Experiment Aufwachteller

In den frühen 80ern war es vergleichsweise einfach auszuschlafen. Deswegen pädagogisch wertvoll ausprobiert: den Ausschlafteller.

Als ich klein war, konnten meine Eltern immer ausschlafen. Ich bin einfach um 5 Uhr wach geworden und habe fern gesehen bis sie aufstanden. Das war manchmal so lange, dass ich freiwillig den Frühstückstisch gedeckt habe, weil mir beim Fernsehen langweilig wurde. Obwohls mir nicht geschadet hat und ich trotzdem groß geworden bin, möchte ich das bei meinen Kindern nicht. Allein schon weil es nicht nur einen Sender gibt, auf dem Kindersachen laufen sondern zehn und darüber hinaus weitere zwanzig Sender auf denen 24 Stunden Dinge laufen, die Kinder besser gar nicht sehen. Es gibt auch noch sieben bis dreizehn weitere Gründe warum ich das nicht möchte.

Ich schätze, im Schnitt schlafe ich jede Nacht sechs Stunden. Wenn diese sechs Stunden ohne Unterbrechung sind, dann fühle ich mich am nächsten Morgen sogar frisch.

Dem jüngsten Kind sind die Stunden meiner nächtlichen Ruhezeit ziemlich egal. Es steht atomzeituhrgleich IMMER um 5.58 Uhr auf. Wenn ich also erst spät ins Bett komme, die üblichen sechs Stunden eher vier werden und zusätzlich zwischen eins bis drei Kinder in unserem Bett quer liegen, dann halluziniere ich, dass es irgendeine Lösung für mein Ausschlafproblem geben könnte.

In einer bekannten Elternzeitschrift wird in diesem Kontext ein „Ausschlafteller“ vorgestellt. Man solle einfach für den nächsten Morgen ein Tellerchen für den Nachwuchs anrichten, der schon leer gegessen werden könnte, während die Eltern selig weiterschlafen. Das würde den morgendlichen Hunger ein wenig stillen und stelle gleichzeitig eine schöne Beschäftigung dar. Offen für Vorschläge jeder Art, habe ich das heute ausprobiert. Als ich gegen 1 Uhr ins Bett ging, packte ich einige Maiswaffeln und Rosinen sowie andere getrocknete Früchte auf ein Tellerchen und deckte dieses mit einem zweiten Tellerchen ab. Als Kind 3.0 pünktlich 5.58 Uhr erwachte und fröhlich trompetete: „Alle aufstääähn, isch bin wahaaach!„, wälzte ich mich zur Seite und hauchte: „Auf dem Teppich im Kinderzimmer wartet eine kleine Überraschung auf Dich. Geh doch schon mal dahin und spiele dann ein bißchen.“

Das Kind, sehr interessiert, marschierte gen Kinderzimmer. „WO IS EINE ÜBERRASCHUNK? MAMAAAAAA???!
„Am Teppich steht was zu Essen.“
Und die Überraschunk??
„Das ist die Überraschung.“
Ich höre, wie Kind 3.0 den Teller lüftet und murmelt „Maiswaffel? MAMA, IST DE MAISWAFFL DA ÜBERRASCHUNK?
„Ja, und die Rosinen. Kannst Du alles essen und dann spielen. Ich schlafe jetzt noch.“
Ich höre knabbern, ziehe meine Decke über die Schulter und will gerade die Augen schließen, als Kind 3.o „Kansch auch was trinken?“ Verdammt, daran hätte ich denken müssen. Ich stehe auf, fülle Wasser in eine Trinkflasche, überreiche sie dem Kind und schluffe wieder ins Bett. Das Kind trinkt „Is das nur Wassa? MAMAAAA?“ Ich versuche mich ruhig zu verhalten. „MAMAAAA, ISCH WILL ABER MILSCHSAFTSCHORLÄ!*
„Gibts jetzt nicht, ich möchte schlafen.“
Es folgen 90 Sekunden Ruhe. „Kanne isch was bauen?
„Ja, natürlich“
Ich höre Legosteingeklapper. Das Kind tappt ins Schlafzimmer. „Kannst Du das zusammen bauen?
„Nein, ich möchte schlafen“
RÄÄHHHBÄÄÄHHHH
„OK, ich baue das jetzt zusammen, dann lässt Du mich aber schlafen.“ Ich baue unter Anleitung drei Schiffe und ein U-Boot mit Pferdeanhänger. Das Kind schlappt ins Kinderzimmer zurück.
Sind die Sinen alle fur misch?
(…)
Nach einer Stunde gebe ich auf und trotte wie ein Automat ins Kinderzimmer. Das Kind schmiegt sich liebevoll an mein Bein und fragt mit warmer Stimme: „Hast Du gut ausgeschlafen Mama?“ Der Ärger verfliegt und ein weiterer Tag mit blutunterlaufenen Augen und der Hoffnung auf einen Mittagsschlaf beginnt.

—–
*Auf mehrmalige Rückfrage eine Begriffsklärung: „Milchsaftschorle“, ist ein Konstrukt, das Kind 3.0 erfunden hat: Es stellt ein hypothetisches Getränk dar, das nach dem Abstillen dargereicht wird, um den Übergang zur herkömmlichen Saftschorle zu erleichtern. Kind 3.0 verlangt seit dem 18. Lebensmonat danach.

Einmal im Jahrzehnt ausgehen

Erstaunlicherweise kann man tatsächlich Spaß haben, wenn man abends ausgeht. Erfrischende Erfahrungen beim Balkan Beats hopsen. Hey, Hey, hey!

Betrachte ich mein Umfeld, scheint das Ausgehen und insbesondere das Tanzengehen, eine allgemein anerkannte und praktizierte Kulturtechnik zu sein. Deswegen verspüre ich alle zehn Jahre den Druck mitzumachen. Ich habe dabei nicht vergessen, dass alle vorangehenden Versuche kläglich gescheitert sind. Es ist nicht so, dass ich mich in der Vergangenheit nicht bemüht hätte, ich habe es mit dem Tanzen bereits kurz vor meinem 30. Geburtstag und auch in der Höhe meiner 20er versucht. Jetzt werde ich bald vierzig und da schien die Zeit wieder reif für eine neue Erfahrung und was soll ich sagen: versehentlich habe ich mich amüsiert.

In der Tanzthematik gibt es für mich zwei Hauptproblemfelder. Erstens: Ich stehe sehr gerne sehr früh auf. Am liebsten um fünf. Die Zeit zwischen fünf und sieben Uhr morgens ist für mich die Zeit größter Freiheit. Ich kann Kaffee trinken und meinen RSS-Reader leer lesen. Wenn ich schnell lese und die Körperhygiene auf das Mindestmaß beschränke, kann ich zusätzlich etwas schreiben bevor die Kinder wach werden. Diesen persönlichen Freiraum bezahle ich mit bleierner Müdigkeit ab 22 Uhr. Nach 24 Uhr wegzugehen scheitert folglich meistens daran, dass ich mich bereits in der ersten Tiefschlafphase befinde.

Ein weiteres Problem ist mein Musikgeschmack, der sogar regelmäßig die Algorithmen von Last.fm in die Resignation treibt. Wenn ich tanzen gehe, will sich nie ein Flow einstellen, weil mir mal ein Lied gefällt (Zustand 1=ich tanze) und mal wieder nicht (Zustand 0=ich erstarre zur übellaunigen Salzsäule).

Sich um 23 Uhr irgendwo zum Trinken zu treffen und dann um 1 Uhr tanzen zu gehen, ist somit eine Taktik, die mir ferner kaum sein könnte. Um 23 Uhr direkt in den Club zu gehen ist zwar denkbar uncool, hat aber viele Vorteile. Erstens muss man nur wenige Minuten anstehen um reinzukommen und zweitens bietet die Tanzfläche ausreichend Platz, um avandardistische Modern-Dance Positionen auszuprobieren:

Ich gebe zu, die Stimmung lässt zu solchen Uhrzeiten noch etwas zu wünschen übrig, aber Stimmung wird allgemein überschätzt. In einen Club zu gehen, ist im Grunde eine Aktivität, die einsamer und selbstbezogener kaum sein könnte. Das Kommunizieren findet in erster Linie ohnehin nicht verbal statt. Ich habe schon mal versucht in einem Club einem Interessierten meine Position zum Sozialkonstruktivismus zu erläutern, hatte aber das Gefühl, dass mein Gegenüber nach nur kurzer Zeit das aufrichtige Interesse verlor.

Jedenfalls, um auf den besagten Abend zurück zu kommen. Meine Freundinnen hatten die Idee zu Balkan Beats zu tanzen. Ich hatte keine Ahnung was das genau ist, hatte aber eine außerst positiv konnotierte Assoziation zu der rumänischen Kapelle Fanfare Ciocarlia und war daher bereit eine neue Erfahrung zu machen. Tatsächlich erwies sich der sogenannte Balkan Beat Mix als überaus tanzbar bzw. hüpfbar und als erstmal der ganze Saal hüpfte, passierte, wahrscheinlich gruppendynamisch verursacht, etwas seltsames: ich amüsierte mich und tanzte einfach zum eintönigen Grundrhythmus mit.

Rational betrachtet war alles furchtbar. Der DJ, der im Auflegkurs offensichtlich bei „Wie gestalte ich Übergänge“ krank gewesen ist, die bekloppten Leute, die mit Rotweingläsern in der Hand rumsprangen, dass ich so besudelt wurde, dass ich bald wie der letzte Clochard roch und eine Person im Publikum, die offensichtlich unter starken Blähungen litt.

Allerdings griff eine nie gekannte sorglose Fröhlichkeit um mich, die v.a. meiner Freundin zu Kopfe stieg, die wenige Minuten später eine Bühne erklimmte, um dort weiter zu tanzen. Ich wollte diesen Moment fotografisch festhalten, was von den Bühnentänzern fehlinterpretiert wurde. Man hievte mich freundlich hoch. Es blieb mir nichts anderes als mitzutanzen und das obwohl sich mein Kopf mit wirklich schwierigen Fragen auseinander setzte. Wir tanzten nämlich Sirtaki. Von Sirtaki wußte ich zumindest, dass es sich im engeren Sinne nicht um einen griechischen Volkstanz handelt, sondern dass Sirtaki für den Film Alexis Sobras erfunden wurde, um dem Hauptdarsteller Anthony Quinn, der anscheinend eher tanzunbegabt war, selbiges zu erleichtern. Jedenfalls beschäftigte mich darüber hinaus die Frage, welche Länder neben Griechenland überhaupt zum Balkan gehören. Mir war auch nicht ganz klar, inwiefern die  Triest-Odessa-Linie tatsächlich als geografische Begrenzung für den Balkan zu sehen ist oder nicht.

Meine Gedanken wurden jedoch von einem jungen Mann im Streifenshirt durcheinander gewirbelt, weil er sich gar nicht darum scherte, was mich aktuell bewegte. An diesem Abend fiel ich beschwingt in mein Bett. Es war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, normal zu sein.

Fragmentarische Gedanken zum Thema Medienkompetenz

Rettet die Kinder vorm Internet. Helft Herrn Spitzer es zu tun. Er selbst kann es nicht. Er hat leider keine Ahnung.

Alternative Überschrift „(…) ansonsten haben wir Kids, die facebook kennen, aber nicht Göthe.“ !!!!111!!!ELF!“

Ich habe den Spitzer noch nie gesehen oder gehört und alles was ich weiß, habe ich aus zweiter Hand. Hätten seine Thesen Hand und Fuß, ich machte mir mehr Mühe. Wie mir jedoch zugetragen wurde, reicht es glücklicherweise Dinge zu behaupten.

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Ich sage also folgendes: Wenn Herr Spitzer behauptet, das Internet mache dumm (und dick) – insbesondere unsere Kinder, dann treibt ihn nicht die Sorge um unsere Kinder, sondern vielmehr die Gewissheit, dass man Geld verdienen kann, wenn man an der richtigen Stelle Benzin ins Feuer schüttet.

In der menschlichen Seele gibt es nämlich einen Mechanismus der zunächst einmal alles, was neu ist, als potentiell bedrohlich einstuft. Für den Urmenschen gar nicht so dumm. Lieber nicht gleich zum noch nie gesehenen Säbelzahntiger rennen und ihn liebkosen, sondern Abstand halten und beobachten. Unser Leben, also das moderne Leben in der ersten Welt, ist im Vergleich zum Höhlenmenschdasein weitaus weniger gefährlich geworden. Die Evolution kommt nicht hinterher, das Gefühlsrelikt ist geblieben: Was neu und unbekannt ist, ist bedrohlich und wenn man sich nicht damit beschäftigt, dann bleibt es das auch. Es kann sogar schlimmer kommen. Wenn man andere trifft, die das unbekannte Ding auch nicht kennen und sich unterhält, so kann man seine Ängste gegenseitig befruchten.

Jetzt ist das Internet kein Säbelzahntiger, doch greift genau dieser Mechanismus bei vielen nicht so technik- oder internetaffinen Menschen. Sie haben Angst, insbesondere sieht die Evolution vor, dass man nicht nur ums eigene Leben fürchtet – sondern um das des Nachwuchses bangt. (Genaueres hierzu aus gegebenem Anlass unter „30 000 Jahre Fehlentwicklung“ nachzulesen).

Das alles weiß Herr Spitzer und deswegen befeuert er diese Angst. Denn die, die Angst haben, sitzen vor ihren Fernsehern und Radios und nicken mit den Köpfen und klatschen in die Hände, wenn Herr Spitzer behauptet, das Internet macht dumm und schlimmer noch: es sei eine ernstzunehmende Gefahr. Am Ende kaufen sie das Buch und schenken es Freunden, die auch schon immer befürchteten, dass das Internet etwas gefährliches sein könnte.

Was ich angemessener fände, wäre sich mal mit der Frage zu beschäftigen, was denn helfen würde. Denn, so wissen wir es alle: das Internet, das geht nicht mehr weg. Es bleibt also zu klären: Wenn es nicht weg geht, was können wir denn für unsere Kinder tun, um sie zu schützen?

Es wäre nämlich auf der anderen Seite Quatsch zu behaupten, das mit dem Internet rein gar keine Gefahren verbunden wären. Denn natürlich gibt es Internetsucht und zwar im Sinne von Spielsucht, von übermäßigem Pornokonsum (wers nicht kennt, eine mögliche Art diesem Problem zu begegnen: Make Love Not Porn) oder als Begleiterscheinung von Depressionen. Betroffenen Menschen sollte tatsächlich geholfen werden, zumal sie in den allermeisten Fällen einen Leidensdruck verspüren und eigentlich ziemlich gut selbst wissen, dass sie Hilfe brauchen.

Um nochmal auf die in der Zwischenzeit uralten Studie zum Thema Internetsucht einzugehen: Hier wurden Onlinezeiten erfasst, die u.a. Internetradio, Videotelefonie, E-Mail schreiben miteinschließen. Eine Sucht hauptsächlich aus den Nutzungszeiten abzuleiten, halte ich für beinahe lachhaft. Deswegen halte ich das viel zitierte Ergebnis „560.000 Süchtige, 2.5 Mio gefährdet“ für zweifelhaft und fände es angebracht die genannten Gruppen (Süchtige vs. Vielnutzer) deutlich zu unterscheiden. Das tut Herr Spitzer, wie so viele andere Internetphobiker, nicht.

Die Frage müsste also besser gestellt lauten: Was fürchten wir und wie gehen wir in Bezug auf unsere Kinder mit diesen Befürchtungen um.

Ich befürchte zum Beispiel, dass mein Kind beim Hausaufgaben machen denkt, dass alles was in der Wikipedia steht, sei richtig und wahr.

Die Maßnahme würde also lauten: Ich spreche mit meinem Kind. Und zwar über den Begriff der Wahrheit im Allgemeinen und erläutere zudem, dass man immer unterschiedliche Quellen heranzieht und dass man vielleicht mal ganz bewusst nach der Gegenthese sucht oder aber, dass man prüft, ob andere Quellen gleiche Aussagen/Zahlen/was auch immer nennen.

Auch befürchte ich, dass mein Kind in Welten eintritt, von denen ich keine Ahnung habe. Die Welt der Apps und Smartphones z.B. Mit selbigen bin ich nämlich nicht aufgewachsen.

Die Maßnahme wäre also: Ich kaufe mir auch ein Smartphone und probiere ein bisschen rum. Lasse mir Apps zeigen und erläutern, warum meine Kinder sie toll finden.

Vielleicht befürchte ich auch, dass mein Kind durch zu viel Internet andere Lebensbereiche vernachlässigt. Dass es gar dick wird, weil es sich so wenig bewegt und nur Junk Food ißt.

Die Maßnahme wäre also, dass es altersgemäß angepasste Onlinezeiten gibt. Dass ich attraktive Alternativen biete. Mit meinem Kind Fußball spiele, zum Spielplatz gehe. Dass ich ausgewogen koche, das Kind gar mitkochen lasse, dass wir gemeinsam essen und nicht jeder nebenher, dass ich mit gutem Beispiel voran gehe. Den Fernseher aus lasse Das internetfähige Telefon aus der Hand lege, usw. usw.

Alles völlig unspektakulär. Man braucht keine besonderen Fähigkeiten, kein Geld – und schon sind die Kinder gerettet. Allesamt! Vielleicht wäre es in diesem Sinne sinnvoller nicht im Kanon zu rufen, wie inkompetent der ehrenwerte Hirnforscher ist, wie wenig Ahnung er hat und anstatt dessen Vorschläge zu machen, wie ein sinnvoller Umgang mit dem Internet aussieht. Klar zu trennen in welche Bereiche das Internet eigentlich fällt, um zu differenzierteren Aussagen zu kommen und ganz am Ende uns an die eigene Nase fassen und ein gutes Vorbild zu sein.

So könnte man das Punkt für Punkt machen – ohne anfeinden und rumschreien. Die Welt wäre friedlich und die ganzen Menschen im Internet müssten sich nicht so aufregen.

Wer lieber was Fundiertes zur Digitalen Demenz lesen möchte, dem empfehle ich: „Zwischenbilanz zu Spitzers DigitaleDemenz“ oder „Kompetenz statt Demenz“ oder „Das Geschäft mit der German Angst oder Wie bringt man ein Sachbuch auf die Bestsellerliste?„.


Lieblingstweets 08/12

Ein Spruch, den man auch gut im Büro anwenden kann:

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Sei 609060

609060

Journelle schrieb vor einiger Zeit einen sehr schönen Artikel mit dem Titel „Mehr auf den Leib geschneidet und weniger geschneiderter Leib„, in dem es unter anderem darum ging, dass ein großer Teil der Mode leider nur für idealisierte Körper entworfen und hergestellt wird. Diese Körper kommen in der unidealen Welt so gut wie gar nicht vor. Unter dem Tag 609060 veröffentlichen seit einiger Zeit Menschen Bilder, die sich selbst in der alltäglichen Kleidung zeigen. Ich hab irgendwann auch damit angefangen, weil mir die Aktion sehr gut gefällt. Anne hat die Aktion wohl auch gefallen, wie bei „609060 oder was normale Menschen so anziehen“ nachzulesen.

Natürlich gibt es auch die Gegenposition „#609060 oder: was heißt hier eigentlich “normal”?„, die beklagt, dass die Aktion rein gar nichts verändere.

Zur Zeit habe ich ja Spaß beim Senf dazu geben, deswegen schildere ich mal meine persönliche Sicht.

Zum Begriff der Normalität. Normal ist für mich immer das, was man klassisch unter der Normalverteilungskurve kennt. Eine Glocke mit einem breiten Mittelteil, zu der aber auch beide Extreme gehören. In der Modewelt gibt es diese Glocke nicht. Es gibt eine große Ausbeulung links bei „dünn“ und der Rest weiter rechts ist die Ausnahme. Das gilt jedenfalls für die Darstellung. Das führt dazu, dass ich mich persönlich mit Größe 40/L schon als nicht normal empfinde. Meiner Meinung nach liegt das an dieser Differenz „wie die Menschen eigentlich sind“ zu „wie sie dargestellt werden“. Würden sie anders dargestellt werden, würde ich mich nicht als abnorm empfinden.

Genau diesen Effekt hat nämlich das Betrachten der #609060-Bilder bei mir: Ich finde mich normal. Rational wusste ich schon immer, dass jede andere Einschätzung eher ein Wahrnehmungsproblem ist. Leider leide ich (zumindest innerlich) an einigen der gängigen Frauenklischees (neben „Mein Gott bin ich dick“ auch an „ich seh immer doof auf Fotos aus“). Ich merke aber, wie dieses Gefühl wahrhaft verpufft beim Anblick der vielen 609060-Fotos. Also wirklich das Gefühl/die Überzeugung.

Eng daran gekoppelt ist für mich das aufrichtige Gefühl, dass ich die anderen #609060-Bilder total schön finde – und damit meine ich natürlich nicht die Bilder sondern die Menschen, die auf den Bildern zu sehen sind. Ich würde auch gerne noch mehr sehen. mehr unterschiedliche. Aller Art!

Auf Twitter kam sinngemäß die Frage auf, warum denn jetzt auch die Konfektionsgröße 36 Frauen mitmachen würden. Aus meiner Sicht machen sie mit, weil sie auch normale Menschen sind und es in dem oben genannten Artikel gar nicht um dünn oder dick sondern um die zwanghafte Prototypisierung ging. Man kann ja Kleidergröße 36 und überlange Beine haben und schon passen die gängigen Hosen nicht mehr. Oder der Busen ist größer als das die Standardgröße 36 vorsieht. Oder die Hüften breiter, die Beine kürzer. Deswegen finde ich es toll, wenn möglichst alle Varianten von Körper/Mensch mitmachen (Männer natürlich auch!). Ich kenne ähnliche Probleme von meinem Mann, der nie Anzüge findet, weil er Größe 46 trägt und sich ständig anhören muss, was er alles essen soll, um endlich mal zuzunehmen. Das ist auf Dauer wahrscheinlich genauso anstrengend und nervig wie die Sprüche, die sich Menschen anhören, die in der Normalverteilungskurve weiter rechts liegen. Deswegen egal welche Kleidergröße – letztendlich geht es doch darum zu zeigen wie schön die Vielfalt ist und wie langweilig die standardisierten und gephotoshoppten Kunstmenschen der bunten Medienwelt sind.

Eine andere Sache ist mir dann beim Betrachten der Bilder aber doch seltsam aufgestoßen. Bei einigen Fotos sind neben dem 609060 Tag auch Tags wie #losingweight in Kombination mit #sounsovielweeksafterbirth zu finden. Das hat mich persönlich doch sehr gewundert, was ich auch kommentiert habe. Daraufhin wurde empört gegenkommentiert, jeder könne doch abnehmen und sein Gewicht reduzieren, wenn er wolle – zumal wenn man sich mit diesem Gewicht unwohl fühle.

Dazu kann ich nur sagen: Bitte! jeder darf tun und lassen was er will und abnehmen und Diät machen gehört dazu. Aber was mir eben nicht gefällt (und so empfand ich diese Kombination), ist dieser Druck nach einer Geburt seine „alte“ Figur zurückzubekommen und das so schnell es geht. Für mich ist das Heidi Klum Promi Quatsch. (Ach fiele mir der tolle Beitrag über den postnatalen Körper und die falschen Priorisierungen wieder in die Hände, ich würde ihn so gerne verlinken). Wenn ein Kind geboren wird, ist es doch nicht wichtig möglichst schnell Kilos los zu werden. Es ist wichtig eine Beziehung aufzubauen. Warum geißeln sich so viele Frauen? Die ersten Monate nach der Geburt sind doch anstrengend genug? Als Argument wurde genannt, man fühle sich eben nicht wohl. Da möchte ich die Frage stellen: Warum? Warum fühlt sich eine Frau nach einer Geburt nicht wohl, weil sie 5?6?7? „überflüssige“ Kilos hat? Ist das wirklich etwas, das von innen heraus kommt? Ich zweifle das an und finde es persönlich nicht schön, wenn das mit #609060 vermischt wird.

Jedenfalls glaube ich sehr wohl, dass es helfen würde, wenn die Zeitungen/Serien/Kinofilme dünne/dicke/große/kleine Menschen zeigen würden und nicht nur die 906090-Exemplare.

 

Update (Weitere Stimmen)

Denkding zu #609060
Anne zu #609060 – Ein Nachtrag zum Normalsein
Dentaku als Kommentar zu #609060
Wortschnittchen zu #609060
Nido Debatte: 60-90-60
Jawl #609060
Anke Gröner zu #609060 oder: Mein Problem mit dem Mem (wichtiger, mir neuer Aspekt mit den „headless fatties“)
Tadellos, himmelblau „Versteh einer die Welt
stoewhase als Kommentar „für mich liest sich der text oben etwas zu destruktiv […]

Und weil es passt:
Vorspeisenplatte „Echte Körper und die Macht von Medienbildern –
ein Beispiel

Zugreise ohne Kind

Ruheabteile sind das schlimmste, der wo es geben tut auf der Welt.

Vergangene Woche bin ich das erste Mal seit Geburt meiner Kinder wieder alleine Zug gefahren. Es war grauenhaft. Ich mache das nie mehr. Ich habe in der kinderlosen Welt nicht mehr zu suchen. Auch wenn in meinem Zeugnis der ersten Klasse steht, ich sei schwatzhaft, so bin ich tatsächlich ein eher zurückhaltender Mensch. Nicht dass jemand denkt, dass ich andauernd plappern muss. Im Gegenteil. Aber das?

Die beiden Businessroboter, die das Abteil mit mir geteilt haben, waren absolut geräuschlos. Sie redeten nicht. Sie bewegten sich nicht. Ich habe sie lange angestarrt, ich glaube, sie haben nicht mal geatmet. Erst wollte ich ein Buch lesen, aber das Umblättern der Seiten war ungefähr so laut als wenn jemand während einer Gehirn-OP jodeln würde. Ich legte das Buch also weg und versuchte ganz, ganz leise zu sein. Allerdings klang das Aufeinandertreffen meiner Wimpern beim Blinzeln schon wie das Geräusch, das man kennt, wenn Müllautos die Mülltonnen nachrütteln um sie vollständig zu leeren. Nach drei Stunden knurrte mein Magen so laut, dass es mir peinlich wurde.

Ich entschloss mich mein mitgebrachtes Thunfischsandwich zu essen. Geräuschetechnisch sowas wie die Posaunen, die die Mauern Jericho zum Einfallen gebracht haben. Geruchstechnisch zugegebenermaßen auch ein wenig aufdringlich. Aber ich musste ja was gegen das Knurren unternehmen.  Die beiden Mitreisenden schauten mich total genervt an. Da ist es mit mir durchgegangen. Ich habe dem Druck nicht standhalten können.

In einer reflexhaften Bewegung entlud sich meine ganze innere Spannung, was zur Folge hatte, dass ich mein Thunfischbrötchen versehentlich im hohen Bogen durch das Abteil warf. Einzelne Salatblätter und Reste von Mayonnaise landeten auf dem Fenster. Das sah natürlich alles andere als appetitlich aus. Als ich wieder Herr über meine Bewegungen wurde, sollte ich das Missgeschick natürlich bereinigen und nahm einen großen Schluck von meinem Kaltgetränk, presste die Lippen aufeinander und zersprühte es an der Scheibe, um sie anschließend aufwändig zu polieren.

Meine Mitreisenden hatten sich in der Zwischenzeit bewegt und schauten mich verhältnismäßig erstaunt an. Auf die Frage, ob ich ihre Seite vielleicht auch säubern sollte, reagierten sie allerdings nicht. Es gibt schon seltsame Leute…

Brüder Grimm

Es mag Menschen geben, die das Verliebtsein für etwas Heiliges halten. Dementsprechend empfinden sie andere Menschen, die Liebe einem Objekt oder einer Maschine gegenüber empfinden, als abnorm. Ich aber sage: Wer sein Telefon liebt, der hat es in seiner Einzigartigkeit verstanden und verfügt über eine Vorstellungskraft und Phantasie, von der andere nur träumen können!

Was mir jedoch besonders daran gefällt, ist der kommunikative Aspekt. Ich habe nicht den direkten Vergleich zu einem anderen Produkt, doch stimmt eindeutig nicht, dass an einem iPhone alles selbsterklärend ist. Man ruht sich auf dem Image aus und behauptet, alles sei so einfach, dass es keine weiteren Erklärungen bedürfe. Das ist natürlich Quatsch. Der wahre Unterschied zu den anderen Produkten ist, dass es eben keine ausführliche Gebrauchsanweisung gibt und dass die Basisfunktionen tatsächlich intuitiver sind. Die Details jedoch sind genauso kompliziert oder versteckt wie bei allen anderen Produkten und wenn man wagt, etwas zu wollen, was der Hersteller nicht will, dann muss man sich richtig Mühe geben oder aber akzeptieren, dass es tatsächlich keinen Weg gibt.

Da es aber besagte Gebrauchsanweisung nicht gibt, muss ich, wenn ich etwas wissen will,  Menschen fragen, die das selbe Produkt besitzen. Das finde ich wunderbar. DAS halte ich für den eigentlichen Marketingtrick. Denn so werden die Funktionalitäten zum größten Teil ausschließlich von Mund zu Mund weitergegeben. So passiert in der technologisierten Welt das erste Mal seit Jahrhunderten wieder etwas, das mit den Gebrüdern Grimm in der westlichen Welt ausgestorben schien. Es werden Geschichten von Kohorte zu Kohorte weitergegben und die, die sich besonders gut auskennen, werden zu Evangelisten und verkünden die frohe Mähr. Und ist es nicht interessant? Diese Evangelisten sind meist Männer. So wie Jacob und Willhelm Grimm. Doch wenn ich meine eigenen Erfahrungen zugrunde lege, sind es v.a. Frauen, die sich so für ihr Telefon und dessen Funktionen begeistern und all die kleinen Details zusammensammeln, so wie Marie Hassenpflug und Dorothea Viehmann, die ihren gesamten Geschichtenschatz an die Brüder Grimm weitergaben, die lediglich Aggregatoren der Geschichten, nicht aber die Geschichtenerzähler selbst waren.

Das interessante ist (und das ist mir schon bei Produkten der Konkurrenzmarke aufgefallen), Männer scheinen einen starken Drang zum Standardisieren zu haben. Frauen hingegen wollen individualisieren. Mir ist das aufgefallen als mein freundlicher Exfreund, der sich früher beruflich um anderer Leute Computer kümmerte, vor Jahren beklagte, er müsse bei Frauen schon immer eine halbe Stunde nach dem Symbol für „Arbeitsplatz“ suchen. Das sei grundsätzlich gegen irgendwas individuelles ausgetauscht worden. Ja und tatsächlich, für mich ist ein technisches Gerät, das nicht meiner Vorstellung von „schön“ entspricht, ein Greuel. Also stelle auch ich zuerst die Symbole um, tausche die Töne aus und stelle mein Lieblingslied als Klingelton ein.

Gerade dieses Herumfummeln an irgendwelchen Einstellungen (meistens weiß man ja nicht 100% was man da tut), kann Probleme im Betrieb verursachen. Männer, deren Pragmatismus vor der Detailliebe steht, würden sowas nie tun. Wenn es unbedingt sein muss, dann werden höchstens Äußerlichkeiten variiert (Casemodding), aber an den anderen Sachen wird nicht herumgefummelt.

Diese Mechanismen scheinen die Macher von Apple wohl erkannt zu haben und deswegen steckt man unglaublich viel Arbeit in die Usability und in die Standardisierung in Form von „Wir haben das so gemacht, wie es optimal ist, alles andere – auch wenn Du das gerne hättest – geht nicht. Dafür funktioniert es. Friss oder stirb!“.

Jahaaa! Aber wir Frauen wollen das nicht! Wir wollen mehr als eine geblümte iPhone-Hülle! Und deswegen stecken wir unglaublich viel Energie in das Individualisieren der standardisierten Produkte, und dieses intensive Auseinandersetzen mit der Technik lässt diese zarten Verliebtheitsgefühle aufkeimen. So ist das.

Pragmatismus siegt

Beim ersten Kind ist alles noch so wahnsinnig neu und aufregend. Gerne ruft man da den Ehemann drei – vier Mal am Tag an, um vom Windelinhalt zu berichten oder ausführlich zu schildern wie lange und in welche Richtung der Nachwuchs gestarrt hat. Vermutlich würde die Spannungskurve beim zweiten Kind schon stark nachlassen, würden bestimmte höhere kognitive Funktionen zugunsten der Aufzucht des Nachwuchses nicht automatisch abgeschaltet.

Ohne Babytagebuch hat man aufgrund des vorangehenden Schlafmangels und anderer rein organisatorisch bedingter Fokusverschiebungen das meiste der ersten Lebensmonate vergessen und man schlägt gerne in schnell angeschafften Büchern zur Babyentwicklung nach, um den Mann auf dem Laufenden zu halten.

Auch beim dritten Kind verzückt das erste Lächeln, das erste Wort und das erste Gekrakel noch.

Allerdings hat man sich für alle anderen Dinge eine weit pragmatischere Sichtweise zugelegt. Hatte man das Erstgeborene nur unter Qualen in Omas Arme gelegt, muss man sich beinahe zusammenreißen Omi beim Besuch noch die Jacke ausziehen zu lassen bevor sie all ihre Aufmerksamkeit der neu produzierten Generation widmen kann.

Ganz ähnlich verhält es sich mit der Eingewöhnung in den Kindergarten. War es beim ersten Kind noch eine Aufgabe der Erzieherin Mami mal aus dem Zimmer zu schicken, so erntet sie (vorausgesetzt man hat eine lauschige Kinderbetreuungseinrichtung ausfindig machen können) beim dritten Kind erstaunte Blicke, wenn man es am zweiten Tag nicht mal ein Paar Stunden ohne das Kind wagt.

Das gilt für Erziehungsbemühungen jeder Art. Das erste Kind hört noch im Minutentakt: „Nein, nicht an die Musikanlage!“, „Nein, lass bitte die Kabel in Ruhe!“, „Nein, Du kannst nicht kochen helfen, das ist heiß“. Einige Kinder später sind die Ansprüche gesunken und man hat sich einiges schön geredet – schließlich wird Selbständigkeit zum obersten Erziehungsziel und man ist schon dankbar, wenn die CD-Sammlung wenige Kratzer, die Lieblingskleidung nur ein bißchen angemalt ist und die lieben Kleinen nicht ausgerechnet mit der teuren Hochomessersammlung spielen.

Wahrscheinlich gehen aus den Erstgeborenen deswegen überdurchschnittlich viel Doktoren und Beamte hervor, wohingegen die Letztgeborenen eher Musiker und Kreativlinge werden.