Gaijin Bedfight

Alle drei Monate beschließt das Kind 2.0 gegen 3.00 Uhr nicht mehr zu schlafen. Es spuckt dann den Schnuller aus, um sich wenige Sekunden danach wie ein Staubsauger zu gebärden und den Matratzenboden abzusuchen. Wenn es den Schnuller nach drei Millisekunden nicht gefunden hat, weint es.
Hilft man bei der Suche, so lässt sich das Baby flink lange Fingernägel wachsen um dann jede mütterliche Körperstelle, die nicht stoffbedeckt ist, zu zerkratzen.
Es trommelt freudeerfüllt auf dem Bauch, zieht die Spieluhr auf und macht Kunststückchen.
Dabei macht es ein Gesicht wie ein dressierter Seehund und klatscht jaulend in die Hände.
Ab da geht der Houseshow-Wrestlingkampf los.
Entrance der Teilnehmer: Die schlaftrunkene Mutter (Sleepy big Mummy) steigt in den Ring und klatscht vorher die Hände des ebenfalls schlafbedürftigen Vaters ab, der im weiteren Verlauf jedoch keine aktive Rolle übernehmen wird. Ihr Gegenüber, der Heel Baby the Nappypooping Poo schenkt dem Publikum keinerlei Beachtung und steht locker, fast gleichgültig an die Gitterstäbe des Babybettchens gelehnt.
Die Mutter greift sofort an und versucht das Match mit einem Pinnfall zu beenden.
Das Baby, eingeölt von oben bis unten, entkommt dem Cover und windet sich wie ein Aal in Freiheit, erklimmt das über dem Bett befindliche Musikmobile und attackiert die überraschte Mutter mit einem High-Flyer.
In der Zwischenzeit geht bereits die Sonne auf. Die Augenringe der Mutter haben furchterregende Ausmaße angenommen. Die letzten Kräfte werden mobilisiert, die finale Aktion fällt, Sleepy big Mummy zwingt Nappy Poo erst mit Hilfe eines Neck Holds, dann mittels Hip Lock und schließlich durch den Flying Fall in die Knie.
Das Kind lässt sich hinlegen. Es schläft. Der Wecker klingelt.

Mama bringt Baby schlafen

Gorillaintelligent

Da Kinder erst so spät anfangen sich verbal zu äußern, haben wir uns entschlossen, unserem Nachwuchs Babyhandzeichen beizubringen. Schließlich ist es ziemlich mühsam aus dem natürlichen Verhaltensrepertoire eindeutig herauszulesen, was Baby gerne möchte.
Man kennt das ja. Kurz vor dem elterlichen Zubettgehen, hält man ein rosabackiges Baby im Arm, dem die Äuglein fast zufallen. Man wickelt noch mal, das Baby gurrt, man stillt ein letztes Mal und legt das Kindchen in die Wiege. Kaum hat der eigene Kopf das Kissen berührt, krakeelt es plötzlich aus dem Babybett.
Jetzt beginnt die Suche. Hunger? Kann eigentlich nicht. Windel voll? Beherzt schnüffelt man am Popo, kann nichts ausmachen, weckt zur Sicherheit den Partner, damit dieser ebenfalls schlaftrunken eine Briese Windelduft inhalieren kann. Nein, die Windeln ist es nicht. Zu kalt, zu warm? Ein Griff in den Nacken widerlegt auch diese These.
Schnuller rausgefallen? Ne, der sitzt bombenfest. Bauchweh? Man reibt prüfend ein wenig die Babyplauze, kein Wind entweicht.
Man starrt den Säugling an, der starrt zurück. Auf die höfliche Frage, was denn nun fehle zum Glück, antwortet dieser nur mit einem gleichgültigen „Örks“.
Wie praktisch wären hier die Babyhandzeichen!
Gesagt getan. Nach nur wenigen Monaten beherrscht das Baby die Grundzeichen und die eben geschilderte Situation stellt sich wie folgt dar.
Eltern: Hast Du noch Hunger? (Zeichen für Milch)
Baby: Zeichen für Milch.
Aha! Baby wird gestillt, schläft an der Brust selig lächelnd ein, wird in die Wiege gelegt.
Baby: Rähhhbääääh
Eltern: Ist die Windel voll? (Zeichen für Kacka)
Baby: Zeichen für Kacka, Kacka, Kacka
Eltern denken: Ohje viel Kacka.
Baby wird gewindelt. Man findet die sauberste Windel seit Öffnung der Windelpackung vor. Man wird skeptisch.
Baby in der Wiege: WäääähhHHHHHhhhh!
Eltern starren ratlos in die Wiege.
Baby: Zeichen für Milch, Zeichen für Kacka.
Eltern: Grrrrr.
Baby: Milch, Milch, Milch!
Eltern stellen sich schlafend.
Baby: Mama Kacka! (Wirft Gebärdenzeichen per Schatten des Nachtlichts an die Wand).
Bitte beachten Sie Kokos Wunschliste.

Kleintierplage

Als wir Kind 2.0 vom Krankenhaus nach Hause trugen, fand ich mitten auf der Straße ein Tamagotchi. Wir entschieden uns, es mitzunehmen und es Kind 1.0 zu überreichen. Total pädagogisch sinnvoll. Da würde es bestimmt gleich viel besser verstehen, wieso dem neuen Geschwister so viel Aufmerksamkeit geschenkt werden müsste.
Hat super geklappt. Kind 1.0 kümmert sich rührend um sein kleines piepsendes Tamagotchi. Jedenfalls ungefähr 15 Minuten über den Tag verteilt. Zum Beispiel wenn es sich anziehen soll.
Kann nicht, muss mich um mein Tamagotchi kümmern!
Oder wenn es den Tisch decken soll.
Kann grad nicht, muss mich um mein Tamagotchi kümmern!
Oder wenn es mit der Zahnbürste die Badfließen reinigen soll.
Würde gerne, kann aber nicht … […]
Den Rest der Zeit trage ich die Verantwortung. D.h. wenn das Stiefkind bei seiner Mutter ist, wenn es zur Schule geht, wenn es spielt, wenn es sich mit anderen Kinder trifft, wenn es schläft, isst, badet, wasauchimmer.
Ich weiß nicht, was ich falsch mache, aber das Tamagotchi ist total verzogen. Es will andauernd Aufmerksamkeit und wenn ich nicht mit ihm spiele oder ihm Geschichten vorlese, dann kackt es das ganze Display voll und ich kann Ihnen sagen, es ist eine Heidenarbeit das alles wegzuputzen und das Tamagotchi wieder neu anzuziehen.
Jetzt wissen Sie auch den Grund, warum es mit dem Bloggen nicht immer so klappt.

Tamagotchikacke

Ungewollte Verfolgungsjagd

Damit man sich mit Baby nicht langweilt und auch um die Wirtschaft anzukurbeln, macht man heutzutage mindestens drei Babyförderungskurse pro Woche. An den verbleibenden freien Tagen geht man, um die frühkindliche Motorik zu fördern, mindestens einmal schwimmen.
Babyschwimmen ist super. Man gleitet samt Nachwuchs durch ein pipiwarmes Becken und plätschert gut 30 Minuten durchs Wasser. Dabei macht man oioioi oder auch jaoioioi, fein!
So läuft das theoretisch. Praktisch ist man leider ununterbrochen auf der Flucht. Auf der Flucht von anderen Muttis mit Baby.
Mal kurz den üblichen Smalltalk austauschen ist ja OK, aber die meisten wollen gar nicht mehr aufhören zu reden.
– Wie alt ist ihr Baby denn?
– 4 Monate.
– Meins ist xx-Monate. Was ist es denn?
– Ein Baby.
– Meins ist ein xx. Waren sie schon öfter hier.
– Nein.
– Ich schon, wir gehen jede Woche. Macht es ihrem Baby auch so Spaß?
– Weiß nich, es redet noch nicht.
Spätestens da winke ich einem imaginärem Menschen zu „Ah, da hallo, der Onkel/Tante/Opa/Oma. Ich muss leider los…“ und paddele von dannen.
Die fremde Mutti nimmt die Verfolgung auf.
– Ach, sie sind gar nicht alleine hier?
Ich erhöhe die Geschwindigkeit, biege unerwartet ab und schiebe mein Baby an der aufdringlichen Mama vorbei.
– Sie sind aber schnell. Hi, hi.
Die Mutti bindet sich ihr Baby auf den Rücken und krault mir hinterher. Ich schaue in die Luft und gebärde mich seltsam. Dabei sage ich laut: „Hoffentlich sieht der Bademeister nicht, dass Du diese extrem ansteckende und gefährliche Krankheit hast, mein süßes Baby!“.
Die kommunikationssüchtige Frau hat Wasser in den Ohren und kommt immer näher.
Ich schnalle meinem Baby und mir Atemgeräte um. Dann eben Babytauchen. Wir gleiten leise blubbernd an den Celluliteoberschenkeln der anderen Frau vorbei. Endlich Ruhe!

Vettelpower – nein danke!

Die Zeit der hormoninduzierten Harmonie neigt sich dem Ende zu. Ich kann wieder intensive negative Gefühle meinen Mitmenschen gegenüber empfinden. Allen voran den Guteratschlägegebern in Sachen Kindererziehung.
Was ist das ohnehin für eine Unart, ungebeten fremde Menschen anzusprechen und sie dann auch noch an völlig verzichtbarem Wissen teilhaben zu lassen?
Allen voran die (sehr wahrscheinlich kinderlosen) Damen Ü60, deren theoretisch fundierten Erziehungsmethoden seit den 50er Jahren kein Update erfahren haben.
So sprach mich gestern eine Frau an, warum ich das arme, arme Baby den herumtrage und nicht im Wagen transportiere? Außerdem müsse ich UNBEDINGT das Köpfchen festhalten.
Mein Hinweis, dass das Kind bald laufen könne und sich deswegen ein Kopfhalten seit schätzungsweise zwei Tagen nach der Geburt erübrige, brachte sie in Rage und ließ sie zeternd mit den Worten „Die jungen Mütter von heute, die lassen sich aber auch rein gar keine nützlichen Tipps geben. Das arme, arme Kind!“
Aus Rache an solchen Menschen sollte ich ebenfalls tolle Tipps verteilen. Warum denn in den Senior-Club? Kaufen Sie sich doch einen iPod!
Hätten Sie weniger Kartoffel gegessen, wären sie faltenfrei. Wer in die hohle Hand hustet und sich dabei um die eigene Achse dreht, lebt ewig!

Es schläft, wehe Du atmest

Wenn Säuglinge schlafen, schlafen sie. Sie fallen von einer Minute zur anderen in den Tiefschlaf. Da könnte Godzilla nebenan die Nachbarschaft zertrampeln; sie würden nicht wach werden.
Das ist eine wunderbare Zeit.
Gegen Ende des ersten Lebensjahres ändert sich das leider. Die Kleinstkinder schlafen schlecht ein und wenn sie endlich schlafen, werden sie bei jedem Mucks wach.
In der alltäglichen Kommunikation bin ich großer Freund einer differenzierten Ausdrucksweise, doch es gibt Situationen da kann ich ruhigen Gewissens sagen, dass die Stärke des Ausdrucks durchaus angemessen ist.
Denn was in mir aufkeimt ist nichts anderes als Hass, wenn man es endlich geschafft hat, dass das Baby schläft und irgendwer beispielsweise hustet und somit das sofortige Wecken und Dauerschreien bewirkt.
Hass, Hass, Hass.
Auch den knarrenden Diele, der Klospülung, dem Wind und Blähungen wünsche ich die Pest an den Hals.

Ich will nach Norwegen, im 60km Umkreis keine Menschenseele und morgens nach dem Frühstück knalle ich alle Vögel ab. Dann ist endlich Ruhe. RUUUHHHHEEEEÄÄÄHHH!

Pipieinfach!

Bislang habe ich mein Leben mehr oder minder sportfrei verbracht. Sport ist albern und ich hasse es, fremde Menschen schwitzen zu sehen. Geschweige denn mir ihre vor Schweiß triefenden Achselhaare anzuschauen, wenn sie die Arme in die Luft recken.
Doch jetzt habe ich ein Kind bekommen und sehe aus wie eine Quaddel. Zum Quaddelsein bin ich noch zu unverheiratet und so muss ich mich Wohl oder Übel ein wenig in Form bringen.
Das Kursangebot mit Baby ist in Berlin reichhaltig. Und so habe ich mich in meiner Unerfahrenheit in Aerobic plus Baby eingeschrieben und leider auch schon im Voraus die Kursgebühren bezahlt.
Aerobic ist an sich ganz lustig. Ich mag 80er-Jahre Musik und zapple fröhlich gegen den Takt der Musik und spreche mir vor „Ich bin Jane Fonda, ich bin Jane Fonda und eines Tages, da bin ich Alex Owens aus Flash Dance. Ich tanze dann in einer leeren Halle und kippe mir einen Eimer Wasser über den Körper und dann lieben mich alle Männer!“.
Leider habe ich ein Problem. Mangels Kleinhirn (es muss eine organische Ursache haben), bin ich nicht in der Lage Rhythmus zu halten und/oder Arme und Beine getrennt voneinander zu koordinieren.
Das war eigentlich kein Problem. Erwachsene zeigen schließlich sozial erwünschtes Verhalten und deswegen hat noch nie jemand über mich gelacht. Bis – ja bis eines Tages der 3 jährige Sohn der Aerobiclehrerin dabei war.
Am Anfang spielt er artig mit Autos, dann beobachtet er die Szenerie, um schließlich aufzuspringen und zu schreien: „Ähhhhhhh das ist ja voll pipieinfach, das kann ja jedes Kind!“
Da ihm langweilig ist, macht er mit. Leider ist er besser als ich. Während er die Hände im Takt der Musik durch die Luft wirbelt, ruft er: „Pipieinfach, pipieinfach, pipieinfaaaaach!“
Doch dann erstarrt er mitten in der Bewegung. Er hat mich entdeckt. Er beobachtet mich. Ich fange an zu schwitzen. Er kneift seine Augen zusammen.
„Eigentlich kann das jedes Kind“, sagt er und schaut dabei in meine Richtung. Langsam hebt er den Zeigefinger. „Jedes Kind … “ Ich schließe meine Augen und denke angestrengt neinneinneinnein sags nicht, sags bitte nicht! “ …außer DIE DA!“
Der Boden öffnet sich, fumb. Ich verschwinde.