Mütter

Freundlicherweise habe ich von Gruner + Jahr die GEO Wissen „Mütter“ zur Verfügung gestellt bekommen, um eine Rezension darüber schreiben zu können.

Grob untergliedert das Magazin sich in zwei Perspektiven. Zum einen beleuchtet es die Perspektive Mutter sein und zum anderen die Perspektive Mutter haben.

In der Mitte des Heftes gibt es außerdem zwei Tests: „Wie war die Beziehung zu Ihrer Mutter?“ und „Bin ich eine gute Mutter?“. Das hat mich etwas an die Zeiten erinnert, in denen ich noch gerne BRAVO Girl! gelesen habe.

Die GEO Wissen hat eine wunderbare Bildsprache. Ich empfand viele Bilder wirklich berührend und hab sie so gerne angeschaut wie ich Themen-Tumblr-Bildblogs anschaue. U.a. sind Werke von Christopher Anderson zu sehen, dessen gesamte Bildserie „Son“ auch als Buch veröffentlicht wurde. Inszeniert aber surreal schön sind die Bilder von Julia Fullerton-Batten „Mothers and Daughters„. Von Andreas Mader gibt es eine Fotoserie zu sehen, die „Die Tage Das Leben“ heißt und unter anderem Mütter und ihre Töchter über Jahre hinweg begleitet.

Die Artikel decken ein sehr großes Spektrum an Themen ab. Richtig gut hat mir gefallen, dass dabei unterschiedliche Wahrheiten beleuchtet werden, indem beispielsweise Erziehungsstile (und -wahrheiten) unterschiedlicher Kulturen beschrieben werden oder aufgezeigt wird, wie sich bestimmte Haltungen im Laufe der letzten Jahrzehnte (und Jahrhunderte) stark gewandelt haben. Und dass es eben keine allgemein gültigen Wahrheiten gibt, sondern diese stark vom gesellschaftlichen Kontext abhängen.

Dabei geht es nicht immer „nur“ um die Mutter-Vater-2-Kinder-Familie, sondern es gibt genauso Platz für andere Konstellationen (mehrere Mütter, Großfamilien, Eltern über 50, Frauen- und Männerpaare…)

Alles in allem also wirklich lesenswert und ich werde mir auch das Special „Väter“ bestellen.

Inhaltsverzeichnis und Leseproben gibt’s übrigens online.

Verdorben

Tatsächlich denke ich in letzter Zeit immer wieder „das Internet hat mich verdorben“. Was ich eigentlich meine: es hat mich durch das, was ich lese, für bestimmte Themen sensibilisiert. Vielleicht auch wieder sensibilisiert. Am deutlichsten merke ich das an „sprachlichen Feinheiten“ – wie z.B. der Verwendung an das Geschlecht angepasster Sprache. Ähnlich wie ruhepuls twitterte, finde ich es beinahe bizarr, wenn eine Frau von sich selbst sagt: Ich bin Autor, ich bin Projektleiter, ich bin Referent, …

Auch habe ich es mir zum Hobby gemacht, in Vorlagen und Präsentationen ein „In“ zu ergänzen. Das hat zur Folge, dass mich andere Frauen ansprechen und zum Ausdruck bringen, dass sie sich über die explizite Ansprache der Frauen in der Runde gefreut haben. Genauso oft höre ich Beschwerden über die Zumutung, die ein solches Binnen-I bezogen auf den Lesefluss darstellt. Über beides freue ich mich. Denn wenn ein kleines Binnen-I schon eine Bedrohung darstellt, habe ich Hoffnung, dass noch viel veränderbar ist.

Sehr gerne frage ich auch für Interviews und Zeitungsartikel nach, ob es nicht möglich wäre, die weibliche Form zu verwenden. Meistens ist es kein Problem eine Gewohnheit aufzubrechen. Gelegentlich bekomme ich die Antwort, dass in der Redaktionskonferenz explizit beschlossen wurde, aufgrund der Leserlichkeit keine weiblichen Formen zu verwenden.

Es gibt sogar Websites, die empfehlen, in den Disclaimer folgenden Zusatz zur „Gleichstellung“ mitaufzunehmen: In den Texten wird meist nur eine Geschlechtsform gewählt um eine bessere Lesbarkeit zu gewährleisten. Davon unbeeinflusst beziehen sich die Angaben dieser Webseite auf alle Geschlechter.

Neulich passierte mir wieder etwas, das mich früher wirklich aufgeregt hat. Es passierte allerdings so regelmäßig in meinem Leben, dass ich aufgegeben habe, mich aufzuregen und es nicht mal mehr registriert habe und jetzt – da ich wieder sensibilisiert bin, fällt es mir wieder auf.
Wenn ich von solchen Vorfällen berichte, gibt es meist zwei Arten von Reaktionen: Ungläubigkeit und ggf. der Hinweis, dass sowas doch nicht in Deutschland passiert (und wenn dann nicht mit aufgeklärten, „deutsch sozialisierten“ Männern…)!

Ich hab die Szenen schon getwittert, aber weil andere Frauen weitere Beispiele schilderten, will ich sie nochmal zusammentragen.

Ich gehe mit einen Mann einkaufen. An der Kasse lege ich die Artikel aufs Band und zahle. Der Kassierer (manchmal tatsächlich auch die Kassererin) gibt das Wechselgeld an den Mann.

Mit einem befreundeten Mann stehe ich eng zusammen, frage einen anderen Mann etwas. Dieser antwortet, schaut aber nicht mich sondern den Mann neben oder hinter mir an und wenn es Folgefragen gibt, richtet er sie an den Mann und nicht an mich.

Andere berichteten ähnliche Situationen: Eine Frau in Begleitung eines Mannes kauft ein Eis, bezahlt und das Eis wird an den Mann gereicht.

Diese Situation habe ich auch schon erlebt. Eine Frau erzählt einen Witz und es wird erst gelacht, wenn einer der Männer in der Runde die Pointe wiederholt.

Von anderen Frauen habe ich oft Erlebnisse der folgenden Art gehört: Für wichtige Projekte wird ein Mann als Projektleiter gefordert. Weltoffene Kunden und Chefs tolrieren eine Frau als Projektleiterin so lange wenigstens am Ende noch ein Mann das Ergebnis freigibt: „Wissen Sie, es ist immer gut, wenn anschließend noch mal ein Mann drüber schaut

In bestimmten Berufen, gibt es ebenfalls Klassiker der Art: Eine Ärztin ist im Raum und wird vom Patienten erstmal als Krankenschwester identifiziert. Betritt ein Mann (Pfleger) den Raum, wird davon ausgegangen, dass es sich zwangsläufig um den Arzt handelt: „Ah, der Herr Doktor!“

Auch schön Handwerkersituationen der Art: Ich habe im Labor mal einem Handwerker geöffnet, der schaute über meine Schulter in den Raum und stellte fest „Oh, da ist ja gar keiner da“.

Mein Highlight bislang vor einigen Jahren als ich als Referentin für einen großen Konzern arbeitete und neu in eine aus Männer bestehende Projektrunde trat – noch bevor ich mich vorstellen konnte – „Ah, sehr schön, bringen Sie die Brötchen?“.

Das sind alles keine Dramen sondern eher Situationen, in denen ich innerlich die Augen verdrehe. Aber genauso gibt es kleine Dinge, die mir wiederum bei anderen Männern auffallen, die mir sehr gut gefallen. Die selbstverständliche Verwendung des generischen Femininums (zumindest auf Folien und in anderen, für viele gültigen Dokumenten) oder so etwas banales wie das in einem Projektmeeting ein Mann die Kaffeekanne ergreift und in die Runde fragt, ob jemand Kaffee möchte und dann eingießt oder tatsächlich auch sein benutztes Geschirr nimmt und in die Spülmaschine stellt. Diese Dinge fallen mir extrem auf, weil sie nach wie vor selten sind. Und warum ich das jetzt alles getippt habe? Hm. Vielleicht fallen euch ja auch solche Situationen oder (Gegen)Gesten ein?

Wer braucht schon Perfektion

Wir planen seit acht Jahren unsere Küche zu renovieren. Aber wo fängt man da an? Die Wände und Boden müssten neu gekachelt und der Gas- und Wasseranschluss verlegt werden. Man könnte die Gipskartonplatten zum Bad auch gleich versetzen, um mehr Platz zu haben und äh die Recherche zur geeigneten Dunstabzugshaube dauert auch schon sehr lange an… jedenfalls: eine unperfekte Küche ist wenigstens kinderfreundlich.

Anmerkung: Die Links führen auf eine Website eines anderen Unternehmens. Die Texte erscheinen nur dort und nicht bei mir im Blog.

P.S. Möchte mir jemand jemanden empfehlen, der unsere Küche planen und renovieren kann?

Lieblingstweets 11/13

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KÜNDIGT JETZT!

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Pferde-Po

Ein wirklich sehr hübsches Blog ist das SALIBONANI-Blog, das Kinderverschönerungen dokumentiert. Bitte auch in die Guest-Kategorie klicken. In unserem Haushalt gibt es solche Kunstwerke auch.

 

pferd

Eine zeitlang habe ich auch die Esstechnik von Kind 3.0 dokumentiert. Leider hat es irgendwann gerufen: „Schau mal, Mama! Ich hab da was für das Internet geesst. Du kannst das jetzt foto-en.“

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Endlose Spielenachmittage

Es ist so. Kind 2.0 war irgendwann doch etwas genervt weil ich immerzu in mein Telefon schaue. Es ginge dabei ja auch nicht nur um die ständige Ablenkung, es sei auch besorgt, weil ich wirkte beinahe süchtig und Sucht, das sei eine schlechte Sache, das wüsste schließlich jede/r. Als ich dennoch nicht hören wollte, erarbeitete Kind 2.0 einen Kompromiss. Ich darf alle Tage ins Handy schauen – nur Mittwoch Nachmittag nicht. Da sei ab jetzt ein echter Spielenachmittag. Echt heißt in dem Fall, dass die Kinder nicht nur jedes für sich oder miteinander spielen, sondern dass ich mit den Kindern spielen muss. Mit der Auslegung des Wortes spielen sei Kind 2.0 jedoch flexibel. Wir könnten auch am Computer spielen, fernsehen (diabolisches Grinsen während es diese beiden Aktivitäten vorschlug), basteln, kochen oder Gesellschaftsspiele spielen.

Was es nicht gesagt hat, wir müssen im Hintergrund immer Radio Teddy hören. Schlimme Sache und als Strafe für mein Handyverhalten wirklich ausreichend.

Die ersten Tage bastelten wir, dann kochten wir, dann buken wir, dann puzzelten wir, dann machten wir Knickbilder, dann spielten wir Karten und gestern spielten wir Monopoly.

Ich kann mich gut daran erinnern, dass ich als Kind Monopoly sehr toll fand. Meine Eltern haben gefühlt zehn Mal in meiner gesamten Kindheit mit mir gespielt. Davon drei Mal Monopoly, vier Mal Spiel des Wissens und den Rest so ein Spiel mit kleinen Autos, in die man Stäbchen reinsteckte je nachdem wie viel EhepartnerInnen und Kinder man während des Spiels anhäufte.

Was das Monopolyspielen angeht, kann ich mich jedoch nicht erinnern, WAS mir daran so gefiel. Ich glaube, ich habe nicht einmal gewonnen.

Im Hinterkopf die Begeisterung meiner Kindheit, willigte ich ein und wir spielten los. Kind 3.0 wurde als hauptamtlicher Würfler für mich eingestellt. In Runde 5 musste das eifrige Kind ausgeschlossen werden, weil es mit großem Ehrgeiz und auch Treffsicherheit ständig alle Häuschen vom Feld würfelte. Das alleine wäre noch ok gewesen. Jedoch dauerte die Zielphase sehr, sehr lange. Kind 3.0 nahm dabei den Würfel in die Hand, kniff die Augen zusammen, suchte sich eine Ansammlung Häuser am Spielfeld und schüttelte dann den Würfel. Erst langsam und dann immer schneller. Währenddessen visierte es das Ziel an, schob die Zunge zwischen die Lippen und warf erst nach endlosen Minuten des Zielens die Würfel mit maximalem Schwung auf das Feld.

Hätte ich gewusst wie langweilig das Spiel ohne Kind 3.0 ist, ich hätte es nicht weg geschickt.

Wir spielten eine ereignislose Stunde und als ich dann wirklich nicht mehr konnte (Ich habe versucht das Spiel als Demutsübung zu sehen, so wie das geduldige Stehen an autolosen, roten Verkehrsampeln, WIRKLICH), bat ich um Beendung. Nein, das Spiel ist erst beendet, wenn ein/e Spieler/in kein Geld mehr hat.
Der Haufen Geld vor mir wollte aber einfach nicht weniger werden. Spätestens wenn ich über Los oder versehentlich auf das Feld Wundertüte (wir spielen Kindermonopoly) kam, war ich wieder solvent.

Nach 1,5 Stunden begann ich mein Guthaben heimlich in die Kasse zurück zu stecken. Erst die großen Scheine und dann nach und nach die kleinen Scheine. Ich musste zwischendurch auf Toilette und als ich wieder kam, waren meine Häuschen, die ich bislang noch nicht auf Felder stellen konnte, plötzlich verschwunden bzw. sie standen offensichtlich irgendwo auf dem Spielfeld. Meine Kassen klingelten endlos.

Dann neigte sich das Geld von Kind 1.0 dem Ende zu, was Kind 2.0 gleich bemerkte: Ich werde dein Unterstützer! Hier hast du ein Paar Scheine, gib mir einfach ein bisschen was zurück wenn Du wieder Einnahmen hast.

Ich war entsetzt. Das, das geht nicht! Das erlauben die Regeln nicht!, protestierte ich.

Man soll doch teilen? Beide Kinder schauten mich fragend an. Bei Geld hört das wohl auf? Was ist mit den Bedürftigen, hm? 

Aus Gründen der Erziehung zum moralisch Guten blieb mir nur, die Regelanpassungen zu akzeptieren. Das Spiel ging endlos. Es war durch nichts abzubrechen. Habt ihr jetzt nicht mächtig Hunger? (Es war 19 Uhr)

– Nö!
– Vielleicht ein bisschen fernsehen?
– Nein, gerade macht es doch so Spaß.
– Süßigkeiten?
– Ne, danke.
– Tropical Island?
– Ist doch zu spät jetzt, Mama.
– Disneyland Paris?
 Mama! Jetzt spiel, Du bist dran!

Und wenn sie nicht fertig geworden sind, dann spielen sie noch heute.

 

P.S. Wir spielen Kinder-Monopoly und zwar streng nach den vorher vorgelesenen Spielregeln. Die scheinen sich von den Erwachsenen-Monopoly Regeln zu unterscheiden und die scheinen nach Verstreichen der Kindheit nicht mehr gelesen zu werden. Anstatt dessen spielt man nach Gedächtnis. Die Erinnerungen scheinen den Kinder-Monopoly Regeln zu entsprechen und zu einem endlosen Spiel zu führen. Spielt man nach Anleitung, scheint Monopoly irgendwann aufzuhören und „Spass“ zu machen.

Alexander Görsdorf, Taube Nuss

Bildschirmfoto 2013-11-16 um 15.38.192012 war ich Jury-Mitglied bei den Bobs und bin in diesem Rahmen auf das Blog Not quite like Beethoven von Alexander Görsdorf gestoßen. Ich hatte eine Liste von mehreren hundert Vorschlägen abzuarbeiten. Damit ich das überhaupt in der Kürze der Zeit schaffen konnte, hatte ich eine Art Querlesesystem, um eine erste Vorauswahl treffen zu können. In Alexanders Blog gab es allerdings ein anderes Problem. Ich musste mich zwingen nicht immer weiter zu lesen.

Ich habe Alexanders Blog später in meinen privaten Feed-Reader geworfen und immer mal wieder mit großer Begeisterung seine Einträge gelesen. Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich hörte, dass aus dem Blog ein Buch würde. Das Buch heißt „Taube Nuss: Nichtgehörtes aus dem Leben eines Schwerhörigen“ und ist schon im September 2013 erschienen.

Wie nicht anders zu erwarten, ist das Buch genauso gut zu lesen wie das Blog. Das Buch ist eine gelungene Mischung aus Informationen, Anekdoten und stellenweise wirklich lustig. Viele Details aus dem Leben als Schwerhöriger waren mir völlig unklar. Zum Beispiel: Wie lässt man sich morgens wecken, wenn man nicht (oder sehr schlecht) hören kann? oder auch warum kann eine tiefe Stimme ein Attraktivitätskriterium sein? Das sind alles kleine Sachen aus dem Alltag, die mir u.a. viel darüber beigebracht haben, was ich als „Flotthörende“ dafür tun kann, dass sich Schwerhörige nicht ausgeschlossen oder zurückgesetzt fühlen.

Abgesehen davon fasziniert mich wirklich die Technologie des CI und ich finde es wahnsinnig spannend zu lesen, wie das Gehirn lernt mit dem CI zu hören. (In diesem Zusammenhang kann ich übrigens auch die Lektüre „Das elektrische Ohr“ von Enno Park empfehlen.)

Und, um Pia Ziefle zu zitieren: „Der einzige Vorwurf den ich habe: [das Buch] ist zu rasch zu Ende.“ Gleiches Problem wie beim Blog also. Man kann nicht aufhören zu lesen.