Heute geht für Kind 2.0 die Kindergartenzeit zu Ende.
Ich werde deswegen keine Wimperntusche tragen, denn sonst sehe ich am Ende des Tages aus wie Alice Cooper. Für mich ist es schwer, nicht auszudenken, wie schwer das Herz von Kind 2.0 heute sein muss. Immerhin 5/6 seines Lebens ist es jeden Tag zwischen 7 und 8 Stunden in den Kindergarten gegangen. Wenn ich es genau ausrechnen würde, käme ich wahrscheinlich zu der Erkenntnis, dass Kind 2.0 mehr Zeit mit den Erzieherinnen verbracht hat, als mit mir.
Ich halte Kind 2.0 für hervorragend gelungen. Es wäre schön, wenn ich mir dafür selbst auf die Schulter klopfen könnte, aber ich fürchte ich bin nur ein winziger Faktor von vielen und ein Hauptfaktor sind die Erzieherinnen. Vor allem die, die Kind 2.0 durchgehend begleitet haben.
Ich bin so voller Dankbarkeit, dass ich das erste Jahr beinahe täglich das Gefühl hatte, den Erzieherinnen in die Arme fallen zu müssen und DANKE DANKE DANKE! zu rufen.
Am Anfang war ich einfach nur dankbar einen Platz bekommen zu haben. Ich hatte in der Schwangerschaft angefangen zu suchen. Ich war in ungefähr 20 Kitas auf der Warteliste und hab mir die absurdesten Strategien überlegt, wie ich zu einem Platz kommen könnte. Geholfen hat das alles nichts. Einen Monat bevor ich wieder anfangen wollte zu arbeiten, hatte ich immer noch keinen Platz. Die Verzweiflung trieb mich in ein Mama-Forum, wo ich unter hunderten mein Kitaplatzgesuch jammernd postete. Eine andere Mutter gab mir einen Tipp, dass gerade eine neue Kita gegründet worden war, die noch Plätze hätte.
Am nächsten Morgen, polierte ich Kind 2.0 und mich auf und eilte in den Kindergarten. Die erste Frage lautete: „Hast Du ein Mädchen oder ein Junge?“ Mein ehrlicher Gedanke dazu war: „Wir machen das passend! Mein Kind kann alles sein, was ihr braucht! Hauptsache einen Platz!“. Ich antwortete wahrheitsgemäß und OH HURRA, wir hatten das richtige Geschlecht. Kind 2.0 war in der Zwischenzeit in den großen Aufenthaltsraum marschiert und hatte sich zum basteln zu den anderen Kindern gesetzt.
Damit war die Eingewöhnung quasi abgeschlossen. Die Erzieherinnen haben dann nur zwei weitere Wochen investieren müssen, um mich vom Kind zu trennen. Das Kind ertrug meine Ablösungsprobleme gelassen.
Zum Start hatte die Leiterin mir das pädagogische Konzept der Kita in die Hand gedrückt. Ich habe alle 120 Seiten gelesen und gedacht: Wenn die ein Drittel davon einhalten, dann ist das wirklich ein Glücksgriff. Ich schwöre, sie haben mehr als 100% davon erfüllt.
Als ich wieder anfing zu arbeiten, wußte ich mein Kind jederzeit gut betreut und nicht nur das. Was die Erzieherinnen für die Kinder aufbringen, ist nicht nur pädagogischer Natur. Sie schenken den Kindern wirklich ein warmherziges und offenes zuhause. Sie bieten ihnen eine Familie mit vielen anderen Kindern. Die ersten beiden Jahre war v.a. das wichtig für das Kind. Es wurde liebevoll behandelt, beschmust, besungen und mit einer unfassbaren Geduld gefördert und in all seinen Bestrebungen nach Selbständigkeit unterstützt.
Ich habe Elterndienste gemacht und mir vorgestellt, dass ich das jeden Tag machen müsste und da war mir glasklar, ich hätte das nicht gekonnt. Ich habe plötzlich meine eigene Mutter verstanden, die (weil es eben damals einfach so war) die ersten drei Jahre zuhause bleiben musste und mit mir alleine war, die danach einen Kindergartenplatz bekommen hat, der ihr Betreuung von 9 bis 12 Uhr gewährleistete, die ich leider oft nicht als gelassene oder geduldige Mama in Erinnerung hatte. Ich habe erkannt, dass es mir womöglich nicht anders gegangen wäre.
Meine Kinder hingegen haben eine wunderbare Kindheit in diesem Kindergarten, mit diesen Erzieherinnen, die so unendlich viel Liebe, Geduld und aufrichtiges Interesse an den Kindern aufbringen, dass ich mir manchmal wie ein furchtbarer Mensch vorkomme, wenn ich gelegentlich nach einem einzigen Abendessen mit drei Kindern schon völlig entkräftet und genervt bin.
Es gab so viel Platz. So viel Platz für all die Gefühle, die die Kinder durchleben, für all die Spleens, die sie zeitweise haben, ihre Neugierde, für alles. Ich habe nie ein pauschales Nein, nie eine abwertende Bemerkung, nie ein harsches Wort (auch nicht wenn ich schon im Vorraum stand und durch die geschlossene Tür „lauschen“ konnte!) und nie irgendein Klischee der Art „Jungen/Mädchen machen/können das aber nicht“ gehört. Was ich aber gesehen habe, war Respekt. Respekt und Ermutigung und durchweg (ich glaube der Fachausdruck dafür ist) ein resourcenorientieres Herangehen.
Ich bin so unendlich dankbar. Für die schöne Zeit und auch für all das was ich gelernt habe. In meinem Ermessen hätte es keine bessere Kita geben können. Vielleicht muss ich doch nochmal über das Modell nachdenken, alle drei Jahre ein Kind zu bekommen, damit wir uns nie für immer von dieser Kita trennen müssen.
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