Kann man sich im Internet verlieben?

Sich im Internet verlieben. Das ging schon im Jahr 2000. Auszüge meiner Diplomarbeit – einfach um zu zeigen dass sich das Internet gar nicht so sehr vom „echten Leben“ unterscheidet.

Ich bin tatsächlich schon so alt, dass ich meine Diplomarbeit bereits im Jahr 2000 geschrieben habe. Sie ist mir in letzter Zeit wieder öfter in den Sinn gekommen, weil sie ein aktuelles Thema streift. Sie beschäftigt sich u.a. mit dem Thema, ob das Verlieben im Real Life sich vom Verlieben per Internet unterscheidet.

Für mich bot das damals Internet die einmalige Möglichkeit, Menschen zu befragen, die sich quasi unter Laborbedingungen verliebt hatten. Ihren Aussagen stellte ich die Schilderungen einer zweiten Gruppe gegenüber -nämlich der Menschen, die ich im „echten Leben“ ineinander verliebt hatten. Nachfolgend einige Passagen, die ich bis heute ganz interessant finde:

Wie der Liebe auf die Schliche kommen?

Der erste Gedanke auf dem Weg, Liebe dingfest zu machen, war, nach einer Gruppe von Menschen zu suchen, die sich unter Bedingungen verlieben, die einen möglichst begrenzten Informationsrahmen bieten. Glücklicherweise gibt es tatsächlich eine solche Gruppe. Gemeint sind Menschen, die sich im Internet verlieben. Viele Informationsquellen über den Partner in spe, stehen im Internet durch die spezielle Art der Kommunikation nicht zur Verfügung. Der gesamte optische Bereich fällt zunächst nicht ins Gewicht. Mimik, Gestik und Proxemik bleiben im Verborgenen, auch paraverbale Merkmale wie z.B. die Lautstärke und der Tonfall der Stimme, ein Dialekt oder Akzent und das Tempo des Gesprochenen bleiben dem Sichverliebenden unbekannt. Lediglich getippte Botschaften geben Aufschluß über das Gegenüber. Sicherlich stehen den Internetnutzern nicht ausschließlich textbasierte Kommunikationsformen zur Verfügung, jedoch stellen Webcams und ähnliche Einrichtungen bis heute (2000!) eher eine Ausnahme dar.

[…]

Die Befragten sitzen in einem geschlossenen Raum, vor einem Computer und kommunizieren (zumindest zu Beginn) via Textnachrichten miteinander. Während sich die „Probanden“ verlieben, stehen ihnen lediglich die Inhalte der computervermittelten Kommunikation zur Verfügung. Neben dem Gesprächsinhalt, so scheint es, verfügen sie weder über auditive, visuelle, olfaktorische, gustatorische noch über taktile Eindrücke. Nicht selten sprechen Wissenschaftler aufgrund dieser Kanalreduktion von einer Ent-sinnlichung, Ent-emotionalisierung, Ent-kontextualisierung und sogar Ent-menschlichung (z.B. Kubicek & Rolf 1986, Mettler von Meinbom 1994, Volpert 1985). Wie ist es möglich, sich in einer entemotionalisierten Situation verlieben? Diese Frage soll durch die vorliegenden Untersuchung beantwortet werden.

[…]

Wer hätte es gedacht: Es ist möglich.

[…]

Der abschließende Vergleich der Internetstichprobe mit der Teilstichprobe Real-Life beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Verlieben sich im Internet aufgrund der Kanalreduktion tatsächlich durch eine stärkere Idealisierung auszeichnet und ob, als Folge dessen, Verliebtheit im Internet eine andere Art des Verliebens darstellt oder nicht.

[…]

Schlussbetrachtung
Es läßt sich zwar nicht leugnen, daß eine ausschließlich textbasierte Kommunikation gewisse Informationslücken aufweist, […] andererseits sollte bedacht werden, daß ein gewöhnliches Face-to-face-Treffen ebenfalls kaum in der Lage ist, „einen ganzheitlichen, menschlichen, restriktionsfreien Austausch [zu garantieren]“ (Döring, S. 212). Es stellt sich daher vielmehr die generelle Frage, welches Medium einen „richtigen“ Eindruck des Gegenübers vermitteln könnte.

Die vorliegende Untersuchung kann zwischen den beiden Kommunikationssituationen Real-Life-Treffen und Chat aufgrund der Neigung den Kommunikationspartner zu idealisieren, keine Differenzierung treffen. Außerdem legen die Ergebnisse nahe, daß sich Personen durchaus im Internet verlieben können. Um bestehenden Vorurteilen Einhalt zu gebieten, soll an dieser Stelle wiederholt darauf hingewiesen werden, daß weder die Befragten selbst, noch die Auswertung ihrer Aussagen darauf hindeuten, daß sich Verlieben im Chat anders gestaltet als in einer anderen Kennenlernsituation. Der Vergleich der beiden Stichproben verdeutlicht, daß die Befragten die gleichen Gefühle erleben. [… ] Zwar gestalten sich Beziehungen, die ihren Ausgangspunkt im Internet haben, oft problematischer und es gibt mehr Paare, die sich nach einiger Zeit wieder trennen, es wäre jedoch falsch anzunehmen, daß diese Schwierigkeiten ausschließlich auf die Kennenlernsituation zurückzuführen sind. Vielmehr stellen sie eine (negative) Begleiterscheinung gewöhnlicher Distanzbeziehungen dar. Diese Erkenntnis soll helfen, Vorurteile gegen Beziehungen, die ihren Ursprung im Internet haben, abzubauen.

Ferner soll klar geworden sein, daß es die wissenschaftlichen Betrachtung von Liebe erleichtert, wenn die Begriffe Liebe und Verliebtheit nicht synonym gebraucht werden. Wie die Untersuchung zeigen konnte, empfinden alle Befragten einen Unterschied zwischen Verliebtheit und partnerschaftlicher Liebe. Die Ergebnisse verdeutlichen auch, daß weder Verliebtheit noch Liebe ausschließlich der Gruppe der Gefühle zuzuordnen ist. Betroffen sind sowohl Wahrnehmung, Denken als auch das Verhalten. Dies ist sicherlich ein Grund, daß gängige Emotionstheorien schnell an ihre Grenzen stoßen, wenn es darum geht, Liebe zu erklären. […] Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht beim Verlieben der Verliebte selbst, die unmittelbare Anwesenheit der Zielperson ist nicht erforderlich, um entsprechende Verliebtheitssymptome (wie Herzklopfen, feuchte Hände oder Gedankenbesessenheit) auszulösen.  […]
Mit dieser Beobachtung soll der Bogen zu dem Titel der Diplomarbeit „Liebe – eine alltägliche Ausnahme“ geschlossen werden. Da sich tagtäglich Menschen verlieben, ist Verlieben sicherlich ein alltägliches Phänomen. Wechselt man die Perspektive und versetzt sich in die Lage des Verliebten, so erlebt man Verliebtheit als Rausch und als alles andere als alltäglich. Der Titel von Alberonis Buch (1986) „Liebe als Revolution zu zweit“ scheint dafür eine geeignete Metapher – denn Verliebtsein wird von den Untersuchten als emotionaler Ausnahmezustand (besser wäre Ausnahmeprozeß) beschrieben. Jedes Verlieben stellt somit ein Gegengewicht zum Alltag dar und egal wie oft sich jemand verliebt, Verlieben wird jedesmal als erneuernd, unbekannt und aufregend empfunden. Liebe auf der anderen Seite, beschreibt eher das Bedürfnis nach Konstanz und Sicherheit. Liebe ist weder durch große Unbestimmtheit, noch durch andauernde physiologische Erregung gekennzeichnet. Sie richtet sich auf ein partnerschaftliches Miteinander aus, im Vordergrund steht das Phänomen der Passung, was Antoine de Saint-Exupéry mit folgenden Ausspruch trefflich umschreibt: „Liebe ist nicht, sich gegenseitig in die Augen zu schauen, sondern gemeinsam in die gleiche Richtung“. Diese Beobachtungen legen es nahe, die Begriffe Verliebtheit und Liebe nicht synonym zu gebrauchen.
Harlow (1958) kommentierte vor über dreißig Jahren die Bemühungen der Wissenschaft sich dem Thema Liebe zu nähern, wie folgt: „So far as love or affection is concerned, psychologists have failed their mission“ (S. 673). Diesem Vorwurf entgegen hofft die Autorin der vorliegenden Arbeit einen klärenden Beitrag zu der Thematik Liebe geleistet zu haben.

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Insgesamt rund 120 Seiten, die zusammenfassend sagen: Ja, man kann sich im Internet verlieben und im Grunde ist Internet nur ein neuer Ort an dem man sich verlieben kann, denn das Verlieben gestaltet sich überhaupt nicht anders als im echten Leben.

Mickey Mouse-Abhängigkeit

Als mein Vater Mickey Mouse süchtig war und was mir das heute sagt.

Anfang der 50er Jahre kam das erste Mickey Mouse Heft auf den Markt. Es dauerte nur wenige Jahre bis Mickey Mouse meinen Vater erreichte, der damals in einer kleinen sizilianischen Stadt lebte. Von seinem Taschengeld kaufte er sich die Comics und die Jungs tauschten sie untereinander. Sie trafen sich und taten nichts anderes als den ganzen Tag in den Comics zu lesen. Sie malten Mickey Mouse, sie erzählten sich selbst ausgedachte Mickey Mouse Geschichten und sie stellten sich vor selbst Mickey Mouse zu sein.

Meine Oma machte sich über dieses Verhalten große Sorgen. Sehr große Sorgen. So große Sorgen, dass sie meinem Vater das Konsumieren von den Heftchen unter Strafandrohung verbot.

Natürlich hörte mein Vater nicht auf damit.

Das heißt, er hörte lange Zeit nicht auf damit. Ich kann dem besorgten Leser aber bestätigen – in der Zwischenzeit ist er runter von dieser gefährlichen Droge „Mickey Mouse“.

Vielleicht mag diese Geschichte ein wenig lustig klingen – aber sie ist (ausnahmsweise) mal wahr und wahr ist auch, dass meine Oma WIRKLICH besorgt war, mein Vater könne verdummen, seine sozialen Kontakte würden sich reduzieren, seine Schulleistung könne absinken, etc.

Heutzutage wäre man froh wenn die Kinder „nur“ Mickey Mouse abhängig wären. Wahrscheinlich würde man für so eine Sucht das Taschengeld erhöhen.

Man ahnt es, ich möchte nochmal auf das Thema Internetsucht hinaus. Ich habe in der Zwischenzeit die viel zitierte Studie nochmal gelesen und auch in andere Studien zum Thema Internetsucht rein geschaut. Da ich keine Wissenschaftlerin bin, kann ich meine Eindrücke nur wie folgt zusammenfassen:

1. Kernaussage der Studie ist: Statt der bislang befürchteten 3,6% sind anscheinend nur 1% der 14 – 64 Jährigen betroffen.

2. Zu“ Internet“ gehören neben Onlinespielen, sozialen Netzwerken auch Internettelefonie, Email schreiben und Unterhaltung (Internetradio, Filme, etc.)

3. Die Skala, welche die Internetsucht misst, ist 5stufig. Es gibt so etwas wie eine Tendenz zur Mitte, d.h. es wird unbewußt gerne die aussagelose Stufe 3= „manchmal“ gewählt. (Mehr zu der Statistik beim DRadio Wissen)

4. Schaut man sich die Veränderungen der Prävalenz nach Alter an, stellt man fest: Je älter, desto weniger Internetsucht (v.a. bei Mädchen bzw. Frauen). Wild spekuliert hat das was mit den sich aufdrängenden Lebensumständen zu tun (Job, Kinder, Haushalt, etc.).

Kurz gesagt: Ich halte die Zahlen für übertrieben und die öffentlichen Reaktionen darauf für albern. Wie in so vielen Fällen gilt:

Panik, Verbote und Sperrungen helfen nicht. Im Gegenteil. Man sollte sich als Eltern, Lehrer, Mensch intensiv mit dem Thema Internet auseinandersetzen, um die Thematik überhaupt beurteilen zu können und als nächstes sollte man sich der tatsächlichen Gefahren bewusst werden (z.B. Umgang mit den persönlichen Daten im Netz). Dann sollte man seine Kinder altersgemäß an das Thema heran führen und ihnen dann Vertrauen schenken. Das ist besonders wichtig, denn wenn es wirklich mal Probleme geben sollte („Cybermobbing“), dann sollten die Kinder Ansprechpartner haben, an die sie sich wenden können. Verbietet man, schiebt man die Kinder weg von sich und wie sollen sie sich Hilfe holen, wenn sie nicht mal sagen können, was aktuell vorliegt – eben weil allein schon das im Internet sein ein Verbot bricht…

Abschließend kann man sagen, es gibt bestimmt Fälle von suchtähnlichem Verhalten, die man ernst nehmen sollte und denen man Hilfe angedeihen lassen sollte – aber man sollte wirklich mal prüfen an welchen Stellen das der Fall ist. Für mich, wie bereits gesagt, gibt es einen Unterschied von Sucht und Abhängigkeit.

Wenn ich keine Monatskarte für den öffentlichen Nahverkehr und kein Auto habe, bin ich abhängig von meinem Fahrrad und fahre durchaus viel. Zu den täglichen Fahrzeiten (im Moment über den Tag verteilt gut zwei Stunden), kommen die Zeiten die ich mit Reparatur etc. verbringe. Dennoch: Ich bin nicht Fahrradfahrsüchtig.

Sucht umfasst neben (durchaus exzessivem) Gebrauch immer soziale, psychische und/oder leistungsmäßige Beeinträchtigungen.

Außerdem ist es langsam an der Zeit zu verstehen, dass das Internet einen gesellschaftsstrukturellen Wandel eingeläutet hat. Peitsche für jeden der das Wort „neue Medien“ benutzt. Neue Medien sind langsam kalter Kaffee. Wer mehr darüber wissen will, liest und schaut ein bisschen Gunter Dueck. Internet ist das Betriebssystem unserer Gesellschaft.

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Lesetipp: Ein weiterer Artikel zum Thema Panikmache & Internet (via Blog für Kultur)

Internetabhängig. Ich so – aus Gründen

560.000 sind internetsüchtig. Ich gehöre dazu. Und Du so?

560.000 Süchtige, weitere 2,5 Mio suchtgefährdet. So lautet das Ergebnis einer repräsentativen Studie, bei der 15.000 Personen im Alter zwischen 14 und 64 Jahren per Telefon befragt wurden.

Noch vor 15 Jahren wäre das gar nicht möglich gewesen. Denn dann wäre bei den Betroffenen die Leitung permanent belegt gewesen. Jedenfalls nach 22 Uhr.

Mir wird ganz warm ums Herz, wenn ich an diese Zeit denke. Damals mit dem Analogmodem. Das Geräusch beim Einwählen. Diese wunderbaren Emailadressen an der Uni dasn.ufstud-psych@rar-pool.uni-bamberg-rchz.de.

Ich habe die Kriterien für Sucht wirklich gegoogelt. Genannt werden beispielsweise:

    • Für den Konsum sinnvolle Grenzen setzen und sie dann nicht einhalten können („Ich setze jetzt das Nudelwasser auf und gehe nur kurz ins Internet….“)
    • Das soziales Umfeld ist drogenorientiert („Oh cool, meine Freunde sind auch gerade online!“)
    • Der Konsum wird ständig rationalisiert („Ich schau nur mal schnell nach was Neutrinos eigentlich sind…“)
    • Die Droge wird als Motivator eingesetzt („Ich hänge jetzt schnell die Wäsche ab und dann kann ich noch eine Stunde online sein bis …“)

Hups. Überall einen Haken hintergesetzt? Schön reden kann man das jetzt nur noch wenn man Internetsucht von Internetabhängigkeit  abgrenzt. Die WHO macht das nicht, aber ich finde, dass man Sucht als Vertiefungsstufe von Abhängigkeit ansehen kann. Sucht würde im Vergleich zur Abhängigkeit zusätzlich so etwas wie Dosissteigerung beim Konsum und Beschaffungskriminalität umfassen.

Da ich noch  nie länger als 24 Stunden an einem Tag online war und auch noch nie einem meiner Freunde das Internet geklaut habe (oder Geld geklaut habe, um an Internet ran zu kommen), bin ich beruhigt.

Denn somit bin ich nicht süchtig, sondern lediglich internetabhängig.

Laut ICD/DSM gibt es Internetabhängigkeit übrigens gar nicht. Ginge ich zum Therapeuten oder Psychiater, diagnostizierte der nur eine „nicht näher bezeichnete Störung der Impulskontrolle“.

Wer gefährdet ist, sollte mal die  Broschüre Online sein mit Maß und Spaß der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung lesen. Die bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kennen sich mit Internet nämlich ebenso gut aus wie Metchild Ross-Luttmann mit Vorratsdatenspeicherung.

Auf Seite 11 wird zum Beispiel von den Gefahren des Internet gewarnt: „In sozialen Netzwerken besteht die Gefahr, dass die virtuellen Beziehungen wichtiger als die echten Kontakte werden.“

Wundervoll. Die Grenze zwischen virtuell und echt kann mir gerne mal jemand genau erläutern.

Als Psychologin ist für mich ohnehin interessanter zu sehen, was an diesem Internet so verführerisch ist. Meiner Theorie zufolge ist das nämlich so:  Eines der Grundbedürfnisse des Menschen ist das Affiliationsbedürfnis (s. Boulding, 1978, S. 196 ff). Mittels sogenannter Legitimitätssignale wird das Bedürfnis nach Anerkennung gestillt. Sich in sozialen Netzwerken aufhalten ist eine Form Legitimitätssignale zu sammeln bzw. auszutauschen. Man bekommt z.B. auf Twitter durch die Anzahl der Follower, Favs, Retweets und Replys (FFRR) signalisiert „Du bist ok, du gehörst in unsere Gemeinschaft“. Je mehr FFRR, desto mehr Legitimitätssignale.

Man kann den Like-Button auf Facebook als Legitimitätsspender in Reinform ansehen. Genauso sieht es aus bei Verlinkungen, Erwähnungen bei Google+oder bei Flattr. Seiten wie Favstar machen nichts anderes als die Anzahl der Legitimitätssignale optisch darzustellen.

Zusätzliche Anerkennungssymbole sind denkbar. Wer im Internet sehr aktiv ist und deswegen zu Lesungen eingeladen wird, Preise erhält, in den Lieblingstweets des Monats bei anderen erscheint, die Möglichkeit bekommt Artikel in Zeitungen und Magazinen zu veröffentlichen … dessen Legitimitätsspeicher ist randvoll und sein Affiliationsbedürfnis befriedet.

Das macht das Internet so verführerisch.

Und jetzt FFRRt mich. Ich gehöre zu den 560.000. Ich will das.

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Die vollständige Studie zum Thema Internetsucht kann man sich selbst durchlesen. Allerdings ist die nicht so wirklich spannend. Es sei denn man steht auf Statistik und SPSS.

Authentizität schön und gut…

Authentisch zu sein, mag sympathisch machen – aber ob das alleine reicht um ein Land (mit)zuregieren?

Sascha Lobo, der sonst natürlich immer recht hat, schreibt in seinem Artikel über den Wahlerfolg der Piraten „Eingestandenes Unwissen wirkt kompetenter als entlarvtes Unwissen . Das mag für die Alltagskommunikation zutreffen und Frau Koch-Mehrin hätte mit einem ehrlichen „Oh, da habe ich leider rein gar keine Ahnung von“ sicherlich das ein oder andere Mal die klügere Antwort gegeben – aber in der Politik geht es nicht um Sympathien. Halt – geht es leider doch oft, sollte es aber nicht gehen.

Persönlich möchte ich, dass mein Volksvertreter sich besser auskennt als ich. Schön – der Identifikationswert ist vielleicht höher, wenn man feststellt: Hey, der Andreas Baum, der hat ja ebenso wenig Ahnung von Wirtschaft und Politik wie ich. Aber meine Interessen als Politiker sollte er deswegen noch lange nicht vertreten.

Die Gesellschaft mag die inszenierten Persönlichkeiten schon lange satt haben – das Gegenteil – der authentische Mensch von der Straße – das kann (zumindest für die Politik) auch nicht die Lösung sein wenn das Ganze mit Unwissenheit verbunden ist.

Ich will jemanden, der sich nicht inszeniert aber trotzdem Ahnung hat.

In einem ganz anderen Kontext habe ich folgende Zeilen verfasst: Nehmen wir an, ich baute ein Haus. Das Haus sollte Wände, Decken, Fenster und Treppen haben – jedoch beauftragte ich einzig einen Schreiner. Der hatte einen schicken Flyer, ist Fensterexperte und Holzdielen kann er auch verlegen. Mit dem Rest, so bedauert er, kenne er sich derzeit noch nicht so aus, er sei jedoch willens, seine Defizite aufzuholen. Das Geld zum Hausbau überweise ich ihm vorab.
Irrational? Seltsam. Immerhin haben vergangenes Wochenende 129.795 BerlinerInnen genau das getan. Eine Partei gewählt, die in einigen wenigen Themen inhaltlich gut aufgestellt ist und in allen anderen Themen versichert „sehr schnell zu sein, was das Lernen angeht“.
Die Piraten sehen sich selbst als „weiche Themenpartei“ und nicht als Allrounddienstleister. Eine ernstzunehmende Partei sollte aber Sachverstand in allen nötigen Bereichen aufweisen, wenn sie ein Land (mit-)regieren möchte.

Das Bedürfnis nach Unverstelltheit mag den Erfolg der Piraten erklären, es rechtfertigt ihn jedoch noch lange nicht. Dieter Bohlen ist übrigens auch total authentisch und hat keine Ahnung von Politik. Soll er deswegen Abgeordneter im Berliner Abgeordenetenhaus werden?

Groß werden

Die frühe Kindheit ist ein Klacks gegen das was einen nervlich erwartet wenn die Kinder im Übergang zum Erwachsenwerden sind. Eine Versuchsreihe soll herausfinden, welche Erziehungsmethode die besten Ergebnisse bringt.

Kaum ward das erste Kind geboren, häuften sich die aufmunternden Worte in der Umgebung: „Das erste halbe Jahr, das ist der Horror.“ Das erste halbe Jahr kam und ging und nichts passierte. „Warte nur, bis die Zähne kommen! Ein Albtraum!“ Die Zähne kamen und nichts passierte. „Wenn die mobil werden! Stress ohne Ende“. Nichts passierte. „Die Trotzphase!“ Nichts! “

So zogen die Jahre ins Land und plötzlich ebbte das Warnen ab.

Völlig zu unrecht! Denn heute frage ich mich: Warum warnt eigentlich niemand vor den großen Kindern? Sie können laufen, sprechen, sich selbst essen machen, Handys bedienen, selbständig an Dinge denken, … jedenfalls theoretisch. Theoretisch erreichen Kinder relativ schnell ein Alter in dem sie relativ eigenständig existieren könnten und es war durchaus mein Wunsch eigenständige Kinder zu haben. Doch vom Eifer des Vorschülers ist bald nichts mehr übrig.

So steht Kind 1.0 z.B. heute morgen in der Küche und trägt einen Pullover, den es schon am Sonntag, Samstag, Freitag, Donnerstag und Mittwoch an hatte. Weiter erinnere ich mich nicht zurück. Ich vermute also, dass es das Kleidungsstück auch schon am Dienstag und Montag trug.

Am Montag Morgen möchte man nicht gleich schlechte Stimmung sähen, also frage ich [scheinheilig]: „Ach, hattest Du den Pullover nicht schon gestern an?“ „Nein, da irrst Du Dich, gestern hatte ich einen Pullover an, der sieht so ähnlich aus. Er hat keinen Aufdruck und dafür eine Kapuze, er ist rot und nicht blau, aber nein DIESEN hatte ich nicht an.“ „Weißt Du,“ informiere ich das Kind „Ich bin weder blöd noch farbenblind und deswegen denke ich, Du solltest jetzt zurück ins Zimmer gehen und Dich umziehen…“

Das Kind, außer sich vor Wut, trampelt ins Zimmer zurück. Wir würden es auch immer wieder zum Duschen zwingen! Wir seien sowas von streng! Auch das Wechseln der Socken forderten wir regelmäßig ein! Wie es dadurch unter Druck gesetzt würde, darüber machten wir uns wahrscheinlich nie Gedanken! Vom Händewaschen und anderen abstrusen Forderungen gar nicht zu sprechen! Zähne putzen sogar mehrmals täglich! Die Kinderhotline würde es anrufen, wenn es so weiter ginge mit uns Despoten!!!

Da bin ich noch mal in mich gegangen und habe die Männer in meiner Umgebung geprüft. Tatsächlich wechseln gut 80% relativ regelmäßig ihre Kleidung und nur wenige müffeln. Ein Großteil hat mit 35 noch alle Zähne und recht viele haben einen stattlichen Beruf.  Ich entschließe mich eine Versuchsreihe unter meinen Kindern zu starten. Das erste werde ich jetzt einfach nicht mehr ermahnen – zumal ich bereits die Erfahrung gemacht habe, dass alles meckern völlig ohne Effekt bleibt. Das zweite ständig. Das dritte intermittierend. Wollen wir doch mal sehen, welches dann das beste und klügste wird!

Prächtige Zukunft voraus

Kurt von Hammerstein-Equord hat es schon vor über 120 Jahren gewußt. Menschen kann man in dumm und klug, sowie fleißig und faul einteilen. Bezogen auf Führungsaufgaben lässt sich seine Theorie wie folgt zusammen fassen:

„Es gibt kluge, fleißige, dumme und faule Offiziere. Meist treffen zwei Eigenschaften zusammen. Die einen sind klug und fleißig, die müssen in den Generalstab. Die nächsten sind dumm und faul; sie machen in jeder Armee 90% aus und sind für Routineaufgaben geeignet. Wer klug ist und gleichzeitig faul, qualifiziert sich für die höchsten Führungsaufgaben, denn er bringt die geistige Klarheit und die Nervenstärke für schwere Entscheidungen mit. Hüten muss man sich vor dem, der gleichzeitig dumm und fleißig ist; dem darf man keine Verantwortung übertragen, denn er wird immer nur Unheil anrichten.“

Ich gebe das mal zu bedenken, für den unwahrscheinlichen Fall, dass es Eltern gibt, die jeden Abend die deutlich über 6jährigen dazu auffordern müssen, komplizierte Pflichten wie das Zähneputzen zu erfüllen und sich grämen, dass sie das Abend für Abend tun ohne dass sich das Verhalten nennenswert verbessert. Manche mögen sogar verärgert sein, wenn das widerspenstige Kind nicht nur NICHT die Zähne reinigt sondern sich sogar tatsächlich aufrafft, ins Bad geht und das Zähneputzen hinter verschlossener Tür geräuschlich imitiert.

Vorausgesetzt das Kind ist klug (wie es ja alle eigenen Kinder im höchsten Maße sind), heißt das nämlich nur eines: Das Kind kommt ohne Umweg in die Vorstandsetage und wird mit Hilfe des utopisch hohen Gehalts für den bequemen und sorgenfreien Altersruhestand der Eltern sorgen. Vorausgesetzt sie geben das allabendliche Zetern auf.

Welches Schweinerl wärens denn gern?

Treue Leser meines Blogs wissen, dass ich nicht seit jeher Kinderfan bin. Ich bin eher in die Kindersache reingeschlittert und irgendwann war mein psychologisches Interesse geweckt. Glücklicherweise habe ich an einer Uni studiert, die viel von Einzelfallanalyse hält. Eine ordentliche Grundgesamtheit n, die wissenschaftlich reliable und valide Allgemeinaussagen liefert, wäre ich zu gebären nicht imstande gewesen.

So betrieb ich die ersten Jahre zunächst Schwellenforschung, wobei mich v.a. die Schwellen von Erwachsenen im Vergleich zu denen der Kinder interessierten. Nehmen wir die Schwelle, mit der man Wiederholungen erträgt.

Kind 1.0 fand es z.B. sehr lustig auf dem Bett herum zu springen und „Miau miau“ zu schreien. Mir fiel gleich auf, dass Kind 1.0 das sehr lange, sehr lustig fand. Also gesellte ich mich dazu und schrie ebenfalls „Miau miau“ und registrierte unmerklich die Anzahl der Wiederholungen.

Schnell bemerkte ich, dass mein Forschungsgeist, mein Wille und einige andere dringend notwendige Fähigkeiten zum Abschluss dieses Experiments nicht ausreichend ausgeprägt waren. Ich musste mehrere Testreihen bei n=276 Wiederholungen abbrechen. Als Teilergebnis meiner wissenschaftlichen Studie konnte ich immerhin festhalten, dass meine Schwelle bei ca. zwölf Mal „Miau miau“ schreien und hüpfen erreicht war. Die Schwelle des Kindes, wie gesagt, ist trotz jahrelanger intensiver Forschungsarbeit bislang nicht wissenschaftlich zu ermitteln.

Interessanter noch als die Schwellenforschung erweist es sich, motivationale Hintergründe des Miau miau Schreiens zu ergründen. Zumindest diese Frage ist psychologisch einfach zu beantworten. Die Kinder haben noch kein stabiles Selbstvertrauen. Dieses bildet sich erst im Verlauf ihrer Entwicklung mit der steigenden Anzahl an Erfolgserlebnissen. Wenn sie Dinge wiederholen, stabilisieren sie ihre Erfahrungen und es ist ihnen nach und nach möglich einen stabilen Erwartungshorizont zu bilden, was sich positiv auf das Selbstbewußtsein (sie wissen was passiert! sie können es vorher sagen) und das Kompetenzempfinden auswirkt.

An der Ergründung einer anderen, sehr interessanten Frage forsche ich im Moment. Es ist die Frage des kindlichen Anthropomorphismus: Warum wollen Kinder andere Dinge sein und noch schlimmer warum wollen sie, dass ICH andere Dinge bin.

Jedes unserer Kinder ist früher oder später in diese Phase eingetreten. Dann werde ich mit Fragen der folgenden Art gelöchert:

  • Welcher Powerranger willst Du sein? (und mit dieser Frage ist man noch gut bedient, denn man kann rational nach Farben und/oder Fähigkeiten der einzelnen Powerranger eine Entscheidung treffen)

Schwieriger wird es bei:

  • Welches Pferd willst Du sein?*

Und richtig lange meditieren kann man über die Fragen der folgenden Art:

  • Welcher Stein willst Du sein?

Wer glaubt, dass man einfach zufällig auf eines der zur Auswahl stehenden Objekte zeigt und sagt „Der da“ bzw. „Das da“ und damit ein Kind zufrieden stellen kann, der hat keine Kinder. Die nächste Frage lautet nämlich „Warum?“ und dann gilt es eine ausdifferenzierte Antwort zu geben oder man gelangt in die unendliche Warum-Fragen-Möbius-Schleife.

Jedenfalls ist mir bis zum heutigen Tag völlig rätselhaft welche Kompetenz sich in dieser Personifizierungsphase ausbildet. Ich hätte eben doch noch ein Aufbaustudium nachlegen sollen.

Welcher Stein willst Du sein?

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*Glücklicherweise gibt es das Internet, das alle Fragen beantwortet. Falls man also vom Kind gefragt wird, welches Pferd man sein möchte, einfach schnell den Test machen. Bei der Powerrangerfrage gibt es übrigens auch Hilfe.

Die Mutter ohne Herz

Dem regelmäßigen Leser sollte es bereits aufgefallen sein. Ich bin großer Fan evolutionspsychologischer Thesen. Die angeborenen Verhaltensmuster entwickeln sich nur langsam weiter – wohingegen die gesellschaftliche Entwicklung seit Anfang des 19. Jahrhundert rasend schnell voranschreitet.

Dem Urmenschen war nämlich nicht ganz klar, wann es das nächste Mal Nahrung geben würde und ob sich der spitze Stein, der ihm gerade vor die Füße gefallen war, nicht doch als nützliches Werkzeug erweisen würde. Deswegen wurde vorsichtshalber alles gesammelt und gehortet und das ist auch der Grund warum Kinder ALLES sammeln.

Dem kinderunerfahrenen Leser sei versichert, dass mit ALLES wirklich alles gemeint ist. Handele es sich nun um unterschiedlich große Schnecken, verrostete Schrauben, Kieselsteine, Stöcke oder weggeworfene Kaugummis. Wenn man sie ließe, sie schleppten alles mit nach Hause.

Alles wird gesammelt und aufgehoben. Ungeachtet ob Teile fehlen, die Funktion gänzlich unbekannt ist oder das Objekt der Begierde stinkt. Besonders liebreizende Kinder verbinden ihre Sammelleidenschaft noch mit einer bestimmten Art von Opferdarbietung an andere.  Als Eltern erhält man Nüsse, vergammelte Obstkerne und Insektenkadaver und muss diese – sofern man die Seele des kleinen Wesens nicht schädigen möchte – freudestrahlend entgegen nehmen und bei Bedarf sechs Jahre später wieder vorzeigen.

Bei drei Kindern verschiedener Altersklassen kommt da schnell einiges zusammen. Besonders hart ist es, wenn die Nachkommen auch noch gestalterische Energien besitzen. Dann werden nämlich täglich um die 27 Bilder gemalt, geschnitten, gerissen und beklebt. Mal drei.

Leider entspricht die zunehmende Vermüllung unserer Wohnung  nicht meinen ästhetischen Ansprüchen. Und nun mein Geständnis: Wenn die Kinder weg sind, schmeiße ich Dinge weg. Ich weine dabei ein bisschen und fühle mich wirklich sehr, sehr schlecht, denn ich erinnere mich lebhaft daran wie mein kleines Herz als Kind schmerzte, als meine Eltern bereits die Unterbringung meiner Kostbarkeiten in ihrer Wohnung ablehnten. Doch es muss sein. Unsere weiße Designerwohnung duldet einfach keinen nutzlosen Tand.

Dank moderner Techniken habe ich jedoch eine hervorragende Lösung gefunden. Ich fotografiere die Dinge, deren ich mich entledige vorher und zittere deswegen nur ein klein wenig, wenn die Kinder fragen: „Wo ist eigentlich [beliebiger Gegenstand, der auf der Straße aufgesammelt wurde]?“

Meine Antwort lautet dann: „Du wirst Dich jetzt besonders freuen, denn ich habe [beliebiger Gegenstand, der auf der Straße aufgesammelt wurde] unsterblich werden lassen indem ich ihn digitalisiert habe.“ Unsere verständigen Kinder wissen, dass Unvergänglichkeit eines der am meisten angestrebten Güter ist, nicken andächtig und sind sich (mal wieder!) gewiss, dass sie die allertollste Mutter auf Erden haben.

Für mich werden nur die ausgedruckten Bilder langsam zum Problem…