Räbäääähhhh!

Ich habe zwei Eigenschaften, die mir in der Regel das Leben sehr leicht machen. Erstens: Meine Vergesslichkeit. Alles was hässlich ist und mir das Leben schwer macht, blende ich aus und zwei Wochen später erinnere ich mich an nichts. Rückwirkend ist mein Leben perfekt.

In seltenen Fällen vergesse ich Dinge zu vergessen. Da hilft mir meine zweite Gabe: Humor. Worüber ich nicht weinen kann, darüber versuche ich zu lachen.

In sehr seltenen Fällen hilft mir weder das eine noch das andere. So zum Beispiel bei den kinderfeindlichen Menschen, die sich langsam um uns ansammeln. Neulich, als wir Abends um 18 Uhr durchs Treppenhaus gingen, riss einer der Nachbarn die Wohnungstür auf und schrie uns hinterher: „JA GEHT DAS DENN NICHT LEISER? JEDEN MORGEN DIESES GESCHREI UND JEDEN ABEND!!! KÖNNEN SIE DENN NICHT MAL WAS UNTERNEHMEN????“

Es folgte eine ergebnislose Diskussion. Als wir dann weiter nach oben liefen, brodelte es in mir. Ein Tag hat 24 Stunden. Wir kommen in der Regel zwei Mal am Tag an seiner Tür vorbei. Um 8 Uhr und dann abends zwischen 17 – und sagen wir spätestens – 20 Uhr. Es dauert großzügig geschätzt 15 Minuten bis wir in unserer Wohnung sind. 30 Minuten halten wir uns also insgesamt täglich im Treppenhaus auf. 30 Minuten von 1440 Minuten, die ein Tag hat. 2,1% des Tages belästigen wir ihn also mit Kleinkindergeschrei im Treppenhaus. Und das außerhalb der Ruhezeiten (22-6 Uhr, 12-15 Uhr).

Es ist wahr. Das Kind ist im Treppenhaus laut. In der Regel schreit es, weil ich es nicht tragen kann oder will. Dazu ist es zu schwer. Ich habe oft zusätzlich Einkäufe oder ähnliches zu tragen. Ich sage „Bitte sei leise!“ oder „Muss das denn jedes Mal sein?“ und „Geht das vielleicht mal ohne weinen?“ Ich biete meine Hand an. Ich versuche es mit Ablenkung, durch Geschichten erzählen, ich versuche zu motivieren, das Ganze spielerisch zu lösen „Wer zuerst oben ist!“. Ich besteche sogar mit Gummibärchen. Aber es bleibt dabei, meistens schreit das Kind auf dem Weg nach oben. Auch die größeren Geschwister rufen gelegentlich Sachen durchs Treppenhaus. Auch obwohl ich schon hundert Mal erklärt habe, dass ich das nicht möchte. Was soll ich tun? Ich wünsche mir auch, dass wir einfach nach oben gehen. Ohne Geschrei.

Dennoch. Es empört mich, wenn jemand deswegen die Tür aufreißt und rummeckert. Man solle doch mal was tun. JA WAS DENN ZUR HÖLLE? Es sind eben Kinder.

Was ist los mit diesen Menschen, die alle ihre Ruhe brauchen. Absolute Ruhe. Und genauer gefragt: Warum ziehen sie in ein Mehrparteienmietshaus in das Zentrum von Berlin? In Brandenburg ist es auch schön und da kann man für 60.000 Euro ein großes, freistehendes Haus mit keine Ahnung wie viel Tausend Quadratmeter Garten kaufen. Warum nicht einfach dahin ziehen und nach Berlin (vermutlich wegen des Arbeitsplatzes) pendeln?

Ich habe lange überlegt, was zu tun ist. Diskutieren? Hoffnungslos. Gerichtsurteile zum Thema Kinderlärm zusammenstellen und überreichen? Sinnlos. Paradoxe Intervention und dem Nachbarn einen Kuchen backen und wie bei IKEA ein Schildchen dran „Danke, dass Du Dich nicht wegen jedem Scheiss aufregst“? Effektlos.

Ich denke, das einzige was hilft, ist die Verhältnisse gerade zu rücken. Wenn er sich gestört fühlt, dann ist es unangemessen weil wir nur 2% am Tag laut sind. Persönlich fände ich es lohnenswert wenn wir 40-50% der Zeit nerven würden. Deswegen bin ich dazu übergegangen Kindergeschrei aufzunehmen. Immer wenn Kind 3.0 ausflippt, zeichne ich das auf. Ich habe ein schönes Portfolio an lautstarken hysterischen Wutanfällen aufgezeichnet. Oben an der Stelle der Haustür des Nachbarn wo das Kabel zur Haustürklingel in die Wohnung geht, habe ich einen kleinen, leistungsstarken Lautsprecher installiert. Dieser ist über eine Webanwendung ansteuerbar. Wann immer einer von uns Lust hat, drücken wir den Schrei-Button und der Nachbar hört facettenreiches Geschrei aus dem Lautsprecher. Der Kemo Piezo-Minilautsprecher für nicht Mal 4 Euro, der sonst eingesetzt wird, um Marder zu erschrecken, schafft beinahe 120 dB.  Dieser Schalldruck entspricht ungefähr einer gut befahrenen ICE-Trasse. Sobald der Nachbar wutentbrannt die Türe aufreißt, aktiviert er per Lichtschranke einen Not-Stopp. Das Geschrei hört sofort auf. Schließt er die Tür, geht das Gebrüll nach 5 Sekunden wieder los.

Dank dieser Installation geht es mir jetzt wieder besser. Die Welt ist im Gleichgewicht und der Mensch hat einen ECHTEN Grund sich aufzuregen.

Kinder, Kinder

Vor Jahren habe ich mal ein Wiki mit Freunden gestartet. Mir war aufgefallen, dass es zwar duzende Berlin-mit-Kind-Führer gab, dass mir aber oft entscheidende Informationen fehlten. In den Beschreibungstexten stehen Dinge wie „bezaubernde Bedienung“ oder „das Waffelsortiment lässt keine Wünsche offen“ oder unspezifisch „Das Schwimmbad hat ein Nichtschwimmerbecken“.

Was mich aber interessiert hätte: Für welches Alter ist das Schwimmbad besonders geeignet? Beginnt das Nichtschwimmerbecken direkt bei 1 Meter Wassertiefe (doof für Babys) oder geht es langläufig von 0 auf 1,40 Meter? Gibt es Wickelkommoden in der Umkleide? Gibt es einen Abstellplatz für den Kinderwagen draußen? Gibt es Laufställe oder ähnliches, in die man die Kinder ganz kurz reinsetzen oder stellen kann, wenn man sich selbst duschen möchte?

Das selbe bei Spielplätzen: Können Zweijährige alleine die Rutsche erklimmen oder müssen die Eltern immer dabei stehen? Ist das Spielplatzareal umzäunt? Lässt sich das Tor ordentlich schließen? Gibt es in der Nähe eine Möglichkeit für die Eltern sich einen Kaffee zu holen? Gibt es eine Wasserpumpe (toll im Hochsommer – total nervig, wenn sie an kalten Apriltagen schon angestellt ist…)? Wie sieht es aus mit Schatten? Bietet das Gelände irgendwas, das auch noch Zehnjährige aus dem Kinderzimmer locken könnte?

Ich schrieb also über unsere Ausflüge Berichte und machte ein Paar Fotos und stellte sie in das Wiki. Brav kategorisierte ich nach Alter und Wetterlage.

Der Erfolg des Wikis war atemberaubend. Drei der dreißig Eltern, die ich eingeladen hatte, loggten sich einmal ein. Keiner schrieb oder ergänzte jemals einen Eintrag. Nach ein Paar Monaten verlor ich die Motivation meine Einträge selbst zu verfassen (ich bin ja FFRR-abhängig und das kann ich mir nicht selbst geben).

Jahre später stehe ich wieder vor dem gleichen Problem. Meine Schwester kommt nach Berlin und ich würde ihr gerne unsere Kinderhighlights beschreiben – nur leider sind meine Eintrage zum Teil veraltet oder ich hab sie noch gar nicht geschrieben, weil zwischen Wikitod und Schwesterbesuch fünf Jahre liegen.

Ein anderer Aspekt ist übrigens das Geld. Mir geht es total auf den Geist, wenn Unternehmungen mit Kindern ständig (viel) Geld kosten sollen. Gar nicht mal so sehr wegen des Geldes – sondern vor allem wegen der Erwartungshaltung, welche die Kinder mit der Zeit bekommen. Wäh? Nur Spielplatz? Ihhh! Schon wieder nur Park?! Kotz!

Meiner persönlichen Erfahrung nach gibt es wirklich sehr viele Angebote für Kinder, die großartig und kostenlos sind. Angefangen bei den zum Teil sensationellen Spielplätzen (Hasenheide!) über die großartigen Bibliotheken (inkl. kostenlosem WLAN ) über die großen Planschen im Berliner Osten (z.B. die im Plänterwald/Dammweg) bis zu den Angeboten einiger Schwimmbäder wie dem Prinzenbad, dass Kinder in der letzten Stunde der Öffnungszeiten für das eifrige Müllsammeln im Areal des Schwimmbads eine Eintrittskarte für den nächsten Tag bekommen können.

Was Spielplätze angeht, gibt es beispielsweise diese Seite, die nicht nur zahlreiche Bilder von jedem Spielplatz in Berlin bietet, sondern auch eine ortsabhängige Suche. (Unbedingt klicken, die Seite ist sensationell, da steckt irre viel Arbeit drin, weil man 757 bebilderte Spielplätze anschauen und bewerten kann)

Vielleicht kennt ihr andere Angebote oder habt Tipps, die ich hier nach und nach teilen kann. Es gibt z.B. Blogs wie BerlinFreckles, die ausführlich Eltern-Kind-Cafés getestet haben – aber wie gesagt – richtig begeistern würden mich Tipps, die kostenlos sind und von denen man ableiten kann, ob man da wirklich hin möchte. Auch gibt es günstige Angebote für Tagesausflüge in der Nähe von Berlin – so wie der Familiengarten in Eberswalde (3 Euro pro Erwachsenen und 1,5 für Kinder zwischen 3 – 16 – dafür aber mit kostenlosem unterirdischen Tretbootfahren und Tretautoparcours) oder auch den Dinopark Germendorf (4 Euro pro Erwachsenen und 1 Euro für Kinder), die nicht zu vergleichen sind mit den utopischen Preisen des im Lichte des Legolands (regulär für 5 Personen 80 Euro) oder SEA Life (72,50 Euro regulär für uns) noch günstig erscheinenden Zoos (35 Euro für das große Familienticket).

D.h. alles, was schon hunderte Male beschrieben ist und Unmengen an Geld kostet: Zoo, Aquarium, Legoland etc. interessiert mich eher weniger. Sollte ich jemals mein Passwort zum Wiki wieder finden, werde ich nach und nach meine bereits geschriebenen Einträge veröffentlichen.

Puh! Fast vergessen: Gratis in Berlin – Kategorie Kinder & Jugendliche. Da stehen auch Flashmobs (Kissenschlacht-Flashmob war großartig) und Events wie die Brückenschlacht Kreuzberg und Friedrichshain drin.

Ergänzung: Kinderbauernhof Pinke Panke

Das naturdegenerierte Kind

Über die außerordentlich zu empfehlenden Linkempfehlungen des Herrn Buddenbohm bin ich auf ein Interview mit Salman Ansari in der ZEIT online gestoßen. Darin wird „Das Haus der kleinen Forscher“ im Rahmen übertriebener Frühförderung genannt.

Zitat: „Ansari: In allen Stiftungen und Projekten, die sich auf die naturwissenschaftliche Frühförderung spezialisiert haben – egal ob das Haus der kleinen Forscher in Berlin oder das Science Lab in München –, wird versucht, die Welt aus akademischer Perspektive zu erklären. Mit dem kindlichen Denken hat das oft nichts zu tun.“

Ich weiß nicht, wie Herr Ansari zu dieser Aussage kommt. Jedenfalls ist der Kindergarten, den unsere Kinder besuchen, ein Kindergarten, der oft mit dem Haus der kleinen Forscher zusammenarbeitet und in diesem Rahmen eine Forscherplakette bekommen hat. Ich halte diese Stiftung für eine außerordentlich gute Sache.

Sie gibt lediglich Hilfestellungen für den Kitaalltag und präsentiert Beispiele besonders gelungener Forschungsarbeiten. Unser Kindergarten ist zB mit einem Regenwurmprojekt vertreten. Das Projekt kam zustande weil eines der Kinder einen Regenwurm aus der Hosentasche zog, was zu großer Begeisterung bei allen anderen Kindern führte. Die Erzieherinnen haben diese Begeisterung aufgegriffen und den Regenwurm zum Forschungsprojekt gemacht. Das Ganze begann mit dem Zusammentragen von Informationen und als die Kinder z.B. hörten, dass der Regenwurm auf lateinisch Lumbricidae heißt, wurde er liebevoll Lumbri genannt. Die Kinder trugen zusammen, was Regenwürmer so essen, man baute ihm ein artgerechtes Häuschen, beschäftigte sich mit Verwesungsprozessen (von Blättern und ähnlichem), Fressfeinden, stellte zusammen wie Regenwürmer leben, was sie „leisten“ etc.

Es wurde nichts gefragt, was die Kinder nicht selbst wissen wollten. Das ist eine tolle Regel im Kindergarten und übrigens auch zuhause gut anzuwenden. (Wenn die Kinder im zarten Alter von drei fragen, wo die Babys herkommen, genügt es meist völlig zu sagen: Aus der Gebärmutter. Für 98% aller Kinder ist die Frage damit geklärt. Auf alle weiteren Details kann man vorerst verzichten).

Das Projekt wurde von den Erzieherinnen mit Bildern festgehalten und mit Zitaten und Forschungsergebnissen illustriert. Ein wunderbares Projekt.

Die kleinen Forscher haben sich genau das zum Ziel gemacht „Die alltägliche Begegnung der Kinder mit der Naturwissenschaft und Technik in allen Kitas zu verankern“. Klingt vielleicht hochtrabend, hat aber rein gar nichts mit Frontalunterricht und Überforderung zu tun. Die Erwähnung der Stiftung im Kontext der übertriebenen Frühforderung ist in meinen Augen wirklich nicht gerechtfertigt.

Der ganze Artikel hat in mir ein Trauma wachgerufen und jetzt kommt das Tolle, wenn ich nachfolgend ablästere, werden die betroffenen Eltern das nie erfahren. Es handelt sich nämlich um die Gruppe der Lasst-die-Kinder-doch-natürlich-aufwachsen-Eltern. Diese sind naturgemäß gegen alles unnatürliche wie Technik und Naturwissenschaft. Obwohl unsere VertreterInnen einige Jahre jünger als ich sind, benutzen sie Teufelszeug wie das Internet und nicht. Sie werden diesen Artikel also niemals lesen.

Was sie aber machen, ist Elternabend für Elternabend fordern, dass die Erzieherinnen doch bitte mit den Kindern drei bis vier Mal die Woche in den Wald gehen – Unser Kindergarten geht bereits regelmäßig mit den Kindern in den Wald muss man dazu sagen. Mindestens pro Jahreszeit einmal und auch sonst wird sehr viel draußen gemacht. Draußen ist aber eben die Stadtnatur. Das kann der Hof sein, die Baumscheibe, das Spielplatzareal, der kleine Park um die Ecke – was auch immer den Kindern eben begegnet. Sei es Pflanze oder Tier (siehe Regenwurm).

Ich finde diese Eltern total lächerlich. Sie verlangen, dass die Kinder unabhängig von der Jahreszeit mindestens alle zwei Tage eine mindestens 40minütige Anreise in den Wald (wir wohnen nunmal mitten in Berlin) auf sich nehmen, um mit der Natur zu leben. Sie selbst aber kommen zu gar nichts und auch am Wochenende ist immer alles so stressig, dass sie es leider nicht schaffen, mit den Kindern raus zu gehen. Genau deswegen soll das doch bitte die Kita machen. Die Kinder haben das doch verdient! Und das ist ja wohl das Mindeste, was man von den Kindergärtnerinnen verlangen kann! Ich möchte dann immer aufstehen und schreien: DANN ZIEH DOCH IN DEN WALD WENNS DA SO SCHÖN IST.

Mache ich natürlich nicht. Bin ja kultiviert. Aber was ich sagen will: Warum ist es so schwer einen Mittelweg zu finden? Warum gibt es nur die Extreme Kinder total zu überfördern mit fünf verschiedenen Lernangeboten und der Gegenseite mit zerschlissenen Kleidung Wurzelkauend im Wald zu leben?

Es gibt verschiedene Lebenswelten und es gibt bei Kindern verschiedene Interessen. Warum ist ein Interesse an politischer Zeitgeschichte schlechter als das Interesse an Frühjahrsblühern. Warum ist es cool, wenn ein Kind zwanzig verschiedene Baumarten kennt und umgekehrt ist es ein Fall fürs Jugendamt wenn ein anderes Kind zwanzig verschiedene Automarken identifizieren kann?

Kind 2.0 interessiert sich zum Beispiel sehr für die Geschichte der Teilung Deutschlands. Warum? Es lebt in einem ehemaligen Ostbezirk von Berlin – einer ehemals geteilten Stadt. Es hat Wessieltern und OssielternfreundInnen. Es kennt den „Tag der deutschen Einheit“, es kennt die Reste der Berliner Mauer. Das gehört alles zu seiner direkten Lebenswelt. Wenn es Fragen stellt, warum sollen diese nicht beantwortet werden? Was wäre denn angemessen? Zu sagen „Sorry, Du bist erst fünf, du lernst jetzt erstmal was über die Natur und da bitte auch nicht zu komplex.“ Es ist doch eine Frage der Lebenswelt. Ich kenne Kinder von Hirnforschern, die kennen mit sechs schon alle wesentlichen Gehirnareale. Na und? Die Eltern reden eben beim Abendessen über die Hypophyse und die Medulla Oblongata und haben ein schickes 3D-Gehirnpuzzle zuhause.

Verächter der frühkindlichen Förderung, geht doch in den Wald und lebt da ganz natürlich. Meine Kinder dürfen sich interessieren für was sie wollen. Pah!

Pictoplasma 2013 – es ist (wieder mal) Liebe

Bis Sonntag, den 14. April läuft das Pictoplasma-Festival noch. „Pictoplasma is an organisation dedicated to the art of character design, and are notable for bringing it into the mainstream.
Ich habe nach einem deutschen Ausdruck gesucht, der the art of character design so beschreibt, dass man versteht, um was es geht, aber ob da figürliche Darstellung mehr aussagt… hm. Für mich als Laie ist das Comic-Kunst in allen Erscheinungsformen – egal ob Illustration, Skulptur oder Graffiti.

2009 gab es die große Pictopia Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt. Von dort kenne ich das Pictoplasma-Festival. Wir sind zufällig auf das Festival gestoßen. Keine Werbebroschüre dieser Welt hätte uns wohl hingelockt. Denn egal wo ich etwas dazu lese, ich verstehe fast nichts. Ähnlich wie bei der Transmediale. Auch da wird in aufgeblasenen Worten etwas beschrieben und wenn ich es nicht ohnehin schon kennen würde, ich würde niemals hingehen.

Ich sehe in diesem Bereich eine echte Marktlücke. Die Organisatoren solcher Festivals scheinen so – nennen wir es – betriebsblind zu sein, dass sie nicht mehr die Perspektive des (Kunst)Konsumenten einnehmen können und mit Worthülsen und so verwirrend die einzelnen Projekte beschreiben, dass man (zumindest ich) absolut nichts mehr versteht. Ich klicke mich durch die Webseiten und bin froh, wenn ich rausfinde, zu welcher Zeit die Ausstellung überhaupt stattfindet. Der Rest – böhmische Dörfer.

Ohne die entsprechenden Bilder, die Werke der Künstler zeigen, käme ich nie auf die Idee mir das Ganze anzuschauen.

Dieses Jahr nehmen 22 Galerien am Pictoplasma-Festival teil. Von heute an, sind sie von 12 bis 20 Uhr geöffnet, um insgesamt 27 KünstlerInnen zu präsentieren. In jeder teilnehmenden Galerie liegen Karten aus, die zeigen wo die anderen Galerien zu finden sind.

Richtig cool wäre es natürlich wenn die Organisatoren eine öffentliche Karte angelegt hätten. Oder wenn es eine App gäbe, die einem den Weg zeigt. So irrt man je nach Ortskundigkeit ein bisschen mit der Papierkarte durch die Gegend.

Wichtig zu wissen ist vielleicht noch, dass nicht alle Projekte bereits ausstellungsreif sind. Einige Werke entstehen erst während des Festivals. Einige Galerien sind ein bisschen schwierig zu finden, selbst wenn vorne das Pictoplasma-Fähnchen dran hängt. Manchmal muss man beherzt in eine offen stehende Tür, einen Hinterhof oder in eine Bar treten, um erst nach einigen Schritten festzustellen, dass man richtig ist. Selbst wenn man böse angeschaut wird. Das sind dann nur einige der Künstler, die offensichtlich nachtaktiv sind oder von all den fremden Menschen nichts halten.

Wenn ich 22 Galerien geschrieben habe, dann stimmt das nur bedingt. Ausstellungsorte wäre richtiger. Manche Künstler werden nämlich in Räumen von Bars oder Bekleidungsgeschäften ausgestellt. In jedem Fall lohnt der Spaziergang durch die besagten Ausstellungsorte. 14 davon befinden sich in Mitte, die restlichen sind in Kreuzberg.

Wir haben für die 14 Orte rund 4 Stunden gebraucht. Mehr Zeit hatten wir auch nicht. Danach waren wir total platt. Laut Tracking-App waren das über 11.600 Schritte und gut 8 km. Man muss schon SEHR ehrgeizig sein alles sehen zu wollen. Wir splitten deswegen lieber auf zwei Tage.

Der Spaziergang durch die Ausstellungsorte nennt sich Character Walk und ist kostenlos.

Gut die Hälfte der Werke hat mich total begeistert. Also begeistert wie ich bin kurz davor die gelegentlich anwesenden KünstlerInnen zu umarmen und ihnen zu danken, dass sie mir mit ihren Werken so viel Freude bereiten. (Viele von ihnen findet man übrigens auf instagram. So hält die Freude auch noch nach dem Festival an).

Nachfolgend meine Highlights. Ich bin keine Kunstexpertin, deswegen maße ich mir gar nicht erst an, die Werke der Künstler zu beschreiben. Am Besten einfach den Link klicken und sich selbst einen Eindruck verschaffen. Es ist auch möglich meine Bilder auf instagram anzuschauen und dort einfach mit dem Hashtag #pictoplasma weiter zu suchen.

Francisco Miranda zu finden in den Ausstellungsräumen General Public in der Schönhauser Allee 167c 
(leider kein Bild)

Anna Hrachovec zu finden in der Galerie small place in der Brunnenstraße 178/179
Anna Hrachovec

Andrea Wan (auf instagram @andrea_wan) und Felt Mistress (auf instagram @feltmistress) in der Galerie Sur la Montagne in der Torstraße 170
Andrea Wan
Felt Mistress

Sehr sehenswert auch der Weg zur neurotitan Galerie im 2. Hinterhof der Rosenthaler Str. 39 (1. Etage) mit AARGH and MONKEY sowie Cherry
AARGH
Cherry

Vor Begeisterung geplatzt bin ich dann fast bei den Werken von Juan Carlos Paz aka BAKEA (auf instagram @bakea) im Instituto Cervantes in der Rosenstraße 18/19 (Hier nicht aufgeben, eine der vier Türen ist wirklich geöffnet!)
Bakea

Eine Übersicht aller KünstlerInnen ist auf der Seite des Pictoplasma-Festivals zu finden.
Als Service hier die verkürzte Runde mit meinen persönlichen Highlights als Google Map.


View Character Walk #pictoplasma #berlin #2013 in a larger map

Berlin, Hejo!

Die Berliner machen einiges anders als die anderen. Zum Beispiel feiern sie bereits eine Woche vor Restdeutschland Karneval. Aus Rücksichtnahme. Denn dann können alle Karnevalsjecken mit den Berlinern gemeinsam feiern und müssen sich nicht entscheiden, ob sie in Köln, Düsseldorf oder Berlin feiern. Dementsprechend gab es auch dieses Jahr 2.456 Karnevalsbegeisterte, die den Karnevalsumzug begleiteten. Rücksicht ist für die Berliner ohnehin das Hauptthema beim Karneval. Der Umwelt zuliebe wird kein Konfetti geworfen, den Vögeln und Anwohnern zuliebe sind Freudesrufe und Musik maximal 75 dB laut und den missmutigen Karnevalshassern zuliebe verzichtet man sogar auf eine Übertragung ins TV.

Weil wir keine Schwaben sondern Hessen und Bayern Rheinländerinnen sind, integrieren wir uns in solche langjährigen Traditionen und rufen gemeinsam „Berlin Hejo!“. Hejo ist übrigens der karnevalistische Gruß in Berlin und setzt sich aus „Heiterkeit“ und „Jokus“ zusammen.

Der Preis für das beste Kostüm ging dieses Jahr an den Bodybuilder, der sich als Hulk verkleidete und wütend auf die vorausfahrenden Polizeiautos sprang und versuchte sie umzuschmeißen. Da ich eine feine Beobachtungsgabe besitze, entging mir nicht, dass andere Familien thematisch einheitlich verkleidet waren. Wir sahen eine Familie Feuerstein, eine Familie Gefangene und Polizisten, eine Familie Glücksbärchi und eine Familie, die als Wald (also Bäume in unterschiedlichen Größen) verkleidet war. Wir gehen nächstes Jahr als Elvis.

Seit 2006 sind wir nun dabei. Mein Mann, der größte Karnevalist in der Familie, ist dabei unübertroffen in seiner Kreativität der Kostümwahl. Auch dieses Jahr verneige ich mich ehrfürchtig:

(Super Bunny Verkleidung)

Kind 1.0 war dieser Aufzug sehr peinlich. Besonders schön war dabei zu beobachten, wie fließend Normalität ist. Wir starteten in Friedrichshain und waren natürlich die einzigen Verkleideten und wurden angestarrt, als seien wir frisch gelandete Aliens. Je näher wir dem Kudamm und damit dem Karnevalsumzug kamen, desto mehr Verkleidete begegneten uns in den öffentlichen Verkehrsmittel. Als wir schließlich in der Uhlandstraße ankamen, waren nur noch wenige Unverkleidete in der U-Bahn. Wir kicherten laut und fotografierten sie heimlich.

Familientrendsportart Clogging

Wir tragen sehr gerne Holzclogs. Sie sind robust und bequem und die mir einzige bekannte Unisex-Schuh-Variante. Zugegebenermaßen klappert es, wenn wir zu fünft über unseren Dielenboden laufen, ziemlich laut. Wenn man es rhythmisch macht, kann man damit quasi Musik machen. Es war nur eine Frage der Zeit bis wir „Clogging“ entdeckten. Clogging unterscheidet sich vom normalen Stepptanz durch spezielle Platten an den Schuhen. Das besondere an den Cloggingtaps ist, dass schon ein Geräusch entsteht, wenn man den Fuß nur durch die Luft bewegt.

Kind 3.0 spielt Schlagzeug und mein Mann und ich jodeln zu dem Paarclogging von Kind 1.0 und 2.0. Das macht wirklich riesig Spaß und ich gehe davon aus, dass wir in naher Zukunft als  die „Five Fantastic Clogs“ auftreten und unseren Lebensunterhalt bestreiten können.

Dafür sollten unsere Nachbarn unter uns Verständnis haben. Immerhin werden wir nach unserem künstlerischen Durchbruch in eine freistehende Villa inmitten eines Waldgrundstücks ziehen und dann niemanden mehr stören. Etwas Geduld also und das Problem löst sich von alleine.

So ungefähr ist wohl die Vorstellung unserer Nachbarn von uns.

Tatsächlich ist es so, dass uns klar ist, dass die Wohnung unter uns vermutlich nicht der friedlichste Ort auf dieser Welt ist. Wir tragen deswegen keine Hausschuhe sondern laufen auf Socken durch die Wohnung. Wenn die Kinder etwas spielen, das Geräusche machen könnte, müssen sie auf den Spielteppich. Die drei am häufigsten ausgesprochenen Sätze in unseren vier Wänden lauten: „NICHT RENNEN!“, „HEY! Nicht springen, auf keinen Fall springen.“ und „Nein, das könnt ihr jetzt nicht machen, denkt bitte an die Nachbarn.“

Unter der Woche vor 8 Uhr und am Wochenende vor 10 Uhr zählen zu den erlaubten Beschäftigungen: Puzzeln, Lego, Karten spielen und lesen. Blöderweise ist das Kinderzimmer in der Nähe vom Schlafzimmer der Nachbarn. Meistens geht dann der Elternteil, der mit Aufstehen dran ist mit den Kindern, die bereits wach sind in die Küche oder in unser Wohnzimmer.

Unter der Woche sind wir jeden Tag um spätestens 8 Uhr aus dem Haus und in 90% der Fälle nicht vor 17 Uhr zurück. Um 20 Uhr schlafen die Kinder. Nur am Wochenende sind wir im Winter gelegentlich den ganzen Tag in unserer Wohnung und wenn wir tagsüber Kinderbesuch haben, dann erlauben wir auch „normales“ Spielen.

Ich finde uns wirklich rücksichtsvoll. Für mich ist es normal, dass man in der Innenstadt in einer mehretagigen Mietwohnung andere Menschen hört. Wir hören die Waschmaschine und die Dolby Surround Anlage der Nachbarn oben. Wir hören die Nachbarn unten mit Vorliebe Abends und Nachts Musik hören. Wir hören die WG schräg unter uns Partys feiern. Den verrückten Nachbarn im Seitenflügel über den Sozialismus schimpfen und im Sommer hört man im Hinterhaus eine Menge fröhlich kopulierender Paare, was aufgrund der Geräuschsituation bereits sorgevolle Nachfragen der Kinder nachsichgezogen hat. Wir hören andere Kinder spielen und Babys schreien. So. ist. das. eben.

All diejenigen, die Familien wie uns hassen, weil wir ihnen auf die Nerven gehen – es tut mir leid – aber was soll man tun? Ich kann und will meine Kinder nicht den ganzen Tag zwingen still zu sitzen. Ich habe kein Geld, um eine Schallisolierung auf den Fußboden zu machen und ich werde auch nicht flächendeckend häßlichen Teppich auf die schönen Holzdielen legen.

Berlin hat mich verdorben

Die Lego-Ausstellung in Hamburg ist für Playmobilfans unbedingt zu empfehlen.

Erwähnde ich an irgendeiner Stelle schon mal, dass ich in Bayern [Aufschrei] in Franken groß geworden bin? Bis 1999 war ich dort und habe mich, so wie es die CSU auch gerne möchte, ordentdich indegrierd. Zum Integrieren gehören einige Verhaltensweisen wie das ewige Siezen. Unsere Nachbarn z.B., neben denen wir ein gutes Jahrzehnt lebten und auch regen Kontakt hatten, die sieze ich bis heute. LehrerInnen natürlich, die Eltern der FreundInnen, VerkäuferInnen. Sogar Gleichalte und schlimmstenfall Jugendliche.

Dann kam ich nach Berlin. Mein damaliger Freund duzte alle. ALLE. Er hat auch mal den Berliner Bürgermeister gesehen und geduzt. Mir war das unglaublich peinlich.

Mehr als 10 Jahre später kann ich bestimmte Menschen nur unter großen Qualen siezen.

In Bayern war es neben dem Siezen sehr wichtig allerlei andere Regeln einzuhalten. Egal wie schwachsinnig die Regel auch sein mag. In Berlin fällt es mir immer schwerer mich an Regeln zu halten, v.a. wenn ich sie unsinnig finde. Glücklicherweise gibt es allgemein weniger Regeln an die man sich halten muss. Sobald ich jedoch Berlin verlasse, sind sie wieder da: die Quatsch-Regeln nach denen ich mich richten soll.

Vor einiger Zeit waren wir beispielsweise im Hamburger Helms Museum in der Lego-Ausstellung „Zeitreise“. Da trug ich einen Rucksack. Kaum hatte ich einen Fuß in die Ausstellung gesetzt, kam eine der Aufseherinnen und wies mich darauf hin, dass Rücksäcke verboten seien. Ich deutete fragend auf die Handtasche einer anderen Besucherin, in der man ohne Probleme ein kleines Pony hätte verstecken können. Mir wurde erläutert Handtaschen seien OK Rücksäcke hingegen nicht. 1995 in Bayern hätte ich meinen Rücksack mit den Taschentüchern, Kinderwechselsachen, Geldbeutel etc. sofort weg gebracht. 14 Jahre Berlin hingegen führten zu einer längeren Diskussion über den Hintergrund des Verbots. Nachdem Argumente wie „man könne etwas einstecken“ oder „Sicherheitsbedenken“ für mich unsinnig erschienen, einigten wir uns darauf, dass ich den Rücksack an einem Gurt unter dem Arm tragen dürfe.

Die Kinder hatten in der Zwischenzeit angefangen sich durch den bespielbaren Legoberg abseits der Ausstellung zu bauen. Ich zückte die Kamera und wollte ein Paar Bilder von den aufgebauten Szenarien machen. Zehn Sekunden später stand eine zweite Aufseherin neben mir und wies mich darauf hin, dass es verboten sei, die Ausstellungsstücke jenseits der Absperrung zu fotografieren. Die Absperrungen waren ca. 40 cm hohe Glaswände, die um die Szenarien gestellt waren. Sie ragten mir ungefähr bis zur Hüfte und ich nahm an, dass sie v.a. Kinder davon abhalten sollten kreativ in die Aufbauten einzugreifen. Ich hatte meinen Arm mit der Kamera in den Luftraum über den Ausstellungsobjekten gehalten… (über nicht dahinter!) um Bilder ohne fingerverschmierte Glasscheiben zu machen. Wir diskutierten eine Zeit lang, aber aus Diskutierunlust gab ich nach und fotografierte brav durch die Scheiben.

Meine Begleiterin, lobpreiste währenddessen die Spielmöglichkeiten für die Kinder und um nicht vollends als ekelige Spaßbremse abgestempelt zu werden, schwieg ich. Die Kinder hatten ja wirklich Spaß beim Bespielen der Duplo- und Legosteine. Ich ertappte mich jedoch bei dem Gedanken, dass in Berlin jedes noch so poplige Eltern-Kind-Café im Vergleich zur Hamburger Ausstellung besser ausgestattet und kinderfreundlicher sei.

Die Ausstellung selbst, fand ich „nett“. Also angelehnt an das Schimpfwort „nett“. Für Erwachsene nett anzusehen. Jedoch habe ich kein Konzept bei der Auswahl der dargestellten Objekte erkannt. Die chinesische Mauer, das Colosseum von Rom, ein Paar Wikinger, hmmm. Die Beschreibungen der Objekte tja für welche Altersgruppe sollten die sein? Ich glaube kaum, dass ein Kind unter 12 auch nur zwei Sätze freiwillig gelesen – geschweige denn verstanden hätte. Für mich war die Ausstellung kein Stück auf Kinder sondern ausschließlich auf deren Eltern ausgerichtet. Meine Kinder sind pflichtbewusst einmal durchgestapft, haben aber rein gar nichts mitgenommen (gedanklich).

Ich bin einfach zu verwöhnt was kindgerechte Ausstellungen angeht. An Konzepte wie ArtPod oder das Kindermuseum im Dresdner Hygienemuseum kann die Hamburger Ausstellung nicht mal im unteren 10% Bereich heranreichen.

Im Gegensatz zu Playmobil liebe ich Lego weil es so offen ist. D.h. wenn erst mal die Aufbauanleitungen verloren gegangen sind, dann lassen sich aus ein Paar Steinen die großartigsten Fantasien nachbauen. Immer und immer wieder anders. Zuhause hängen wir noch ein bißchen auf Duplosteinen. Sehr passend hat Grindcrank Duplo als als hervorragende Möglichekit des Rapid Prototypings bezeichnet. Mit ein Paar Steinen erreicht man schnell ansehliche Ergebnisse und wenn man geduldiger ist, baut man die Modelle in Lego mit vielen weiteren Feinheiten nach.

Playmobil hingegen ist eher ein Inszenierungsspiel. Da gibt es vorgegebene Sets und die werden immer wieder aufgebaut mit wenig Freiraum für Variationen. Man kann mal die Kühe unterschiedlich hinstellen, aber im Grunde gibt das Set vor, was am Ende dort steht. Mit einem Lego City Set, ist man viel flexibler. Da kann aus einer Feuerwehr am Ende trotzdem ein Bauernhof gebaut werden.

Jedenfalls – wer eigentlich ein Playmobil-Herz hat und versehentlich in der Kindheit Lego-sozialisiert wurde, dem sei die Ausstellung empfohlen. Die historischen Szenen sind in der Tat detailreich und liebevoll inszeniert. Mehr aber auch nicht.