Einhornmoden

Wie Einhörner den Familienalltag bereichern – oder auch nicht.

Es ist so: Hat man keine Kinder, gehen bestimmte Themen an einem völlig vorbei. Mit ziemlicher Sicherheit werden im Leben eines Ü30-Jährigen nur in den aller seltensten Fällen Einhörner eine wesentliche Rolle spielen. Anders wenn man Kinder hat. Dann gehören Einhörner in allen Varianten als fester Bestandteil zum Alltag.
Warum bestimmte Dinge Kinder so begeistern, lässt sich nur teilweise nachvollziehen. Sucht man nach einer Gemeinsamkeit z.B. zwischen Müllmännern, Piraten und Einhörnern, merkt man schnell, dass man sich in einer erklärungstechnischen Einbahnstraße befindet.

Selbst eine intensive Recherche zum Thema Einhorn liefert nur mäßig erleuchtende Einsichten.
Das Einhorn, das erst in der neueren Vergangenheit einem Pferd mit Horn auf der Stirn ähnelt, war ursprünglich ziegenhafter.  Denn kaum war das Hanfband erfunden, setzte sich die Ansicht durch, dass Ziegen besonders hübsch seien und Glück brächten, wenn sie nur ein einziges Horn besäßen. Kurzerhand band man den noch jungen Zicklein die vergleichsweise zarten Hörner zusammen und wartete darauf, dass sie in der Adoleszenzphase der Ziege zu einem einzigen Horn zusammen wuchsen. Das war noch deutlich vor dem Mittelalter. Wer sich mittelalterliche Kunst zu Gemüte geführt hat, dem wird gewahr sein, dass mangels perspektivischer Expertise die meisten Zeichnungen aus heutiger Sicht in Sachen Genauigkeit und Schönheit doch eher zu wünschen übrig lassen. Die zunehmende Verpferdung der Glückszickleindarstellungen sind demzufolge auf ein zeichnerisches Unvermögen zurückzuführen.

Ähnliche Entwicklungen gab es außerhalb des europäischen Raums durch fehlsichtige Entdecker wie Marco Polo, die das erste Mal auf Sumatra ein Nashorn sahen und ihre Erinnerungen zeichnerisch fehlerhaft festhielten und ihre Darstellung eher an ihnen bekannte Tiere wie dem Pferd anlehnten. Folglich ging dem Unicornus das ziegen- bzw. nashornhafte im Laufe der Zeit verloren und es wurde immer pferdeartiger.

Praktisch, denn dem Pferd sagte man ohnehin viele edle Eigenschaften nach – was sich außerordentlich gut mit dem Glauben vereinigen ließ, dass die Hörner der Einhörner über magische Fähigkeiten verfügten, Krankheiten heilen und sogar Tote zum Leben wiedererwecken könnten.

Durch den Fund vereinzelten Narwalhörner (, die eigentlich Zähne sind), die gerne von diversen Herrschern als Herrscherinsignien verwendet wurden, festigte sich der Glauben an Einhörner und deren magischen Fähigkeiten sich zunehmends.

Einhörner wurden mehr und mehr Symbol für das genuin Gute und kraftvoll Magische. Diese Symbolkraft scheint Einhörner für Kinder so anziehend zu machen.

Die Spielzeugindustrie hat das schnell erkannt und wirft Einhörner in pastellfarbenen Variationen auf den Markt. Wem Fillys oder die Schleich Elfenwelt ein Begriff sind, der weiß wovon ich spreche.

Natürlich wollte ich sowas nie kaufen. Aber wenn der Nachwuchs einen mit diesen großen, wässrigen Augen ansieht und mit fiepsiger Stimme nach Einhörnern verlangt, da vergißt man leicht seine Vorsätze.

Kaum bröckelt der innerliche Widerstand, mehren sich die Einhörner in den eigenen vier Wänden. Einhörnern in Kinderzimmern neigen jedoch dazu sich schnell zu erkälten, so jedenfalls die Informationen, die mir Kind 2.0 zukommen ließ. Sie brauchen UNBEDINGT Kleidung. Die wochenlange Google Recherche zu dem Thema „Kleidung für Einhörner“ führte jedoch zu keinen Resultaten und so stand das Kind Tag für Tag da und forderte, ich solle was stricken.
Mein handarbeitliches Können ist dermaßen limitiert, dass ich sehr froh war, während eines Besuchs in einem schwedischen Einrichtungshaus zu entdecken, dass dort standardmäßig Einhornkleidung angeboten wird.

Beide Modelle kosten je 99 Cent und verfügen über ein Schweifloch sowie individuell an die Einhorngröße anpassbare Klettverschlüsse.

 

 

 

Und wem es tröstlich ist, schon große Lyriker wie Rainer Maria Rilke haben sich mit Einhörnern beschäftigt und in diesem Fall wird klar, dass der Unterschied zwischen fillyartigem Kitsch und hoher Dichterkunst nur maginal ist:

Das Einhorn

Der Heilige hob das Haupt, und das Gebet
fiel wie ein Helm zurück von seinem Haupte:
denn lautlos nahte sich das niegeglaubte,
das weiße Tier, das wie eine geraubte
‚hülflose Hindin‘ mit den Augen fleht.
Der Beine elfenbeinernes Gestell
bewegte sich in leichten Gleichgewichten,
ein weißer Glanz glitt selig durch das Fell,
und auf der Tierstirn, auf der stillen, lichten,
stand wie ein Turm im Mond,das Horn so hell,
und jeder Schritt geschah, es aufzurichten.
Das Maul mit seinem rosagrauen Flaum
war leicht gerafft, so daß ein wenig Weiß
(weißer als alles) von den Zähnen glänzte;
die Nüstern nahmen auf und lechzten leis.
Doch seine Blicke, die kein Ding begrenzte,
warfen sich Bilder in den Raum
und schlossen einen blauen Sagenkreis.

Slim-Baggy-Fit

Mit den Modeerscheinungen der Moderne umgehen lernen. Eine weitere Aufgabe für friedliebende Eltern.

Eltern zu haben, ist nicht immer leicht. Das weiß ich aus eigener Erfahrung und natürlich ist mein Elternsein oft von dem Wunsch getrieben nicht so wie die eigenen Eltern zu sein. Doch tatsächlich reift mit dem Elternsein auch das Verständnis für die Nöte der eigenen Eltern.

Zum Beispiel in Sachen Modeerscheinungen. Ich wollte als 13jährige unbedingt eine dieser türkisfarbenen Bomberjacken mit drei Meter Fellkragen, die so kurz waren, dass der Nierenbereich völlig unbedeckt blieb. Weil meine Eltern sie mir nicht gekauft haben, habe ich mir mühsam das Geld mittels Baumarktinventuren (Sägeblätter zählen! Schrauben wiegen!) verdient. Als ich sie mir endlich leisten konnte und voller Stolz meinen Eltern vorführte, verdrehten sie nur die Augen. Zu recht, wie ich heute weiß.

Unsere Kinder sind was die Auswahl ihrer Kleidungsstücke angeht schon immer sehr unterschiedlich gewesen. Das mittlere sieht meistens aus wie eine gepimpte Version von Enie van de Meiklokjes. Sobald es den Kopf schütteln konnte, protestierte es bei der elterlichen Kleidungswahl und robbte selbst zum Kleidungsschrank, um auf die richtigen Stücke zu zeigen. Manchmal kann man das Kind gar nicht richtig sehen, weil die Farbkombinationen optische Täuschungen auslösen und es einfach verschwindet – eine Tarntechnik, die sich der Predator ebenfalls zu nutze macht.

Das älteste Kind hat eigentlich nie Vorlieben zu seinen Kleidungsstücken geäußert. Ginge es nach ihm, so wäre ohnehin ein Wendeoverall völlig ausreichend. Wozu überhaupt Kleidung wechseln? Irgendwann kam der Tag an dem sich alles änderte.  Das Kind kam und trug eine dieser Hosen. 

Ich glaube, es war Max Goldt, der sich schon mal Gedanken zum Thema Hosenmode gemacht hat. In einem seiner Bücher stellt er zur Diskussion, ob Drogenabhängige an Bahnhöfen diese überaus engen Röhrenjeans tragen, weil sie drogeninduziert unter einer Fehlwahrnehmung ihres eigenen Körpers leiden oder aber, ob sie erst versehentlich eine dieser super engen Jeans angezogen haben und die Schmerzen beim Tragen nur durch die Einnahme von Drogen kompensieren können. Das war in den frühen 90ern.

In der Zwischenzeit ist eine ganz andere Hosenmode angesagt. Erst trugen die Jugendlichen diese übergroßen Jeans, die „baggy“ getragen wurden. Über die Jahre rutschte die Beinkleidung immer weiter Richtung Knie und dann kam die absurde Wende. Es paarten sich die Karottenhosen der 80er mit dem Baggylook der 90er und heraus kam (wer das Fachwort parat hat, möge mir helfen) diese Hosen, die oben eigentlich breit sind, jedoch fast unter dem Po getragen werden und diesen total flach drücken um dann karottenförmig zum Knöchel hin immer enger zu werden. Wer diese Hosen nicht kennt, dem sei gesagt, man kann mit ihnen unmöglich normal laufen. Auch spontanes Hinsetzen bereitet einiges an Geschick. Möchte man die Taschen tatsächlich benutzen, um etwas darin aufzubewahren, ist dies nur möglich, wenn man Arme wie ein Orang-Utan hat.

Nun. Da steht das Kind also in einer dieser Hosen und die Würde und der gegenseitige Respekt verlangen es, dass man nicht hysterisch lacht. Eine große Aufgabe. Zumindest distanzieren sich diese Hosen vom ursprünglichen Baggylook, der in den amerikanischen Gefängnissen entstanden soll, weil man den Häftlingen schlicht die Gürtel weggenommen hat, damit sie damit keinen Unfug treiben können. Wenn man also eine so alberne Hose trägt, die zwar baggy aussieht gleichzeitig einen hohen Bund hat, der den Popo wieder warm hält, bekennt man sich zumindest nicht auch noch zu einer fragwürdigen Peergroup. Bestimmt würde das Kind sich freuen, wenn ich ihm einen Vortrag über die Entstehung des Saggings halten würde, ja oder?

Schneekieselcordonbleu

Gut informiert ins neue Jahr zu kommen, war mir ein Bedürfnis. Mit großem Interesse schaute ich mir deswegen die spannende Dokusendung „Die besten Weissagungen des Jahres 2009“ in einem Privatsender an.
Zusammengefasst lauten die wichtigsten Prophezeiungen: Carla Bruni hat einen Braten in der Röhre, Angie bleibt 200 Jahre Kanzlerin und die Welt geht beinahe unter. Ein Asteroid oder ähnliches, wurde gemutmaßt.
Das ist natürlich totaler Quatsch. Jedenfalls das mit dem Asteroiden. Denn tatsächlich droht die Erdkugel durch eine plötzliche Gewichtsumverteilung aus der Umlaufbahn zu geraten weil alle Streuvorkommen der Erde seit dem Wintereinbruch am  06.01.2009 nach Berlin getragen wurden. Dort hat man sie fein säuberlich mit dem Neuschnee vermengt, bevor man damit begann die Gehwege auf traditionelle Art zu plätten. Da die gewalzte Oberfläche des Schnees durch den frostigen Wind aus Russland in wenigen Stunden zu Eis wird, sind die Gehwege trotz der Kieselstreufüllung dem glatt wie Silberspiegel.
Das stellte mich vor die Herausforderung ohne Knochenbrüche in die Arbeit zu kommen. Findig wie ich bin, hatte ich mir nach 48 Stunden intensiven Überlegens eine geniale Strategie ersonnen. Wenn man nämlich jeden Tag um die gleiche Uhrzeit zur Arbeit fährt, so fällt einem schnell ins Auge dass die meisten Frauen trotz der dicken Eisschicht hochhackige Schuhe tragen. Ein entscheidender Vorteil für mich! Ich hatte mir eine kleine Gruppe brunftiger Weibchen erspäht, die genau den gleichen Weg wie ich hatten. Wenn sie nämlich vor einem her laufen, dann zerhacken ihre Absätze wie kleine Eisbrecher die rutschige Bodenbedeckung und man kommt gefahrlos voran. Es gab Tage, da rutschte eine der Wegebereiterinnen aus. Kein Problem für mich, denn da es meist nicht die erste in der Gruppe war, reichte ein kleiner Sprung über die Gestürzte und schon war das Hindernis überwunden. Ein Hoch auf die Modebewusstheit gegen jede Vernunft!

Des Klempners offenes Geheimnis

Vor vielen tausend Jahren, als die Menschen noch hochgeschlossene Kleidung trugen und der Anblick von Unterwäscheseiten im Otto-Katalog etwas verruchtes hatte, sah man sie so gut wie nie: die Poritze.
Seit Anfang des neuen Jahrtausend die Hüfthose in Mode kam und einem Hüftspeck und darunter liegende Intimbereiche optisch hinterher geworfen werden, kommt man auch an der Poritze nicht mehr vorbei.
Sollte ihr jemals ein erotischer Reiz innegewohnt haben, so erlosch dieser direkt proportional zum modeabhängigen Quetschungsgrad der Pobacken.
Bislang war die ganze Angelegenheit ein reines Frauenproblem – welches, ich bedauere es sehr, nun auch in die Männerwelt überschwappt.
Dort wurden die Hosen zwar ebenfalls scham- und knietief getragen, jedoch kaschierten bislang Boxershorts alle unappetitlichen Details.
Jetzt feiert die unterwäschefreigetragene Röhrenhüfthose bei den Männern modisch Einzug.
Als bekennende Trichophobikerin können Sie sich vielleicht die Höllenqualen vorstellen, die ich nun, da auch noch der Frühling kommt und die Jacken kürzer werden, erleide.
Da sitzt man verträumt in der U-Bahn als sich die Türen öffnen und genau auf Augenhöhe behaarte Poritzen an einem vorbei spazieren. Und noch schlimmer: Sie setzen sich. Die unbedeckten Poritzen mit Gestrüppfontäne setzen sich ungeschützt auf öffentliche Sitzplätze. Im Takt der ruckelnden U-Bahn reiben sie sich auf den Anti-Graffiti-Mustern der BVG.
Ich stelle mir dann leise atmend vor, wie die Pohaare sich an ihnen abraspeln und jedes Mal ein bisschen kürzer werden und schließlich so wie die Haare an den Hinterhäuptern von krabbelunfähigen Babys ganz verschwinden.
Kosmetikinstitute werben in der U-Bahn vermehrt für kostengünstige Haarentfernung. Wahrscheinlich sind diese Leute alle Kunden. Für nur 200 Euro bekommt man eine dieser Hosen und ein BVG-Monatsticket und dann muss man fahren bis die Haare verschwunden sind.
Der Gedanke von beinah pulverisierten Pohaaren weckt allerdings Phantasien in mir, in denen ich mich wie eine Mumie in Sagrotaneinmaltücher einhülle und meine Armenden in doppelseitiges Klebeband einrolle. Damit sammle ich all die kleinen widerwärtigen schwarzen Härchen und stecke sie in einen Umschlag und sende ihn an Charlotte Roche, die schließlich erklärte Freundin von Bein- und Achselhaaren ist. Da sollen die kleinen, einsamen und abgestoßenen Pohaare ihr neues zuhause finden.

Haare, Symbolbild

Sieg des guten Geschmacks

Wenn es zu einer Kommunikation der folgenden Art zwischen Kind 1.0 und mir kommt, weiß ich: Geschmackstechnisch haben wir was erreicht!

Kind 1.0 im Ringcenter vor dem „Modeladen“ x-it: Oh cool, ein ganzer Laden mit Halloweenklamotten!

Ich breche in schallendes Lachen aus.

Kind 1.0 verunsichert: Äh, oder ist das nur Fasching?