Total Recall

Total Recall – Das Festival des nacherzählten Films sucht noch Nacherzähler

Jedes Jahr findet u.a. in Berlin das Festival des nacherzählten Films statt. Wie zu verschiedenen Anlässen bereits gesagt: Ich liebe dieses Festival.

Leider steht das Festival Jahr für Jahr auf wackeligen Beinen. Zuschauer gibt es ausreichend. Jedes Jahr ist die Veranstaltung an beiden Tagen ausverkauft. Es mangelt leider an Nacherzählern.

Die Stimmung ist hervorragend und es ist noch nie eine Nacherzählung ausgebuht oder sonstwie negativ kommentiert worden. Ich überlege deswegen seit 2005, ob ich mich nicht einfach auch mal auf die Bühne stelle – allerdings habe ich mich noch nie überwinden können – ich empfinde mich selbst bei Vorträgen und ähnlichem als – sagen wir – optimierungsfähig.

Nach einer Lesung hat mal einer zu mir gesagt: „Du warst sowas von lustig! Ohne jede Emotion hast Du wie ein Roboter, der gleich einschläft, alles runtergeleiert. Das war echt der Hammer!“

Dem Weiterleben des Festivals  zuliebe würde ich dieses Jahr allerdings mitmachen – vorausgesetzt es finden sich fünf weitere Personen die sich verbindlich mitanmelden.

Es gibt doch durchaus Menschen, die gerne im Rampenlicht stehen oder die so wunderbar erzählen können, dass es einem ganz warm ums Herz wird. Vielleicht wäre es auch mal Zeit für einen Beitrag von und für Gehörlose?

Hier der offizielle Aufruf:

Berlin
25./26. Nov. 2011 im Hebbel Am Ufer / HAU1
———————————————–
Total Recall das int. Festival des nacherzählten Films sucht FilmnacherzählerInnen und Filmnacherzähler.

Jeder hat es schon einmal getan, jedem ist es schon einmal passiert. Das Nacherzählen von Filmen ist eine weit verbreitete Kunst, die im Verborgenen blüht.
Doch das wird jetzt anders: Das internationale Festival des nacherzählten Films bietet jedem, ob Filmfreak, Soap-Fan, Gelegenheitskinogänger oder ausgewiesenem Cineasten, die Chance, im öffentlich ausgetragenen Wettkampf einen Film
zu erzählen.

Das Publikum ist die Jury und entscheidet, wer die «Silberne Linde» gewinnt. Wir suchen Sie als Nacherzähler/ in. Sie haben 10 Minuten Zeit, von Ihrem (Lieblings-)film zu erzählen, ohne Benutzung von Hilfsmitteln.

Wer sich als Erzähler/in anmeldet erhält an beiden Tagen für sich und eine Begleitperson freien Eintritt.

Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung unter info (klingeling) total-recall.org

Mein Name tut nichts zur Sache – eben doch!

Warum es manchmal doch ganz schön wäre statt der Wagen- oder Dienstnummer einen echten Namen zu erfahren.

Das Thema Klarname beschäftigt mich seit ich 2004 meinen ersten Blogeintrag verfasst habe. Damals wollte ich auf keinen Fall, dass jemand herausfindet wie ich heiße. Sieben Jahre später ist es mir ziemlich egal. Leider nur ziemlich denn eine Restangst bleibt. Ich denke nicht, dass ich mir mit dem, was ich schreibe, schade. Weder beruflich noch in irgendeiner anderen Hinsicht. Zumal ich selten tatsächliche Begebenheiten aus meinem Leben schildere. Gefühlte 90% meiner Blogeinträge sind frei erfundene Geschichten, die maximal ihre Inspiration aus einem persönlichen Erlebnis beziehen. Nicht selten sind es nicht mal meine eigenen Erlebnisse sondern reine Alltagsbeobachtungen oder die Geschichten beziehen sich auf etwas, das mir ein anderer erzählt hat. Hinzu kommt, dass die Geschichten in der Regel stark überzeichnet sind (Ja, sorry, ich bin nicht halb so bekloppt, wie es anmutet).

Ich stelle immer wieder fest, dass einige Leser damit Probleme haben – also mit dem Erkennen bzw. Trennen von wahrer Begebenheit und unterhaltender Geschichte. Daran kann ich aber nichts ändern – schon gar nicht mit der Geheimhaltung meines Namens.
Die Leute verstehen was sie wollen und fertig.

Warum trotzdem nicht mein Klarname unter jedem Eintrag steht, hat eher etwas damit zu tun, dass ich meine Familie schützen möchte. Meine Kinder sollen von den Fehlinterpretationen einiger Leser und Kommentatoren keinen Schaden davon tragen. Deswegen lege ich Wert darauf, nicht jedes Detail meines Privatlebens preis zu geben.
Mein Kollege, Felix Schwenzel und auch andere Blogger bzw. Freunde, die unter ihren Klarnamen im Netz unterwegs sind, haben mich in der Vergangenheit immer wieder ermuntert einfach mal auszuprobieren was passiert, wenn ich meinen echten Namen benutze.
Irgendwann (vor 4 Jahren?) habe ich es gewagt. Zunächst hätte man meinen Namen nur über DENIC erfahren können, später schrieb ich ihn ins Impressum und seit einiger Zeit stehen sogar meine direkten Kontaktdaten auf meinen Seiten.

Es passierte: nichts.
Selbst wenn eine Zeitung oder irgendwer Kontakt zu mir aufnehmen möchte, geschieht das durch eine freundliche Mail. Ich habe lediglich das Gefühl, dass die Menschen lieber „Hallo Patricia“ als „Hallo der die das Nuf“ schreiben.

Sicherlich gibt es immer wieder mal eine Mail, ein Reply oder einen Kommentar über den ich mich ziemlich aufrege – aber das passiert im Leben außerhalb des Netzes ebenfalls und auch hier – ob jemand weiß wie ich wirklich heiße oder nicht – es ändert nichts an meinem Ärgergefühl. Glücklicherweise habe ich bislang nur eine Erfahrung gemacht, die sich ein bisschen spooky anfühlte und ansonsten habe ich mir noch keine Troll an Land gezogen (toitoitoi!).

Warum ich das alles schreibe?
In letzter Zeit ist mir aufgefallen, dass Menschen anscheinend eine Art Phobie entwickelt haben, dass der Gesprächspartner ein Psychopath sein könnte. (Ich beziehe mich explizit nicht auf die Fälle, die im Moment von Google+-Sperrungen betroffen sind und auch nicht auf die Fälle, bei denen ein Pseudonym ein echter Schutz ihrer Person darstellt!). Was ich meine ist folgendes:

Gestern ließ mich ein Tramfahrer mit Kinderwagen nicht in den vorderen Teil seiner leeren Tram einsteigen. Er verwies mich in den hintersten Wagenteil. Ich musste die ganze Tram mit Kinderwagen und einem weiteren Kind an der Hand entlang rennen und mich dann – nachdem der Tramfahrer tatsächlich die Türen schloss OBWOHL er mich ja nach hinten geschickt hatte – in die in der Zwischenzeit total überfüllte Tram quetschen, um dort auch noch den Unmut anderer Fahrgäste auf mich zu ziehen.
Ich bin daraufhin bis zur Endstation mitgefahren und habe den Tramfahrer gefragt, was das solle. Er hat mir sehr unsachlich erläutert, dass Menschen mit Kinderwagen grundsätzlich nicht vorne einsteigen dürften, weil es schließlich sein könnte, dass auf der Strecke ein Rollstuhlfahrer einsteigen könnte. Der hypothetische Rollstuhlfahrer und ich würden dann seinen Fluchtweg im Falle eines Brandes versperren und ich sei dann an seinem Tod schuld.
Nach einigem hin- und her, habe ich ihn nach seinem Namen gefragt, um mich mit Bezug auf seine Aussagen bei der BVG zu beschweren. Zu meinem Erstaunen wollte er ihn mir nicht nennen. Der sei irrelevant. Ich könne mich auch so bei der BVG rückversichern, dass er sich richtig verhalte und alle anderen Fahrer, die es Menschen mit Kinderwagen gestatten vorne einzusteigen, sich falsch verhielten.
Zu meiner bereits vorhandenen Wut und dem Gefühl als Frau mit Kinderwagen diskriminiert zu werden, hat mich seine Unwilligkeit seinen Namen zu sagen und damit zu dem zu stehen was er mir erzählte, sehr verärgert.

Für mich ist dies eine Art seiner Verantwortung zu entgehen. Sich aufführen wie sonst was und dann sagen: Ja Pech, ich hab aber recht und jetzt können sie abziehen und selbst wenn sie sich an offizieller Stelle beschweren, es gibt keine Beweise, dass sie sich mit mir rumgeärgert haben.

Mich entsetzt diese Haltung. Zumal das nicht das erste Mal ist. Auch auf Ämtern, auf der Straße mit Mitarbeitern des Ordnungsamtes, am Telefon mit Call-Centern (etc.) passiert es mir immer wieder, dass mir Menschen nicht ihren Namen sagen wollen.
Für mich ist die Situation zudem unsymmetrisch, denn meistens wissen die Leute im umgekehrten Fall (wg. Kundennummer und ähnlichem) ganz genau wie ich heiße und wo ich wohne. Was also motiviert die Menschen nicht mehr ihren Namen sagen zu wollen?
Denken sie wirklich, dass ich, sobald ich den Namen weiß mich in eine Wahnsinnige verwandle und sie über den Sachkonflikt hinaus im Privatleben behellige? Falls ja, ist das eine sehr bedauerliche Entwicklung, denn ich finde es wichtig, dass man zu dem was man sagt und was man fordert, steht. Zumal ich denke, dass mir so manche Frechheit erspart geblieben wäre, wenn die Menschen kurz inne halten und überlegen, ob sie das jetzt wirklich in dieser Form sagen wollen – einfach nur weil sie es mit ihrem echten Namen quasi unterschreiben.

Bitte, hier, jaaaaa, friß mich!

Wir werden ziemlich oft gefragt, ob wir mit den Kindern nicht viel lieber auf dem Land leben wollten. An Tagen wie heute kann ich mit noch größerer Sicherheit als sonst sagen: Nein. Denn das was Berlin bietet, möchten wir nicht missen. Heute haben wir uns zur 125 Jahr Feier des Kurfürstendamms den Umzug der Plasticiens volants angesehen und wie schon im Oktober 2009 als die Riesen durch Berlin wanderten, hatten wir ein sehr verzücktes Gefühl. Das mag sehr schmalzig klingen – ist es vielleicht auch – aber es ist immer wieder faszinierend wie einfache Dinge wie bunte, riesige Lufballons in Tierform solche Begeisterung auslösen können. Unser zart pubertierendes Kind 1.0 lief fröhlich der Riesenwasserschlange hinterher und schrie vor Freude als es endlich, gemeinsam mit ca. fünf anderen Kindern für einen kurzen Augenblick gefressen wurde. Kind 2.0 rannte den verhuschten Seepferdchen hinterher und versuchte sie zu berühren und Kind 3.0 auf meinem Rücken wedelte Babyzeichen und verkündete enthusiastisch: „Fiiisch! Fiiisch!“

Allein das lässt das Herz ausreichend aufgehen und wenn man dann die Kamera weggesteckt hat, um nicht zu dokumentieren sondern zu erleben, dann dauerte es nicht lange und man konnte in dem beseelten Gefühl aufgehen und sich der riesigen Meeresgestalten erfreuen.

Plasticiens Volants

[scooby doo]

Wir unternehmen ganz gerne Sachen mit den Kindern. Deswegen haben wir am Wochenende den neuen Scube-Park ausprobiert. Bei den Scubes handelt es sich um ca. sieben qm große Quader, in denen bis zu vier Betten Platz finden. Das attraktive an den Scubes ist ihr Standort. Die ersten ihrer Art stehen im Prinzenbad.
Zufällig gab es ein wirklich günstiges Angebot, das unserem gerne geizig bemessenen Budget sehr entgegen kam. Sollte sich zum selben Preis noch mal die Gelegenheit ergeben, würden wir die Sache gerne wiederholen.
Man bezieht während der offiziellen Öffnungszeiten des Prinzenbades einen der fünf (geplant waren ursprünglich vierzig) Scubes. Wir haben uns für den vordersten entschieden, weil der im Gegensatz zu den anderen im Schatten steht. Zu viert passt man locker rein. Sofern man seine Ansprüche vom Camping ableitet, hat man es dort auch bequem.
Da die Scubes erst kurze Zeit dort stehen, fallen einem relativ schnell ein Paar kleine Verbesserungen ein, die man vornehmen könnte. Ein Mückengitter vor dem immer geöffneten Belüftungsfenster. Einen Spiegel, ein kleine Möglichkeit Dinge abzulegen, eine Treppe oder zumindest eine Stufe zum obersten Bett und ein Fußabstreifer vor dem Eingang zum Beispiel.
Strom gab es im Gegensatz zur Information auf der Website leider noch keinen im Scube – jedoch war das kein Problem, weil der „Betreuer“ vor Ort nicht nur sehr freundlich sondern auch stets bemüht war, Lösungen für auftretende Problemchen zu finden.
Eine Kabeltrommel tuts glücklicherweise auch, wenn man z.B. seine bestromte Kühltruhe mitbringt.
Das Gelände der Scubes ist vom Rest des Prinzenbades durch einen Zaun abgetrennt. Das war sehr angenehm, denn die kleinen Kinder können das Gelände erkunden und spielen ohne dass sie verloren gehen oder irgendetwas passiert wenn man mal fünf Minuten in einem der Liegestühle oder in der Hängematte die Augen schließt.
Das Tor zum Prinzenbad samt dessen sanitärer Anlagen ist ausschließlich während der Öffnungszeiten geöffnet. D.h. die Duschen oder eine „richtige“ Toilette kann man nur zwischen 7 und 20 Uhr benutzen. Für den Rest der Zeit steht eine mobile Toilette auf dem Gelände.
Einmal benutzt, benutzt man die aber aufgrund des extremen Gestanks kein zweites Mal.
Auch fehlt es an Möglichkeiten mal einen benutzten Teller abzuspülen oder sich mal die Hände zu waschen. Allerdings muss man dazu sagen, dass in den nächsten Wochen wohl ordentliche Toiletten sowie eine Dusche gebaut werden.
Alles in allem trotzdem eine nette Abwechslung fürs Wochenende. Zwei Tage und eine Nacht dort fühlen sich an wie eine Woche und gleich nach dem Aufstehen schwimmen zu können, das vermittelt echtes Urlaubsgefühl.
Man muss aber ganz klar sagen, mit 2 Erwachsenen und 2 Kindern 94 Euro pro Nacht zu zahlen (wie auf der Website angegeben), das wäre gemessen an dem Standard der derzeit geboten wird, doch ein bisschen wild.
Gegen ein urbanes Gefühl (will heißen, alle 5 bis 10 Minuten fährt die ca. 30 Meter entfernte U 1 scheppernd vorbei) darf man auch nichts haben.
Zu dem vollen Preis könnte man vielleicht 2-3 von 5 möglichen Sternen vergeben. Für weniger verlangt man auch weniger und dann wären vier Sterne möglich. Ein Stern zur Bestnote kostet die fehlende Möglichkeit die Blase zu entleeren ohne dabei das Gefühl zu haben sterben zu müssen.
Ein extra Herzchen bringt der Umstand dass man Abends mit dem Mann außerhalb der eigenen vier Wände gemütlich bei Kerzenschein Wein trinken und dabei den wilden Kaninchen zuschauen kann, die das Areal des Prinzenbads übernehmen.
Ich glaube, jetzt war mir ganz kurz romantisch!

Scubes im Prinzenbad

Schuldenfrei in Windeseile

Pragmatik ist nicht eine meiner Kernkompetenzen. Neulich hatte ich dennoch eine geniale Idee. Ich sorge mich nämlich ein wenig um Berlin. Berlin hat 60.970.000.000 Euro Schulden. Das macht bei knapp 3,5 Millionen Einwohnern eine Pro-Kopf-Verschuldung von 17.420 Euro.

Schulden finde ich scheußlich. Also habe ich etwas ersonnen, wie wir ALLE helfen können Berlin schuldenfrei zu machen.

(Eigentlich würde es ja schon genügen Knöllchen für Hundekacke zu verteilen oder für weggeworfene Kippen. Allein an unserer Tramhaltestelle liegen 37.865 Stück. Pro Kippe 20 Euro Strafe macht 757.300 Euro mal 6.500 Haltestellen in Berlin, macht 4.922.450.000 – Reicht schon mal für die Portokasse.)

Jedenfalls gefällt mir an meiner neuen Idee der Gemeinschaftsgedanke und auch dass es eine Win-Win-Situation für uns Bürger ist.
Jeder hat doch in seinem Haushalt Dinge, die top in Ordnung sind, die man aber nicht mehr benötigt und im Grunde schon seit Monaten – wenn nicht Jahren verkaufen will. Ebay sagt, das seien Gegenstände die durchschnittlich einen Wert von 700 Euro hätten.
Leider kommt man nie dazu und so verstopfen die Sachen die Schränke.
Dank meiner Genialität ist nun Abhilfe geschaffen.
Wir nehmen diese Dinge, bügeln, säubern und polieren sie und bringen sie anschließend in kleinen Mengen zum Fundamt bzw. zu den Bürgerämtern. Die sind näher und nehmen meinen Erfahrungen zufolge wahnsinnig gerne und freundlich Fundstücke entgegen. Man verzichtet auf die Fundrechte und nach sechs Monaten darf die Stadt Berlin die Gegenstände öffentlich versteigern. Die Gewinne kommen Berlin zugute.
Sind wir in knapp 25 Jahren Schuldenfrei!*
Ist das nicht wunderbar?
Berlin schuldenfrei und die Wohnung jederzeit pikobello aufgeräumt.

*Wenn Touristen und andere Berlinbesucher mitmachen, bekommen wir sogar die Sache mit den Zinsen in den Griff.

Schmutz, Gliedertiere und Schürfwunden

Es soll sie ja geben, die Menschen, die lieber auf dem Land leben möchten. Wenn mir wenig klar ist im Leben, dann das: Ich gehöre nicht zu ihnen.
Selbst auf dem Land groß geworden, kann ich mir wenig ätzenderes vorstellen. Xenophobe Menschen, Güllegestank und Kehrwoche.

Gelegentlich wenn mein Zyklus mich hormonell verwirrt, kommen mir doch Zweifel. Die armen Kinder! Nie bauen sie Staudämme an winzigen Bächlein. Nie fischen sie Kaulquappen. Insekten sind ihnen fremd und Bäume kennen sie nur aus Büchern.
Dann frage ich eine liebe Bekannte, die ein Häuschen im tiefsten Brandenburg besitzt, ob wir selbiges mal für ein Wochenende leihen können.

Das Häuschen ist ein Traum für jeden Romantiker. Wie vom Maler Janosch illustriert, gibt es keine gerade Linie an ihm. Jede Ecke hat ein Spinnweben, jeder Topf eine Delle, keine zwei Tassen sind gleich. Es gibt kein warmes Wasser, nicht mal eine Toilette, lediglich ein Plumpsklo mit Rindenschrot kann es bieten.
Nachts pfeift der Wind durch die Fensterritzen und die Igel machen Geräusche, dass man denkt, die Trolle kommen gleich und holen die Kinder.

Am Freitag berichtete ich den Kindern freudestrahlend von meiner grandiosen Idee und schilderte ihnen das Häuschen. Kind 2.0 fing sofort an zu weinen, weil es angst hatte, dass die Spinnen es beim Pipi machen in den Po beißen würden. Das ältere Kind 1.0 wusste es schnell zu beruhigen, indem es versicherte, dass Spinnen nicht beißen und dass wenn überhaupt es höchstens von einer Ratte gebissen werde oder aber von einem Wolf auf dem Weg zur Toilette verschlungen würde. Kind 1.0 sang dann zu den hysterischen Weinlauten von Kind 2.0 Rainald Grebes Lied Brandenburg.

Wir fuhren also am Freitagabend nach Feierabend los und trugen die übermüdeten Kinder durch einen Sturm ins ca. 50qm große Häuschen. Am nächsten Morgen, kaum hatte der Hahn der Nachbarn gegen 4 Uhr gekräht, standen die Kinder auf, zogen sich an und zogen los.
OK, sie wollten sich anziehen und losziehen, nur leider fanden sie nichts passendes.
Ich hatte am Tag zuvor die Wetterlage auf Wetter.de gecheckt und dort gelesen: 16 Grad. Die Windanzeige hatte ich ignoriert und auch sonst war mir zu dem Wetterbericht nicht viel sinnvolles eingefallen.
Für alle Kinder hatte ich Badesachen, mehrere T-Shirts und Sandalen eingepackt.
Jetzt standen die drei weinend und zitternd im Hausflur und schauten mich fragend an. Wir zogen kurzerhand alles was wir überhaupt dabei hatten über die Schlafanzüge und entließen die Kinder in den großzügig bemessenen Garten.
Zwei Minuten später der erste panische Schrei. Kind 2.0 hatte sich schmutzig gemacht. Weitere drei Minuten später der erste Insektenangriff. Wieder drei Minuten später ein blutiges Knie.
So vergingen die ersten Stunden und brachten wenig erbauliches.
Wir Erwachsene wünschten uns beim Anblick des Außenklos die Verstopfungen unserer eigenen Eltern beim Versuch auf fremde Toiletten zu kacken machen.
Nach dem Frühstück jedoch packten wir neuen Mut und tatsächlich das Ist-es-nicht-toll-hier-am-Land-Gefühl stellte sich bald ein.
Wir mähten mit einem analogen Gerät den Rasen, rechten alles zusammen. Die Ränder der Wiese kürzten wir mit Gartenscheren und die Blumen wurden in stundenlanger Kleinstarbeit mit winzigen Gießkannen gewässert. Kind 1.0 kam in einen Mährausch und kürzte gewissenhaft alle Gartenkräuter.
Die Luft roch nach Schnittlauch und Basilikum, wir kochten Nudeln mit Tomatensoße, alle aßen als gäbe es in der kommenden Woche keine Nahrungsmittel mehr. Kind 2.0 und 3.0 verteilten nach alter Manier des Guerilla–Gardening Blumensamen in den Beeten.
Wir fütterten die umliegenden Ziegen, Pferde, Schafe und Nachbarshühner und punkt 20 Uhr fielen die Kinder in Ohnmacht und wachten erst am nächsten Morgen wieder auf.
Wir Eltern saßen bis tief in die Nacht unter einem strahlenden Sternenhimmel, frei jeder Lichtverschmutzung und tranken Gänsewein.
Der darauf folgende Tag verlief ähnlich wundervoll und als ich mir gerade die Hände im Spülbecken beim Spülen verbrühte, weil das Wasser aus dem Wasserkocher wider Erwarten bereits gekocht hatte und ich aus dem Fenster blickte, am Horizont die Kuhherde und unten am Haus Kind 1.0, das gerade versuchte die Nachbarskatze mit einem gellenden KATZIIII KATZIIII anzulocken, da dachte ich einen kurzen Moment: Was wäre es schön auf dem Land zu leben.

Filme, nacherzählt

Für mich die beste Veranstaltung des Jahres und zwar Jahr für Jahr: Das Festival des nacherzählten Films. Seit es existiert, gehe ich hin. Nur 2009 musste ich es ausfallen lassen weil Kind 3.0 zu den Festivaltagen geboren wurde*.
Das Prinzip ist ganz einfach: Ein oder mehrere Redner erzählen etwas nach, das verfilmt wurde. Hilfsmittel aller Art sind unzulässig. Es spielt jedoch keine Rolle, ob man ein Film, eine Serie, ein Musikvideo, das eigene Hochzeitsvideo, eine Dokumentation oder eine Werbung nacherzählen möchte.
Das Ergebnis ist faszinierend. Von Bud Spencer Filmen, über Tierdokumentationen, Filme, die kein Mensch kennt, bis hin zu 50er Jahre Serien – alles wird nacherzählt, nachgesungen oder sogar pantomimisch dargestellt. Ich habe in all den Jahren noch keinen Beitrag gesehen, den ich als schlecht empfunden habe. Ich habe Tränen gelacht und geweint. Das Festival ist ganz wunderbar.
Anscheinend finden das andere auch, denn die Zuschauerzahlen steigen, nur an Nacherzählern mangelt es (zumindest im Vorfeld, so dass die Organisation des Festivals erschwert wird).
Glücklicherweise melden sich im Laufe der beiden Festivalabende weitere Freiwillige, so dass auch in diesem Jahr auf 27 Nacherzählungen präsentiert wurden.
Ich bewundere die Nacherzähler und besonders diejenigen, die sogar spontan auf die Bühne kommen. Jahr für Jahr nehme ich wunderbare Inspirationen für Serien und Filme mit und mir bleiben (film)begeisterte Menschen mit einer unglaublichen Ausstrahlung und Präsenz in Erinnerung.
Am liebsten würde ich jedem einzelnen Nacherzähler nach dem Festival um den Hals fallen und mich tausend Mal bedanken.
Meine absoluten Favoriten in diesem Jahr waren „Invictus“ und „Missfits (Serie)“, sowie der Dauerbrenner „Vom Winde verweht“. Danke für diese beiden tollen Abende!

Hier einige sehr grandiose Beispiele:
Herr der Ringe 1-3 (1. Teil) und Texas Chainsaw Massacre

 

Gewinner der silbernen Linde Januar 2011: Andres Blumenthal „Mamma Mia!

*Übrigens nicht unbedingt ein Grund, denn es gibt eine Nacherzählerin, die sich zum errechneten Geburtstermin mal locker flockig auf die Bühne gestellt hat und ihren Lieblingsfilm nacherzählt hat.