Vettelpower – nein danke!

Die Zeit der hormoninduzierten Harmonie neigt sich dem Ende zu. Ich kann wieder intensive negative Gefühle meinen Mitmenschen gegenüber empfinden. Allen voran den Guteratschlägegebern in Sachen Kindererziehung.
Was ist das ohnehin für eine Unart, ungebeten fremde Menschen anzusprechen und sie dann auch noch an völlig verzichtbarem Wissen teilhaben zu lassen?
Allen voran die (sehr wahrscheinlich kinderlosen) Damen Ü60, deren theoretisch fundierten Erziehungsmethoden seit den 50er Jahren kein Update erfahren haben.
So sprach mich gestern eine Frau an, warum ich das arme, arme Baby den herumtrage und nicht im Wagen transportiere? Außerdem müsse ich UNBEDINGT das Köpfchen festhalten.
Mein Hinweis, dass das Kind bald laufen könne und sich deswegen ein Kopfhalten seit schätzungsweise zwei Tagen nach der Geburt erübrige, brachte sie in Rage und ließ sie zeternd mit den Worten „Die jungen Mütter von heute, die lassen sich aber auch rein gar keine nützlichen Tipps geben. Das arme, arme Kind!“
Aus Rache an solchen Menschen sollte ich ebenfalls tolle Tipps verteilen. Warum denn in den Senior-Club? Kaufen Sie sich doch einen iPod!
Hätten Sie weniger Kartoffel gegessen, wären sie faltenfrei. Wer in die hohle Hand hustet und sich dabei um die eigene Achse dreht, lebt ewig!

Aua, aua!

In unserem Hinterhof wohnt der größte Stecher Berlins. Jedenfalls wenn es nach dem Paarungsgebrüll geht, das durch die Lüfte schallt. An sich ist es nicht störend, wenn andere Menschen sich besteigen – nur manchmal, z.B. wenn das sieben Mal am Tag passieren und die weibliche Beteiligte erst Arien kreischen muss bis sich das erlösende männliche Grunzen hinzugesellt, dann bin ich ein wenig genervt.
Zumal doch meistens von anderen Nachbarn unterstützend geklatscht und gepfiffen wird. Dann muss das doch schneller gehen!
Ein wenig unangenehm ist es mir auch, wenn ich ob der Geräuschkulisse ständig lügen muss.
– Was passiert da im Hinterhof?, fragt Kind 1.0 ängstlich.
– Nun, ähhhh, nichts nichts!
– Das muss ich unbedingt sehen, da hat jemand schlimme Schmerzen!
– Aller Wahrscheinlichkeit nach eher nicht.
– DOCH! Jetzt hör’ doch mal. Da tut sich jemand ganz dolle weh.
– Äh, das ist vermutlich im Fernsehen…
– Und was schauen die da?
– Ähhhhh vielleicht jemand, der schwere Gewichte stemmt?
– Nä.
– Ein Bergsteiger auf 5000 Meter.
– Nä, so klingt das nicht.
Ich schließe die Fenster.
– Klingt echt schlimm.
– Hmmm, wollen wir jetzt Power Ranger spielen?
– Die armen Menschen!
– Ja, ja, denke ich.
Unter der Woche sollte ficken einfach vor 20 Uhr, wenn die Kinder ins Bettchen gehen, verboten sein. Ehrlich mal.

Das Ende der Niedlichkeit

Wenn man ein Neugeborenes hat und es öffentlich herumträgt, strömen von allen Ecken und Enden Menschen herbei, um in die Hände zu klatschen und zu rufen „Ach, das ist aber noch ganz frisch. Wie niedlich!“. Dann betatschen sie es.
Mit dem jakobsonschen Organ eines Aals und den 30.000 Augen einer Libelle scanne ich die Fremden. Zigarettenrauch, altes Fett, Schweiß, schmutzige Finger, eiternde Blasen und Nagelmykose überall!
Ich drücke meinen Säugling an mich, zücke eine Fliegenklatsche und wedele die verkeimten Greifer weg.
Mit der Zeit jedoch härtet man ab, denkt an das kindliche Immunsystem und hält das Baby selbst den interessierten Punkerhunden unter die Nase.
Immerhin erntet man dafür Komplimente und Ausdrücke des Wohlgefallens.
In dieser Phase der Glückseligkeit verharrt man einen weiteren Monat. Doch dann kommt eines Tages der Tag des Erwachens.
Das Baby ist schon vier (!) Monate als sich eine ältere Frau dem Kind, das im Tragetuch an meinem Dekolletee gedrückt befindet, nähert.
„Ach, was haben Sie denn da?“ Ihre Augen strahlen. „Was ganz Kleines noch?“ Sie streckt mir ihre knochigen Finger entgegen. Ich lächle (… die Hormone!).
Sie schaut aufs Kind und ihre Mundwinkel fallen nach unten.
„Bah! Ist ja schon groß!“ und wendet sich ab.

 P.S. Schaaahaaatz, wir brauchen Nachschub!

Spasseinkaufscenter Alexa

Ix schrieb bereits darüber, unter anderen Aspekten freilich, doch ich möchte meine Erfahrungen ebenfalls zu Bildschirm bringen. Leider war es mir aufgrund der geringen Speicherkapazität meines Handys nicht möglich, dokumentierende Fotos zu ergänzen. Ich kann zusammenfassend nur sagen: Gehen Sie hin, bevor das Alexa in ca. drei Tagen niemanden mehr interessiert. Genießen Sie die Megaeventatmosphäre!

Allein schon reinkommen. Super. Vor dem Haupteingang Zaunabsperrungen wie auf einem Rockkonzert. Willenlos wird man mit den Menschenmassen in eine Richtung gesogen. Überall Sicherheitspersonal. Ich lasse mich treiben, werde aber aufgrund des Kinderwagens von zwei vier Meter großen Ordnern aus dem Mob gezogen, über die Köpfe der anderen hinweg auf Händen nach hinten getragen und darf einen anderen Eingang benutzen. Dafür werde ich um das ganze Alexa getrieben, vorbei am rauchenden Personal, an den Bauarbeitern, hin zur Tür für Behinderte und Menschen mit Kinderwagen.

Drinnen Gedrängel, Körperkontakt pur. Ich sehe nichts, doch ich rieche die anderen, sie sind aufgeregt, sie schwitzen, sie durchströmen die Etagen. Auch ich versuche in die erste Etage zu gelangen, denn wie immer befinden sich Frauen- und Babysachen nicht im Erdgeschoss sondern in den oberen Stockwerken. Ich versuche Aufzüge zu finden, was mir mangels Sicht erst einige Runden später gelingt. An den Aufzügen Schilder die sagen: Bitte lassen Sie Schwangere, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen und Menschen mit Kinderwagen die Aufzüge benutzen, benutzen Sie selbst die Rolltreppen*.

Doch wen schert das. Sie können wahrscheinlich auch nichts dafür. Der Druck von draußen ist zu groß. Unschuldige Passanten werden bis an die Grenze der maximalen Aufzugsbelastung in die Kabinen gepfercht. Die Aufzüge fahren wild auf und ab. Manchmal öffnen sie sogar die Tür und entlassen ihre Fracht.

Oben sehe ich schließlich so viel wie unten, nämlich nichts. Ich ergattere ein Prospekt, auf dem steht welche Geschäfte es gibt. Zufrieden rolle ich dem Ausgang entgegen. Auch hier die Erinnerung an meine Jugend, an die ganz großen Rockkonzerte. Ich werde zwischen Menschen auf eine grüne Wiese entlassen. Da stehe ich nun und schaue in den großen, blauen Himmel.

Toll! 

 

*Sobald meine hormoninduzierte Harmoniesucht nachlässt, schreibe ich einen Artikel darüber, wie sehr ich Menschen verhauen möchte, die der Faulheit halber Aufzüge verstopfen.

Ich bin ein Fuß

Als Hochschwangere im Mutterschutz kann man schnell Langeweile bekommen. So entschloss ich mich in der 37. Woche einige Stufen zu übersehen und meinen Fuß wie in einem asiatischen Horrorfilm um 180 Grad zu verdrehen und mir zur Abwechslung mal die chirurgische Abteilung der Notaufnahme anzuschauen.
Dort schilderte ich den Vorfall und man wollte gleich röntgen, was ich mit einer schüchternen Nachfrage, ob man das denn während einer Schwangerschaft so mache, unterbrach. Ach? Schwanger sei ich? Ja, 9. Monat. Große Verwunderung. Ach!
Ja während der letzten Wochen einer Schwangerschaft sei es ganz normal dicke Gelenke und Wasserfüße zu haben. Natürlich schätze ich bei Ärzten einen gewissen Sinn für Normalität jedoch konnte ich es mir nicht verkneifen darauf hinzuweisen, dass das Beschränktsein der Schwellung auf eine Körperseite plus der vorangehende Treppensturz ein gewisser Hinweis auf ein extern verursachte Verletzung sein könnte.
Schulterzuckend wurde mir dann ein Verband angelegt und mir ein Paar Gehhilfen zugewiesen. Mit dem Sport solle ich es jetzt jedoch kürzer treten. Schade, befand ich mich als angehende Monsterbowlingkugel doch gerade auf dem Höhepunkt meiner Vorbereitung für die nächste Leichtathletikmeisterschaft.
Erstaunen beim humorfreien Krankenhauspersonal.
Schön kühlen und dann ab nach Hause, nicht dass das Kind sich jetzt auf den Weg mache. Interessant, bislang bin ich davon ausgegangen, dass ein Krankenhaus ein nicht völlig ungeeigneter Ort sei, wenn es ums Kinderbekommen ging – aber man lernt eben nie aus.
Bei allen Flüchen die man als Elefant auf Krücken der Welt entgegen bringen mag, so bleibt doch festzuhalten, dass dieser Anblick selbst den hartherzigsten Berliner in öffentlichen Verkehrsmitteln dazu bewegt seinen Sitzplatz anzubieten. 

Kurbel der deutschen Wirtschaft

Irgendwann muss man ja damit anfangen. Millionen Euro für die Erstlingsausstattung rauswerfen. Für Geizkragen wie mich pure Folter. Die Dinger wachsen doch eins, zwei, drei wieder aus dem Zeug raus. Ich war schon immer dafür Kinderschuhe aus alten Autoreifen zu machen, die man einfach mit Wurstgarn um die kleinen Füßchen bindet. Irgendwie ist das doch fast das selbe wie diese Biostricksöckchen, die irgendeine Emanze mit den Haaren auf ihren Zähnen mit Naturkautschuk bestreicht. Einzig und allein im Preis würden sich diese Dinger unterscheiden.
Genauso steht es doch um die Babyzimmermöbel. Dem kleinen Wesen ist es doch herzlich egal wie die Möbel aussehen bzw. ob es überhaupt Möbel hat. Am liebsten klebt es doch weiterhin wie ein kleines Äffchen am mütterlichen Bauch und mustert interessiert seine Umwelt.
Die Krönung der Anschaffungsliste stellt der Kinderwagen dar. Da gibt es im Wesentlichen zwei Alternativen. Entweder man absolviert schnell einen Aufbaustudiengang „Kinderwagen – Vehikel der Mobilität, Transportmittel an dem sich die Geister scheiden“ oder aber, wenn man in Berlin lebt, aus einem Doppelverdienerhaushalt im Prenzlauer Berg kommt, macht man es sich leicht und kauft sich für schlappe 1.000 € einen Bugaboo Chameleon.
Vorteil bei letzterem: sehr hoher Wiederverkaufswert bei ebay. Nachteil dem organisierten Verbrechern der Kinderwagenmafia ist dieser Wert durchaus bewusst. Wer also kein Einfamilienhaus hat, wo er den Wagen sicher unterstellen kann, der darf damit rechnen, ihn einmal im Jahr geklaut zu bekommen.
Alles in allem also eine wenig verlockende Aussicht. Demzufolge immatrikuliert man sich kurz nach Bekanntwerden der Schwangerschaft in den oben genannten Studiengang. Nachdem man dann sechs Monate Informationen zusammengetragen hat und Diskussionsrunden über Vor- und Nachteile der verschiedenen Varianten beigewohnt hat, entscheidet man sich dann für irgendein Modell, bei dem dann aber nach kurzem Einsatz schon auffällt was man hätte besser machen können.
Es zeigt sich hier zum wiederholten Male, dass sich Vielfalt nicht auszahlt. Ich will einen Kinderwagenmonopolisten. Da kaufe ich dann ein Modell und lebe mit den Nachteilen. Fertig. Die Recherche und die ganze vergeudete Zeit dazwischen spare ich mir einfach.
Alternativ fordere ich einen staatlich entwickelten Fragebogen, der mir nach dem Ausfüllen ein bestimmtes – perfektes – Modell empfiehlt.
Im Muliple-Choice-Verfahren nähert man sich so seiner Auswahl.
– Ich habe ein Auto ja/nein
– Ich wohne in einer Gegend mit Kopfsteinpflaster ja/nein
– Ich verfüge über einen abschließbaren Ort, an dem ich den Kinderwagen abstellen kann ja/nein
– Mein Kind wird vorraussichtlich so groß wie xxx (Dinobaby aus Serie) ja/nein
– Ich will mit Wagen und Kind sportlich aktiv sein ja/nein
– Etc.
Leider bekommt man nach dieser Einsicht ein Kind und hat dann keine Zeit mehr für so einen Schnickschnack. Viel schlimmer noch, der Nestbauinstinkt setzt kurz vor der Geburt ein und plötzlich macht man nichts lieber als Babykram kaufen.
Wer Glück hat, im Kreise der vor Entzückung kreischenden besten Freundinnen. Man fällt in Kinderbekleidungsläden ein und sieht sich zurückversetzt in die präpubertäre Barbiephase.
Überall rosa, rosa, rosa! Rüschen, Glitzer, Schleifchen! Alles minimninimini! Ahhhhh! Man macht nur noch Geräusche, die man normalerweise ausschließlich von Meerschweinchen kennt und greift zweihändig in die Regale. Alle klitzekleinen Einzelteile kosten doch nur unter 10 Euro. Die Vernunft bleibt auf der Strecke und man erwirbt allein so viele von diesen Minisöckchen, die gerade auf die eigenen Fingerkuppen passen, dass man damit auch bedenkenlos einen brasilianischen Tausendfüßler winterfest machen könnte.
Das Baby dankt es wenig später indem es zeigt, dass man von der Erstlingssocke bis zum Kopfhäubchen wirklich alles mit Breikacke einkacken kann.
Doch was solls. Ist das Ding erst mal auf der Welt, so freut man sich auch über rosa Minikleidchen mit blassbraunen Streifen.