Das Programm am Mittwoch sah schon so aus, als ob es inhaltlich noch mal interessant werden würde und tatsächlich eines der Highlights des Tages, schaute ich mir schon direkt am Morgen an: „re:Fefe: Erkenntnisse der empirischen Trollforschung“ mit Linus Neumann und Michael Kreil.
Danach habe ich mir exklusiv vor allen anderen re:publica Besuchern Felix Schwenzels Vortrag angehört. Allerdings war es zunächst unmöglich zu Felix zu gelangen. Felix saß als Speaker nämlich im VIP-Bereich und da durfte man ohne Sonderbändchen rein. Der Türsteher nahm seine Sache SEHR ernst und war auch nicht zu überreden als Felix vor die Tür trat, um zu bestätigen, dass er warte. Überhaupt war das Sicherheitspersonal auf der re:publica SEHR streng. Manchmal auch ein bißchen absurd. Am Nachmittag saß ich vor Stage 7 auf der Terrasse und als ich die sanitären Anlagen benutzen wollte, hieß es dort, nein, in das Gebäude könne man oben nicht mehr rein. Man solle doch bitte nach unten gehen und dort die Toiletten benutzen. Prinzipiell hätte ich damit kein Problem gehabt, wenn nicht dort ein weiterer Mensch gestanden hätte, der allen danach den Zugang zur Terrasse verweigerte. Man hatte also die Wahl zwischen einpullern und die Gesprächspartner auf der Terrasse stehenlassen.
Jedenfalls nachdem ich mir mit Felix ein bisschen Xavier Naidoo angehört hatte, schaute ich mir den Vortrag gleich nochmal an. Kann man gut machen:
Die Zusammenfassung spare ich mir, weil Kai Biermann das so grandios gemacht hat, dass dem nichts hinzuzufügen ist: „Felix Schwenzel, mit Witzelsucht die Welt verbessern„. Ich war ja erst ein bisschen traurig für Felix, der sehr gerne beleidigt wird Kontroversen sehr gut aushalten kann, weil über Twitter ausschließlich lobhudelnde Tweets kamen, aber wenn man in die Kommentare bei Zeit Online schaut, gibt es anscheinend immer noch ausreichend Neider. Gefühlt war jeder dritte Kommentar so unsachlich, dass er entfernt wurde.
(Ebenso lesenswert übrigens die Zusammenfassungen der Vorträge von Sascha Lobo und Gunther Dueck)
Nach Felix Vortrag wechselte ich in Stage 4, um mir von FREDERIC VALIN und JAN-UWE FITZ anzuhören „Wie das Internet literarisches Schreiben verändert„.
Weiter ging es mit CORY DOCTOROW und „It’s not a fax machine connect to a waffle iron„. Leider ein bißchen langweilig weil mich der Vortrag an das erinnerte, was ich vor 2 (?) Jahren gehört hatte als Cory Doctorow bereits auf der re:publica war.
Ich musste dabei an das Kleiner Drei Interview mit Anne Roth denken, das der Frage nachging, warum es so schwer ist, 50% Frauen auf die Bühne zu bekommen:
„[…] Es ist schwer, diese Frage zu beantworten, ohne entweder banal zu werden oder einen Stapel Statistiken unter dem Arm. Aber es scheint doch so zu sein, dass Frauen eher nur dann auf einer Bühne reden wollen, wenn sie wirklich etwas zu sagen haben, also etwas Neues, etwas Interessantes, und das fertig und rund und durchdacht. Männer haben tendenziell weniger Schwierigkeiten damit, ewig das Gleiche zu erzählen oder von den Ideen anderer zu leben. Mir ist dabei die hier Frauen zugeschriebene Verhaltensweise sympathischer und das hat nichts mit mangelndem Selbstbewusstsein zu […]“
Ich kann das in meiner persönlichen Wahrnehmung bestätigen. Es gibt ausreichend Leute wie Tim Pritlove, die für sich genommen absolut großartige Dinge tun, deren Vorträge sich auf Konferenzen jedoch durchaus inhaltlich ähneln. Der Clou an der Sache ist: Es gibt ausreichend Interessenten. Persönlich z.B. wollte ich dieses Jahr das Speed-Networking des letzten Jahres nicht wiederholen*, weil ich eben nicht jedes Jahr das selbe machen wollte – allerdings wurde ich so oft darauf angesprochen, warum Journelle und ich das dieses Jahr nicht erneut anbieten, dass ich/wir es nächstes Jahr vielleicht doch wieder einreichen.
Der re:pubica Tag endete bei mir mit ANNE WIZOREK und der Frage „Ihr wollt also wissen, was #aufschrei gebracht hat?„. Der Vortrag war sehr großartig, was auch an Annes Person hängt, die für mich eine sehr angenehme, neue Art von Feministin repräsentiert, die für mich persönlich sehr hohes Identifikationspotential hat, weil sie ruhig, kompetent und besonnen und jederzeit wertschätzend mit ihrem Publikum und Fragenden umgeht.
Als sie die Trollseite von #aufschrei beleuchtete und sie einige der Tweets zeigte, die sie persönlich angriffen, war der ganze Saal still und las betroffen die Hasstiraden. Als sie Ausschnitte einiger Hate-Mails zeigte, kamen mir die Tränen. Aus vielen Gründen. Weil es mich unendlich traurig macht und schockiert, dass es Menschen gibt, die so viel Hass in sich tragen. Weil sie sowas ertragen muss (und ich spreche hier nicht nur von Beleidigung sondern von grauenhaften, brutalen und detaillierten Bedrohungen). Weil ich verstanden habe, dass so viele Frauen so lange nichts gesagt haben, weil sie sich genau vor solchen Angriffen fürchten.
Ich bin Anne für #aufschrei sehr dankbar. Ich bin all den Frauen dankbar, die unter #aufschrei ihre Erfahrungen geteilt haben. Ich bin wirklich, wirklich dankbar, weil mir #aufschrei so viel Denkstoff gegeben hat.
Ich bin dankbar weil ich verstanden habe, das uns Frauen v.a. eines für die Zukunft helfen wird: Solidarität
Ich kenne einige Männer, die durchaus gewillt sind, #aufschrei und das was dahinter steckt, zu verstehen. Vielleicht gerade weil ihnen Sexismus fern liegt, verstehen sie die Not einiger Frauen nicht. Ich empfehle denen, nicht nur den Vortrag anzuschauen sondern auch mal Twitter nach dem #aufschrei-Tag zu filtern und sich in die Kommentare unter feministische Beiträgen aller Art durchzulesen und sich dann noch vor Augen zu führen: Was sie da an Anfeindungen lesen, ist das, was man zu lesen bekommt, nachdem die Kommentare moderiert wurden.
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*Die Wiederholung war nicht der einzige Grund. Letztes Jahr hatte mir v.a. auch nicht gefallen, dass wir nicht in den Zeitplan aufgenommen wurden und dass unsere Ansprechpartnerin seitens der Veranstalter nur so – sagen wir – mittelmäßig freundlich und offen behandelt hatte.