Why me?

Nehmen wir an Sie haben Nachwuchs. Nehmen wir an, ihr Nachwuchs liebt Spinnen. Nehmen wir weiterhin an, ihr Nachwuchs verweigert jegliche Nahrung, es sei denn, es sind in ausreichender Menge Spinnen enthalten. Haarige, versteht sich. Haarige, die innen mit grünem Schleim gefüllt sind und stinken.
Sie stehen also in der Küche, schauen ein Nudelholz haltend auf die Spinne (sie lebt noch), schauen auf Ihren Zögling, der lächelt sie erwartungsfroh an und schmatzt mit geröteten Wangen.
Was bleibt Ihnen da übrig? Sie holen aus, braten der Spinne eins über, sie platzt, sie rupfen ihr die zappelnden Beinchen ab, halbieren den Körper und werfen alles zusammen in einen Mixer.
Den fertigen Brei machen Sie heiß und wenn sie ihn füttern (er stinkt immer noch wie eine Furzbombe), halten sie den dampfenden, mit Spinnenbrei behäuften Löffel an Ihre Lippen. Schließlich wollen Sie nicht, dass Ihr Baby sich verbrennt.
So ist mein Leben. Das stehe ich jeden Tag durch. So ist das Leben einer Obstphobikerin, deren Kind nichts anderes als Obst essen möchte.

ZZZzzzzz zzzzzz zzzzzz!

Das Baby ist nun nicht mehr mustergültig. Es schläft zwar brav und ohne Protest ein, jedoch mag es nicht im eigenen Bett schlafen, sobald die Eltern ins Bett schleichen. Jede Stunde krakeelt es und tut so, als habe es die letzte Nahrung vergangene Woche erhalten.
Damit meine Entbehrungen nicht völlig umsonst sind, halte ich meine Beobachtungen hinsichtlich Schlafentzug und ihren Folgen in einem kleinen Heftchen für die Somnologie fest.
Notiz 1 (10 Tage maximal 40 Minuten Dauerschlaf, gesamte Schlafmenge auf 24 Stunden: 240 Minuten):
24 h: Kind liebevoll aus der Wiege nehmen, stillen.
01 h: Kind liebevoll aus der Wiege nehmen, stillen.
02 h: Kind aus der Wiege nehmen, stillen.
03 h: Kind streicheln, sieben Strophen „Der Mond ist aufgegangen“ singen, Kind aus Wiege nehmen, stillen.
04 h: Kind streicheln, leise gut zureden, fünf Strophen „Die Blümelein, sie schlafen“ singen, Kind aus der Wiege nehmen, Kind schläft sofort ein, Kind in Wiege zurück legen, Kind aus der Wiege nehmen, stillen.
05 h: Leise weinen und Kind gut zusprechen, Kind von Augenringen und dem unbändigen Bedürfnis nach Schlaf berichten, sinnloses Zeug singen, Kind aus der Wiege nehmen, Kind schläft sofort ein, Kind in Wiege zurück legen, Kind aus der Wiege nehmen, stillen.
06 h: Der Wecker klingelt. Kind schläft.
Tagsüber schreckliche Müdigkeit verspüren. Wenn Menschen mit mir sprechen, werden ihre Stimmen leiser, ihre Gesichter verwischen, ich sehe Farben.

Notiz 2 (14 Tage maximal 40 Minuten Dauerschlaf, gesamte Schlafmenge auf 24 Stunden: 240 Minuten):
24 h: Kind liebevoll aus der Wiege nehmen, stillen.
01 h: Kind aus der Wiege nehmen, stillen.
02 h: Aus Bett kriechen, an Wiege robben, an Gitterstäben hochziehen, Kind aus der Wiege nehmen, auf Boden zurück sinken, stillen.
03 h: Mit Kind am Bauch auf Boden aufwachen, versuchen irgendwas zu sagen, stillen.
04 h: Über Gitterstäbe des Kindbettchens gebeugt aufwachen, Kind streicheln, versuchen Kind aus Bettchen zu nehmen, in Bettchen fallen, stillen.
05 h: Wirres Zeug faseln, Baby mit Kissen verwechseln, durch gezielten Griff ins Auge geweckt werden, stillen.
06 h: Der Wecker klingelt. Kind schnarcht.
Tagsüber nur Einwort – bis maximal Zweiwortsätze, um mit anderen zu kommunizieren. Microschläfchen über Kinderwagen gebeugt halten.

Notiz 3 (21 Tage maximal 40 Minuten Dauerschlaf, gesamte Schlafmenge auf 24 Stunden: 240 Minuten):
Halluzinationen. Totaler Gedächtnisverlust. Morgens unter Babybett mit Kind an Brust aufwachen, sich an nichts erinnern.
06 h: Der Wecker klingelt. Kind schläft selig, es sieht so niedlich aus. Hach!

Was nach dem 17uhrwahnsinn folgt

Die Geburt eines Kindes macht aus Atomuhren Sonnenuhren. In meinem babylosen Leben war ich einst Koordinatorin von EU-Projekten, weil ich eine Vorliebe für Haarspalterei, Deadlines und unverhältnismäßig komplizierten Abrechnungsregularien hatte. Meine Kollegen schenkten mir zum Geburtstag ein Stempelset mit dem ich auch im Privatleben meine Ablage perfekt organisieren konnte.
Jetzt bin ich Mama und lebe lustig mit dem Baby in den Tag hinein. Ich weiß selten wie viel Uhr es ist und schon gar nicht welchen Wochentag wir haben.
Mein Freund ist bisweilen entsetzt darüber, denn im Laufe der Beziehungsjahre hat er gewisse Erwartungen aufgebaut. Waren wir beispielsweise früher irgendwo eingeladen, hatte ich den Anfahrtsweg in drei Varianten, einen Ausschnitt des Stadtplans und einen Kompass in der Handtasche. Heute stehen wir ratlos in der Straße und ich versuche mich zu erinnern, ob die Hausnummer ein- zwei- oder gar dreistellig war.
Doch was soll ich sagen. Das Ex-Leben als Atomuhr macht nur halb so viel Spaß wie das einer Sonnenuhr und so lebe ich heiter nach dem Motto, das ich vor ca. zwei Jahrzehnten gerne in Poesiealben krakelte: Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heiteren Stunden nur.

Wer ihn nicht kennt, den 17uhrwahnsinn.

Ferengiartiges Verhalten

Wenn man ein eigenes Baby hat, weiß man: das freundlichste Lächeln bedeutet nicht Freude sondern kündigt an, dass es bald den Darm entleeren wird. Jedenfalls lächelt unser Nachwuchs kurz vor der Ausscheidung von einem Ohr bis zum anderen. Obwohl ich das weiß, falle ich Mal um Mal wieder darauf herein.
Kaum grinst das Baby beim Wickeln, beuge ich mich lächelnd vor, um es zu knuddeln und werde regelmäßig angekackt.
Doch was soll’s. Ebenso oft nehme ich mein Baby hoch, wirble es umher bis es quiekt, drücke es wieder an mich und werde vollgekotzt.
Meistens genau in den Ausschnitt, wo sich zwischen den Brüsten kleine anverdaute Milchbrocken sammeln. So kommt es, dass mein Baby und ich meistens ein wenig streng riechen.
Ekel kennt man als Elter nicht mehr.
So beobachte ich regelmäßig befreundete Elternpaare, die beim bereits fleischessenden Nachwuchs abwechselnd an der Windel schnuppern. Ob ich da noch hinkomme, ist fraglich. Denn immer wenn wir Großbabybesuch haben und dieser ein Kackiwindelchen im Windeleimer als Souvenir hinterlässt, frage ich mich, wie man bei einer vollen Windel zweifelnd direkt am Gesäß schnüffeln kann. Doch über vieles dachte ich vor der Geburt: das mache ich nie, niemals. Ich doch nicht!
So gerate ich langsam in Zweifel darüber, ob ich vielleicht eines Tages etwas tun werde, das ich bis heute schauderhaft finde: Angekaute Essenreste, die dem Kleinstkind aus dem Mund fallen, eifrig auflesen und verspeisen. Dieses Verhalten ist bei Müttern nicht selten zu beobachten. Wäre es umgekehrt, würde die Mutter vorkauen und die anverdaute Speise wieder hochwürgen und dem Nachwuchs in den Hals erbrechen – ich würde es verstehen – aber so?
Doch wie gesagt, kaum war das Kind auf der Welt habe ich gelernt: Alles ist anders als Du denkst und so kann ich mir heute vorstellen, eines Tages meinen Nährstoffhaushalt durch weichgespeichelte Essensreste meines Kindes zu ergänzen.
Konsequenterweise sollte ich dann allerdings darüber nachdenken, mein Baby täglich sauberzulecken, wie die Kätzchen es tun. Konsequent muss man sein – denn so spart man nicht nur beim Lebensmitteleinkauf sondern auch bei den Babypflegeprodukten und kann das Kindergeld einer wohltätigen Organisation spenden.

Wo reiben schwitzende Frauen ihre Becken aneinander?

Richtig! Es ist der Rückbildungskurs nach einer Geburt. Das schlimmste am Kinderbekommen. Meine Schwangerschaft und die Geburt waren dagegen ein Spaziergang auf einer blühenden Sommerwiese während ein laues Lüftchen mein Haar zerzaust und ich an einem kühlen Glas Mangolassi schlürfe.
Der Rückbildungskurs ist das aller-, aller-, allerschlimmste, das ich in meinem jungen Leben je gemacht habe.
Für alle, die keine Ahnung haben, wie so was abläuft:
Zu Beginn läuft man sich mit sieben anderen Frauen und einer Vorturnerin auf einem sechs Quadratmeter großen Areal warm. Dabei soll man die Knie in die Luft oder die Fersen an den Po schleudern. Die Stillbrüste wackeln dabei so, dass man sie mit beiden Händen festhalten muss.
Nach ca. zehn Millisekunden schwitzt man wie ein Schwein. Das ist der Augenblick, in dem man eine andere schwitzende Frau anfassen muss, um gemeinsam mit ihr ekelerregend körperbetonte Ertüchtigungsübungen zu machen.
Man steht beispielsweise Rücken an Rücken und drückt beckenbodenanspannend die Unterleiber aneinander. Dabei spürt man deutlich wie sich die angespannten Pomuskeln der anderen Frau am eigenen Rücken reiben.
In diesen Momenten beginnt man zu beten, das eigene Kind möge doch so wie die anderen sechs Babys krakeelen, damit man sich abwenden kann, um es bis zum Ende des Kurses zu wiegen.
Doch das Baby bleibt hart und schläft.
Dann legt man sich auf den Rücken und beginnt damit die verschiedenen Schichten des Beckenbodens zu enervieren.
Und ich schwöre, könnte ich wählen zwischen dem was dann kommt und Wehen ohne PDA – ich würde die Wehen wählen.
Die Instruktion der Vorturnerin lauten nun:
„In Vierfüßlerstand gehen, das Steißbein nach vorne zur Brust ziehen und sich dabei vorstellen, verhindern zu wollen, dass drei große Hunde namens Lack, Luck Lock über die Straße rennen wollen. Man muss deswegen ihre Namen laut rufen.“
Während mir die Peinlichkeit leise durch den Körper schleicht (Warum Hunde? Warum haben sie so bescheuerte Namen? Und wieso soll ich sie rufen?) ahne ich noch nicht, dass sich meine peinliche Berührtheit auch zu starken körperlichen Schmerzen steigern lässt.
Spätestens da hätte ich mein Kind schnappen und das Weite suchen sollen, denn nun wird von uns verlangt:  „Harnröhre und Anus zwinkern sich zu, während die Schamlippen Applaus klatschen.“
Standing Ovations. Der Vorhang fällt!

Lass‘ keine Fremden in Deine Wohnung

Handwerker und sonstige Menschen, die ich in meine Wohnung lassen muss wenn ich alleine bin, sind mir von Grund auf suspekt. Ich verstecke vorsichtshalber eine gusseiserne Pfanne im Wohnzimmer, um sie notfalls niederzuschlagen und telefoniere mit meinem imaginären Freund, der gerade auf dem Heimweg von seinem letzten bestandenen schwarzen Gürtel einer beliebigen Kampfsportart ist. Hallo Schatz? Du bist gleich da? Toll! Und den schwarzen Gürtel hast Du auch bestanden? Super!
Wenn es klingelt, luge ich durch den Türspion und frage alle relevanten Daten ab. Firma, Uhrzeit des vereinbarten Termins, Rufnummer der Zentrale? Als nächstes muss der Handwerker den Werkzeugkoffer langsam im Hausflur auspacken und laut und deutlich die Namen der Werkzeuge sagen, bevor er mir einige exotische Ersatzteile präsentiert.
Erst dann öffne ich die Tür und führe ihn durch den verdunkelten Gang in den Raum mit dem defekten Gerät.
Wenn er nämlich kein psychopatischer Mörder ist, so ist es doch wahrscheinlich, dass es sich bei ihm um einen ausgebufften Dieb handelt, der bei seinen Montagen Wohnungen auf Wertgegenstände ausspioniert.
Kaum dass er beginnt das Gerät unter Augenschein zu nehmen, fange ich an zu jammern, dass es hoffentlich nicht viel kostet, wir wären ja so arm und hätten aufgrund unserer horrenden Schulden bereits alle Wertgegenstände bei ebay versteigern müssen.
So gehe ich sicher, dass er schnell arbeitet und seinen Komplizen hinterher vermeldet, dass bei uns nichts zu holen sei.
Mir dünkte schon seit jeher, dass Handwerker mich aufgrund dieser Verhaltensweisen seltsam finden könnten.
Seit ich den Säugling habe, bin ich mir sogar sicher.
Der schlief gestern im anderen Zimmer und ich eilte im Minutentakt zwischen Küche, wo der defekte Herd stand, und Wohnzimmer, wo der schläfrige Säugling lag, hin und her.
Der arme Handwerker hatte jedoch keine Ahnung, dass außer mir noch jemand in der Wohnung war. Mein Hin- und Herwandern machte ihn ein wenig argwöhnisch. Durchaus irritiert schaute er, als ich ihn aus dem anderen Zimmer leise Schatz und Mausepups nannte. Deutliche Verwunderung spiegelte sich in seinem Gesicht, als ich von der Küche aus rief: „Wenn Du fertig bist, dann darfst Du nackig auf der Kuscheldecke liegen, ja?“
Dabei starrte ich ihn selbstverständlich an, er sollte schließlich nicht denken, dass er mir da ein Ersatzteil verbauen könnte, was ich am Ende gar nicht benötigte.
Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen und ignorierte mein Gefasel. Doch als er beim Ausfüllen seines Schadensbehebungsformulars einen Schnuller auf der Küchenanrichte entdeckte, zeichnete sich deutliche Erleichterung in seinem Gesicht ab.
Trotzdem suchte er schnell das Weite. Ich nehme an, ihm war das gewetzte Brotmesser in meiner rechten Hand suspekt.

Onomatopoetische Kinderunterhaltung und deren Folgen

Als Teenager denkt man, mit dem Erreichen des 18. Lebensjahrs sind die wichtigsten Dinge im Leben abgehakt. Die Jugend ist vorbei, die Schönheit schwindet, was soll da noch kommen?
Es kommt zum Beispiel der eigene 30. Geburtstag, an dem der Ex-Mitbewohner anruft und mit seltsam berührter Stimme berichtet, dass er am Vortag Vater geworden ist.
Eine Wochen später durfte ich mir das Baby anschauen. Die Eltern berichteten von anderen, die sich etwas doof angestellt hätten, als sie ihnen das Baby in die Arme gedrückt haben. Ha, ha, dachte ich und stellte mich an wie der erste Mensch, als ich das winzigkleine warme Windelpaket in die Arme gelegt bekam. Das Baby hat mich angeschaut und da war es um mich geschehen. Liebe auf den ersten Blick nennt man das. Das Baby sieht wie eine kleine Elfe aus. Direkt aus einer Blume entsprungen.
Wenn die Eltern bei uns zu Besuch sind, entreiße ich ihnen ihr Kind so oft es geht mit den scheinheiligen Worten: „Also wenn ihr nicht mehr tragen könnt, ich nehm‘ das Baby, ehrlich!“
Das Baby und ich, wir sind schon ganz gute Freunde, auch wenn ich gemerkt habe, dass das Baby ein eher ernster Typ ist. Wenn ich mir beispielsweise Gegenstände auf den Kopf lege und dazu gackere, dann schaut das Baby immer ein bisschen irritiert zu den Eltern, so als wolle es sich versichern lassen, dass es trotz meiner Verrücktheit bei mir in Sicherheit ist.
Das Baby mag Schweine, Elefanten und Hähne und wann immer es eines dieser Tiere sieht, werde ich nicht müde ihm Tiergeräusche vorzumachen.
Ich werde nie vergessen, wie erstaunt es mich anschaute als ich bei Hahn einen Ühhühüüüüüüü üüüüüÜÜÜ-Ton statt des üblichen Kikeriki machte. Schließlich machen Hähne nicht Kikeriki (Übrigens machen sie in Italien kukuriku, in England cock-a-doodle-doo, im Niederländischen kukeleku, im Französischen coquerico und im Spanischen mit quiquiriquí)
Jedenfalls habe ich das Baby so gerne, dass selbst mein geduldiger Freund mich manchmal fragen muss, ob ich eine Beruhigungstablette brauche.
Gestern hat mir mein Ex-Mitbewohner mitgeteilt, dass ich Patin sein darf. Nicht im kirchlichen Sinne, das wäre auch seltsam, da ich vor Jahren aus der Kirche ausgetreten bin, aber im symbolischen Sinne eben.
Darüber bin ich sehr glücklich. Ich hoffe, das Baby eines Tages auch.

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Ach übrigens liebe Eltern, eigentlich wollte ich zum Geburtstag ein Bobbycar schenken. Aber jetzt da ich Patin bin, habe ich mich für folgendes entschieden. Schließlich lass ich mich in der Sache nicht lumpen. Wer weiss, was die Nachbarskinder haben. Da nehme ich lieber gleich das größte am Markt.

Geschenke die v.a. Eltern Freude bereiten