Die Kinder der anderen

Freunde braucht man nicht unbedingt. Hauptsache man hat gut erzogene Kinder, die freiwillig Zähne putzen, alleine ins Bett gehen und morgens die Zeitung holen.

In Erziehungsfragen mischt man sich nicht ein. So sehe ich das jedenfalls. Ich würde anderen nie ungefragt irgendwelche Tipps und Verbesserungsvorschläge geben. Nie, nie, nie. Das erhält Freundschaften.

Allerdings ist nichts dagegen einzuwenden mal mit guten Beispiel voraus zu gehen. Dann sehen die anderen einfach mal, wie toll ihre Kinder sein könnten, wenn sie sie nur ordnungsgemäß erzögen.

Als wir in den Scubes übernachtet haben, bot sich eine Möglichkeit bei der wir den anderen Übernachtungsgästen mit Kind ein gutes Vorbild sein konnten. Während deren Kinder nämlich um 22 Uhr immer noch aus den Scubes plärrten, schliefen unsere Wonneproppen schon seit zwei Stunden. Wir haben vorher vor den Augen der anderen gemeinsam Zähne geputzt, dabei hat natürlich keines unserer Kinder geschrieen. Dann haben unsere Kinder die Schlafanzüge angezogen und haben sich hingelegt.

Wir saßen ab da vor den Scubes und haben Wein getrunken und den anderen dabei zugeschaut wie erst die Väter geschickt worden sind, die Kinder bettfertig zu machen, dann die Mütter hinzukamen, um die Kinder ein siebtes Mal hinzulegen bis schließlich gegen Mitternacht alle anderen Kinder schliefen.

Wir sind dann ins Bett und haben bis 10.30 Uhr geschlafen. Wir hätten freilich noch länger geschlafen, wäre da nicht seit 6.30 Uhr der Lärm der anderen Kinder gewesen. Da die Kinder dann aber schon wach waren, haben wir sie geschickt und Kaffee und Brötchen zu holen.

Komischerweise waren die anderen übrigens total unfreundlich zu uns und wollten nichts mit uns zu tun haben. Warum? Das weiß nur der Wind.

Kinderbücher für Eltern

Das Vorlesen von Kinderbüchern hat viele Vorteile. Zum Beispiel dass man Experte für lebensfremde Themen wird. Irgendwie könnte man das tägliche Elternschicksal auch besser nutzen.

Wenn ich mich gerade bewerben müsste, wäre ich qualifiziert für vielerlei Jobs. Es mangelt vielleicht hier und da ein wenig an der Praxis – theoretisch gibt es jedoch kaum Grenzen.

Beispielsweise könnte ich sofort am Bauernhof anfangen. Ich kenne alle Tiere, ich weiß was sie fressen und mit den richtigen Gummihandschuhen ausgerüstet, könnte ich Geburtshelferin für Kühe werden.

Auch bei der Feuerwehr müsste ich nicht lange fackeln. Problemlos bediene ich Leiterwagen, rette Kätzchen, lösche Feuer und der Gebrauch des Spreizers ginge mir ebenfalls leicht von der Hand.

Gleiches gilt fürs Piraten- und Rittertum – Märchenprinzessin sein, alles gar kein Problem.

Seit beinahe einem Jahrzehnt lese ich Bücher zu diesen Themen vor. Manche so oft, dass ich sie schon versteckt habe, so dass keines der Kinder es freudestrahlend auswählen kann und ich gezwungen bin, es vorzulesen. Immer und immer wieder.

Das gebetsmühlenartige Vorlesen hat, wie bereits erwähnt, durchaus seine Vorteile. Gut 35% meiner Engramme dürften sich zu den Themen Feuerwehr, Bauernhof, Stadtfahrzeuge, Insekten, Ritter, Indianern und Prinzessinnen gebahnt haben.

Dennoch wünsche ich mir Kinderbücher mit Themen, die mich interessieren oder die mir wenigstens im Leben weiterhelfen. Meinen Kindern sind die Texte im Grunde völlig egal. Wenn ein Bagger auf dem Cover ist, genügt ihnen das. Kaum setzen sie ich neben mich und ich beginne zu vorzulesen, bekommen sie diesen leeren Blick und auch wenn ich Wörter wie „ALIENATTACKE“ oder „NEUROPLASTIZITÄT“ einbaue, horchen sie nicht auf. Es geht ihnen einfach um die beruhigenden Wiederholungen und den gleichbleibenden Rhythmus.

Deswegen schreibe ich mir jetzt selbst welche und ich wette, ich werde reich damit.

Band 1: Unser buntes Bundeskabinett. Die 15 putzigen Minster und Ministerinnen samt Bundeskanzlerin.

Band 2: Die 16 Bundesländer. Eine fröhliche Zugreise durch Städte und über Flüsse von Schleswig-Holstein bis nach Baden-Württemberg.

Band 3: Die USA. Eine putzige Weltmacht räumt auf.

Band 4: Atomkraft: Wie oft noch schlafen bis die Halbwertszeit rum ist.

Band 5: Der bunte Alltag der Anglizismen. Als der Outsourcer mal mit dem Inboundsupporter stritt.

[…] Weitere Vorschläge willkommen.

Prächtige Zukunft voraus

Kurt von Hammerstein-Equord hat es schon vor über 120 Jahren gewußt. Menschen kann man in dumm und klug, sowie fleißig und faul einteilen. Bezogen auf Führungsaufgaben lässt sich seine Theorie wie folgt zusammen fassen:

„Es gibt kluge, fleißige, dumme und faule Offiziere. Meist treffen zwei Eigenschaften zusammen. Die einen sind klug und fleißig, die müssen in den Generalstab. Die nächsten sind dumm und faul; sie machen in jeder Armee 90% aus und sind für Routineaufgaben geeignet. Wer klug ist und gleichzeitig faul, qualifiziert sich für die höchsten Führungsaufgaben, denn er bringt die geistige Klarheit und die Nervenstärke für schwere Entscheidungen mit. Hüten muss man sich vor dem, der gleichzeitig dumm und fleißig ist; dem darf man keine Verantwortung übertragen, denn er wird immer nur Unheil anrichten.“

Ich gebe das mal zu bedenken, für den unwahrscheinlichen Fall, dass es Eltern gibt, die jeden Abend die deutlich über 6jährigen dazu auffordern müssen, komplizierte Pflichten wie das Zähneputzen zu erfüllen und sich grämen, dass sie das Abend für Abend tun ohne dass sich das Verhalten nennenswert verbessert. Manche mögen sogar verärgert sein, wenn das widerspenstige Kind nicht nur NICHT die Zähne reinigt sondern sich sogar tatsächlich aufrafft, ins Bad geht und das Zähneputzen hinter verschlossener Tür geräuschlich imitiert.

Vorausgesetzt das Kind ist klug (wie es ja alle eigenen Kinder im höchsten Maße sind), heißt das nämlich nur eines: Das Kind kommt ohne Umweg in die Vorstandsetage und wird mit Hilfe des utopisch hohen Gehalts für den bequemen und sorgenfreien Altersruhestand der Eltern sorgen. Vorausgesetzt sie geben das allabendliche Zetern auf.

Bitte, hier, jaaaaa, friß mich!

Wir werden ziemlich oft gefragt, ob wir mit den Kindern nicht viel lieber auf dem Land leben wollten. An Tagen wie heute kann ich mit noch größerer Sicherheit als sonst sagen: Nein. Denn das was Berlin bietet, möchten wir nicht missen. Heute haben wir uns zur 125 Jahr Feier des Kurfürstendamms den Umzug der Plasticiens volants angesehen und wie schon im Oktober 2009 als die Riesen durch Berlin wanderten, hatten wir ein sehr verzücktes Gefühl. Das mag sehr schmalzig klingen – ist es vielleicht auch – aber es ist immer wieder faszinierend wie einfache Dinge wie bunte, riesige Lufballons in Tierform solche Begeisterung auslösen können. Unser zart pubertierendes Kind 1.0 lief fröhlich der Riesenwasserschlange hinterher und schrie vor Freude als es endlich, gemeinsam mit ca. fünf anderen Kindern für einen kurzen Augenblick gefressen wurde. Kind 2.0 rannte den verhuschten Seepferdchen hinterher und versuchte sie zu berühren und Kind 3.0 auf meinem Rücken wedelte Babyzeichen und verkündete enthusiastisch: „Fiiisch! Fiiisch!“

Allein das lässt das Herz ausreichend aufgehen und wenn man dann die Kamera weggesteckt hat, um nicht zu dokumentieren sondern zu erleben, dann dauerte es nicht lange und man konnte in dem beseelten Gefühl aufgehen und sich der riesigen Meeresgestalten erfreuen.

Plasticiens Volants

Umschlagplätze der Hölle: Flohmärkte

Ich hab mal ne Sendung über Messi-Gruppentherapie gesehen. Da sollten die Messis sich jede Woche einen Gegenstand aus ihrer überfüllten Wohnung raussuchen, den sie am Ende der Sitzung wegschmeißen sollten. Theoretisch klingt das nicht so schwer. Praktisch sah es so aus: Messi 1 hebt einen Gegenstand (z.B. einen zerbrochenen Kleiderbügel), Messi 2, 3, 4, 5 und 6 erleiden Höllenqualen. Der Bügel sieht doch noch super aus. Den kann man bestimmt noch gebrauchen. Messi 4 steckt ihn unbemerkt ein, während Messi 5 seinen Gegenstand zeigt.

So sind Flohmärkte irgendwie auch. Man verkauft dort seinen Tand und die Kinder schleppen viel, viel schlimmeren Tand wieder an. Nachfolgend ein Beispieldialog.

Kind 2.0: Ahhhh! So eine Kutsche habe ich mir schon IMMER gewünscht.
Mutter: HMPF.
Kind 2.0: BITTE!
Mutter: Na gut, ich frage, aber wenn sie mehr als 10 Euro kostet kaufe ich sie nicht. (Zur Verkäuferin) Und? Was soll die kosten?
Verkäuferin: 5 Euro.
Mutter: Ahhhhh!
Kind 2.0: Jaaaahaaaaaa! !!!

Die Mutter ohne Herz

Dem regelmäßigen Leser sollte es bereits aufgefallen sein. Ich bin großer Fan evolutionspsychologischer Thesen. Die angeborenen Verhaltensmuster entwickeln sich nur langsam weiter – wohingegen die gesellschaftliche Entwicklung seit Anfang des 19. Jahrhundert rasend schnell voranschreitet.

Dem Urmenschen war nämlich nicht ganz klar, wann es das nächste Mal Nahrung geben würde und ob sich der spitze Stein, der ihm gerade vor die Füße gefallen war, nicht doch als nützliches Werkzeug erweisen würde. Deswegen wurde vorsichtshalber alles gesammelt und gehortet und das ist auch der Grund warum Kinder ALLES sammeln.

Dem kinderunerfahrenen Leser sei versichert, dass mit ALLES wirklich alles gemeint ist. Handele es sich nun um unterschiedlich große Schnecken, verrostete Schrauben, Kieselsteine, Stöcke oder weggeworfene Kaugummis. Wenn man sie ließe, sie schleppten alles mit nach Hause.

Alles wird gesammelt und aufgehoben. Ungeachtet ob Teile fehlen, die Funktion gänzlich unbekannt ist oder das Objekt der Begierde stinkt. Besonders liebreizende Kinder verbinden ihre Sammelleidenschaft noch mit einer bestimmten Art von Opferdarbietung an andere.  Als Eltern erhält man Nüsse, vergammelte Obstkerne und Insektenkadaver und muss diese – sofern man die Seele des kleinen Wesens nicht schädigen möchte – freudestrahlend entgegen nehmen und bei Bedarf sechs Jahre später wieder vorzeigen.

Bei drei Kindern verschiedener Altersklassen kommt da schnell einiges zusammen. Besonders hart ist es, wenn die Nachkommen auch noch gestalterische Energien besitzen. Dann werden nämlich täglich um die 27 Bilder gemalt, geschnitten, gerissen und beklebt. Mal drei.

Leider entspricht die zunehmende Vermüllung unserer Wohnung  nicht meinen ästhetischen Ansprüchen. Und nun mein Geständnis: Wenn die Kinder weg sind, schmeiße ich Dinge weg. Ich weine dabei ein bisschen und fühle mich wirklich sehr, sehr schlecht, denn ich erinnere mich lebhaft daran wie mein kleines Herz als Kind schmerzte, als meine Eltern bereits die Unterbringung meiner Kostbarkeiten in ihrer Wohnung ablehnten. Doch es muss sein. Unsere weiße Designerwohnung duldet einfach keinen nutzlosen Tand.

Dank moderner Techniken habe ich jedoch eine hervorragende Lösung gefunden. Ich fotografiere die Dinge, deren ich mich entledige vorher und zittere deswegen nur ein klein wenig, wenn die Kinder fragen: „Wo ist eigentlich [beliebiger Gegenstand, der auf der Straße aufgesammelt wurde]?“

Meine Antwort lautet dann: „Du wirst Dich jetzt besonders freuen, denn ich habe [beliebiger Gegenstand, der auf der Straße aufgesammelt wurde] unsterblich werden lassen indem ich ihn digitalisiert habe.“ Unsere verständigen Kinder wissen, dass Unvergänglichkeit eines der am meisten angestrebten Güter ist, nicken andächtig und sind sich (mal wieder!) gewiss, dass sie die allertollste Mutter auf Erden haben.

Für mich werden nur die ausgedruckten Bilder langsam zum Problem…

Jodhpur-Stiefeletten

Es ist so: Ich wollte nie, dass unsere Kinder in geschlechtsspezifische Rollenvorlagen gepresst werden. Im Hause Nuf waren die Farben Rosa und Hellblau verboten. Brachte ein Familienmitglied geschlechtsspezifische Merchandiseartikel mit nach Hause, gab es zwei Jahre Hausarrest. Tat ein Besucher das selbe, wurde nach einem langen Vortrag über geschlechtsneutrale Erziehung und negative Beeinflussung der Charakterentwicklung durch Konsumartikel mit mangelnder Genderneutralität die Freundschaft für die selbe Zeitspanne vorübergehend ausgesetzt.

Wenige Jahre später sind es die Kinder, die uns alles verbieten, was nicht eindeutig einem Klischee entspricht. Wie bei den Borg ist auch hier Widerstand völlig zwecklos. Nach Rosa, Hellblau, Hello Kitty, Barbie, Transformers, Power Ranger, etc. dachte ich nicht, dass es eine Steigerung gibt. Es gibt sie aber und sie heißt Pferd.

Mit Pferden kenne ich mich ungefähr so gut aus wie mit dem kambodschanischen Gesundheitssystem. Nein, halt, da habe ich mal eine Dokumentation auf Arte gesehen – also eher wie mit Techniken des Phosphatabbaus in Nauru.

Pferde sind mir fremd. Wenn ich an einem Pferd vorbei komme und es grüßt zeitgleich ein anderes Pferd, denke ich, es will mich auffressen. Ich schaue mir die Zähne an und bin mir sicher, wenn Pferde alleine sind, dann zupfen sie nicht Grashalme von der Wiese oder knabbern Möhren – nein – dann fressen sie Menschen, die sie vorher durch ihren unschuldigen Pferdeblick auf die Weide gelockt haben.

Kind 2.0, Körperhöhe 110 cm weiß das nicht. Anders kann ich mir nicht erklären wie es so arglos auf die gut doppelt so großen Lebewesen zuspringt und sie freudig füttert. Zudem schleppt es seit Wochen Pferdeliteratur an und ich muss mir dann die Zunge an Begriffen wie Jodhpur-Stiefeletten und Chaps brechen. Der ganze Fachtext ist durchzogen von seltsamen Begriffen, die mein Lesetempo stetig verlangsamen bis es schließlich ganz zum Stillstand kommt und ich laut buchstabiere wie ein Erstklässler Kardätsche „K A R D Ä T S C H E“. Vier Millisekunden später habe ich das Wort schon wieder vergessen. Am Reiterhof mache ich deswegen keine besonders gute Figur.

„Welche von den Dingern hier muss Kind 2.0 noch mal nehmen?“

„Die Wurzelbürste“

„Kann man damit auch die Augen sauber reiben?“

„…“

Kind 2.0 hat mit der Unterstützung von Kind 1.0 jetzt ein Pony-Fach-Know-how-Video recherchiert, das ich anschauen und auswendig lernen muss. Hab es bislang noch nicht länger als bis Sekunde 10 geschafft. Da fängt die Musik an und ich bekomme ein nervöses Zucken im rechten Auge und falle in einen katatonen Zustand.

Wie so oft mit Kindern – am Ende hilft nichts und so bleibt mir nur das Gute am Thema Reiten zu sehen, was da wäre:

1. Wenn ich mich in der Nähe von Pferden aufhalte, muss ich nicht mehr zum Blutschröpfen, um mein Blut frisch und flüssig zu halten. Die Mengen an Blut, die mir Pferdemücken absaugen, entsprechen ungefähr einer monatlichen Blutspende.

2. Empfinde ich es nicht mehr als Beleidigung wenn man zu mir sagt, ich sei eine Schabracke. Schließlich gibt es durchaus attraktive Satteldecken.

My little Alien von Mari Kasurinen

Quelle des Bildes „My little Alien“ von Mari Kasurinen