Ein liebes Baby kostet, das erwähnte ich schon. Manchmal beschert es auch graue Haare, wenngleich nur indirekt. Zum Beispiel wenn man mal wieder Handwerker im Haus hat, weil zur Abwechslung der Abfluss in der Wand verstopft ist.
Es klingelt. Ich öffne zwei streng riechenden Männern. Einer von ihnen trägt einen Pümpel.
„Tach wir sin Klemptner vonne Sanitärfirma.“
Ich grüße freundlich und schildere den Sachverhalt. Betone dabei dass wir pümpelmäßig alles probiert haben was in unserer Macht stand.
Die Herren schreiten in die Küche und kratzen sich am Kopf.
– Hamse ne Lampe?
– Äh Taschenlampe für den verstopften Abfluss?
– Ne Lampe ebent.
– Habe ich bedauerlicherweise nicht.
– Hamse eine Säche?“
– Wie bitte?
– Eine Säche.
– ???
– Eine SÄCHE, der Handwerker wird ein wenig barscher im Ton.
– Ich fürchte, ich habe keine Säche.
– Ein Haushalt ohne Säche?“
– Japp, ich fürchte, ich habe mein ganzes Leben ohne Säche verbracht. Ferner muss ich bedauernd feststellen, dass ich leider nicht mal weiß was eine Säche ist.“
– Sie kennen keine Säche?, Handwerker bricht in Lachen aus.
– Ich fürchte, ich verstehe einfach nicht was das sein soll.
– S Ä H C H Ä, spricht der Mann langsam und sehr deutlich aus.
Glücklicherweise weint das Kind, ich verschwinde.
Dreißig Minuten später komme ich wieder in die Küche. Weiterhin Ratlosigkeit. Ohne Lampe und Säche anscheinend kein Vorankommen. Man entschließt sich, den weiten Weg zum Auto zu gehen und endlich Werkzeug zu holen.
Zu meinem Erstaunen stelle ich wenig später fest, dass es sich bei einer Säche um ein mir unter dem Namen SÄGE geläufiges Werkzeug handelt.
Man sächt die Wand auf und bestaunt die Rohre. Einer der beiden Handwerker hat offensichtlich Superkräfte und kann durch geschlossene Rohre schauen.
Danach versucht man mit einer ca. 10 Meter langen Spirale die Verstopfung zu beseitigen. Da das Rohr unglücklicherweise verstopft ist, kommt man nicht hindurch.
Im Bad testet man, ob die Spirale defekt ist. Der Test ergibt, dass die Spirale funktioniert und die Leitungen im Bad nicht verstopft sind. Das teilt man mir zufrieden mit.
Das Baby weint wieder.
Während ich es beruhige, höre ich seltsame Geräusche in der Küche. Kurz darauf steht sie unter Brackwasser, Hühnchenknochen schwimmen auf der Oberfläche und die Handwerker rufen mir, während sie ins Treppenhaus gespült werden, glücklich zu, dass die Verstopfung nun beseitigt sei.
Erleichtert spiele ich auf der dagelassenen Säche Wer will lustige Handwerker sehen, der muss zu den Nufens gehen in D-Moll und winke den freundlichen Verrückten nach.
Alle Rentner doof, außer Omi und Opi natürlich
Damit ein Kind in der Pubertät nicht zum uncoolen Kunstliebhaber wird, empfiehlt es sich bereits ab der Geburt regelmäßig Museen aufzusuchen. Eine Jahreskarte Plus der SMB hilft die Ausgaben hierfür im Rahmen zu halten.
Da Berlin nach den unsäglichen MoMA-Wartezeiten dazu gelernt hat, kann man sich mit Baby sogar in angesagte Impressionistenausstellungen wagen. Theoretisch jedenfalls.
Theoretisch läuft das nämlich so. Irgendwann, wenn man Lust hat in die Neue Nationalgalerie zu gehen, holt man sich eine Eintrittskarte. Auf der Eintritteskarte steht eine Nummer. Anhand der Nummer ermittelt man die Eintrittszeit. Nehmen wir an, man kauft die Karte um neun Uhr und entnimmt der Wartetafel, dass man voraussichtlich eine Stunde später das Museum betreten kann. Daist es naheliegend in der Zwischenzeit einen Latte Macchiato zu sich zu nehmen und dann um zehn gutgelaunt zum Eingang zu gehen.
So, wie gesagt, lautet die Theorie. Doch womit man nicht gerechnet hat, ist die Aggressivität von verzweifelten Rentnern, die offensichtlich kurz vor ihrem Ableben stehen und unbedingt vorher noch in die Ausstellung müssen.
Erste Konfrontationen gibt es, wenn man sich an der Ticketkasse anstellen muss.
„Sie müssen die Reihe schnurgerade fortsetzen, so ist es vorgesehen!“, schreit mich einer an und schubst mich samt Kinderwagen gebissklappernd in die Anstellreihe zurück, denn ich habe versehentlich beim Anstellen einen Winkel von zwei Grad erzeugt.
Vier Kassen sind geöffnet, doch leider muss ich wegen meiner Jahreskarte an die erste. Vor mir ein großes Schild Bitte benutzen sie alle Kassen. Noch bevor ich meinen Hintermann bitten kann, dass er mich überhole und zu Kasse II vorrücke, erhalte ich einen Bodycheck, kippe auf den Kinderwagen und werde an die nächste Kasse gerollt. Als ich von dort zurück möchte, schreit mich der Hinterhintermann an, ich solle mich ganz hinten anstellen, er sei nun an der Reihe. „Ekelhafte Jugend. Kinderwagenwegversperrer. Zumutung, dreiste Vordränglerin!“ So werde ich wieder ans Ende der Schlange bugsiert.
Drei Runden muss ich machen bis ich endlich an der Zielkasse bin. Hundert Wartenummern hat es mich gekostet, doch einen Säugling habend, habe ich einiges an Geduld und Güte dazu gewonnen.
Ich erhalte eine Nummer, die mir sagt, dass ich noch eine halbe Stunde Zeit habe einen Kaffee trinken zu gehen.
Als ich wiederkomme, säumt eine Warteschlange die Neue Nationalgalerie.
Wohlerzogen frage ich den letzten Wartenden, welche Nummer er hat. Meine plus 150. Ich entschließe mich nach vorne zu gehen.
Ich fühle mich dabei wie Steve Jobs, der 1997 unter Buhrufen seine Kooperation mit Microsoft bekannt gibt. Glücklicherweise hat niemand faule Eier oder alte Tomaten dabei.
Einige Rentner versuchen mir den Weg zu versperren, doch ich bin schneller und umrunde sie mit meinem wendigen Kinderwagen.
Vorne angekommen, teilt mir der Museumswärter mit, dass ich prinzipiell rein könne, man aber vermute, dass es noch andere mit noch niedrigeren Nummern in der Schlange gäbe und man deswegen jetzt doch lieber der Reihe nach einlasse.
Hinter mir wird geklatscht. Eine stark geschminkte Buckelige zerrt mich mit knochigen Fingern nach hinten. Welch Triumph! Rein kommt, wer ansteht. So ist es seit jeher gewesen. So wird es immer sein. Das ist das Gesetz. Wartenummern! SMS-Service! Anstellen lautet die Devise.
„Nicht mit mir meine Damen und Herren!“, kreische ich. Der Geduldsfaden ist gerissen, „Projektmanagerin war ich in meinem Leben vor der Mutterschaft!“.
„ALLE DAMEN UND HERREN MIT DER NUMMER 290 bis 340 VORTRETEN, ALLE ANDEREN ZURÜCK!“
Ich rolle meine Infobroschüre zum Wartesystem zum Sprechrohr.
Fünfzig Falschwarter sind ob der Aussicht auf baldigen Einlass plötzlich meine Verbündeten. Es gibt eine kurze Revolte. Ein Paar Brillen gehen zu Bruch und am Ende liegt eine einsame Perücke am Asphalt, doch was soll ich sagen. Nummer 290 bis 340 und ich, wir sind drinnen!
Nur das Kind, das findet Impressionisten doof. Die Farben zu blass, die Landschaftsmotive der plein air zu öde. Rodinskulpturen zu düster.
Wir gehen.
In Kürze
Der Edelsteinminenroboter aus Idar-Oberstein, Rotz der von der Treppe tropft im Palm Beach in Stein und andere tolle Urlaubserlebnisse.
Übrigens
Das Sommerloch hat begonnen.
Was ein liebes Baby kostet
Nach der Geburt eines Kindes wieder rank und schlank zu sein, ist eine Sache. Eine andere ist es ein pflegeleichtes Kind zu haben. Und das liebe Leserinnen, ist meine Rache an all den bauchlosen Muttis. Ich klinke mich in jedes Babyklagegespräch mit den Worten „Seit mein Kind geboren ist, fühle ich mich als hätte ich Urlaub“ ein.
Hierzu die neiderregenden Fakten in aller Kürze:
- Mein Kind beschäftigt sich am Tag seit der 4. Lebenswoche ca. 4 Stunden über den Tag verteilt selbst.
- Es schläft von 9 bis 11 und von 13 bis 16 Uhr. Dazwischen ist es immer gut gelaunt.
- Mein Kind weint an einem Tag aufsummiert ca. fünf Minuten. Es sei denn, es ist krank, dann weint es zehn Minuten.
- Ich kann mein Baby tagsüber auf jede Veranstaltung, in jedes Museum und in jedes Café mitnehmen.
- Es geht abends um 20 Uhr ins Bett und schläft, wenn ich ihm ein schief gesungenes Wiegenlied vorsinge.
Allerdings ist so ein liebes Baby nicht billig. Das Schicksal hat als Ausgleich unsere Waschmaschine, die Spülmaschine, die Hälfte meiner Kopfhaare und meine Lieblingsohrringe einkassiert.
Ticket to hell
Was freue ich mich mit Minibaby am Mittwoch Bahn zu fahren. Bestimmt gibt das einen super Bahnjammerartikel für den Blog. Immerhin.
Was nach dem 17uhrwahnsinn folgt
Die Geburt eines Kindes macht aus Atomuhren Sonnenuhren. In meinem babylosen Leben war ich einst Koordinatorin von EU-Projekten, weil ich eine Vorliebe für Haarspalterei, Deadlines und unverhältnismäßig komplizierten Abrechnungsregularien hatte. Meine Kollegen schenkten mir zum Geburtstag ein Stempelset mit dem ich auch im Privatleben meine Ablage perfekt organisieren konnte.
Jetzt bin ich Mama und lebe lustig mit dem Baby in den Tag hinein. Ich weiß selten wie viel Uhr es ist und schon gar nicht welchen Wochentag wir haben.
Mein Freund ist bisweilen entsetzt darüber, denn im Laufe der Beziehungsjahre hat er gewisse Erwartungen aufgebaut. Waren wir beispielsweise früher irgendwo eingeladen, hatte ich den Anfahrtsweg in drei Varianten, einen Ausschnitt des Stadtplans und einen Kompass in der Handtasche. Heute stehen wir ratlos in der Straße und ich versuche mich zu erinnern, ob die Hausnummer ein- zwei- oder gar dreistellig war.
Doch was soll ich sagen. Das Ex-Leben als Atomuhr macht nur halb so viel Spaß wie das einer Sonnenuhr und so lebe ich heiter nach dem Motto, das ich vor ca. zwei Jahrzehnten gerne in Poesiealben krakelte: Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heiteren Stunden nur.
Wer ihn nicht kennt, den 17uhrwahnsinn.
Man solls eben richtig einteilen
Die Hebamme prophezeite, dass man im Schnitt nach der Geburt eine Konfektionsgröße mehr tragen würde. Im Geiste verabschiedete ich mich also von der 34. Und wirklich, am Ende hat sie Recht behalten, mir passt nur noch die 36.
Nun, werte Leserin, haben sie den Hass in sich aufkochen spüren? Ja? Dann wissen Sie, wie ich mich fühle, wenn ich solche postnatalen Gesprächen lauschen muss. Behaupten doch eine nicht unbeachtlich große Menge von Damen, ihnen würden die Kleidungsstücke aus dem kindlosen Leben gleich nach der Geburt wieder passen.
Im Wochenbett dachte ich noch, diese Frauen seien gemeine Lügnerinnen, doch im Rückbildungskurs wurde ich eines besseren belehrt.
Es gibt sie, diese Monster. Sie sind schmal wie grüner Spargel, haben keinen Bauch und selbst kurz nach dem Stillen stehen ihre Apfelbrüstchen keck nach oben.
Mit solchen Frauen einen Raum zu teilen, ist eine wahre Zumutung. Vor allem in so kinderreichen Gegenden wie dem Prenzlauer Berg muss das doch nicht sein. So wie in jedem vernünftigen Englischkurs, wo man die Teilnehmer in Anfänger, Fortgeschrittene und Profis aufteilt, könnte man Rückbildungskurse doch auch in Schwabbel, Ganz-Okene und Topmodels aufteilen.
Dann müsste ich sie nicht sehen, diese figürlichen Bohnenstangen.
Und was ich nicht sehe, gibt es nicht.
Hoffnungsspendender Nachtrag:
Genau 90 Tage nach der Geburt geschah, was ich für völlig unmöglich gehalten hatte. Ich passte trotz meiner enormen Kiste endlich wieder in meine allergrößten Hose. Das gibt überschwänglichen Optimismus für die Zukunft.