Langweile, ein ausgelebter Traum

Ich erinnere mich, dass ich mich vor Vollendung meines 28. Lebensjahres des öfteren gelangweilt habe. Das fällt mir vor allem ein, wenn unser Kind 1.0 sich aus den Spielzeugbergen gräbt und ein langes, leidendes Gesicht macht und seine Lippen lautlos das Wort LANGEWEILE! formen.
Seit wir Kinder haben, habe ich mich nicht mehr gelangweilt. Hätte ich gewusst, wie sehr ich es vermissen werde, dann hätte ich mich bei meinem letzten Mal nicht einfach achtlos gelangweilt. Nein, ich hätte es ausgekostet. Ich hätte mich auf dem Boden hin und her gewälzt, wäre vielleicht bäuchlings auf die Straße gerobbt und hätte Passanten wie ein Verdurstender in der Wüste den Arm entgegen gestreckt und dabei: Langweilig, langweiiiiiliiiig! gekrächzt.
Jetzt, wenn ich zum Beispiel das Baby auf dem Rücken trage, mit der einen Hand staubsauge, mit der anderen Hand Babynahrung dünste und pürriere, während ich mit den Füßen Wollsöckchen stricke und dabei telefoniere, denke ich oft noch an diese schönen Zeiten.
Es wäre so schön: einmal alleine langweilen.
Wenn ich dann das Baby versuche in den Laufstall zu stellen, weil ich zum Beispiel eine giftige Pflanze umtopfe und es schreit und weint, als hätte ich es an einer Autobahnraststelle ausgesetzt, dann wünschte ich, wir könnten Plätze tauschen.
Ich hebe es dann raus, setze mich in den Laufstall, lege mich auf den Rücken, die Beine lasse ich rausbaumeln und starre an die Decke. Vielleicht lege ich mir auch ein Schnüffeltuch auf die Augen und dann schlummere ich langsam ein und träume, ich sei ein Kind mit vielen, vielen, vielen Spielsachen und ginge meinen beschäftigten Eltern auf die Nerven.

Vettelpower – nein danke!

Die Zeit der hormoninduzierten Harmonie neigt sich dem Ende zu. Ich kann wieder intensive negative Gefühle meinen Mitmenschen gegenüber empfinden. Allen voran den Guteratschlägegebern in Sachen Kindererziehung.
Was ist das ohnehin für eine Unart, ungebeten fremde Menschen anzusprechen und sie dann auch noch an völlig verzichtbarem Wissen teilhaben zu lassen?
Allen voran die (sehr wahrscheinlich kinderlosen) Damen Ü60, deren theoretisch fundierten Erziehungsmethoden seit den 50er Jahren kein Update erfahren haben.
So sprach mich gestern eine Frau an, warum ich das arme, arme Baby den herumtrage und nicht im Wagen transportiere? Außerdem müsse ich UNBEDINGT das Köpfchen festhalten.
Mein Hinweis, dass das Kind bald laufen könne und sich deswegen ein Kopfhalten seit schätzungsweise zwei Tagen nach der Geburt erübrige, brachte sie in Rage und ließ sie zeternd mit den Worten „Die jungen Mütter von heute, die lassen sich aber auch rein gar keine nützlichen Tipps geben. Das arme, arme Kind!“
Aus Rache an solchen Menschen sollte ich ebenfalls tolle Tipps verteilen. Warum denn in den Senior-Club? Kaufen Sie sich doch einen iPod!
Hätten Sie weniger Kartoffel gegessen, wären sie faltenfrei. Wer in die hohle Hand hustet und sich dabei um die eigene Achse dreht, lebt ewig!

Gute Vorsätze

Gute Vorsätze hat jeder, der Elter wird. Leider sind diese so nachhaltig wie Silvestervorsätze. Zwar wollte man, was man im eigenen Elternhaus hörte, niemals nicht sagen – doch ehe man es sich versieht, verlassen den Mund Sätze wie: Ich will jetzt keine Diskussion mehr, Du machst das weil ICH das sage!
Viel schlimmer als diese Killerphrasen, ist das, was man immer und immer und immer und immer wieder sagen muss.
Seit Monaten versuche ich Kind 1.0 klar zu machen, dass das Aussprechen dieser Sätze für Erwachsene ebenso nervtötend ist, wie das Anhören. In der Beliebtheitsskala ganz oben rangieren:

– Du sollst Händewaschen, nicht planschen!
– Nicht mit dem Stuhl wackeln, setz‘ Dich bitte richtig hin.
– Wäre es möglich, erst runter zu schlucken und dann zu sprechen?
– Ich habe gesagt, Du sollst Dich bitte anziehen!
– Kann man die Tür auch leiser zumachen?
– Bitte leiser sprechen, leiser bitte, verdammt noch mal LEISER! ICH BIN NICHT TAUB … ICH VERSTEHE DICH AUCH SO!!!

Wenn Kind 2.0 groß genug ist, um angeschrien zu werden, werde ich zu alt und schwach sein, um diese Sätze weiterhin live zu performen. Ich habe deswegen eine CD aufgenommen. Sie deckt die Sektionen ‚Berufstätig: Kind morgens in die KiTa bringen und trotzdem pünktlich zur Arbeit kommen‘, ‚Zu Tisch: Ohne kippelbedingten Kieferbruch speisen‘, ‚Nachtruhe: Mit geputzten Zähnen schläft es sich besser‘ und ‚Alltag: Auch ohne Süßigkeiten und Zeitschriftengimmicks kann man einkaufen‘.
Die CD gibt es ab März 2008 in jedem gut sortierten Musikfachgeschäft (auch als Hörzedee für Jehörjeschädichte).

Auszüge aus dem Leben anderer, erfahrener Familien

Es gibt so viel wunderbare Literatur zum Thema Kind. Unverzichtbar für die Vorbereitung, v.a. für Väter das Buch „Windeln, Brei und lange Nächte“ von Colin Bowles.
Hier ein Auszug mit den wichtigsten Tipps zur Vorbereitung.

1. Als Vorgeschmack auf die Nächte, die Sie erwarten, laufen Sie von 17 bis 22 Uhr im Wohnzimmer auf und ab; dabei schleppen Sie einen nassen Sack herum, der ungefähr 8 bis 2 Pfund wiegt. Um 22 Uhr setzen Sie den Sack ab, stellen den Wecker auf Mitternacht und legen sich schlafen. Um 24 Uhr stehen Sie auf und wandern bis 1 Uhr morgens wieder im Wohnzimmer umher – natürlich mit Sack. Dann stellen Sie den Wecker auf 3 Uhr. Da Sie nicht wieder einschlafen können, stehen Sie um 2 Uhr auf und machen sich eine Tasse Kaffee. Um viertel vor 3 gehen Sie ins Bett.
Um 3 Uhr, wenn der Wecker klingelt, stehen Sie auf. Singen Sie dann im Dunkeln bis 4 Uhr vor sich hin. Stellen Sie den Wecker auf 5 Uhr. Dann stehen Sie auf und machen Frühstück. Halten Sie das fünf Jahre durch. Dabei lächeln. (Anmerkung: Keine Sorge, Halluzinationen sind etwas ganz Normales.)

2. Das Anziehen von Kindern, vor allem von Kleinkindern, ist nicht so einfach wie es von weitem aussieht. Wenn Sie es zur Perfektion bringen wollen, brauchen Sie einen Tintenfisch und ein Einkaufsnetz. Versuchen Sie, den Tintenfisch in dem Netz unterzubringen, ohne dass einer der Arme raushängt. Erlaubte Zeit: der ganze Vormittag.

3. Sagen Sie alles immer fünfmal. Sagen Sie alles immer fünfmal. Sagen Sie alles immer fünfmal. Kannst du denn nicht hören???! Sagen Sie alles immer fünfmal. Ich sag’s zum allerletzten Mal, wenn ich das noch mal sagen muss, werde ich langsam böse!!! Sagen Sie alles immer fünfmal.

4. Höhlen Sie einen Kürbis aus. Schneiden Sie seitlich ungefähr ein golfballgroßes Loch hinein. Hängen Sie den Kürbis an einem Seit an der Decke auf. Stoßen Sie ihn an, so dass der in einem Zweimeterradius hin- und herschwingt.
Nun holen Sie einen Teller mit eingeweichten Cornflakes und versuchen, diese mit einem Löffel in den pendelnden Kürbis zu bugsieren. Man hat bestanden bei einem Treffer auf zehn Versuche. Nun sind Sie soweit, ein zwölf Monate altes Baby zu füttern.

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Traumatische Begegnungen mit der eigenen Vergangenheit

Kind I kommt in die Schule und als engagierte Erwachsene stehen ausführliche Lehrstättenbesichtigungen auf der Tagesordnung.
Schulbesichtigungen sind eine prima Sache. Z.B. um festzustellen, dass sich seit der eignen Grundschule nichts geändert hat und die Doofen der Bevölkerung tatsächlich normal verteilt sind.
Die Lektion beginnt um 14.00 Uhr und da wir um 14.04 ankommen, bleibt nur ein  verstohlenes in die hintere Stuhlreihe schleichen. Todesblick I der Schuldirektorin. Wir haben es als einzige gewagt das Kind zur Schulbesichtigung mitzunehmen. Todesblick II.
Vor mir liegt ein Zettelberg, in den ich zu Beginn hochmotiviert schaue. Wenige Sekunden später wird mir bewusst, ich kann unmöglich Zettel lesen UND der Direktorin zuhören. Offensichtlich gibt es keinerlei Zusammenhang zwischen den Handouts und dem Gesprochenen. An was erinnert mich das nur?
Die Direktorin gibt einen kurzen Abriss über unwichtige Fakten zum Thema Namensgeber, Schulgeschichte seit deren Gründung in grauer Vorzeit und der Weigerung sich an Änderungen des Berliner Schulgesetzes anzupassen. Man habe das noch nie so gemacht und werde selbstredend auch in Zukunft davon absehen sich den Gegebenheiten der Moderne anzupassen. Schließlich habe man erst kürzlich die Prügelstrafe abgeschafft.
Details zu Unterrichtsmethoden, angebotenen Fächer und der Hortbetreuung bleiben außen vor.
Darauf folgt ein langer Vortrag zur Kultur der Anerkennung. Dafür gibt es eigens ein Buch, in dem jedes Kind mit Urkunde verewigt wird – sofern es eben irgendeinen Wettbewerb gewonnen hat, von denen es beinahe täglich einen zu bestehen gilt.
In meiner Erwachsenenseele regt sich das verstörte Kind, das sich schmerzlich an eigene Sportwettbewerbe und ähnliche kompetitive Veranstaltungen erinnert, in die ich es nicht mal in die Vorqualifikationgeschaft habe.
Ich bin verwundert, dass es in Deutschland tatsächlich Buchstabierolympiaden und Rechenweltmeisterschaften gibt. Wir müssen jede einzelne Seite des Buchs der Anerkennung wertschätzen und preisen. Ich hatte das Gefühl, wenn wir das nicht tun, lassen die uns nie raus.
Wie gut dass man noch bereits vor der Einschulung Antrag auf Versetzung stellen kann. Im schlimmsten Fall machen wir es wie die Engländer und kaufen dem Kind ordentliche Bildung. Für alles andere gibt es VISA oder wie war das?

Schöne Momente mit Vätern

Vor wenigen Jahren war es noch nicht selbstverständlich, dass sich Väter in den ersten Wochen und Monaten – ja manchmal Jahren – an der Umsorgung des Nachwuchses beteiligten. Dem entgegen werden Männer, die sich heutzutage nicht mit in den Kreißsaal getrauen, angesehen, als kämen sie direkt aus der Hölle. Sie müssen sich während des Gebärens die Hände zerquetschen und anschreien lassen und dabei der Frau noch liebevolle Worte zusprechen.
Wenn man dem gegenüber stellt, dass in Umfragen 87% der Befragten angeben, dass ihnen Ehrlichkeit mit das wichtigste in einer Partnerschaft ist, so tut sich hier doch ein beinahe unüberwindliche Kluft zwischen diesen beiden Sachverhalten auf.
Nicht nur deswegen schätze ich meinen Partner, der an wahren Worten selten spart.
Um immer in Erinnerung zu halten, wie ehrlich er wirklich ist, eröffne ich hiermit eine Top-Ten der schönsten Bemerkungen meines Freundes in Bezug auf unser Baby. Die ersten drei Neuzugänge.

a) Während der Geburt ohne PDA und sonstige Schmerzmittel genervt rufen: „Stell Dich nicht so an!“
b) „Ist dir schon aufgefallen, dass unser Kind aussieht wie eine Mischung aus Ben Grimm der Fantastischen Vier, Onkel Fester der Addams Family und Gollum?
c) „Was wir durchs Stillen sparen, säufst Du an teurem Mineralwasser weg.“

Die Kunde

Schon früher habe ich mir häufiger Gedanken darüber gemacht, wie es wohl mit meinem Blog weitergehen soll, wenn das Kind lesen lernt.
Schließlich würde es mir vielleicht nicht mehr erlauben lustige Geschichten über sein Leben zu verfassen und damit das Ende meiner Bloggerkarriere herauf beschwören.
Viele Nächte habe ich mit meine Freund über diese Problematik gesprochen und so haben wir den Entschluss gefasst, ein weiteres Kind zu machen. Weiblich sollte es zur Erweiterung der Erzählfacetten sein und so geschah es nach bravem Bitten beim Gevatter Adebar, dass uns im Frühling ein Mädchen geboren wurde.
So möchte ich der werten Leserschaft schon jetzt ankündigen, dass es in diesem Blog ab heute ausschließlich um Schwangerschaft und Säuglinge gehen wird. Ich verspreche jedoch, kein Tabuthema zu umschiffen und über alles zu berichten, was man selbst als Schwangere nur unter vorgehaltener Hand erzählt bekommt.

P.S. Na gut. Das ist natürlich eine Ausrede. Ich wollte meinen Blog einfach auf den Heiterkeitsgrad und die Unbeschwertheit eines meiner Lieblingsblogs anheben…

Weihnachtsfreuden I

Diverse Weihnachtslieder des Pops behaupten, Weihnachten sei unter anderem so wunderschön, weil man sich am Glanz der Kinderaugen ergötzen könne. Ohne Zweifel wurden diese Songs von Menschen komponiert, die überhaupt nie mit Kindern in Kontakt gekommen sind. Oder aber sie meinen den Glanz vom Tränenfilm, das könnte natürlich auch sein.
Diesen kleinen Rotzgören kann man es nämlich nie recht machen.
Letztes Jahr ersonnen wir z.B. den pädagogisch durchdachten Plan, dem Kind zum Plätzchen backen einen eigenen Teig zu überlassen über den es frei walten könne. Es dürfte dann grässliche Klumpen backen und wir würden es hinterher loben.
Als das Kind jedoch sah, dass wir den größerem Teigklops hatten, begann es sofort sirenenartig zu jaulen: „Warum hab ich nur so weeeenig? Und ihr soooooo viiiiiieeeel?“
Dieses Jahr buk ich in weiser Voraussicht zwölf Bleche Plätzchen vor und plante, dass das Kind eifrig seine Kreativität beim Dekorieren derselbigen ausleben könne.
Was soll ich sagen?
Erstens hat es schon nach dem dritten Blech schlapp gemacht und zweitens sahen die Plätzchen echt scheiße aus. Ich meine, wem kann man diese Ausgeburten der Hässlichkeit vorsetzen?
Wenn man da mal ein bisschen konstruktive Kritik äußert, fängt das Geheule gleich wieder von vorne an. Die Kinder von heute, die vertragen auch gar nichts. Schlussendlich müssen die aber auch mal verstehen, dass man für die ganzen Weihnachtswünsche nicht umsonst so tief in die Tasche greift. Irgendwas muss doch dabei rumkommen.
Und Großeltern von heute, die wollen auch was Ordentliches auf den Tisch, schließlich muss man gegen die Enkel der Seniorenrunde anstinken und mit diesen jämmerlichen Ergebnissen wird das einfach nichts.