12 von 12 im März

Ich bin seit 6.50 Uhr wach. Leider habe ich den Kindern gesagt, dass wir ausschlafen möchten und sie uns nicht vor 9.30 Uhr wecken sollen. Es ist verrückt, seit dem letzten Urlaub klappt das. Ich hab einfach eine Regel aufgestellt und sie halten sich (wenngleich immer unter Protest und mit Augen verdrehen) dran. Vor 9.30 Uhr aufzustehen, wäre jetzt natürlich fatal. Ich lese also ein wenig im Internet, dann kommentiere ich noch ein bisschen und endlich ist es 9.00 Uhr. Dann gebe ich auf und gehe in die Küche. Mein Freund versteht nicht, was so hart am Ausschlafen ist.

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Natürlich wären die Kinder schon lange verhungert. Zum Ausschlaf-Deal gehört, dass sie selbst bis mindestens 8.00 Uhr in ihrem Zimmer bleiben und dann Schoko-Müsli essen dürfen. Erziehung durch Bestechung heißt das, glaube ich.

Es gibt bei uns fast nie süßes Frühstück. Keine Marmelade und allerhöchstens am Wochenende sowas wie Nuss-Nougat-Creme. Ich rede mir ein, dass das deswegen OK ist.

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Dann stehe ich mit meinem Freund auf. Wir frühstücken erstmal. Meine Frühstückskultur hat sich durch das Internet total verändert. Früher gabs eine lieblose Stulle und fertig. Durch die ganzen Fotos von Frühstückstischen, habe ich jetzt andere Bedürfnisse. Vor allem nach Schnickschnack. Avocado! Frische Paprika! Körnerbrötchen! Würden wir nicht gleich zu einem Brunch gehen, wäre da noch viel mehr. Und diese Schüsselchen! Ich liebe sie.

Ich bin sogar so weit, dass ich oft eine Kerze anmache. Heute nicht. Man muss ja nicht übertreiben.

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Mein Freund geht arbeiten und ich gehe mit den Kindern zu Freunden, die ein Baby erwarten. Was dort aufgetischt ist, ist irre. Diese Torte. Oft sehen Torten ja geil aus und schmecken dann nach nichts, v.a. weil alles, was Deko ist, aus Fondant besteht. Das hier ist Marzipan, mit Schokolade, Buttercreme und Himbeeren. Das schmeckt so gut, dass ich meine Obstphobie ignoriere und ohne pulen alles aufesse.

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Teil des Party „Programms“ sind Henna-Tattoos, die sich alle machen lassen können. Ich überlege schon lange, ob ich doch ein Tattoo brauche. Ein Motiv hätte ich schon – das Problem ist nur, dass ich große Angst vor allem habe, das irgendwie „für immer“ gedacht ist.

Ich bin gespannt, wie lange das hält. Die Dame, die das gemacht hat, ist wirklich sehr handfertig. Ich bewundere solche Talente.

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Auf der Party war es total entspannt. Ich bin dort sehr gerne. Alles unhektisch, irgendwie kuschlig und es gibt hervorragenden Kaffee. Was kann man mehr wollen? Die Kinder sind ebenfalls sehr, sehr gerne dort. Auf dem Weg nach Hause schlagen sie mir vor, dass ich einfach alles in unserer Wohnung mache, wie es bei unseren Freunden ist. Ich könnte ja fragen, wie es geht. SO schwer ist das bestimmt nicht.

Ich würde den Tag gerne gemütlich ausklingen lassen – nur leider habe ich es die letzten beiden Wochen vor Arbeit und kranken Kindern nicht geschafft, den Lieferdienst rechtzeitig zu beauftragen.

Wir fahren mit der Tram zum Freund, der dann mit uns gemeinsam einkaufen geht.

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Im Einkaufsland ist alles wie Mordor. Ich bin schlecht gelaunt, meine Kinder sind schlecht gelaunt, die Regale verstecken die Artikel, die wir eigentlich kaufen wollen. Hass. Hass. Hass.

Der Lieferdienst ist wirklich jeden Cent wert. Ich weiß, das ist großer Luxus, aber es ist echt irre, was das an Stress spart. Abends am Rechner eine Einkaufsliste durchzuklicken, ist eben was anderes als mit zwei Kindern durch absurd riesige Supermärkte zu irren, genervt an Kassen zu stehen und den ganzen Mist dann nach Hause in den 4. Stock ohne Aufzug zu schleppen. Ich bin so sauer auf mich, dass ich es diesmal nicht auf die Reihe bekommen habe.

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Draußen dann wieder eine „Hunde-Situation“. Im Moment bin ich total abgenervt von rücksichtslosen HundebesitzerInnen. Ich verstehe es nicht. Dieses auf Straßen kacken lassen – in Parkanlagen frei rumlaufen lassen – zur Krönung auf Spielplätze scheißen lassen und wie hier – mit langer Leine in den Eingang stellen.

Ich habe da schlimme Fantasien, was ich gerne alles machen würde. Dann denke ich an den Film Muxmäuschenstill und atme tief durch.

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Mein Freund hat wohl gemerkt, dass ich GRROOAAARRRRR ein bisschen genervt bin. Statt selbst kochen, schlägt er Burger essen gehen vor. Nach einigem Abwägen, entscheide ich mich für YOLO.

Im Burgerladen dann: kein Platz.

Also Pizza! Im Pizzaladen: kein Platz!

GEHEN WIR HALT GOTTVERDAMMTE FLAMMKUCHEN ESSEN.

Und dann geschieht ein Wunder: Wir bekommen einen Platz und das Essen ist wirklich sehr, sehr gut. Die Kinder essen alles auf. Wir lassen der Köchin unsere Glückwünsche übermitteln. Mein Flammkuchen mit Ziegenkäse, Cocktailtomaten und Oliven, sowie einem Hauch von Rucola, ist ebenfalls hervorragend.

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Kind 3.0 ist sehr zappelig und steht unterm Essen immer wieder auf, um zu tanzen. Wie ermahnen abwechselnd wie ein Metronom (30 BPM): „Hinsetzen – leise – hinsetzen – leise“

Mein Freund bekommt dabei eine weitere Einsicht in die Elternschaft:

Wir entscheiden uns (natürlich) für Nachtisch.

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Die Kinder wünschen sich statt Geschichte vorlesen, Trailer für Kinderfilme anschauen. Über Zoomania und Pets müssen wir sehr lachen. Dann kuscheln wir noch und die Kinder schlafen ein.

Es ist für mich ein Ritual geworden, abends noch eine Tasse Tee zu trinken. Ich fürchte, ich besitze so 20 Sorten Tee und trinke dann doch fast immer den selben.

Interessant finde ich übrigens, dass viel über überteuerten Kaffee geschimpft wird und kaum über bekloppt teuren Tee. Der Tee aus dem Bio-Laden kostet pro Tasse rund 18 Cent.

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Den Rest des Abends schauen wir Serien. Aktuell Limitless und neu Lucifer, einer Neil Gaiman Verfilmung, deren Pilot ganz unterhaltend ist. It’s all very British.

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In guten Absichten

Da sind sie wieder, die guten Absichten, die die Straße zur Hölle plastern.*

Heute wurden zwei Superväter mit je 5.000 € für ihr Engagement in der eigenen Familie ausgezeichnet. Es ist die 11. Preisverleigung dieser Art. Geehrt werden Väter, die durch Flexibilität und Partnerschaftlichkeit glänzen. Schirmherrin der Aktion ist Familienmisterin Schwesig.

Die Details sind eigentlich nicht wichtig. Es wurde nichts außergewöhnliches vollbracht. Es wurden lediglich zwei Männer geehrt, die das tun, was Millionen von Frauen schon seit hunderten von Jahren tun. Sie haben sich um ihre Kinder, ihre Familie gekümmert und ihrer Partnerin ermöglicht arbeiten zu gehen.

*slow clap*

Der Preis verfolgt drei Ziele:

1. Stärkung der Leistungs- und Wettbewerbskraft von Wirtschaft und Unternehmen

Der Spitzenvater des Jahres verständigt sich mit der Mutter und findet mit ihr gemeinsam eine Lösung, wie beide Beruf und Familie unter einen Hut bringen können. […] Unternehmen können mit Spitzenvätern sowohl strategisch als auch operativ sicherer planen.

2. Tendentielle Erhöhung des Anteils von Zweiversorgerehen

Dank der praktizierten Partnerschaft in Ehe und Familie kann jeder Elternteil wirtschaftliche Selbstständigkeit erlangen und zum Familienunterhalt beitragen. Mutter und Vater sind in der finanziellen Lage, die Altersvorsorge zu gestalten und der verbreiteten Altersarmut insbesondere bei vielen allein stehenden älteren Frauen, vorzubeugen […]

3. Ausdehnung des väterlichen Einflusses auf die Entwicklung des Kindes

Das Projekt […] strebt danach, die Wichtigkeit der Rolle des Vaters für die Entwicklung des Kleinst-, Klein- und Schulkindes ins öffentliche Bewusstsein zu rufen. Das Projekt bricht mit der traditionellen Vorstellung, dass für die ersten Monate und Lebensjahre allein die Mutter zuständig ist. […]

Gute, sehr sinnvolle Ziele, richtig?

Es geht also darum, so auch die Schirmherrin Bundesfamilienministerin Schwesig: „Vorbilder [zu ehren], die eine moderne Familienkultur leben, die sich immer mehr Paare wünschen. […] Es geht darum Familienarbeit partnerschaftlich zu teilen.“

Ihrem Grußwort ist zu entnehmen:

„Die Auszeichnung „Spitzenvater des Jahres“ zeigt jedes Jahr wieder, dass es sich lohnt, Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht nur als ein Thema für Frauen zu verstehen, sondern auch Männer zu ermutigen, sich mehr Zeit für die Familie zu nehmen. Familien gewinnen dadurch mehr Zeitsouveränität und Lebensqualität. Unternehmen wiederum können sich auf diese Weise als attraktive Arbeitgeber positionieren.“

Warum kann man sich nun trotzdem darüber aufregen (also außer weil man halt als Feministin sowieso immer was zu meckern hat und deswegen so laut und wütend ist)?

Der Preis ist ein Schlag ins Gesicht aller Frauen, die sich seit Jahren völlig preislos um Kinder und Familie kümmern (von den Alleinerziehenden gar nicht erst zu sprechen). Der Preis verhöhnt außerdem all die anderen Männer, die genau das  tun, was oben beschrieben wird und dafür keine 5.000 Euro bekommen.

Aber die Absichten dahinter sind doch gut!

Ja – nur die Umsetzung ist wirklich schlecht. Ein einfacher Weg gute Beispiele herauszustellen wäre z.B. Familien zu ehren und nicht nur die Männer.

-> Gedankensprung

Ich habe vor Kurzem einen Fragebogen zu Erziehern in Kindergärten zugeschickt bekommen.

Ob ich mir mehr männliche Erzieher wünsche?

Ja!

Wie man sie zu motivieren wären? Es folgt eine Multiple-Choice Liste, auf Platz 1: Mehr Geld.

Klar, mehr Geld wäre super. Dann würden Männer bestimmt auch so unattraktive und anstrengende Jobs übernehmen.

Innerlich verdrehe ich wieder die Augen.

Auch hier: Guter Vorsatz – mehr Männer in den Care-Bereich und wie: mit mehr Geld. Is klar, dass die Frauen vielleicht auch mehr Geld verdient hätten, dass es um eine allgemeine Aufwertung dieses Jobs gehen müsste etc. pp. dazu lese ich nichts.

-> Gedankenspung Ende

Schon seit der Gabriel Debatte um die offensive Väter treibt mich wirklich die Frage umher: Es muss doch einen Weg geben, der Männer motiviert ohne gleichzeitig die bereits geleistete Arbeit von Frauen zu entwerten?

(So sehr ich mir auch wirklich, wirklich wünschen würde, das Männer nicht erst motiviert werden müssten… aber gehen wir mal gutherzig davon aus, dass es ganz, ganz viele Männer/Väter gibt, die wirklich, wirklich wollen – aber nicht wissen wie und einfach nicht können…)

Deswegen würde ich gerne Ideen sammeln. Habt ihr welche?

 


 

*Auf Deutsch heisst das Sprichwort eigentlich „Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert“ – auf Englisch „The road to hell is paved with good intentions“.


 

Weitere Leseempfehlungen:

Superväter – ney!

Zitat aus dem Artikel:

„Und so wird der Preis zur Patriarchatsabwrackprämie: Bezahlen wir den Menschen doch Geld dafür, dass sie ein ohnehin völlig überholtes Familienmodell über Bord werfen. Eine Entschädigung für die armen Menschen, die sich an etwas Neues gewöhnen müssen. Das lässt sich nämlich auch spitzenmäßig vermarkten.“

Superväter? – yay!

Zitat aus dem Artikel:

„Seien wir ehrlich: Noch sind wir nicht so weit, dass siebeneinhalb Stunden Kinder- und Hausarbeit ein realistischer Durchschnittswert für den in Deutschland lebenden Mann sind.

Wenn wir so weit sind, können wir den Spitzenväter-Preis gerne abschaffen.“

Ein Interview mit einem der diesjährigen Preisträger:

SPIEGEL ONLINE: Herr Neumann, Sie dürfen sich jetzt offiziell „Spitzenvater“ nennen. Freuen Sie sich?

Neumann: Ja, aber ich tue mich etwas schwer damit, einen Preis für etwas Selbstverständliches entgegenzunehmen. Es gibt wahrscheinlich Väter, die diese Auszeichnung mehr verdient hätten.

Christine Finke: Allein, alleiner, alleinerziehend

Vor einigen Tagen habe ich ein Rezensionsexemplar von Christine Finke’s „Allein, alleiner, alleinerziehend: Wie die Gesellschaft uns verrät und unsere Kinder im Stich lässt“ (Amazon Werbelink) erhalten und ein Bild davon auf instagram gepostet. Innerhalb weniger Minuten hatte ich zwei Kommentare darunter, die inhaltlich so etwas sagten wie: „Orrr, jetzt hat die auch noch ein Buch geschrieben. Die nervt mit ihrem Gejammer doch schon auf Twitter.“

Das hat mich wütend gemacht und ich hab nach einigem Hin- und Herüberlegen die Kommentare einfach gelöscht, statt darauf zu antworten.

Am Abend darauf habe ich das Buch gelesen. Nach den ersten 80 Seiten habe ich (weil es schon spät war) das Buch beiseite gelegt. Es ist ein ehrliches, sehr persönliches und informatives Buch, das sich zudem gut liest, weil Christine einfach gut schreibt. Das weiß man eigentlich schon, wenn man ihren Blog Mama arbeitet regelmäßig liest.

Und ja, es ist teilweise schmerzhaft zu lesen, was Christine erlebt hat und noch erlebt.

Ich habe mich an vielen Stellen stark identifizieren können. Ich versuche mich zu dem Thema in der Öffentlichkeit zurück zu halten und würde auch nicht sagen, dass ich zu den Alleinerziehenden gehöre, aber zumindest betreffen mich einige Themen auch seit meiner Trennung vor zwei Jahren.

Ich kenne zumindest die Erschöpfung, die man erreichen kann, wenn man die Hauptverantwortung für mehrere Kinder hat und nebenher arbeiten geht.

Ich kenne auch die Kommentare, die man sich anhören darf, wenn man sich trennt. Von „Hast du nicht an die Kinder gedacht“ bis hin zu „Eigentlich hattest du es doch gut, was willst du denn noch?“.

Einige meiner Freundinnen sind wirklich alleinerziehend und zwar im Sinne von: Sie haben die Kinder zu 100%, die Väter melden sich nicht mal zum Geburtstag. Und sie bekommen keinen Unterhalt. Wie sie den Alltag meistern, was sie auf sich nehmen (müssen), es lässt mich oft sprachlos zurück. Ich habe mir schon oft beim Zuhören gedacht, ich würde einfach zusammenbrechen.

Zurück zum Buch: All das schildert Christine und sie geht auch auf andere Modelle ein. Sie geht auf persönliche Umstände ein, nimmt die Perspektive der Kinder ein, schildert die wirtschaftliche Situation, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und zeigt, was politisch alles noch getan werden muss.

Das Buch ist eine gute (und in meinen Augen sehr mutige) Mischung aus persönlichen Erfahrungen und Sachinformationen.

Und plötzlich verstehe ich die Ablehnung der Kommentatorinnen auf instagram. Sie haben Angst. Sie haben Angst sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Weil wenn sie es täten, dann würden sie verstehen, dass wir alle verantwortlich sind, wie es Alleinerziehenden in Deutschland geht. Dann kann man sich nicht einfach zurücklehnen und sagen: „Alles fein, mir gehts gut. Was habt ihr denn?“

Also stößt man weg, was einen darauf aufmerksam macht, dass es in diesem Bereich noch große Probleme gibt. Nur leider ist das Realität und es gehört zur gesellschaftlichen und persönlichen Verantwortung sich mit all diesen Themen auseinanderzusetzen: Mit den Alleinerziehenden, mit der Kinderbetreuungssituation im Allgemeinen, mit Armut, mit den gesellschaftlichen Normen, mit der Diskriminierung von Alleinerziehenden bei der Arbeitssuche, am Arbeitsplatz selbst, mit all dem! Das ist natürlich schmerzhaft.

Deswegen ist es auch viel einfacher zu sagen: „Geh mir weg damit. Ich will davon nichts hören!“

Ich hingegen lege allen ans Herz das Buch zu lesen und sich damit auseinanderzusetzen und sich die Frage zu stellen, an welcher Stelle man vielleicht helfen kann. Im Kleinen… vielleicht mal ein Kind mit von der Schule oder dem Kindergarten abholen, an Schließtagen ein Kind mitbetreuen, helfen die Sozialkontakte aufrecht zu erhalten, indem man fragt, ob man abends zu Besuch kommen kann (und was mitbringt), statt sich in Kneipen zu verabreden, doofe KollegInnensprüche („Typisch, jetzt ist da wieder das Kind krank!“ oder „Die macht doch auch ständig nur Homeoffice, oder?“) gegenkommentieren. Es gibt einiges, bei dem man helfen kann und v.a. einfach machen. Nicht fragen, ob man vielleicht helfen kann und die Alleinerziehenden in ständige Bittstellerposition bringen – sondern einfach machen.

Meerjungfrauen sind nichts für Jungs

Cloudette hat gestern einen ganz wunderbaren Comic zur Frage Typisch Mädchen – typisch Jungs gezeichnet.

Wann immer ich etwas darüber schreibe, kommt mindestens drei Mal der Kommentar: „Warum soll ich meinem Mädchen nicht rosa anziehen dürfen? Diese Gleichmacherei! Alles soll geschlechtsneutral sein. Das ist doch total übertrieben!“

Was diese Menschen nicht verstehen: Darum geht es nicht. Niemand verbietet Rosa. Zieht eure Mädchen Rosa an, gar kein Problem! Das Problem ist: macht euch nicht über Jungs lustig, die Rosa mögen: „Ähhhh, das ist ja mädchenhaft!“ In diesem Satz steckt nämlich das (gesellschaftliche Bewertungs-)Problem. Jungs werten sich ab, wenn sie Mädchendinge tun – Mädchen werten sich auf, wenn sie Jungsdinge tun… (das nur als Randnotiz. Wer sich mit dem Problem näher beschäftigen möchte, dem sei das Buch Die Rosa-Hellblau-Falle. Für eine Kindheit ohne Rollenklischees [Amazon Werbelink] ans Herz gelegt).

Kind 3.0 hat das gestern treffend dazu philosophiert:


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Meine Erziehungsnemesis

Ich erinnere mich an ein Entwicklungsgespräch im Kindergarten.

Erzieherin: „Hast du noch Fragen?“
Ich: „Ja, äh also, wie ist das bei euch mit dem Essen?“
Erzieherin: „Was meinst du?“
Ich: „Bleibt Kind 2.0 bei euch sitzen?“
*hysterisches Auflachen*

Dann erinnere ich mich an ein weiteres Entwicklungsgespräch im Kindergarten.

Erzieherin: „Hast du noch Fragen?“
Ich: „Ja, äh also, wie ist das bei euch mit dem Essen?“
Erzieherin: „Was meinst du?“
Ich: „Bleibt Kind 3.0 bei euch sitzen?“
*resigniertes Abwinken*

Diese beiden Dialoge fassen unsere gemeinsamen Mahlzeiten eigentlich ganz gut zusammen.

Egal ob Frühstück, Mittagessen oder Abendessen – es ist furchtbar. In meiner naiv romantischen Vorstellung dachte ich, gemeinsame Essen finden so statt: Wir setzen uns alle an den Tisch. Wir nehmen das Besteck in die Hand und essen. Während wir essen, erzählen wir uns vom Tag, wir lachen, gießen uns Saftschorle nach und am Ende lehnen wir uns zurück und plaudern noch ein bisschen mehr. Wir sind alle ganz entspannt.

Werbefernsehromantik, ja, ja. Ich bin wieder drauf reingefallen. Werbefernsehen hat mir eine unrealistische Vorstellung davon vermittelt, wie mein Leben mit Kindern sein könnte.

In Wirklichkeit sieht es so aus: Ich habe bis nachmittags gearbeitet, hole Kind 3.0 vom Kindergarten ab, wir gehen schnell einkaufen. Es ist 17.15 Uhr. Wir kommen zuhause an. Kind 2.0 ist schon da und mich überschwappt eine Welle heuteinderSchuldeunddieAnnahatdannnochaberdahatdannderTimblblblblblblbl schwaaahhhblablablabalbalbalblubblu.

Ich bin müde, total erschöpft, ich will eigentlich nur eines: meine Ruhe.

Ich packe die Einkäufe weg. Kind 3.0 hat jetzt auch was zu erzählen. Ohne Punkt und Komma. Es fällt mir schwer zuzuhören. Ich höre graues Rauschen wie Jen bei der IT Crowd wenn Moss etwas Technisches erklärt.

Ich fange an zu kochen. Die Kinder „spielen“ derweil im Kinderzimmer.

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Mit letzter Kraft schleppe ich mich an den Wohnzimmertisch und rufe „Essen ist fertig!“.

Die Kinder kommen. Kind 3.0 greift mit den Händen ins Essen.

Ich: „Kannst du bitte Besteck benutzen?“

Kind 3.0 verdreht die Augen. Kind 2.0: „Jetzt nimm das Messer, ey!“

Kind 3.0: „Du sollst nisch über misch bestimmen!“

Ich: „Richtig, aber bitte benutz doch das Besteck, Kind 3.0!“

Kind 3.0 wirft wütend die Hand voll Kartoffelpürree, die es gerade aufgenommen hat auf den Teller zurück. SCHLOZ. Soße spritzt auf den Tisch. Kind 3.0 steht auf und stempelt mit den vollgesabberten Händen folgende Gegenstände: Tisch, Stuhl, Türgriff Wohnzimmer, Türrahmen Wohnzimmer, Türgriff Küche, Türrahmen Küche, Ablage Küche, Spüle, unerklärlicherweise Wand, wieder Türgriff Küche, Türrahmen Küche, Türgriff Wohnzimmer, Türrahmen Wohnzimmer, Stuhl, Tisch.

Es „wischt“ die Soße auf.

In der Zwischenzeit hat Kind 2.0 das Essen aus dem Mund fallen lassen: „Ist ja ekelhaft. Ist das wieder so ein komisches vegetarisches Zeug?“

Ich: „Wollte ich mal ausprobieren.“

Kind 2.0: „Ich esse Jogurt!“

Kind 3.0: „Isch auch.“

Ich bin zu schwach Widerstand zu leisten. Jogurt wird geholt. Kind 3.0 ist derweil verloren gegangen.

Ich rufe: „Kind 3.0, bist du fertig mit dem Essen?“

Kind 3.0 aus der Ferne: „Neeee!“

Kind 2.0 fängt an zu singen.

Ich: „Nicht singen am Tisch!“

Kind 3.0 erscheint im Türrahmen und singt mit.

Ich nicke kurz ein. Als ich aufwache, hat Kind 3.0 die Füße auf dem Tisch abgelegt. Kind 2.0 übt Capoeira-Tritte. Eine Flasche Wasser segelt an mir vorbei.

Ich: „Bitte! Könnt ihr bitte leiser sein und normal essen?“

Ich atme durch. Ich zähle langsam im Geiste bis zehn. Ich reiße mich zusammen und frage in meiner lieblichsten Stimme: „Na, wie war es denn in der Schule?“

Kind 2.0: *murmelmurmel*

Kind 3.0: „Also im Kindergarten, da war der Robert und der Robert <insert 20 minütigen Monolog.>“

Kind 2.0: „ICH WILL AUCH MAL WAS SAGEN!“

Kind 3.0: „ABER ICH REDE!!!“

Kind 2.0: „ABER DU HÖRST JA NIE AUF.“

*Gerangel* *Stühle fallen um*

Die Kinder stehen auf.

Ich sitze alleine am Tisch. Einsam und alleine. Alles ist vollgeschmiert.

Ich: „Räumt ihr bitte ab?“

Kind 3.0: „DAS IST SKLAVEREI!“

Kind 2.0: „IMMER MUSS ICH ALLES ALLEINE MACHEN!!!1“

Tagein, tagaus, wochentags, wochenends. Immerzu. Immerzu.

Das gemeinsame Essen ist meine Erziehungsnemesis*. Völliges Versagen. Alles falsch gemacht. Täglich scheitere ich daran. Ich stehe auf, setze mich an meinen Rechner und schaue mir auf YouTube Clips glücklicher Familien beim Essen an.

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*Dafür schlafen meine Kinder immer um 20 Uhr. Immer. IMMER!

„Schmusen“

Ich verband mit dem Wort „Schmusen“ immer eine Gewisse Zärtlichkeit. Stimmt ja auch, wenn man das Wort nachschlägt, steht da „sich zärtlich berühren“. Auch die Synonyme lassen auf einen sanften Kontext schließen: kraulen; liebkosen; kuscheln; tätscheln; ei, ei machen (umgangssprachlich); streicheln; schmiegen; herzen.

2006 änderte sich meine Vorstellung von schmusen schlagartig. (Haha! Schlagartig passt so gut in diesem Zusammenhang!)

2006 lernte ich nämlich das damals fast dreijährige Kind 1.0 kennen. Schmusen wurde zu irgendwas mit Knien.

Wenn ein Kleinkind (im Grunde zieht sich das bis ins Grundschulalter) „schmusen“ möchte, zieht sich mein Körper instinktiv zusammen. Kinn an die Brust, Bauchmuskeln anspannen, der Körper bildet ein C. Arme schützend überkreuzen, am besten einrollen, Augen zur Sicherheit schließen, totstellen. Nach einigen Jahren mit Kindern, kann nicht mehr anders. Es ist ein Reflex geworden. Auch wenn meine Vorstellung nach wie vor unerschütterlich romantisch ist. Ich falle nämlich immer wieder auf den Schmusewunsch der Kinder rein.

Vielleicht bin ich nur ein bedauerlicher Einzelfall – aber bei meinen kleinen Kindern bedeutet schmusen in der Regel mit den Knien voraus auf einen springen. Das ist nicht unbedingt angenehm. 20 kg (+) beschleunigte Masse mit zwei spitzen Knien voraus. LKW-Fahrer, die sich mit dem Thema „Ladung angemessen sichern“ beschäftigen, werden die zu erwartenden Schmerzen sogar exakt ausrechnen können.

Ich hab leider in Physik nicht so gut aufgepasst, sonst könnte ich es nachrechnen, aber meine Recherchen ergaben: Ein 40kg schwerer Hund, der mit 50 km/h auf einen draufspringt, entwickelt eine kinetische Energie von 3,8 Tonnen. Kann man das einfach halbieren, wenn das Kind 20 kg wiegt? Und äh nur mit 10 km/h auf einen springt?

Im Grunde ist die physikalische Korrektheit an dieser Stelle auch völlig egal. Ob nun eine halbe Tonne oder eine ganze… es tut furchtbar weh. Je nach Größe des schmusebereiten Kindes und nach Geschlecht des Zubeschmusten sogar noch mehr. Ich habe in einem komplizierten Verfahren errechnet, dass das Maximum an Schmerz erreicht wird, wenn ein ca. 1,05 m großes Kind auf einen ca. 1,80 m großen, aufrecht stehenden Mann springt.

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Neben dem Besprungenwerden kennen Kleinkinder auch andere Schmusevarianten. Eine unter der ich immer wieder leide, ist die Beschmusung von unten mit dem beschleunigten Kinderkopf an das eigene Kinn.*

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Eher harmlos ist die Bekletterung im liegenden Stadium, in der das gesamte Kindesgewicht auf die Füße oder ebenfalls Knie konzentriert wird.

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Als schmusebereite Eltern durchläuft man verschiedene Phasen der Beschmusung. Unerfahrenen Eltern empfehle ich deswegen Phase I besonders intensiv zu genießen. Die Phase kommt nie wieder.

Phase 1: passives Schmusen I; Kindesalter unter 2 Jahre, Gewicht unter 20kg; das noch relativ unbewegliche Kind kann nach belieben geherzt werden.

Phase 2: aktives Schmusen I, Kindesalter über 2 Jahre, Gewicht über 20kg; die Eltern sind noch ahnungslos und empfangen die Kinder mit offenen Armen.

Phase 3: aktives Schmusen II, Kindesalter unter 7 Jahre, Gewicht unter 40kg; die Eltern haben eine Reihe sehr eindringlicher Schmuseerfahrungen gemacht und reagieren wie Gürteltiere in Gefahr, wenn das Kind schmusen möchte.

Phase 4: passives Schmusen II, Kindesalter über 7 Jahre, Gewicht über 40kg; das Kind möchte (zumindest öffentlich) nicht mehr geherzt werden (Tut den Eltern nur im Herzen weh, äußerlich keinerlei Schmerzen).

Übrigens gibt die etymologische Herkunft des Wortes werdenden Eltern eigentlich schon ausreichend Hinweise. Schmusen kommt tatsächlich von „Schmus“ – schmues – Gerüchte. Es ist nämlich nur gerüchteweise schön mit Kleinkindern zu schmusen. Das weiß man dann jedes Wochenende morgens im Bett, wenn die Kinder um 6.20 Uhr schmusen kommen. Je mehr, desto schmerzlicher.


 

*In billigen Liebesromanen soll frau angeblich in totaler Ekstase  Glocken läuten hören. Leider ist mir das noch nie widerfahren. Sehr wohl habe ich in diesem völlig unsexuellen Schmuseszenario schon öfter Sterne gesehen. Das nur am Rande.

Aufklärungsdings

Seit einigen Wochen mache ich mir Gedanken über das Thema Aufklärung bei Kindern. Ich dachte eigentlich, wir gehen in der Familie ganz offen mit allem um und die Kinder wüssten schon über alles Bescheid. In einem völlig anderen Kontext habe ich Kind 2.0 und 3.0 mal gefragt: Wisst ihr wie lange man schwanger ist?

Kind 3.0 selbstbewusst: „Na klar! Zwei Jahre!“

Kind 2.0, empört: „Entschuldigung? Elefanten sind zwei Jahre schwanger. Menschen nur vier Monate!“

Da wusste ich: Wir haben Redebedarf.

Auf Twitter hatte ich schon mal rumgefragt, ob mir jemand Hefte, Bücher, Filme, Comics empfehlen kann. Ich selbst hatte als Kind in den 80ern „Peter, Ida und Minimum.“ (Amazon Webelink). Ganz vorne gab es eine Doppelseite gezeichneter nackter Menschen, die man von vorne und hinten sah. Frauen und Männer, Kinder in groß, klein, dick, dünn. Das fand ich als Kind toll. Ich hab mir diese Seiten lange angeschaut und war fasziniert, dass es große Brüste gab und kleine, dicke Bäuche, flache Bäuche, runde Popos, faltige Popos – eben Vielfalt.

Der Rest des Comics war eher so naja. Die Mutter ist z.B. ständig entnervt, während der Vater abwinkt: So sind sie die Schwangeren.

Als Leserin von Krachbumm (tolle Seite, abonniert außerdem den Newsletter!), hatte ich zudem eine (späte) Erleuchtung. Aufklärung bezieht sich meistens nur auf den Fortpflanzungsakt. Mir ist wirklich noch nie ein Aufklärungsbuch in die Hand gekommen, in der es auch darum ging, dass Sex Spaß macht.

Das ist auch der Grund warum mich das Thema als Kind dann nicht interessiert hat. Ich wußte ja wie Babys entstehen und da Babys für die nächsten zwanzig (mindestens) Jahre keine Rolle spielen würden, war das Thema Sexualität für mich abgehakt.

Aus heutiger Perspektive erscheint mir das wirklich total seltsam. Warum läuft Aufklärung so ab? Warum tut man so, als ginge es bei Sex ausschließlich um Fortpflanzung? Auf meine persönliche Erfahrung zurückblickend ist das Verhältnis Fortpflanzung zu Spaß doch ein eher anderes.

Das mal so nebenbei. Ich finde ein ordentliches Aufklärungsbuch darf gerne auch von Wohlgefühlen und Spaß sprechen…

In der Grundschule von Kind 2.0 gibt es nun Sexualkunde und in diesem Zusammenhang wird der Film „Wo komme ich eigentlich her?“ geschaut. Der Film entstand 1985. Mein Kind wird also in der Schule mit einem Film aufgeklärt, der älter als 20 Jahre ist.

Eine Mutter, die den Film gesehen hat, berichtete ausserdem von anderen Szenen, die ich in Anbetracht der (z.B.) aktuellen Stilldebatte für wirklich fragwürdig halte.

Gegner des öffentlichen Stillens argumentieren ja viel über die Nacktheit und die „übergriffige“ Intimität der sie ausgesetzt sind, wenn Frauen ihre „Brüste auspacken“.

Ein sehr schöner Artikel zum demonstrativen Stillen übrigens bei unangespießt:

„Nun hat sie ihre Brust befreit, doch statt endlich das heulende Kind daran zu klemmen, hält sie es noch hoch, quatscht es voll und dreht es noch fünfmal hin und her, bevor sie endlich die anscheinend richtige Positon gefunden hat. Schließlich tritt Ruhe ein, aber nein! In die Stille hinein fängt diese Frau an zu erläutern: “Stillen ist ja das Beste! Bis zur Einschulung werde ich mein Kind mindestens stillen! Sehen Sie, wie prall meine Brüste  sind? Damit könnte ich eine Fußballmannschaft ernähren!”

Und das ist es genau! In der Regel sieht man weder nackte Brust noch ist der stillenden Frau daran gelegen auffällig und provokant zu stillen.

Im Film sieht das so aus:

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(Klick aufs Bild, springt zu der Stelle im Film, Tipp für die Nerven, Ton weglassen)

Eine Frau sitzt unangeschnallt auf der Rückbank eines Autos, packt beide Brüste aus und stillt so wie man das da sehen kann: beide Brüste ausgepackt. Danach packt sie auch erstmal nicht mehr ein.

WTF?

Das wird dann ggf. Kindern gezeigt, die zuhause noch nie gesehen haben, wie gestillt wird und die ohnehin im Kicher-Alter sind.

Das lässt mich wieder zu der Frage kommen: Habt ihr Tipps für gute Aufklärungsbücher, Comics, Filme? Wie macht ihr das zuhause?

Vorhanden sind „Wie sag ich’s meinem Kind?„, Make Love (Amazon Webelink) und Klär mich auf (Amazon Webelink).

 

Endlich mal Kulturpessimismus nach meinem Geschmack

Am Wochenende hatte ich kinderfrei und wenn ich eins liebe, dann tagsüber Serien zu schauen (was ja mit Kindern nicht geht). Unter der Woche nach 20 Uhr (meist ist es eher 21 Uhr ehe ich mit allem fertig bin) bin ich meistens so müde, dass ich doch irgendwann einschlafe – egal wie spannend die Serie ist, die ich gerade schaue.

Am Sonntag also endlose 14 Stunden Zeit Serien zu schauen. Problem war nur: Die aktuelle Folge The Good Wife hatte ich schon gesehen, ebenso alle Folgen Limitless, Better Call Saul gab es aktuell von der 2. Staffel nur eine Folge… ich weiß gar nicht wie ich dann drauf gekommen bin, aber ich bin auf Netflix (erneut, wie ich dann feststellen sollte) auf Black Mirror gestoßen. Eine kurze Frage in meine Timeline: Black Mirror – yay or ney? Ergab 28 Mal: unbedingt schauen mit diversen Warnhinweisen, dass die Serie wirklich ans Gemüt ginge.

Ach was, ans Gemüt geht mir kaum was, das Gemetzel in Game of Thrones nicht, auch das bei Breaking Bad nicht und überhaupt*.

Die Beschreibung der ersten Folge Black Mirror macht einem höchstens Angst, weil sie maximal doof und uninteressant formuliert ist: „Premierminister Michael Callow hat mit einem schockierendem Dilemma zu kämpfen, als Prinzessin Susannah, ein geliebtes Mitglied der Königsfamilie entführt wird.“

Warum das in das Genre Sci-Fi und Fantasy einsortiert ist, erschließt sich beim Lesen der Beschreibung nicht.

OK, klang also erstmal nicht so als ob ich das unbedingt sehen möchte. Wir starteten die Folge und da Netflix sich merkt, welche Serien und Filme man schon gesehen hat und wo man als letztes war, zeigte sich: Ich hatte die ersten 15 min der Folge „Der Wille des Volkes“ bereits gesehen und anscheinend vor Langeweile oder Unverständnis abgeschaltet.

Nun denn: meine Timeline – völlig einheitlich: Schau Dir die Serie an. Ich mache ja grundsätzlich was meine Timeline sagt…

Montag Abend hatte ich dann alle 3 Staffeln (2 Staffeln à 3 Filme und einen Zusatzfilm nach der 2. Staffel) fertig geschaut.

Zur ersten Episode schreibt Felix Schwenzel sehr treffend:

„ich gebe 5 sterne, weil mich diese folge sehr beeindruckt hat, trotz einiger, kleinerer inszenatorischer schwächen und gelegentlicher unerträglichkeit.“

Ich bin ja sonst nicht so mit Spoilern, aber tatsächlich möchte ich über den Inhalt der einzelnen Folgen nichts verraten. Was mich nicht daran hindern soll zu sagen: Diese Serie ist das Beste, was ich an Dystopien je gesehen habe.

In der Regel bin ich von Kulturpessimismus sehr genervt. Es wiederholt sich ja seit Jahrhunderten das Gejammer, dass eine neue Technologie die Jugend verroht, die Menschen dumm macht, die Zukunft schwarz, den Untergang der Kultur bedeutet. Sei es nun der Buchdruck, das Fernsehen, das Internet oder sonst irgendwas. Schnell sind die Kulturpessimisten auf der Matte und predigen das Ende des Abendlandes.

Black Mirror zeichnet eine Zukunft (eine nahe), die so nach meiner Auffassung durchaus eintreten könnte. Alles ist da: die Technik, das Internet, die ganzen Plattformen wie Twitter und Co., die Medien, die Gier nach Views und die Haltung „Die Menschen sind eben so, wir geben ihnen nur, was sie wollen.“ Meine Gegenwart – nur ein ganz klein wenig weiter gesponnen.

In jeder Folge wird ein ekeliges Phänomen unserer heutigen Zeit (z.B. die Castingshows, Werbeeinblendungen, sensationslustige Medien, Reality Shows…) beleuchtet und auf eine Weise auf die Spitze getrieben, die mir beim Zuschauen teilweise Bauchschmerzen gemacht hat (und zwar echte, nicht metaphorische).

Folge 3, Staffel 1 „Das transparente Ich“ fand ich wirklich sehr, sehr beunruhigend. „Böse neue Welt“ (2. Teil, 2. Staffel) hat mir Alpträume beschert. Bei „White Christmas“ war mir dann durchgehend schlecht. Gerne würde ich meine Hände auf meine Ohren legen, um so zu verhindern, dass mir mein Ich… aber lassen wir das. Ich will schließlich nicht spoilern. Diesmal wirklich nicht.

In mir bleibt das Gefühl, dass ich jede Folge mit meinen Freundinnen und Freunden nachbesprechen möchte. Am liebsten wäre mir eine kleine Selbsthilfegruppe, ein Stuhlkreis, in den ich kommen kann und sagen kann: „Hallo, mein Name ist Patricia Cammarata und ich möchte über die furchtbare Zukunft sprechen. Vorher möchte ich aber umarmt werden.**“

Also – setzt euch und erzählt mir von euren Gefühlen (fast hätte ich jetzt einen Smiley getippt UNTERGANG DER KULTUR!!!1!) zu Black Mirror.

 


 

*Ich mache halt immer die Augen zu, was oft bedeutet, dass ich so 40-50% der Folge nicht sehe.

**Ich mag ja keine Menschen, aber in dem Fall würde ich eine Ausnahme machen…

P.S. Ende September 2015 gab der US-Streamingdienst Netflix bekannt, dass er eine dritte Staffel von Black Mirror mit insgesamt 12 Episoden bestellt hat und produziert*

P.P.S. Für die Serie spricht übrigens auch die große Diversity und die in meiner Wahrnehmung sehr gleichberechtigten und sichtbaren Frauenrollen. Das nur am Rande.