Transmediale 2013

2001 war ich das erste Mal auf der transmediale. Bis 2011 bin ich jedes Jahr hingegangen. Jedes Jahr versuchte ich vorher auf der Website zu lesen, was es in der Ausstellung zu sehen gibt. Nach gut einer Stunde gab ich auf. Jedes Jahr. Die transmediale Website ist die unverständlichste Website (zumindest in deutsch/englisch – selbstverständlich gibt es chinesische Seiten, die ich weniger verstehe, man soll ja nicht verallgemeinern), die ich kenne.

Wenn man erstmal vor Ort ist, erkennt man schnell, dass die Website nicht das einzige Unverständliche an der transmediale ist. Die Ausstellungsobjekte sind zum größten Teil ebenfalls völlig unverständlich, die begleitenden Texte kryptisch und voller pseudointellektueller Worthülsen.

2012 bin ich deswegen nicht hingegangen und dann habe ich im Boschblog einen Beitrag zu einem Ausstellungsobjekt gesehen. Die Installation bestand aus großen Stangen, die von der Decke hingen und unter Strom standen. Man konnte sie anfassen um einen Stromschlag zu bekommen.

Ich beobachte das Spektakel eine Weile, traue mich aber zunächst nicht, mir einen Stromstoß versetzen zu lassen. […] Obowohl man weiß, dass etwas passieren wird, ist der Schreck enorm. Die meisten lachen, nachdem sie sich davon erholt haben. Eine junge Frau fällt zu Boden, was aber eher dem Schreck als der Stärke des Stromstoßes geschuldet ist.

Was der Künstler uns damit sagen will? Man weiß es nicht, niemand erklärt es. Der Reiz, es ausprobieren zu wollen, wird dennoch stärker. Ein paar Biere später werde ich mutig: ich unterschreibe, dass ich zur Mitwirkung an diesem Kunstwerk bereit bin, meinen Tod in Kauf zu nehmen, und erhalte im Gegenzug einen Stempel auf das Handgelenk, der mich für den Zutritt zum Elektrozaun berechtigt. Die Bekannte zieht mit (eigentlich hat sie mich überredet) und wir entscheiden uns für die Romantikvariante. Wir halten einander an den Händen, sie berührt den Minuspol, ich den Pluspol. (Vermutlich aber umgekehrt.) Dann passiert es: es funkt zwischen uns beiden.

Das fand ich wahnsinnig romantisch und war traurig, dass ich 2012 nicht da war. Also rufe ich heute wieder die Website auf und bin traditionell genervt. Aber dann denke ich, hey, im Berliner Westen warst Du schon lange nicht und das Haus der Kulturen der Welt, das macht was her, da gehst Du jetzt einfach trotzdem hin.

Tatsächlich finde ich von zwanzig Objekten jedes Jahr mindestens drei, die es am Ende wert waren, die Ausstellung zu besuchen. Das Motto dieses Jahr „back where pluto was a planet“. Meine Recherchen haben ergeben, dass das Akronym BWPWAP in Netzkreisen verwendet wird „wenn man auf die jüngste Vergangenheit verweisen will, einen Zeitpunkt, der nur einen Wimpernschlag zurückliegt, in Bezug auf die technologischen Standards aber schon Lichtjahre entfernt zu sein scheint.

In irgendeinem anderen Artikel habe ich gelesen, man solle sich locker machen und nicht immer versuchen zu verstehen, was die transmediale eigentlich wolle. Also mache ich mich jetzt locker wie sonstwas.

Zwei Dinge finde ich im Vorfeld schon nett. Erstens die Sprachausgaben der Website („back where pluto was a planet I’ve would have been a flash animation“) und die mobile Website ist hübsch.

Mehr heute Nachmittag, wenn wir wiederkommen und ich mich ordentlich in dieses luftleere Wording reingesteigert habe. So lange lesen Sie bitte meine Hackfleischbesprechungen. Kunst und  aufgeblasene Worthülsen kann ich nämlich auch.

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Tja. Das wars wohl mit mir und der transmediale. Eine lange Beziehung zerbricht. Wir haben uns auseinandergelebt. Ich denke, es ist besser, wenn jeder seiner Wege zieht.

Das Rohrpostsystem, (das einzige Ausstellungsstück, das man spontan verstehen kann) wird erst um 16.30 Uhr angeworfen.

Alles andere muss man sich erlesen. Wenn man das fleißig tut, entdeckt man nach einer Stunde einen Metawitz.

Der Rest – ein Rätsel. Auch mit Beschreibung. Um mal Kind 2.0 zu zitieren: „Mama, da hätten die sich aber auch ein bisschen mehr Mühe geben können.“

Manche Dinge, musste man anfassen und irgendwie mit Ihnen interagieren, damit etwas passiert. Leider sieht man das den Exponaten nicht an. Mir wäre z.B. völlig entgangen, dass es doch ein Paar knuffige Sachen gab.

(„Desktop – Gravity Edition„, 2007 von Jacob Nielsen)

Ohne freies WLAN, instagram und vine, hätte ich mich sehr wahrscheinlich zu Tode gelangweilt.

Irgendwas pathetisches mit Medien […]

Das Fernsehprogramm geht mir auf die Nerven.

Ich habe im Studium Aristoteles im Original gelesen. Unser sehr großartiger Dozent ermutigte uns dazu – wohlwissend, dass niemand von uns des Altgriechischen mächtig war. Aristoteles zu lesen war sehr wichtig, denn wenn man es genau nimmt, hat sich seit Aristoteles in der Psychologie nicht berauschend viel getan.  Ich habe gelesen und gelesen und gelesen. Und wenn ich nicht mehr konnte, habe ich Big Brother geschaut. Das war 2000. Ich habe seitdem sehr, sehr viel Schrott-TV gesehen. Für mich hatte das eine mentalhygienische Wirkung. Ich kann aufhören zu denken, neue Wissensinhalte konsolidieren (sich) und ich kann mich in eine Art Standby-Modus stellen.

Dann habe ich angefangen zu arbeiten und meine intellektuelle Beanspruchung reduzierte sich v.a. in den ersten Berufsjahren auf ein Minimum. Parallel habe ich meinen Fernseher abgeschafft.

In der Zwischenzeit schaue ich gelegentlich wieder Reality-TV und Castingsendungen. Abends bin ich meistens so müde, dass ich weder sprechen noch lesen noch sonst irgendwas kann. Es kommt nicht selten vor, dass ich um 20 Uhr mit den Kindern einschlafe. Wenn es mir gelegentlich gelingt, wach zu bleiben, schaue ich fern. Ich gestehe, ich habe Popstars gesehen, ich habe Deutschland sucht den Superstar, X-Faktor und gestern auch The Voice of Germany geschaut. Einige Phänomene finde ich psychologisch interessant. Gruppenpsychologische Dynamiken bei Auswahlverfahren, motivationstechnisches und auch die Frage, warum sich Millionen für solche Sendeformate interessieren.

Schließlich fließt keine Information. Nichts. Nicht mal Emotionen werden übertragen. Da ist nur Leere. Unendlich in die Länge gezogene Inhaltslosigkeit. Ronnie Grob hat heute morgen einen Beitrag des SWR3 verlinkt, der das wunderbar veranschaulicht:

Wenn man sich die Einschaltquoten der Casting-Sendungen anschaut, bleiben nur Fragen. Es wird immer und immer wieder das selbe Konzept aufgegossen und egal wie dünn die Suppe ist, ein weiteres Mal geht doch noch. Die Schnitte gaukeln ein actionreiches Leben vor, ein Leben in dem Ereignis auf Ereignis folgt. Es gibt keine Pausen, kein Verschnaufen, keine durchgängige Handlung, keine Einstellung hält mehr als zehn Sekunden. Schnitt, Schnitt, Schnitt. Alles ist überzeichnet oder provoziert und aus dem Kontext gerissen. Das Leben ist dramatisch, großartig, ein einziges Spektakel.

Ich glaube, es ist Zeit den alten Röhrenfernseher zu verbannen.

Lügen

Übrigens eine Lüge ist eine Aussage, von welcher der Sprecher weiß, dass sie unwahr ist. Meistens wird gelogen, um einen Vorteil zu erlangen. Eine Täuschung hingegen kommt ohne Falschaussage aus.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf folgenden Beitrag hinweisen. Eine superlustige Gesprächsrunde. Es lohnt sich die 29 Minuten durchzuhalten. Ab Minute 25 jagt ein Knaller den nächsten. Quasi wie das Feuerwerk bei der Eröffnung des neuen Hauptbahnhofs zu Berlin.