rp14, Tag 1, Muddi hat da noch was zu sagen

Da ich selbst (dauerhaft sehr ernst dreinblickend) als Quotenfrau an einer Diskussion zu Papa-Blogs teilgenommen habe, habe ich am ersten Tag der re:publica nicht so wahnsinnig viele Sessions besucht.
Wer möchte, kann sich das „Sind bloggende Väter eine Nischenerscheinung?“ Panel hier anschauen (erstaunliche Geschwindigkeit mit der das heutzutage geht):

Jedenfalls. Sehr gefreut habe ich mich auf den Vortrag von Sascha Lobo „Rede zur Lage der Nation“. Die Kurzzusammenfassung zu der Rede lautet wie folgt:

Etwas differenzierter möchte ich (nun als offizielle Muddi-Bloggerin der Nation) folgendes loswerden:
Auch mich bedrückt die Situation. Die Überwachungssituation als solches, die Untätigkeit der Politik und die Unbesorgtheit der Masse.
Ich fühle mich auch unverstanden und machtlos. Auch ich habe das Gefühl, man müsste alle so lange durchrütteln, bis sie ENDLICH verstanden haben, dass das so nicht geht, das wir was tun müssen.
Deswegen bin ich auf Demos gegangen und habe schon vor längerer Zeit einen Dauerauftrag eingerichtet, der monatlich etwas auf ein Konto eines netzpolitischen Projekts überweist, das ich gut und wichtig finde.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten im Publikum irgendwas getan haben, seit wir durch Snowden eine vage Vorstellung davon haben welches Ausmaß die (Internet)-Überwachung hat und sei es am Ende, dass gebloggt wurde, Petitionen initiiert und/oder gezeichnet oder einfach nur Zeitung gelesen wurde. Es ist egal. Ich bin mir sicher, wir alle haben wenigstens im kleinen etwas getan.
Deswegen war Sascha Lobos Rede falsch adressiert und tatsächlich klang sie in meinen Ohren eher nach Rede vor uninformierten Abgeordneten, die sich mit zahlreichen Themen beschäftigen, zu denen unter anderen das Thema Überwachung gehört und nicht wie eine Rede, die zur re:publica und deren Besucher passt.
Wir, die Internetgemeinde, wir kennen uns aber aus mit dem Thema Überwachung und sind bereits wach gerüttelt.

Es mag vielleicht blöd klingen, aber ich musste wirklich die ganze Zeit an meine Kinder denken. Es gibt diese Situationen als Mutter, in denen ich genau weiß, was passieren wird, in denen ich genau weiß, was das Richtige ist und trotzdem tun meine Kinder nicht das was ich ihnen sage. Ich sage es freundlich, ich argumentiere, ich wiederhole, ich wiederhole, ich schimpfe, ich erkläre, ich bitte, ich bettle, ich werde wütend, ich versuche am Ende sogar zu befehlen, immer und immer wieder: aber diese widerspenstigen Kinder tun nicht was ICH möchte und richtig finde und zwar obwohl ich Recht habe.
Zehn Jahre mit Kindern haben mir gezeigt, es wird niemals irgendwas bringen immer und immer weiter auf genau dieser Schiene zu bleiben.
Immer mehr vom Gleichen hilft einfach nicht mehr. Es hilft nicht, egal wie gerne ich das möchte. Egal, wie sehr ich im Recht bin.
Wenn ich also nicht weiter komme, muss ich darüber nachdenken, welche Wege es außerdem gibt. Wege, die ich noch nicht gegangen bin. Paradoxe Intervention vielleicht, umgekehrte Psychologie, am Ende vielleicht Liebe und Wertschätzung statt Schimpfe und Druck. Mich in die Kinder rein versetzen, ihre Perspektive einnehmen, uns alle irgendwie dazu zu bekommen darüber zu lachen, die Situation eben auflösen mit dem Ziel Energien zu mobilisieren, Energien zu neuem Handeln und nicht Energien, die dazu führen, dass wir uns reiben, dass wir die Fronten verhärten, dass beide Seiten trotzig werden und sich keinen Millimeter mehr bewegen. Wir müssen Partner bleiben. Wir dürfen keine Feinde sein.
Das ist alles leichter gesagt als getan. Auch das weiß ich aus meinem Leben mit Kindern. Manchmal hilft nämlich gar nichts. Da kann ich mir noch so viele Gedanken machen. Dann hilft vielleicht nur noch selbst ein gutes Vorbild zu sein und zu hoffen, dass das irgendwie mitreißt.
Aber schimpfen hilft nicht. Schimpfen hilft nicht. Schimpfen zeigt nur die Ohnmacht des Schimpfenden.

Außerdem, um nochmal auf die Adressaten zurück zu kommen.
Man kann ins Lächerliche ziehen, was wir, die jämmerliche Internetgemeinde tun. Petitionen zeichnen. Buh! Schilder für Demos malen. Buhhhuuuuuhu!
Aber ganz ehrlich. Wenigstens ein kleines bisschen machen wir doch. Nicht genug, ok. Mehr geht immer. Aber jemanden, der bereits aktiv ist, nicht aufzubauen und zu sagen: „Ja, das ist super was du machst!“ sondern „Na großartig, was ist das für ein jämmerliches Engagement!“, das ist psychologisch einfach unklug.
Das hemmt Handlungsimpulse statt sie zu fördern.
Ihr verschlüsselt Emails, ihr benutzt Threema? LÄCHERLICH!
Ganz ehrlich. So geht das nicht. Das weiß jede/r, der mal Kind war.

Wenn man mit dem Start eines Meetings 30 Minuten wartet und dann die Person schimpft, die zu spät kommt, straft man v.a. die anderen, die pünktlich waren.
Wenn man ein Kind schimpft, weil die Spülmaschine nicht normgemäß und/oder vollständig eingeräumt ist, wird man nicht erreichen, dass das Kind die Spülmaschine das nächste mal besser oder gar lieber einräumt.
Ich hätte da noch drölfzig Analogien, die zum Thema passen.

Jedenfalls. Ich möchte nicht geschimpft werden. Niemand möchte das.
Ich hab gut verstanden, was da vor sich geht. Ich bin nur hilflos. Ich brauche einen Weg. Ich brauche Gelegenheiten. Ich brauche Anleitung, Ermunterung. Ach und übrigens, ich bin faul. Ich brauche technische Weiterentwicklungen, die mir das alles (das nicht überwacht werden) einfach und bequem machen. Ich brauche Ersatz für Kupferverkleidung meiner Wände und den Aluhut am Kopf.

Zum Selbstansehen:

P.S. Nur, dass ich jetzt nicht geschimpft werde: ich hab den Vortrag zu Ende geschaut. Nur eben nicht live.

Sie sind unter uns

Trolle gibt es überall. Im Internet sind sie nur lauter.

Bislang bin ich völlig von ihnen verschont worden. Glücklicherweise, denn ich weiß nicht, ob ich mit ihnen umgehen könnte: den Trollen. Sie begegnen mir v.a. in den Kommentarspalten von Zeitungen, dort gehäuft bei den KollumnenschreiberInnen. Sascha Lobo hat auf der re:publica eindrücklich von ihnen berichtet, Harald Martenstein schrieb ebenfalls über sie und heute lese ich in der Twittertimeline diesen Tweet von Antje Schrupp.

https://twitter.com/#!/antjeschrupp/status/151981578845818880

Mir ist bekannt, dass es sie gibt, aber ich bin jedes Mal schockiert wenn ich lese, was sie schreiben.

Generell bin ich nicht so der Fluch- und Beschimpfungstyp. Ich glaube, schlimmer als mit „Arsch“ habe ich noch nie jemanden bezeichnet und das waren dann Autofahrer, die beinahe mich und meine Kinder überfahren haben. Mir das Seelenleben von Trollen vorzustellen, fällt mir unendlich schwer. Was geht in ihnen vor? Warum tun sie das? Warum fühlen sie sich so gereizt, dass sie in dieser unangemessenen Weise reagieren müssen? Ist es der Schutz der Anonymität und selbst wenn, inwiefern bereichert ihr Tun ihr Leben?

Wenn man nach Antworten googelt, so meinen die meisten, es ginge um Provokation. Doch alleine wenn man den Satz im Tweet liest, wo soll da die Provokation sein? Was soll provoziert werden? Ich bin über sowas nur entsetzt. Gelegentlich auch sprachlos wenn man z.B. den Vortrag von Jaclyn Friedman gehört hat und sich die Seite hatr.org anschaut.

Es gibt natürlich deutliche Abstufungen von Trollen. Angefangen beim bloßen Generve bis hin zu den Hasstiraden, die einem wirklich angst machen können. Dementsprechend ist „Ihre Motivation […] vielseitig: Langeweile, die Gier nach Aufmerksamkeit, die Lust am Unruhe stiften oder simple Rache.“

Bei den extremeren Formen spielt sicherlich der Wille Macht und Einfluss auszuüben eine Rolle. Diese Trolle hoffen vielleicht Einfluss auf andere (auch andere Leser) zu nehmen. Gleichgesinnte zu finden. Ihr persönliches Weltbild bestätigt zu bekommen. V.a. dann wenn es sozial nicht akzeptiert ist – nicht salonfähig ist. Vielleicht gibt ihnen diese Art der Äußerung das Gefühl die Exemplare einer Gemeinschaft aufzudecken, welche die eigene Meinung teilen und eigentlich sonst auch im Verborgenen leben. Ein Weltbild zu haben, das von anderen geteilt und affirmiert wird, das gibt Selbstbewußtsein und das scheint nicht allzu üppig vorhanden zu sein. Ich denke, wenn man sich seiner selbst bewußt ist, sich sicher fühlt und sich einer Gemeinschaft zugehörig fühlt, dann ist man auf solche Provokationen nicht angewiesen. Selbst wenn jemand etwas schreibt, was mich wirklich ärgert – eine sachliche Auseinandersetzung wäre möglich, wenn man auf tatsächliche Argumente zurück greifen könnte. Kann man aber nicht und deswegen bleibt nur der Weg der Beleidigung. Vielleicht genügt es den Trollen auch eine funktionierende, geschlossene Gruppe zu zerstören, in Lager zu spalten, einzelne auszuschließen?

Auch wenn man das alles halbwegs erklären kann, angst macht mir das Phänomen trotzdem. Ich stelle mir vor, dass die U-Bahnen und S-Bahnen, in denen ich täglich sitze voll von solchen Menschen sind, die so schlechte Gefühle haben und derartige Aggressionen mit sich rumschleppen. Denn ich befürchte, dass diese Menschen in der physischen Welt nicht wirklich seltener sind, sie offenbaren sich mangels Anonymität nur seltener.

Möglichkeiten, wie man mit Trollen umgehen kann: Managing „Trolling“ in a Feminist Forum

„Dass ich erkenne, was das Internet im Innersten zusammenhält“

Die Schwarmintelligenz des Internets bringt vor allem eines hervor: Katzencontent. Warum nochmal?

Die Kinder fragen öfter, ob wir uns nicht ein Haustier zulegen könnten. Selten fällt mir eine eindeutige Antwort so leicht: Nur über meine Leiche. Tiere verursachen zusätzliche Arbeit, sie stinken, sie kacken, sie machen unflexibel, sie haaren oder federn, sie kosten Geld und wenn sie sterben, muss man wieder welche kaufen, sonst weinen die Kinder. Ich will definitiv keine Haustiere. Ich brauche sie nicht zum kuscheln und selbst Bilder von Tieren erfreuen mich in den seltensten Fällen. Anscheinend geht es da vielen, die im Internet unterwegs sind, ganz anders. Besonderer Beliebtheit erfreut sich in Online-Kreisen die Katze. Das ist nicht neu.

Die Geschichte der Katzenpostings geht weiter zurück als man zunächst glauben mag. Schon in der frühdynastischen Zeit, die ca. 3020 v. Chr. begann, wurden Katzendarstellungen an Wände gepostet. Kein Wunder, denn die Hauskatze ist seit über 9.500 Jahren ein von Menschen gehaltenes Haustier. Wobei das falsch formuliert ist, denn die Katze hat sich als Abfallvertilger mit beginnender Sesshaftigkeit der Menschen selbst domestiziert. Als die alten Ägypter begannen Katzencontent zu produzieren, waren die Katzen schon ein Paar Tausend Jahre Begleiter der Menschen.

Was das Internet angeht, so wurde es erst 1990 für eine breitere Masse außerhalb der Universitäten zugänglich. Der Software-Entwickler Harry Johnson postete ab da regelmäßig Fotos seiner Katze Ethercat, die er per Handscanner digitalisierte. Im gleichen Jahr war der erste genervte Katzenhasser geboren.

Die allgemeine Datenlage zu Katzencontent ist sehr dünn. Zumindest übertrifft das Keyword „Katzencontent“ bei der Google-Suche mit 92.000 Treffern deutlich das Keyword „Hundecontent“ mit nur 6.300 Treffern (von Elefantenbabycontent gar nicht erst zu sprechen!).

Persönlich habe ich auf Google+ 765 Leute in Circles. Im Durchschnitt postet jeder von ihnen 3,6 Beiträge pro Tag. Ganze 12% beziehen sich davon auf Katzen. Es muss allerdings erwähnt werden, dass ich Peter Glaser gecirclet habe, was die Stichprobe hinsichtlich der tatsächlichen Häufigkeit von Katzencontent sicherlich statistisch relevant verzerrt. Hochgerechnet auf das Jahr fließen allein auf Google+ 120.625,2 Katzenbeiträge an mir unbeachtet vorbei.

Warum aber Katzen? Warum nicht Eichhörnchenbabys? Eichhörnchenbabys sind eindeutig niedlicher als Katzen (Eindeutig auf Intervall-Niveau durch die SERVEIsche Niedlichekeitsskala zu berechnen).

Das hat nach meiner Einschätzung zwei wesentliche Gründe. Für mich sind Katzen das Symbol der postmodernen Gesellschaft, in der sich die klassischen Familienstrukturen auflösen. Lange Ausbildungszeiten, häufige jobbedingte Ortswechsel und das Ideal der Selbstverwirklichung, haben es den Menschen in der jüngeren Vergangenheit schwer gemacht, Familien zu gründen. Ehe man es sich versieht, ist man über 40 und hat es verpasst, eine fröhliche Nachkommenschaft zu zeugen. Der Partner fürs Leben wird in diesem Alter nur noch selten gefunden, da die Checkliste, welche Eigenschaften er doch bitte mitbringen soll, nicht selten hundert Punkte überschreitet. Da sitzt man nun, abends um 22 Uhr nachdem man bis 19 h gearbeitet und sich anschließend im Sportstudio ausgepowert hat und fühlt sich einsam. Die Entscheidung zur Katze fällt dann nicht mehr allzu schwer. In den Stunden der Inaktivität setzt sie sich gerne auf den Schoß und lässt sich streicheln – wohingegen sie den Rest des Tages, wenn man ohnehin nicht zuhause ist, ihrer eigenen Wege geht. Das Wesen der Katze macht es nebenbei leicht möglich Gefühle und andere Eigenarten in fotografische Darstellungen hineinzuinterpretieren. Vögel, Fische oder Schildkröten bieten in dieser Hinsicht zu wenig Projektionsfläche. Eine Lolbird-Welle wäre im Internet nie entstanden (IT NOT TEH SAME WIF BIRDZ, BLEEV ME). Bereits der Erfolg der Comic-Serie Garfield zu Beginn der 80er Jahre zeigt wie wichtig der Faktor Identifikationswert ist. Hätte Garfield nicht v.a. menschliche Probleme, er wäre nicht annähernd so berühmt geworden.

So wundert es nicht, dass ausgerechnet die Katze Deutschlands beliebtestes Haustier ist. Es wird geschätzt, dass in Deutschland 8,2 Millionen Katzen leben. Und wenn sie schon mal da sind, kann man sie auch fotografieren und die Bilder ins Internet stellen. Somit wären wir beim zweiten – beinahe banalen Grund – der Verfügbarkeit. Wenn 16,5% aller Haushalte in Deutschland eine oder mehrere Katzen haben und sie durchschnittlich 2 Mal pro Woche fotografieren und laut Statistik beinahe 80% Prozent einen Internetzugang haben, dann greifen sie auf einen Pool von äh .. sehr vielen Katzenfotos zurück. Katzenbilder sind also deutlich verfügbarer als Fotos von auch sehr niedlichen Elefantenbabys. Darüberhinaus greift (mal wieder) meine Lieblingstheorie zum Sozialverhalten. Katzenpostings geben ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Ich poste Bilder meiner Katze, ihr schreibt, dass sie voll süß ist und ihr postet Katzenfotos und ich schreibe wie bezaubernd ich sie finde. Schon sind wir eine Gemeinde von Katzenliebhabern und fühlen uns als Teil eines großen Ganzen. Dann kommt noch die Gruppe der Katzenverächter (die quantitativ deutlich in der Minderheit ist) und wir grenzen uns gemeinsam gegen dieses Volk der Unwissenden ab – was unsere schnurrige Katzengemeinschaft noch weiter verstärkt. Es ist eben das Katzengewöll, was das Internet im Innersten zusammenhält.

Kann man sich im Internet verlieben?

Sich im Internet verlieben. Das ging schon im Jahr 2000. Auszüge meiner Diplomarbeit – einfach um zu zeigen dass sich das Internet gar nicht so sehr vom „echten Leben“ unterscheidet.

Ich bin tatsächlich schon so alt, dass ich meine Diplomarbeit bereits im Jahr 2000 geschrieben habe. Sie ist mir in letzter Zeit wieder öfter in den Sinn gekommen, weil sie ein aktuelles Thema streift. Sie beschäftigt sich u.a. mit dem Thema, ob das Verlieben im Real Life sich vom Verlieben per Internet unterscheidet.

Für mich bot das damals Internet die einmalige Möglichkeit, Menschen zu befragen, die sich quasi unter Laborbedingungen verliebt hatten. Ihren Aussagen stellte ich die Schilderungen einer zweiten Gruppe gegenüber -nämlich der Menschen, die ich im „echten Leben“ ineinander verliebt hatten. Nachfolgend einige Passagen, die ich bis heute ganz interessant finde:

Wie der Liebe auf die Schliche kommen?

Der erste Gedanke auf dem Weg, Liebe dingfest zu machen, war, nach einer Gruppe von Menschen zu suchen, die sich unter Bedingungen verlieben, die einen möglichst begrenzten Informationsrahmen bieten. Glücklicherweise gibt es tatsächlich eine solche Gruppe. Gemeint sind Menschen, die sich im Internet verlieben. Viele Informationsquellen über den Partner in spe, stehen im Internet durch die spezielle Art der Kommunikation nicht zur Verfügung. Der gesamte optische Bereich fällt zunächst nicht ins Gewicht. Mimik, Gestik und Proxemik bleiben im Verborgenen, auch paraverbale Merkmale wie z.B. die Lautstärke und der Tonfall der Stimme, ein Dialekt oder Akzent und das Tempo des Gesprochenen bleiben dem Sichverliebenden unbekannt. Lediglich getippte Botschaften geben Aufschluß über das Gegenüber. Sicherlich stehen den Internetnutzern nicht ausschließlich textbasierte Kommunikationsformen zur Verfügung, jedoch stellen Webcams und ähnliche Einrichtungen bis heute (2000!) eher eine Ausnahme dar.

[…]

Die Befragten sitzen in einem geschlossenen Raum, vor einem Computer und kommunizieren (zumindest zu Beginn) via Textnachrichten miteinander. Während sich die „Probanden“ verlieben, stehen ihnen lediglich die Inhalte der computervermittelten Kommunikation zur Verfügung. Neben dem Gesprächsinhalt, so scheint es, verfügen sie weder über auditive, visuelle, olfaktorische, gustatorische noch über taktile Eindrücke. Nicht selten sprechen Wissenschaftler aufgrund dieser Kanalreduktion von einer Ent-sinnlichung, Ent-emotionalisierung, Ent-kontextualisierung und sogar Ent-menschlichung (z.B. Kubicek & Rolf 1986, Mettler von Meinbom 1994, Volpert 1985). Wie ist es möglich, sich in einer entemotionalisierten Situation verlieben? Diese Frage soll durch die vorliegenden Untersuchung beantwortet werden.

[…]

Wer hätte es gedacht: Es ist möglich.

[…]

Der abschließende Vergleich der Internetstichprobe mit der Teilstichprobe Real-Life beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Verlieben sich im Internet aufgrund der Kanalreduktion tatsächlich durch eine stärkere Idealisierung auszeichnet und ob, als Folge dessen, Verliebtheit im Internet eine andere Art des Verliebens darstellt oder nicht.

[…]

Schlussbetrachtung
Es läßt sich zwar nicht leugnen, daß eine ausschließlich textbasierte Kommunikation gewisse Informationslücken aufweist, […] andererseits sollte bedacht werden, daß ein gewöhnliches Face-to-face-Treffen ebenfalls kaum in der Lage ist, „einen ganzheitlichen, menschlichen, restriktionsfreien Austausch [zu garantieren]“ (Döring, S. 212). Es stellt sich daher vielmehr die generelle Frage, welches Medium einen „richtigen“ Eindruck des Gegenübers vermitteln könnte.

Die vorliegende Untersuchung kann zwischen den beiden Kommunikationssituationen Real-Life-Treffen und Chat aufgrund der Neigung den Kommunikationspartner zu idealisieren, keine Differenzierung treffen. Außerdem legen die Ergebnisse nahe, daß sich Personen durchaus im Internet verlieben können. Um bestehenden Vorurteilen Einhalt zu gebieten, soll an dieser Stelle wiederholt darauf hingewiesen werden, daß weder die Befragten selbst, noch die Auswertung ihrer Aussagen darauf hindeuten, daß sich Verlieben im Chat anders gestaltet als in einer anderen Kennenlernsituation. Der Vergleich der beiden Stichproben verdeutlicht, daß die Befragten die gleichen Gefühle erleben. [… ] Zwar gestalten sich Beziehungen, die ihren Ausgangspunkt im Internet haben, oft problematischer und es gibt mehr Paare, die sich nach einiger Zeit wieder trennen, es wäre jedoch falsch anzunehmen, daß diese Schwierigkeiten ausschließlich auf die Kennenlernsituation zurückzuführen sind. Vielmehr stellen sie eine (negative) Begleiterscheinung gewöhnlicher Distanzbeziehungen dar. Diese Erkenntnis soll helfen, Vorurteile gegen Beziehungen, die ihren Ursprung im Internet haben, abzubauen.

Ferner soll klar geworden sein, daß es die wissenschaftlichen Betrachtung von Liebe erleichtert, wenn die Begriffe Liebe und Verliebtheit nicht synonym gebraucht werden. Wie die Untersuchung zeigen konnte, empfinden alle Befragten einen Unterschied zwischen Verliebtheit und partnerschaftlicher Liebe. Die Ergebnisse verdeutlichen auch, daß weder Verliebtheit noch Liebe ausschließlich der Gruppe der Gefühle zuzuordnen ist. Betroffen sind sowohl Wahrnehmung, Denken als auch das Verhalten. Dies ist sicherlich ein Grund, daß gängige Emotionstheorien schnell an ihre Grenzen stoßen, wenn es darum geht, Liebe zu erklären. […] Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht beim Verlieben der Verliebte selbst, die unmittelbare Anwesenheit der Zielperson ist nicht erforderlich, um entsprechende Verliebtheitssymptome (wie Herzklopfen, feuchte Hände oder Gedankenbesessenheit) auszulösen.  […]
Mit dieser Beobachtung soll der Bogen zu dem Titel der Diplomarbeit „Liebe – eine alltägliche Ausnahme“ geschlossen werden. Da sich tagtäglich Menschen verlieben, ist Verlieben sicherlich ein alltägliches Phänomen. Wechselt man die Perspektive und versetzt sich in die Lage des Verliebten, so erlebt man Verliebtheit als Rausch und als alles andere als alltäglich. Der Titel von Alberonis Buch (1986) „Liebe als Revolution zu zweit“ scheint dafür eine geeignete Metapher – denn Verliebtsein wird von den Untersuchten als emotionaler Ausnahmezustand (besser wäre Ausnahmeprozeß) beschrieben. Jedes Verlieben stellt somit ein Gegengewicht zum Alltag dar und egal wie oft sich jemand verliebt, Verlieben wird jedesmal als erneuernd, unbekannt und aufregend empfunden. Liebe auf der anderen Seite, beschreibt eher das Bedürfnis nach Konstanz und Sicherheit. Liebe ist weder durch große Unbestimmtheit, noch durch andauernde physiologische Erregung gekennzeichnet. Sie richtet sich auf ein partnerschaftliches Miteinander aus, im Vordergrund steht das Phänomen der Passung, was Antoine de Saint-Exupéry mit folgenden Ausspruch trefflich umschreibt: „Liebe ist nicht, sich gegenseitig in die Augen zu schauen, sondern gemeinsam in die gleiche Richtung“. Diese Beobachtungen legen es nahe, die Begriffe Verliebtheit und Liebe nicht synonym zu gebrauchen.
Harlow (1958) kommentierte vor über dreißig Jahren die Bemühungen der Wissenschaft sich dem Thema Liebe zu nähern, wie folgt: „So far as love or affection is concerned, psychologists have failed their mission“ (S. 673). Diesem Vorwurf entgegen hofft die Autorin der vorliegenden Arbeit einen klärenden Beitrag zu der Thematik Liebe geleistet zu haben.

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Insgesamt rund 120 Seiten, die zusammenfassend sagen: Ja, man kann sich im Internet verlieben und im Grunde ist Internet nur ein neuer Ort an dem man sich verlieben kann, denn das Verlieben gestaltet sich überhaupt nicht anders als im echten Leben.

Mickey Mouse-Abhängigkeit

Als mein Vater Mickey Mouse süchtig war und was mir das heute sagt.

Anfang der 50er Jahre kam das erste Mickey Mouse Heft auf den Markt. Es dauerte nur wenige Jahre bis Mickey Mouse meinen Vater erreichte, der damals in einer kleinen sizilianischen Stadt lebte. Von seinem Taschengeld kaufte er sich die Comics und die Jungs tauschten sie untereinander. Sie trafen sich und taten nichts anderes als den ganzen Tag in den Comics zu lesen. Sie malten Mickey Mouse, sie erzählten sich selbst ausgedachte Mickey Mouse Geschichten und sie stellten sich vor selbst Mickey Mouse zu sein.

Meine Oma machte sich über dieses Verhalten große Sorgen. Sehr große Sorgen. So große Sorgen, dass sie meinem Vater das Konsumieren von den Heftchen unter Strafandrohung verbot.

Natürlich hörte mein Vater nicht auf damit.

Das heißt, er hörte lange Zeit nicht auf damit. Ich kann dem besorgten Leser aber bestätigen – in der Zwischenzeit ist er runter von dieser gefährlichen Droge „Mickey Mouse“.

Vielleicht mag diese Geschichte ein wenig lustig klingen – aber sie ist (ausnahmsweise) mal wahr und wahr ist auch, dass meine Oma WIRKLICH besorgt war, mein Vater könne verdummen, seine sozialen Kontakte würden sich reduzieren, seine Schulleistung könne absinken, etc.

Heutzutage wäre man froh wenn die Kinder „nur“ Mickey Mouse abhängig wären. Wahrscheinlich würde man für so eine Sucht das Taschengeld erhöhen.

Man ahnt es, ich möchte nochmal auf das Thema Internetsucht hinaus. Ich habe in der Zwischenzeit die viel zitierte Studie nochmal gelesen und auch in andere Studien zum Thema Internetsucht rein geschaut. Da ich keine Wissenschaftlerin bin, kann ich meine Eindrücke nur wie folgt zusammenfassen:

1. Kernaussage der Studie ist: Statt der bislang befürchteten 3,6% sind anscheinend nur 1% der 14 – 64 Jährigen betroffen.

2. Zu“ Internet“ gehören neben Onlinespielen, sozialen Netzwerken auch Internettelefonie, Email schreiben und Unterhaltung (Internetradio, Filme, etc.)

3. Die Skala, welche die Internetsucht misst, ist 5stufig. Es gibt so etwas wie eine Tendenz zur Mitte, d.h. es wird unbewußt gerne die aussagelose Stufe 3= „manchmal“ gewählt. (Mehr zu der Statistik beim DRadio Wissen)

4. Schaut man sich die Veränderungen der Prävalenz nach Alter an, stellt man fest: Je älter, desto weniger Internetsucht (v.a. bei Mädchen bzw. Frauen). Wild spekuliert hat das was mit den sich aufdrängenden Lebensumständen zu tun (Job, Kinder, Haushalt, etc.).

Kurz gesagt: Ich halte die Zahlen für übertrieben und die öffentlichen Reaktionen darauf für albern. Wie in so vielen Fällen gilt:

Panik, Verbote und Sperrungen helfen nicht. Im Gegenteil. Man sollte sich als Eltern, Lehrer, Mensch intensiv mit dem Thema Internet auseinandersetzen, um die Thematik überhaupt beurteilen zu können und als nächstes sollte man sich der tatsächlichen Gefahren bewusst werden (z.B. Umgang mit den persönlichen Daten im Netz). Dann sollte man seine Kinder altersgemäß an das Thema heran führen und ihnen dann Vertrauen schenken. Das ist besonders wichtig, denn wenn es wirklich mal Probleme geben sollte („Cybermobbing“), dann sollten die Kinder Ansprechpartner haben, an die sie sich wenden können. Verbietet man, schiebt man die Kinder weg von sich und wie sollen sie sich Hilfe holen, wenn sie nicht mal sagen können, was aktuell vorliegt – eben weil allein schon das im Internet sein ein Verbot bricht…

Abschließend kann man sagen, es gibt bestimmt Fälle von suchtähnlichem Verhalten, die man ernst nehmen sollte und denen man Hilfe angedeihen lassen sollte – aber man sollte wirklich mal prüfen an welchen Stellen das der Fall ist. Für mich, wie bereits gesagt, gibt es einen Unterschied von Sucht und Abhängigkeit.

Wenn ich keine Monatskarte für den öffentlichen Nahverkehr und kein Auto habe, bin ich abhängig von meinem Fahrrad und fahre durchaus viel. Zu den täglichen Fahrzeiten (im Moment über den Tag verteilt gut zwei Stunden), kommen die Zeiten die ich mit Reparatur etc. verbringe. Dennoch: Ich bin nicht Fahrradfahrsüchtig.

Sucht umfasst neben (durchaus exzessivem) Gebrauch immer soziale, psychische und/oder leistungsmäßige Beeinträchtigungen.

Außerdem ist es langsam an der Zeit zu verstehen, dass das Internet einen gesellschaftsstrukturellen Wandel eingeläutet hat. Peitsche für jeden der das Wort „neue Medien“ benutzt. Neue Medien sind langsam kalter Kaffee. Wer mehr darüber wissen will, liest und schaut ein bisschen Gunter Dueck. Internet ist das Betriebssystem unserer Gesellschaft.

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Lesetipp: Ein weiterer Artikel zum Thema Panikmache & Internet (via Blog für Kultur)

Welches Schweinerl wärens denn gern?

Treue Leser meines Blogs wissen, dass ich nicht seit jeher Kinderfan bin. Ich bin eher in die Kindersache reingeschlittert und irgendwann war mein psychologisches Interesse geweckt. Glücklicherweise habe ich an einer Uni studiert, die viel von Einzelfallanalyse hält. Eine ordentliche Grundgesamtheit n, die wissenschaftlich reliable und valide Allgemeinaussagen liefert, wäre ich zu gebären nicht imstande gewesen.

So betrieb ich die ersten Jahre zunächst Schwellenforschung, wobei mich v.a. die Schwellen von Erwachsenen im Vergleich zu denen der Kinder interessierten. Nehmen wir die Schwelle, mit der man Wiederholungen erträgt.

Kind 1.0 fand es z.B. sehr lustig auf dem Bett herum zu springen und „Miau miau“ zu schreien. Mir fiel gleich auf, dass Kind 1.0 das sehr lange, sehr lustig fand. Also gesellte ich mich dazu und schrie ebenfalls „Miau miau“ und registrierte unmerklich die Anzahl der Wiederholungen.

Schnell bemerkte ich, dass mein Forschungsgeist, mein Wille und einige andere dringend notwendige Fähigkeiten zum Abschluss dieses Experiments nicht ausreichend ausgeprägt waren. Ich musste mehrere Testreihen bei n=276 Wiederholungen abbrechen. Als Teilergebnis meiner wissenschaftlichen Studie konnte ich immerhin festhalten, dass meine Schwelle bei ca. zwölf Mal „Miau miau“ schreien und hüpfen erreicht war. Die Schwelle des Kindes, wie gesagt, ist trotz jahrelanger intensiver Forschungsarbeit bislang nicht wissenschaftlich zu ermitteln.

Interessanter noch als die Schwellenforschung erweist es sich, motivationale Hintergründe des Miau miau Schreiens zu ergründen. Zumindest diese Frage ist psychologisch einfach zu beantworten. Die Kinder haben noch kein stabiles Selbstvertrauen. Dieses bildet sich erst im Verlauf ihrer Entwicklung mit der steigenden Anzahl an Erfolgserlebnissen. Wenn sie Dinge wiederholen, stabilisieren sie ihre Erfahrungen und es ist ihnen nach und nach möglich einen stabilen Erwartungshorizont zu bilden, was sich positiv auf das Selbstbewußtsein (sie wissen was passiert! sie können es vorher sagen) und das Kompetenzempfinden auswirkt.

An der Ergründung einer anderen, sehr interessanten Frage forsche ich im Moment. Es ist die Frage des kindlichen Anthropomorphismus: Warum wollen Kinder andere Dinge sein und noch schlimmer warum wollen sie, dass ICH andere Dinge bin.

Jedes unserer Kinder ist früher oder später in diese Phase eingetreten. Dann werde ich mit Fragen der folgenden Art gelöchert:

  • Welcher Powerranger willst Du sein? (und mit dieser Frage ist man noch gut bedient, denn man kann rational nach Farben und/oder Fähigkeiten der einzelnen Powerranger eine Entscheidung treffen)

Schwieriger wird es bei:

  • Welches Pferd willst Du sein?*

Und richtig lange meditieren kann man über die Fragen der folgenden Art:

  • Welcher Stein willst Du sein?

Wer glaubt, dass man einfach zufällig auf eines der zur Auswahl stehenden Objekte zeigt und sagt „Der da“ bzw. „Das da“ und damit ein Kind zufrieden stellen kann, der hat keine Kinder. Die nächste Frage lautet nämlich „Warum?“ und dann gilt es eine ausdifferenzierte Antwort zu geben oder man gelangt in die unendliche Warum-Fragen-Möbius-Schleife.

Jedenfalls ist mir bis zum heutigen Tag völlig rätselhaft welche Kompetenz sich in dieser Personifizierungsphase ausbildet. Ich hätte eben doch noch ein Aufbaustudium nachlegen sollen.

Welcher Stein willst Du sein?

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*Glücklicherweise gibt es das Internet, das alle Fragen beantwortet. Falls man also vom Kind gefragt wird, welches Pferd man sein möchte, einfach schnell den Test machen. Bei der Powerrangerfrage gibt es übrigens auch Hilfe.

Rabenerwachsene seid ihr! Der Oliver Zahn soll Euch holen!

Mit Kindern ist es ein bisschen so, als würde man für immer und ewig studieren. Das betrifft sowohl das Dinge neu hinzulernen als auch das Gefühl, das man bei der Prüfungsvorbereitung hat.
Man beginnt Physiologie zu lernen und findet es schrecklich, weil man vor lateinischen Begriffen kaum was versteht und denkt sich, ach wie schön wird es werden, wenn ich für Philiosophie lerne. Wenn man dann anfängt, die Philosophieprüfung vorzubereiten, stellt man fest, dass Physiologie doch das kleinere Übel war.
Wie gesagt, mit Kindern ist das ganz genauso. Wenn sie z.B. Babys sind und sie immerzu undifferenziert schreien, um auf Missstände aufmerksam zu machen, denkt man, wenn sie erst reden können, wird alles viel einfacher. Wenn sie dann reden können, denken sie gar nicht daran sich entsprechend elaboriert zu äußern, schmeißen sich bei Konflikten aller Art zu Boden und brüllen was das Zeug hält.
Alle Leute starren und viele geben gute Ratschläge, die meistens darauf hinaus laufen, dass man ein Kind unmöglich krakeelend auf dem Gehweg liegen und trampeln lassen kann.
Dann kommt der Tag an dem das Kind sich nicht mehr hinwirft, sondern einfach fort läuft und man Mühe hat, es gerade noch rechtzeitig am Arm zu erwischen. Spätestens da sehnt man die Zeiten herbei in denen Konfliktlösung einfach bedeutete, dass man schweigend am Wegesrand sitzt und in den blauen Himmel starrt.
Wenn das Kind zum Weglaufen zusätzlich recht wortgewandt Dinge herum schreit, ja da weiß man, es war so schön, als es einfach als Baby geweint hat ohne dass man verstand, was genau sie von einem halten.

Um die Gefährlichkeit von Klolektüren

Heute mal dem Spruch gefolgt Ab eins macht jeder seins und pünktlich um 15 Uhr das Büro Richtung Wochenende verlassen. Kind im Kindergarten abgeholt und mit komischen Werkzeug auf dem eine 13 stand, eigenhändig Sattelhöhe des Sattels des Kinderfahrrades nach oben versetzt. Mich dabei gefühlt, als sei ich jetzt bereit, eine vier Wände umspannende Einbauküche auf Rigips-Wänden zu befestigen und alle Elektrogeräte selbst zu bauen.
Im Flow auch noch Wimpelfähnchen von Kinderfahrrad A auf Kinderfahrrad B transferiert.
Nachdem Kind jetzt besseren Hebel hat, hechelnd dem Kind hinterhergefahren. Mehr als drei Mal Auffahrunfall verursacht, da Kind spontan bremste und WM-Fans bestaunen musste. Im Park an Stelle gesprintet, wo die coolen Jungs ihre Skateboard- und Fahhradstunts absolvieren.
Als einer der Kerle mit seinem Superbike mit ca. 200 km/h über den Kunststückhügel gefahren ist, abhebt und zwanzig Sekunden in der Luft rotiert und wieder landet, steckt das Kind den Daumen hoch und sagt aufmunternd: „Das war schon ganz gut!“
Dann hat Kind eigene Stunts versucht, bei denen mir gelegentlich das Herz stehen blieb. Mich zusammen gerissen und gedacht: „Studien belegen, dass Kinder von Frauen fast ausschließlich sprachlich und von Männern motorisch gefördert werden. Kind kann schon ganz gut sprechen, jetzt muss Kind lernen, coole Stunts zu machen und es ist meine heilige Pflicht dazu ein entspanntes Gesicht zu machen.“
Kind kurze Einführung in die wichtigsten Grundkategorien von Skateboardtricks gegeben. Einen der 16 Jährigen hergeordert und einen Ollie vorführen lassen. Dann verschiedene Ollie-Variationen: Nollie, Switch Ollie, 180°, Fakie Ollie, One-Foot-Ollie. Beim 360° hat der kleine Skater schon rumgenölt. Dann beim Boned Ollie fast geheult. Drei Mal hingefallen, blutige Knie, Zahn ausgeschlagen.
Skater 1 gedankt und nächsten rangewunken. Der musste noch einige Flips, Verts und Lip-Tricks vorführen. Dann in die Runde gerufen, wer mir jetzt den Mr. Wilson macht. Alle aufgestanden und weggelaufen.
Dann aber gedacht: „Du wolltest doch selbst immer coole Skaterin sein, jetzt fängst Du an Deinen falschen Ehrgeiz auf das Kind zu übertragen!“ und Kind überredet zur Plantsche weiter zu fahren.
Dort hat sich Kind aller Kleidung entledigt und mich aufgefordert, ihm gleich zu tun. Halbe Stunde verwendet Kind stammelnd zu erklären, wieso Erwachsene sich nicht einfach ausziehen dürfen. Keinen wirklich überzeugenden Grund gefunden.

Wenige Millisekunden später hat mich Kind aufgefordert, es auf einen der riesigen Steinelefanten zu heben, die das Wasser verspritzen. Abgelehnt. Kind hat wütend darauf hingewiesen, dass der Vater so was durchaus mache und Frauen Kinder ausschließlich sprachlich fördern würden. Mich geärgert und Kind auf drei Meter hohen Elefanten geworfen, Kind aber angewiesen den Weg zum geringelten Rüssel selbst zu bestreiten. Da hat Kind von oben runter gerufen: „Das wolltest du wohl als Kind alleine schaffen? Das jetzt von mir zu fordern, ist eine inadäquate Projektion deines damaligen Unvermögens!“

Mir vorgenommen, alle Psychologiebücher vom Klo zu entfernen, da ich schon mehrere Mal beobachtet hatte, wie Kind beim Klogang interessiert in Lektüre geschaut hat. Ohnehin nie geglaubt, dass der Bengel nicht lesen kann.

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