Träume sind sowas von Schäume

Viele Menschen führen ein Doppelleben. Wie man in so etwas reinrutscht, das konnte ich mir bislang nicht vorstellen.
Seit einigen Wochen jedoch, wächst v.a. samstags- und sonntagmorgens gegen 6 Uhr in mir der Wunsch ein völlig anderer Mensch zu sein.
Ich wäre gerne William MacMoran, der Hausmeister aus den Simpsons oder wahlweise ein mindestens 1,90 Meter großer Kerl mit ein bisschen zu viel Muskeln. Intelligenz wäre mir nicht so wichtig – Hauptsache meine Muskelberge quöllen aus meiner zerschlissenen Kleidung. Ich hätte nur eine durchgehende Augenbraue und vielleicht fehlte mir ein Zahn als Resultat der letzten Schlägerei.
Ich stampfte durch unser Treppenhaus zu meinen bekifften Partynachbarn und schlüge etwas zu temperamentvoll gegen deren Tür, die holzteilespuckend aus den Angeln kippte.
Die Nachbarjungs eilten verschreckt zum Ort des Geschehens und bekämen so eine ordentliche Portion Speichel ab, die mir beim Herumbrüllen aus dem Mund spritze.
Dann schwören sie, nie, nie, nie mehr um diese unmenschliche Uhrzeit diese unsägliche Musik in dieser vermessenen Lautstärke zu hören und hielten sich fortan dran. Als Bekräftigung büken sie mir wöchentlich eine Sachertorte.
Doch – was soll ich sagen – in der Realität schaue ich nur mit traurigen Beagleaugen aus dem Fenster in den Hinterhof und schimpfe leise gegen die Fensterscheibe, während ich peinlichst darauf achte, das bei uns kein Licht brennt, damit die anderen verzweifelten Nachbarn nicht denken, dass der Krach aus unserer Wohnung kommt.

I wanna be Willie

Keine Käsefüße, kein Mundgeruch

Babys, so sagt man gerne, duften wunderbar. Nun war ich bis zum Geburtstag meines eigenen Kindes noch nicht zum Babybeschnüffeln gekommen und musste bald feststellen, dass ich an olfaktorischer Taubheit leide. Mein Baby nämlich, roch am Anfang nach gar nichts. Bestenfalls roch es rein und unverdorben.
Kurz darauf roch es und alles was mit ihm in Berührung kam nach Kotze. Freilich nur Milchkotze, doch glauben Sie mir, erbrochene Muttermilch hat nichts entzückenerweckendes.
Gegorene Milch auf der Haut, im eigenen Haar, auf der Kleidung, am Baby, am Mann, im Bett – vielleicht für den Chinesen, der auch dem Verzehr von verdorbenen Eiern nicht abgeneigt ist und gerne Schwalbenspucke trinkt, ein Fest für die Nase – für mich eher ein Grund jeden Tag eine Ladung Wäsche zu waschen.
Im Nachhinein denke ich, dass die Mütter, die Babygerüche so unwiderstehlich finden von den Duftnoten gewisser Babypflegeprodukthersteller sprechen. Denn so hoch wie die Durchschnittsfrau den meilenweit zu identifizierenden Persilgeruch schätzt, mag sie es toll finden, wenn der Nachwuchs nach erdölbasierten Pflegesubstanzen müffelt.
Das einzige, was selbst mich fasziniert, ist der tadellose Mundgeruch bzw. dessen absolut nicht Vorhandensein. So halte ich liebend gerne meine Nase in den Atemkanal meines Babys. Bis zu dem Tag als das Baby entdeckte, dass es nicht nur Fahrkarten sondern auch Nasen durch fröhliches Hineinbeißen entwerten kann.
So ist nun wenigstens die Sorge, um die schiefe Bahn erledigt. Piercingstudiobesitzer ist schließlich eine handfeste Sache.

SChicke Piercingideen

Hör‘ auf die Eltern, sei kein Pferd

Manchmal durchleben Kinder das selbe, auch wenn der Altersunterschied ungefähr sechs Jahre beträgt. Während dem einen lustig die Zähne ausfallen, warten wir beim anderen, dass dort Beißerchen erscheinen.
Gemeinsam sind sie leidenschaftliche Teilhaber am täglichen Elternquälritual Zähne putzen.
Während das Großkind am Becken mit der Zahnbürste jongliert, dabei Fliegen erschlägt und Zahnpasta ißt, steht das Kleinkind mit zugekniffenem Mund und geschlossenen Augen in einer Ecke gekauert und tut so, als sei es allen elterlichen Aufforderungen gegenüber taub.
Ab und zu blinzelt es, um zu sehen, welchen Blödsinn das Geschwister veranstaltet und fällt dann nach kurzem, hysterischem Lachen wieder in Stasis.
Beim großen Kind hilft es meist nur mit elterlichem Kopfstimmengesang im falschen Moment zu drohen. Wenn es hört, dass wir in Anwesenheit von Ritschi oder Tärränz, den Coolen der Schule, peinliche Verhaltensweisen an den Tag legen werden, putzt es meist die sieben verbliebenen Milchzähne blitzeblank.
Da das kleine Kind noch nicht unter präpubertäten Gruppenzwängen leidet, nützt Drohen nichts. Wir putzen also lieber dessen Stofffreunden die Stoffzähne und hoffen, dass es haben will, was Schnüffi der Hase hat: strahlend weiße Schneidezähne.
Das Baby, durchaus interessiert an den Vorgängen des Stofftiermaulschrubbens, öffnet den Mund natürlich nicht.
Das einzige was wir erreichen, ist, dass das Baby am nächsten Morgen beim Wort Zähneputzen den Hasen holt und uns stolz überreicht.
Abends schauen wir uns dann Kariesbilder im Internet an und hoffen, dass sich endlich das freiwillige und verständige Zähneputzen einstellt.

Bitte Zähne putzen

Das dritte Wort

Mal ehrlich, dass ein Kind ziemlich wahrscheinlich zuerst Mama und dann Papa sagen wird, ist nicht wirklich aufregend. Das eigentlich interessante Wort im Spracherwerb der Kinder ist doch das dritte Wort.
Anfangs konnte sich unser Baby nicht entscheiden und hat, großen Fastfoodketten nachahmend, einfach Wortwochen eingeführt.
Alles begann mit Mambo!.
Freund der Familie: Na, Du kleines Häschen?
Baby: Mambo!
Freund der Familie: Wie geht’s Dir denn?
Baby: Mambo!
Dann sagte es Naknak (Zweifelsohne ein Filmzitat aus Mars attacks!)
Darauf folgte das Sommerloch und endete eines morgens ganz überraschend, als das Kind mich ernst ansah und äußerte: Mama, Aquähhh-dukt.
Da war ich natürlich sehr stolz. Denn die anderen Kinder sagen banales wie Dudu für Auto oder ein unvollständiges Ba für Ball.
Auch die Großeltern waren hoch erfreut, als das Baby eifrig Aquädukt ins Telefon flötete. Hatte sich doch das ganze Geld, das sie in die Ausbildung der eigenen Kinder investiert hatten, gelohnt.
Wahrscheinlich wegen des überschwänglichen Lobs blieb das Kind zwei Wochen bei Aquädukt und kam dann in die Pubertät. So interpretiere ich das jedenfalls, denn nichts anderes als ein Aufbäumen gegen die verspießten Akademikereltern kann es gewesen sein, als es fortan nur noch KACKE! schrie.
In den eigenen vier Wänden, mag ein immerfort krakeelendes Kacke-Kind nicht peinlich auffallen. Ganz anders wenn man in der S-Bahn fährt.
Mama: Schau da, liebes Baby, das Reichstagsgebäude, seit 1999 Sitz des Deutschen Bundestages, vormals Tagungsort der Reichstage des Kaiserreiches und der Weimarer Republik. Seit 1994 findet dort alle fünf Jahre die Bundesversammlung zur Wahl des deutschen Bundespräsidenten statt und seit 1999 ist es Sitz des [..].
Baby: Kacke! Kacke! Kackääääää! KACKKACKKACKÄÄÄÄääääääähhh!

Das Kind ist jetzt 3 Jahre und sagt das böse Wort immer noch sehr gerne.
Man kann da nur von Glück sprechen, dass es uns nicht ganz so schlimm erging, wie Freunden. Dessen Zögling sagte nämlich aus unerfindlichen Gründen als drittes Wort Hitler.