Mein Leben als gleichseitiger Hexaeder

Ich liebe es übersichtlich. Am liebsten hätte ich eine Wohnung aus unterschiedlich großen Kuben. Sofakubus, Tischkubus, Stuhlkuben, Schrankkubus mit Kerzenkuben und Bücherkuben. Am Ende des Tages schiebt man alles wie bei Tetris zu einem großen Klotz zusammen und es ist perfekt aufgeräumt. Der Raum ist gekachelt, einmal alles ausspritzen, fertig.
Mein Leben wäre perfekt und sauber.

Wären da nicht diese Kinder. Kinder schleppen Kleinteile an. Kleinteile liegen rum. In Kleinteile kann man reintreten. Reintreten verursacht Schmerzen. Schmerzen machen schlechte Laune.

Ich habe deswegen ein Indenfußeintrittsqualifizierungssystem für Spielsachen erfunden und ich verlange, dass die entsprechende Eintrittsschmerzkennzeichnung auf den Gegenständen neben der CE Kennzeichnung vermerkt wird.
Die von mir entwickelte Skala reicht von 0 wie „fluffig am Fuß“ bis 10 wie „muss aus Muskelfleisch entfernt werden“.
Die Skala wird dann von den Anforderungen an Sicherheitsschuhe abstrahiert und auf Hausschuhe angeglichen.

  • SB – Grundanforderungen: wärmt Fuß, verhindert direkten Kontakt mit Haut

Zusatzangaben:

  • A – Antistatische Schuhe (wichtig damit gerubbelte Luftballons nicht angezogen werden)
  • Sp – Spielzeugerhaltende Flauschsohle mit verstärktem Fersenbereich für zerbrechliche Materialien
  • P – Durchtrittsicherheit bei kantigen oder spitzen Spielsachen
  • FO – Schwabbelmaterialresistente Sohle (für z.B. Slime und ähnliche Produkte)

Danach baue ich einen Megasortierstaubsauger mit mehreren Trofast-Kästen als Sammelbehälter. Der Staubsauger saugt Kleinteile auf und sortiert sie je nach Materialbeschaffenheit, Größe und Gewicht in unterschiedliche Kästen. Dann ist er endlich wahr geworden, mein Traum von der immer aufgeräumten Wohnung.

Neues aus dem Urlaub

Papa: Wire bestellene jetzt Pizza. Welche willste Du habene?

Nuf (das Pizzabestellleporello studierend): Ich nehme die Vegetariana.

Papa: Warume nichte die mit Thunfisch und Schinkene?

Nuf: Warum fragst Du mich eigentlich, wenn ich eine bestimmte bestellen soll?

Papa: Iche habe an Deine gute Geschmacke geglaubte.

Nuf: Dann bestell‘ doch die, die Du möchtest.

Papa:  Aber bist Du zu Besuche! Sollste Du bestimmen!

Nuf: Ich sagte bereits, ich hätte gerne die Vegetariana.

Papa: Aber warume? Die schmeckte nicht!

Nuf: Wieso? Hattet ihr die schon mal oder wie?

Papa: Nein, aber es fehlte die Thunfisch und de Schinkene.

Nuf (seufzend): Dann nehmen wir die mit Thunfisch und Schinken.

Papa (umarmt fröhlich sein Kind): Aha! Meine Tochtere! Hatte eben doch gute Geschmacke! Ich habe das gleiche gewußte!

Haushalt und das Lebensglück der Kinder

Manche fürchten, dass man verblöden könnte, wenn man sich ausschließlich um Haushalt und Kinder kümmert. Sofern man seine Aufgaben nicht allzu ernst nimmt, mag es dieses Risiko tatsächlich geben.
Arbeitet man jedoch stets mit dem Vorsatz maximal effizient zu sein und replizierbare Ergebnisse bei gleichbleibender Qualität zu erhalten, dann kann davon nicht die Rede sein. Es scheint mir deswegen selbstverständlich wenn für alle Abläufe Prozessablaufschemata erstellt werden.
Eine Maschine Wäsche wird nicht einfach so aufgehängt! Sie wird nach Regeln, die durch mehrere Testläufe verifiziert wurden, der Wäschetrommel entnommen. Die Testläufe werden mitgestoppt und der Lauf, der in kürzester Zeit als Ergebnis die meiste Wäsche in korrekter Form auf das Wäschereck bringt, ist die Grundlage für das eben erwähnte Prozessablaufschemata.
Dieser Prozessablaufschemataerstellungsprozess ist mit diversen Haushaltstätigkeiten zu durchlaufen.
Hilfreich ist hierbei, wenn man sich zunächst alle alltäglichen Aufgaben auf ein Blatt Papier schreibt, sie thematisch ordnet und dann Oberkategorien erstellt. Im zweiten Durchlauf werden diese auf Vollständigkeit überprüft und ggf. ergänzt.
Dann erstellt man eine Prioritätenliste und weist Zeiten zu. Am Ende der Bemühungen hat man einen Haushaltstätigkeitenkatalog, der alphabetisch sortiert, schnell Überblick über die optimierten Abläufe gibt.
Als mein Mann in Elternzeit ging und sich willig zeigte Aufgaben rund um Haushalt und Kinder zu übernehmen, überreichte ich ihm hocherfreut die gerade überarbeitete Version des Haushaltstätigkeitenkatalog.
Ein wenig überrascht musste ich zur Kenntnis nehmen, dass er nicht die erwartete Begeisterung zeigte. Beinahe entsetzt stellte ich fest, dass er sich an die Idealabläufe gar nicht halten will. Obwohl ich ihm mehrere Male eindringlich erklärt habe, dass es völlig sinnlos sei erneut bei dem Schritt „Wie geht das eigentlich?“ und „Kann man das noch besser machen?“ anzufangen, überging er meine Ablaufdiagramme böswillig.
Er denkt, es ist egal, ob man erst die Unterhosen und dann die T-Shirt aufhängt. Er denkt sogar man könne Wäschestücke einfach irgendwie auf den Wäscheständer hängen.
Über Folgen macht er sich keine Gedanken! Es ist nämlich so: Heute ein Kinderschlüppi falsch aufgehängt, in zweiundzwanzig Jahren das Lebensglück des Kindes nachhaltig zerstört.
Ein Beispiel: Der rosa Mäuschenschlüpfer um neunzig Grad zur oberen Abschlusskante des Beineinstiegs verdreht auf die Wäscheleine gehängt, bewirkt aufgrund des unschönen Abdrucks der Wäscheleine am nächsten Tag einen hysterischen Anfall beim Kind. Der kann entgegen aller pädagogischen Vorsätze nur mit einem Gummibärchen beendet werden. Das passiert täglich bis zum 13. Lebensjahr. Macht 4.745 Gummibärchen zusätzlich zu den Süßigkeiten an Ostern, Weihnachten und zum Geburtstag. Sind 61.685 Kalorien allein wegen einer Unterhose. Von den Auswirkungen auf das Gewicht nicht zu sprechen. Allein schon die Katastrophe wenn das Übermaß an eindeutig vermeidbaren Süßigkeiten Hautprobleme bei unserem zukünftigen Teenager auslöst. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Hautprobleme negativ mit der Variable Beliebtheit innerhalb der Peergroup korrelieren. Dies wiederum führt zu wenig Erfahrungen mit Liebeleien. Was bedeutet, dass das arme Kind erst mit fünfundzwanzig die erste ernsthafte Beziehung zu einem Mann eingehen wird. Leider mit dem falschen, was das Kind aufgrund der mangelnden Erfahrung aber nicht erkennen kann. Persönlich empfundenes Unglück wirkt sich negativ auf den Selbstwert aus, weswegen ein anderer Bewerber im Assessment Center für die berufliche Traumposition unseres Kindes vorgezogen wird. Die Kurve des Lebensglücks fällt erneut ab.
Ich sehe aus Platzgründen davon ab, den weiteren, unabwendbaren Verlauf der Zukunft unseres Kindes zu schildern. Es dürfte klar geworden sein, dass man eine Unterhose eben nicht irgendwann und irgendwie aufhängt.

Eine Frau in meinem Alter

Nun bin ich angekommen im „Eine Frau in Deinem Alter“-Alter.
Ich glaube nämlich, ich sehe noch ganz gut aus für eine Frau in meinem Alter. Glücklicherweise.
Schönheit in der Jugend ist dichotom. Eine Frau ist mit zwanzig schön oder nicht schön.
Jenseits der Dreißig wandeln sich die Untergruppen. Eine Frau ist gutaussehend für ihr Alter oder einfach nur über dreißig und somit im engeren Sinne keine Untermenge des Oberbergriffs Schönheit.
Die Entwicklung der Psyche jedoch nimmt einen erfreulicheren Verlauf als die der Physis.
Indirekt proportional zum Verfall der Schönheit steigt das Selbstbewusstsein. Die Komplexe fallen dem Zeitmangel des Alltags zum Opfer. Sich Komplexe einreden und dauerhaft aufrecht halten ist nur möglich, wenn man dazu ausreichend Zeit hat.
Als Ü35 mit Kindern, einem selbstgeführten Haushalt und einer Teilzeitberufstätigkeit gibt es keinerlei Möglichkeiten sich vor einen beleuchteten Vergrößerungsspiegel zu stellen und erfundene Makel der Kosmetikindustrie an sich zu entdecken.
Umso erstaunlicher: ich finde mich ok.
Und das obwohl ich seit Jahren die Haare nicht mehr färbe, ca. zehn Kilo zugenommen habe und mein Kleiderschrank ausschließlich leicht angekotzte Kleidungsstücke vorzuweisen hat.
Ein Schock am Anfang. Aber langsam gewöhne ich mich dran. Und sollte ich sogar mal die Zeit finden mich zu kämmen, so höre ich gelegentlich wohlwollende Komplimente der Art, dass ich für mein Alter noch ganz gut aussehe.
Das ist toll.
Männer haben dieses Problem mit der Schönheit übrigens nicht. George Clooney, Brat Pitt und Hugh Jackman sind zwar älter als ich, sie sehen aber alle gut und nicht gut für ihr Alter aus. Kein Mann sieht je gut für sein Alter aus.
Die natürlich gebliebenen Hollywood Diven wie … ähhh … also … hmmm… nun die gibt es nicht. Die anderen sind operiert, abgesaugt, gebotoxt oder gut ausgeleuchtet und sehen alle aus wie Zwanzig. Jedenfalls bis sie vierzig sind. Dann sehen auch die trotz aller Pimpmaßnahmen nur noch gut für ihr Alter aus. So wie ich.
Macht aber nichts, denn wie gesagt, das Selbstbewusstsein steigt mit dem Alter, vielleicht schießt es sogar ein bisschen über die Amplitude der Normalverteilungskurve hinaus und als Psychologin weiß ich natürlich: eine leichte Selbstüberschätzung führt zu einer optimistischeren Einstellung und die verhilft zu einem leicht verblendeten, aber umso fröhlicherem Leben.

Frauen, Zähne zusammenbeißen und an die Macht

Es ist so: als ich 1985 „Zurück in die Zukunft“ sah, habe ich mich gewundert, dass es so leicht reizbare Menschen gibt. Schließlich hätte sich beinahe die  ganze Handlung des Films nicht entfaltet, hätte Marty sich nicht ständig durch das kleine Wort Feigling provozieren lassen.
Kürzlich habe ich zu meinem eigenen Erstaunen entdeckt, dass es eine ähnliche Wortkombination gibt, die mich in unbremsbaren Aktionismus stürzt. Sie lautet: „Das kann dann ja dein Papi machen.“
Der Todessatz für die Gleichberechtigung wird Kindern gerne gesagt. Wird er ausgesprochen, lasse ich alles stehen und liegen und beweise meinen Kindern, dass das durchaus auch die Mami kann. Zumal es meist um Dinge geht, die einen ähnlichen Schwierigkeitsgrad aufweisen wie IKEA-Möbel aufbauen.
In den Augen mancher Verkäuferinnen (und den Satz habe ich tatsächlich noch nie von einem Mann gehört), können nämlich nur die Papis aufpusten, kleben, bohren, schrauben und hämmern.
Langsam habe ich aber den Verdacht, dass mein Mann Wind von diesem Verhaltenshebel bekommen hat. Ich höre den zitierten Satz nun beinahe täglich und mein Mann sitzt däumchendrehend auf dem Sofa und sein Aufgabenbereich schrumpft zusehends.
Die Drogerieverkäuferin kommentierte beispielsweise den Kauf der Mülltüten mit: „Oh, dann kann der Papi wieder den Müll runterbringen, hmmm?“ und als mir ein Passant einen Zettel aufhob, der den Wind davon geblasen hatte, sagte er: „Eine Einkaufsliste, dann kann der Papi zum Glück noch den Wocheneinkauf machen!“.
Verdächtig erscheinen mir auch Kommentare der Art: „Die Stiege Milch und den Kasten Wasser, würde der Papi aber nicht im Kinderwagen transportieren müssen. Der Papi wäre viel stärker und trüge das locker auf der Schulter!“ Oder neulich beim Papiercontainer, als ein Nachbar in Anwesenheit meiner Kinder feststellte, dass „[der Papi aber mehrere Kartonschichten auf einmal hätte zerreißen können.]“

Ich finde es wirklich seltsam. Aber was soll ich machen? Sollen meine Kinder doch nicht denken, dass ich schwächer als der Papi bin oder irgendwas nicht so gut kann wie er nur weil ich eine Frau bin. Es ist hart, aber wenn man Gleichberechtigung will, muss man auch mal eine Flasche Bier mit den Zähnen aufmachen.

Drei rein, sechs raus

Mein Baby kann zaubern. Wenn ich einen Löffel Brei in den Mund schiebe, spuckt es zwei wieder raus und weil das Breizaubern so anstrengend ist, geht das Ganze nur drei Mal.

Hatte ich beim ersten Kind noch angst bis ins Rentenalter stillen zu müssen, so ist mein Verständnis für den Unwillen Beikost aufzunehmen in der Zwischenzeit erheblich gewachsen.
Grundlegend hat es geholfen zu verstehen, dass es Bei-kost und nicht Anstatt-kost heißt und dass es dem Baby sehr zugute kommt, wenn man einfach fröhlich weiterstillt.
Auch schmecken die meisten Gemüsebreie aus dem Gläschen wirklich ekelerregend. Selbstkochen spart zudem Unmengen an Geld und erfreut die Geschmacksnerven. Kind 2.0 mochte zum Beispiel sehr gerne Süßkartoffelbrei, der denkbar einfach herzustellen ist: Eine große Süßkartoffel und einen Apfel dünsten, pürieren, ausreichend Flüssigkeit dazu. Fertig. Weitere Rezepte z.B. bei mamiweb.de in der Rezeptecke.

Meilensteine und Zeitpuffer

Ich möchte jetzt nicht unbedingt sagen, dass ich zu Panik neige. Ich hab halt nur gerne Zeitpuffer. Bin gerne so zwei, drei Stunden vor Abfahrt des Zuges am Bahnhof. V.a. wenn ich mir noch ein Brötchen für die Fahrt kaufen möchte. Die Auswahl ist groß und da ziehe ich es vor genug Zeit zu haben, um das Richtige auszusuchen.
Fährt der Zug um 10 Uhr ab, stehe ich um 5.00 Uhr auf. Man braucht schließlich einen zusätzlichen  Puffer falls zuhause etwas schief geht. Spätestens 7.00 Uhr verlassen wir also das Haus, was bedeutet, dass ich die Kinder um 6.00 Uhr wecke und dann ab 6.20 Uhr hysterisch anschreie, dass sie sich beeilen sollen, weil wir sonst den Zug verpassen.
Leider kam Kind 1.0 irgendwann in die Schule.
Leider fängt die Schule jeden Tag um 8.15 Uhr an – was für mich bedeutet, dass ich – ginge es nach meinem Gefühl – gerne um 6.00 Uhr das Haus verlassen würde.
Zwei Jahre haben wir das Kind nun angetrieben. Mach dies, mach das, mach es jetzt, mach es schneller. Dem Kind hat’s nicht so gut gefallen und irgendwie förderte das Ganze weder die Selbständigkeit noch den Willen selbst Verantwortung zu übernehmen.
Also haben wir dem Kind gesagt, dass es jetzt alles selbst machen müsse und auch selbst bestimme, wann es los gehe.
Jetzt heißt es jeden Morgen Höllenqualen erleiden.
Das Kind steht gewohnheitsmäßig um 6.15 Uhr auf, beginnt dann aber Comics zu lesen. Es liegt auf dem Bett und pult zwischen den Zehen, während ich mich in ein anderes Zimmer eingesperrt habe und leise in ein Kissen sage: „Du musst noch frühstücken, Zähne müssen geputzt werden, du bist noch nicht angezogen, sind deine Schulsachen gepackt, denk‘ daran – heute ist schwimmen, gleich ist es 7.45 Uhr…“

7.50 Uhr: Mir steht der Schweiß auf der Stirn, meine Hände zittern, das Kind nimmt den ersten Löffel Müsli zu sich. Es plaudert fröhlich vor sich hin.

7.55 Uhr: Das Kind beginnt die Zähne zu polieren.

7.58 Uhr: Es entscheidet sich heute zusätzlich Zahnseide zu benutzen. 8.00 Uhr, es zieht sich sehr langsam einen Socken über den Fuß.

8.06 Uhr: Es zieht einen weiteren Socken an. Mir tränen die Augen, meine Lippen sind blutig gebissen.

8.08 Uhr: Das Kind schaut mich entnervt an: „Können wir jetzt endlich gehen?“ Eltern sein, heißt eben meistens aushalten lernen und das schreckliche tolle: Kind 1.0 ist noch nie zu spät in die Schule gekommen, seitdem es alleine entscheidet wann es was tut.