Fußball ohne Fernsehen und Fans

Ungefähr 19.00 Uhr, Durchsage in der U-Bahn, alle 5 Minuten: Liebe Fahrgäste, es steht immer noch ein zu eins. Ich hetze in den Biergarten, wo das Kind total aufgeregt mit Fahnen wedelt und immer zu Oliver Zaaaaahhhhn schreit. Es scheint in einer Art rekursiver Zeitschleife gefangen zu sein. Beim Elfmeterschießen schreit es für alle Spieler und Torwarte. Die fünfhundert Meter nach Hause dauern zwei Stunden und jeder, der eine Fahne schwenkt, wird vom Kind persönlich begrüßt. Wir setzen uns an den Straßenrand und freuen uns wie Angela Merkel.

Überschäumende Freude nach Art der Merkel

Italien gegen Ukraine und alle anderen Spiele als Livestream

Dick Majonäse…

Die einzigen Gedichte, die ich auswendig kann, entstammen aus meinen zwei Gedichtbändern, die ich besitze. Das eine ist von Lewis Carroll, das andere von Robert Gernhardt und heißt Lichte Gedichte. Robert Gernhardt ist heute gestorben. Deswegen sage ich leise mein Lieblingsgedicht von ihm auf:

Diät-Lied (mit Ohrfeigenbegleitung)

Ich freu mich auf mein Frühstück
Da schneide ich zwei Hörnchen auf
(Klatsch Klatsch)
Da schneid ich etwas Graubrot auf
Und schmiere mir dick Butter drauf
Und Leberwurst und
(Klatsch Klatsch)
Und schmiere dünn Margarine drauf
Und etwas Kräuterpaste
Und reichlich Gorgonzola
(Klatsch Klatsch)
Und keinen Gorgonzola
Sodann greif ich zum Pfirsich
Den schneide ich in Stücke
Und haue massig Sahne drauf
(Klatsch Klatsch)
Und mache einen Joghurt auf
Und tu ihn auf den Pfirsich
Und reichlich Gorgonzola
(Klatsch Klatsch)

Und keinen Gorgonzola
Und zwanzig Löffel Müsli
(Klatsch Klatsch)
Und einen Löffel Müsli
Dann freu ich mich auf Mittag
Da brat ich einen Tofu auf
Und tue reichlich
(Klatsch Klatsch)
Sprossen drauf
Und jede Menge
(Klatsch Klatsch)
Kleie
Das ess ich, weil es sein muss
Und freue mich aufs Abendbrot
Da gibt’s ein Riesenschnitzel
(Klatsch Klatsch)
Da gibt’s ein kleines Schnitzel
(Klatsch Klatsch)
Da gibt es gar kein Schnitzel
Da mach ich einen Bratling warm
Und tu dick Majonäse drauf
(Klatsch Klatsch)
Und drei, vier Spiegeleier
(Klatsch Klatsch)
Und reichlich Gorgonzola
(Klatsch Klatsch)
Und schütt es in den Lokus
Dann drücke ich die Spülung
Und freu mich auf den Nachtisch
Da trinke ich vom feinsten
(Klatsch Klatsch)
Und stillsten Wasser, das es gibt
Sodann wird ein Versuch geübt:
Wieviel vom schweren roten Wein
Geht in den Durchschnittsmann hinein?
(Klatsch Klatsch)
Wenn der dabei im Schmalztopf wühlt
(Klatsch Klatsch)
Sich grad wie Gott in Frankreich fühlt
(Klatsch Klatsch)
Fünf Eisbein mit zehn Bierchen kühlt
(Klatsch Klatsch)
Und die mit Schnäpsen runterspült
(Klatsch Klatsch)
und reichlich
(Klatsch Klatsch)
Gorgonzola
(Klatsch Klatsch)
Das will ich ausprobieren
Und sollt ich dran krepieren
Dann hab ich meine letzte Nacht
Zumindest lustvoll
(Klatsch Klatsch)
Zumindest heiter
(Klatsch Klatsch)
Zumindest spannend
(Klatsch Klatsch)
Zumindest nahrhaft
zugebracht.

Put your phones in the air for Germany

Vor noch zwei Jahren wäre ich gestern auf dem Depeche-Mode-Konzert in der Waldbühne gewesen. Leider stellte ich nach dem letzten und somit ca. zehnten Depeche-Mode-Konzert in Folge fest, dass ich keine Depeche-Mode-Konzerte in meinem Leben mehr brauche. Die neue Platte ist unerträglich und die Publikumsreißer der Achtziger, die sonst gespielt werden, hängen mir zu den Ohren raus.
Also war ich gestern beim Black Eyed Peas Konzert, zu dem ich sogar meinen Brit-Pop-Freund überreden konnte. Schön sah er aus, mit seiner Brit-Pop-Frisur unter den ganzen Yo-Man-Hip-Hop-Jogginganzugträgern.
Mit Rücksicht auf unser Alter hatten wir Sitzplätze in der Rentner- und Familienloge erworben. Wunderbar. Neben uns total aufgeregt kichernde präpubertierende Mädchen mit Deutschlandflaggennagellack: „Geht’s jetzt los Papa? Geht’s jetzt los?“. Hinter uns verpickelte Typen, bei denen ich befürchtete, dass sie aufgrund ihres überhöhten Testosteronwertes jeden Moment ejakulieren könnten „Yoyo I wanna see your boobs, ha, ha“. Vor uns freie Sicht auf die Bühne und mit uns die Angst, welche Konzerte wir wohl mit unseren Kindern besuchen werden müssen.
Die Mädchen machten sich vor Begeisterung fast in die Hose, trauten sich jedoch nicht aufzustehen und zu tanzen. Folglich mußten die Väter das Ganze vormachen, damit sich die Kinder locker machen konnten. Ich will mir die Qualen gar nicht ausmalen, wenn ich eines Tages zu Tokio Hotel oder schlimmeren (Virgina Jetzt!) Begeisterung heucheln muss.
Die schlecht vermarktete World-of-Football-Arena blieb bis zum Ende nur halb voll. Aber was soll man anderes erwarten, bei einem Projekt, dass sich auf einer ausschließlich flashbasierten (Version 7.0) Seite präsentiert.
Die Vorgruppe war grauenerregend langweilig und der darauffolgende Umbau dauerte eine weitere halbe Stunde. Kein Wunder also dass der Großteil der erfahrenen Berlinkonzertbesucher erst um 21.30 Uhr erschien. Eine weitere Viertelstunde später ging es los und schon nach den ersten zehn Sekunden war klar, das Warten hatte sich gelohnt.
Insgesamt spielten die Black Eyed Peas rund 1.5 Stunden, in denen sie wiedererkennbar ca. sieben Lieder performten. Der Rest war Improvisation oder Abwandlungen von anderen bekannten Liedern. U.a. zu meiner großen Freude Sweet Child of Mine von den Guns and Roses und Jump Around von Cypress Hill House of Pain.
Dafür liebe ich die Black Eyed Peas. Auch für ihre instrumentelle Untermalung der Lieder mit E-Gitarren, Schlagzeug, Saxophon und Trompete, die mindestens 70% tatsächlich live eingesetzt wurden. Fergie hat eine Stimme die man eigentlich nicht als Stimme sondern als Organ bezeichnen muss (Wie gerne würde ich Sweet Child of Mine hochladen, wäre es nur nicht so furchtbar verboten!) und Will.I.Am atmet ganz offensichtlich ausschließlich durch die Ohren. Zu meinem Erstaunen sind Apl.de.ap und Taboo zu 80% optisches Beiwerk und singen so gut wie gar nicht. Die Bandmitglieder haben während ihres Auftritts eifrig gefilmt und fotografiert und kündigten an, dass das Material bald auf deren offizieller Seite zu bewundern sein wird.
Sehr schönes Sommerkonzert mit einer sehr publikumsnahen Band, das mir mal wieder mein Alter vor Augen geführt hat. Statt Feuerzeuge, werden jetzt nämich Handys in die Luft gehalten. Unglaublich!

Image Hosted by ImageShack.us