalen Bestattungsort für mich nachgedacht. Es müsste ein Ort sein, an dem ich mich wohl fühle und gleichzeitig ein Ort, den meine Angehörigen möglichst ohne großen Aufwand besuchen können. Berlin wäre eine Option, weil ich hier lebe – aber es gibt einen zweiten Ort, an dem lebe ich auch und ehrlich gesagt, liebe ich den noch mehr: Es ist das Internet.

Ich fühle mich bereit für eine digitale Bestattung. Ich finde das zeitgemäß und gemessen an der Zeit, die ich lebend im Internet verbracht haben werde, wäre das nur konsequent. Für die eigentliche Zeremonie schwebt mir eine Art Splitscreen vor. Links ein Videostream, der meine Urne zeigt. So müsste niemand anreisen und alle können es sich in Jogginghosen bequem machen.
Neben dem Videostream rechts werden die Tweets meiner Gäste eingeblendet. Vom Social TV (beispielsweise sonntags beim Tatortschauen) kennt man das. In meinem Fall würde unter einem speziellen Hashtag getwittert: Wir trauern um Patricia, kurz #wtuP.

Eine Stunde lang darf jeder ein paar Erinnerungen twittern.
Ich kannte sie aus dem Internet und sie war so wunderschön. #wtuP
Patricia war einfach nur zauberhaft. #wtuP
So klug!!11! #wtuP“ und diejenigen, denen nichts einfällt, die retweeten einfach „+1 »Patricia war so zauberhaft #wtuP«“ oder etwas wortkarger „.#wtuP„.
Sollte die Stimmung kippen, möchte ich, dass der Bestatter das Prozedere unterbricht und ankündigt, dass nun mir zum Gedenken mein Lieblingslied gespielt wird. Ich möchte, dass mein Lieblingslied von einem Kassettenrekorder gespielt wird, der hinter meinem ausgedruckten und gerahmten oder auf einem Screen gezeigten letzten Selfie steht.

Es soll eine dramatische Pause geben und dann drückt der Bestatter Play. Es rauscht und knistert und mit 120 dB erklingt „Ding dong, die Hex ist tot“. Und zwar das Original aus dem Zauberer von Oz Musical von 1939 und nicht die Version, die der Pianist in „Die nackte Kanone 2 1/2“ spielt.

Ding! Dong! The Witch is dead!
Which old witch? The Wicked Witch!
Ding! Dong! The Wicked Witch is dead!

Let’s all laugh and sing
And ring the bells now!
Hey ho, the Merry-O!

(Wiederholung)
Danach kommt jemand, holt meine Asche und verteilt sie in einem Ruheforst. Ein schöner Gedanke. Physisch werde ich Baumdünger und mein Geist und alle Gedanken an mich sind Teil des Internets. Am Ende bin ich überall und immerda.


Der Text wird heute gemeinsam mit zunächst 134 anderen Texten in der eBook-Reihe „1000 Tode schreiben“ erscheinen. Insgesamt wird es 1000 Texte geben.

Geizkörper, der*

Ich möchte mal festhalten: Ich bin nicht witzig. Das schließt allerdings nicht aus, dass Leute herzlich über mich lachen, weil sie denken, ich mache Witze. Eine prototypische Situation ist zum Beispiel, wenn ich davon berichte, wie bei uns zu Hause geheizt wird. Dazu muss man wissen, dass ich generell deutlich lieber friere als dass ich schwitze. D.h. Herbst, Winter und Frühling sind mit hundert Mal lieber als Sommer. Dazu kommt, dass ich gerne spare. Mein Vater hat mir jahrelang Sittsamkeit, Bescheidenheit, Zurückhaltung und Sparsamkeit beigebracht (zumindest bevor er dann auch ins YOLO-Alter kam…).

Jedenfalls: Ich heize nicht. Es gibt so viel was man tun kann, BEVOR man leichtfertig heizt. Lange Unterwäsche, warme Rollkragenpullover, Skihosen. So lange man keinen kondensierten Atem sieht, ist es nicht zu kalt. Bei uns hat jeder eine Kuscheldecke und die schlagen wir uns um die Schultern und laufen wie Könige mit langen Schleppen durch die Wohnung, wenn wir von Zimmer zu Zimmer schreiten.

Die Türen sind stets geschlossen zu halten und die roten, steif  gefrorenen Hände, wärmen wir uns an warmgelaufenen Leuchtkörpern.

Das hat so viele Vorteile:

  • Nur selten fühlt man sich so kuschelig, dass man schläfrig wird.
  • Die Kinder machen deutlich weniger Unordnung, weil sie sich zwischen Oktober und Februar hauptsächlich in ihren Betten aufhalten.
  • Wenn die Großmütter zu Weihnachten fragen: Was wünscht ihr euch zu Weihnachten, können wir immer antworten: warme Socken.
  • Wenn man raus muss, ist die Differenz zur Außentemperatur z.B. nicht so hoch – was die Entscheidung die Wohnung doch mal zu verlassen, extrem vereinfacht.

Generell ist es sehr viel geselliger. Wenn wir kochen, sammeln sich alle Familienmitglieder in der Küche. Wir erfreuen uns an der Abwärme und wenn wir backen, öffnen wir den Ofen und lassen die Restwärme entweichen.

Überhaupt wird entstehende Wärme viel besser genutzt und nicht einfach verschwendet. Am Wochenende waschen wir Wäsche und weil die Wäschberge nicht trocken werden (dafür ist es wiederum nicht kalt genug. Wäsche trocknet erst bei Frost wieder: Stichwort Sublimation), haben wir uns einen Trockner gekauft. Der heizt das Badezimmer ganz wunderbar und wenn 21 Grad erreicht sind, dann werden die Kinder gebadet. Da die Kinder mit meinem Heizverhalten aufgewachsen sind, erscheint ihnen das wie ein Saunabesuch. Das Badewasser muss auch nur 26 Grad haben. Andernfalls schreien sie hysterisch: ZU HEISS! Ich habe das ausgerechnet. Nicht zu heizen und nur lauwarm zu baden, spart doppelt so viel Geld wie der Trockner Stromkosten verbraucht.

Abends, wenn alle Kinder in einem Bett liegen und ich mich im Wohnzimmer einsam fühle, hole ich meine alten Laptops raus und lege sie mir auf den Schoß oder an die Lenden, so dass ich mich an ihren Lüftern wärmen kann.

Dass mein Verhalten richtig ist, zeigen stichprobenartige Rückversicherungen meiner Peergroup:

 
Mein Mann hat immer wieder versucht, heimlich zu heizen. Er schlich durch die Wohnung und drehte die Heizung auf „1“. Das muss doch nicht sein. Frostschutz muss reichen. Ich meine, ich möchte ja auch nicht, dass die Rohre einfrieren – aber die Heizung gleich auf „1“ aufdrehen? Mann muss ja nicht gleich übertreiben!!!

 

*Quelle:

Twitterliebe 11/14


https://twitter.com/der_von_nebenan/status/536508582737768448


https://twitter.com/Muskater/status/533305172135780354


https://twitter.com/quadraphonica/status/531686710670016512

Ich habe Blutdruck

Eigentlich hatte ich mir zu dem Vortrag zur Digitalen Demenz von Manfred Spitzer handschriftliche Notizen gemacht. Leider habe ich sie verloren. Hätte man nicht das Smartphone ausschalten sollen, wären meine Notizen & Fotos in der Cloud und… aber lassen wir das.

Von Herrn Spitzer hatte ich schon viel im Internet gelesen und war wirklich sehr gespannt. Der Vortrag war 1,5 Std lang und die erste halbe Stunde war wirklich informativ. Es ging im Wesentlichen um Neuroplastizität und auch wenn ich einiges an Vorwissen aus meinem Psychologie Studium mitgebracht habe, fühlte ich mich informiert und unterhalten. Gegen 17.30 (der Vortrag begann um 17.00) bin ich vermutlich kurz eingenickt, denn ich habe den Punkt, an dem der Vortrag für mich so extrem kippte, irgendwie verpasst. Meine Augen drehten sich langsam nach oben bzw. ich musste sie peinlich berührt unter meinen Handflächen verdecken und ich glaube gegen 18.15 bluteten meine Ohren.

Den Inhalt über den ich mich so echauffierte (andauernd bis heute und ich habe eigentlich selten starke Gefühle), kann man wie folgt zusammenfassen:

  • Bis 20 sollten Menschen nicht fernsehen, keine DVDs schauen, keine Spielkonsolen benutzen, um Gottes Willen aus dem Internet fernbleiben und auch keine eBooks lesen. Selbst Produkte wie der TipToi-Vorlese-Stift sind Produkte aus der Hölle.

plus

  • Wenn man den Kindern und Jugendlichen Zugang zu solchem Teufelswerk verschafft, trägt man aktiv zu deren Verdummung bei. Die Regierung macht das in unterschiedlichen Programmen auch – das ist eine Verschwörung der (Spielkonsolen und Computer) Industrie.

Kann man behaupten und auch mit zahlreichen Studien belegen, z.B. hat man Mäuse in ihrer Kindheit mit Fernsehprogramm beleuchtet und es zeigt sich eindeutig, dass sie unruhiger, unkonzentrierter und risikobereiter im Erwachsenenalter waren als es die Mäuse der Kontrollgruppe waren.

Ok, jetzt mache ich das selbe wie Spitzer, nämlich polemisieren. Aber wahrlich, er ist unangefochtener Meister auf diesem Gebiet auch wenn er selbst sagte „Ich bin doch kein Krawallwissenschaftler oder Kulturpessimist, wie mich die Feuilletons beschimpfen, ich zeige hier lediglich Fakten auf.“

Diese selektiven Fakten, die meistens monokausal argumentieren und immer nur ein entweder oder zulassen, haben gefühlt 80% der anwesenden Eltern im Saal begeistert und das ist das, was mich eigentlich so wütend macht.

Da sitzen internetunerfahrene Menschen (mein Eindruck nach zahlreichen Gesprächen), die sich unsicher fühlen, die nach einem Umgang mit einem Thema suchen, das ihnen selbst fremd ist, weil sie damit nicht aufgewachsen sind und dann steht da vorne jemand der Benzin in deren glühenden Ängste schüttet.

Um differenziert zu bleiben: Wenn man über 20 ist, dann darf man diese Dinge benutzen (so Spitzer), da ist das Gehirn ausgereift und dann ist das nicht mehr so gefährlich.

Seine Argumentationsweise folgt jedoch ansonsten komplett allen Klischees der Technologie“kritik“ (eigentlich wäre „Angst“ das korrektere Wort). Es gibt einen Text von Dorothee Bär, der meinen eigenen Eindruck von dem Vortrag und dessen Inhalte hervorragend wiedergibt: Macht das Internet dumm? Dorothee Bär antwortet Prof. Manfred Spitzer

„Das Gefährliche an Theorien wie dieser ist, dass sie nicht nur unendlich undifferenziert sind, sondern auch noch verletzend, geradezu zynisch wirken und vor allem Eltern und Menschen mit Erziehungsverantwortung ein Gefühl der Machtlosigkeit und der Inkompetenz vermitteln – also ganz bewusst mit der Angst der Menschen spielen und diese bis zum Äußersten schüren.“

Wie immer macht die Dosis das Gift. Aber mit Argumenten zum Thema Medienkompetenz muss man Spitzer nicht kommen. Das ist alles Unsinn. Kann er ja gerne denken. Ich sehe das – wenig überraschend – völlig anders. Ich bin dafür Kindern einen sinnvollen und maßvollen Umgang mit den Themen Fernsehen, Spiele, Computer, Internet etc. beizubringen. Sie zu begleiten. Mich selbst damit zu beschäftigen, darüber zu sprechen, mich auszutauschen und natürlich auch Grenzen zu setzen.

Einen schönen (maßvollen) Text gibt es z.B. im Blog von Alexander Matzkeit: „Reduktion statt Abschaffung: Fünf Schritte zur entspannteren Mediennutzung

Was mir abschließend dazu einfällt: Ein anderer der Referenten, Herr Renz-Polster, seines Zeichens angenehm undogmatisch, hat in einem anderen Kontext gesagt: Auf die wesentlichen Erziehungsfragen gibt es keine finalen Antworten. Wenn sie reich werden wollen, schreiben sie einen Ratgeber, in dem sie einen 100% wahren und umzusetzenden Weg formulieren. Zum Beispiel zum Thema Kleinkindschlaf. Verzweifelte Eltern werden ihn kaufen.

Das ist, was meiner Auffassung nach Spitzer getan hat: nur eben zum Thema Internet & Co. Seinen Thesen ist schließlich einfach zu folgen. Kinder und Jugendliche raus aus dem Netz und gut ist. Keine Unruhe mehr, keine Verhaltensauffälligkeiten, keine schlechten Noten und keine Verdummung. So einfach ist das.

Wie schön, ich lese gerade bei mir im Blog, dass ich mich 2012 bereits über Spitzer aufgeregt habe. Wahrscheinlich hat er doch recht und ich bin digital dement.

 

 

Im Laufrad

Seit einem Jahr habe ich immer wieder kinderfreie Zeit. In diesen Zeiten habe ich versucht zu entschleunigen. Zu Beginn hat das gut geklappt, aber ich merke, wie mir das wieder entgleitet. Das Nichtstun, das Liegenlassen. Wenn ich das wirklich schaffen will, muss es mir vornehmen und mich daran erinnern. Ansonsten laufe ich im Alltagsmodus und da heisst es immer alles sofort erledigen. Egal, ob man Lust (hahahahaha!) drauf hat, ob man müde ist, erschöpft oder krank. Egal. Zähne zusammenbeißen und jeden Punkt erledigen und komplett abarbeiten.

Wenn man das mit Kindern nämlich nicht tut, dann kommt es zu Ketteneffekten, die man so leicht nicht mehr aufholt. So jedenfalls meine Erfahrung. Unter Garantie ist immer ein Kind spontan krank, will überraschend irgendwo abgeholt werden oder die Welt geht unter, wenn man nicht JETZT sofort irgendwas bastelt, was der Schule am Vortag eingefallen ist.

Mein Tag beginnt um 6 und endet quasi um 22 Uhr. Aber nur, wenn ich nicht zwischendrin anhalte. Frühstück machen, Schulbrote schmieren, sich selbst fertig machen, den Kindern beim Anziehen und Zähne putzen helfen, in die Schule bringen, in den Kindergarten bringen, weiter in die Arbeit, arbeiten, von der Arbeit in den Kindergarten, einkaufen (oft), nach Hause, Schulsachen erledigen, Hausarbeit, Abendbrot, Kleinkram erledigen, Kinder bettfertig machen, vorlesen, singen, Küche aufräumen. Dazwischen fallen Vorsorgetermine, Amtstermine, Kinderverabredungen, Kindersport, Sondereinkäufe (Schuhe, ständig wachsen die Kinder aus den Schuhen raus!), Steuererklärung etc. etc. an.

Alles auf die Minute getaktet. Wenn dem Kind auf halben Weg zur Schule einfällt, dass es sein Hausaufgabenheft am Schreibtisch vergessen hat, gerät der ganze Plan durcheinander. Zu spät in der Schule, die Türen geschlossen, die Tram verpasst, die Bringzeit ist vorbei… zu spät in der Arbeit, Minusstunden…

Egal wie gut man plant, egal wie viel Zeitpuffer, irgendwie passiert immer irgendwas, das das ganze Gebilde zum Einsturz bringt. Schneller! Das muss doch effizienter gehen? Hetzen! Kinder anflehen. Schneller. Schneller! Im Kopf schon immer beim nächsten Punkt auf der Agenda. Ich muss doch noch! Hab ich eigentlich schon? Wäre es nicht an der Zeit endlich mal wieder?

Das hatte ich so satt. Denn das Resultat ist immer das selbe. Am Ende des Tages hab ich nicht alles geschafft, ich bin völlig erschöpft und schlimmstenfalls hab ich eine Kacklaune.

Also hab ich damit aufgehört. Ich zwinge mich mit dem Kopf bei einer Sache zu bleiben. und nicht schon geistig in den nächsten Punkt der ToDo-Liste abzugleiten. Den Weg zum Kindergarten muss ich ohnehin gehen. Ob ich ihn in 8 oder 12 Minuten gehe, ist egal. Ich kann ihn hetzen, mein Kind an meiner Hand mit mir zerren und abgenervt sein, wenn es bei einer Baustelle stehen bleibt. Ich kann das aber auch lassen. Ich kann mein Kind an die Hand nehmen, ihm zuhören, mich beim Baggeranschauen entspannen und mich über das milde Herbstwetter freuen. Ich renne keiner verpassten Tram mehr hinterher. Wenn ich müde bin, gibts Pommes oder Tiefkühlpizza. Wenn die Sonne scheint, gibts Eis. Auch im Winter. Ich kaufe Fertiglaternen. Der Weihnachtsbaum ist künstlich. Wir schauen Shaun das Schaf und Sendung mit der Maus, wenn wir alle platt sind. Das Kinderzimmer wird nicht jeden Tag aufgeräumt. Die Klamotten haben manchmal Flecken und an und ab finden sie ihren Weg vom Wäscheständer gar nicht mehr in den Schrank sondern direkt an den Körper. Wenn wir was zum Kindergartenbuffet beisteuern müssen, besorge ich einen Kuchen, den man einfach nur auftaut.

Seitdem ich das so entschieden habe, geht es mir und damit auch den Kindern besser. Ich muss nicht mehr auf Wochenenden oder Urlaub warten, um schöne Sachen zu erleben oder um auf Entspannung zu hoffen. Die schönen Momente warten einfach im Alltag auf mich. In den Gesichtern meiner Kinder, die mir mit leuchtenden Augen was aus ihrem Alltag erzählen, in ihren Händen, die sie mir beim Vorlesen auf den Arm legen oder in ihrem Lachen, wenn ich sie beim Schaukeln so hoch anschubse, wie ich kann.

Ich muss mich nur immer wieder ermahnen nicht in dieses Hamsterrad Alltag zu fallen. Natürlich kann man nicht immer tiefenentspannt sein und manchmal muss man eben doch einem Bus hinterher rennen – aber wenigstens habe ich gelernt zu differenzieren und eben nicht jedem verpassten Bus fluchend nach zu hetzen.