Bitte nur noch 5 Minuten

Das ist die verkürzte Version meines Vortrags „Bitte nur noch 5 Minuten – warum Medienzeitbegrenzungen unseren Kindern die Zukunft rauben“ den ich auf der Tagung des Zentrums für Lehrerinnenbildung zum Motto Zukunft Schule halten wollte. Leider musste der Vortrag ausfallen.

Auf wirklich jedem Elternabend zum Thema ‚Kinder und digitale Medien‘ wird am Ende gefragt: „Wie lange sollte mein Kind etwas im Internet machen dürfen?“ Die Antwort kommt meistens wie aus der Pistole geschossen. Sie lautet: „30 Minuten pro Tag“. Woher diese Zeitangabe kommt und was tatsächlich zu befürchten ist, wenn man diese Empfehlung überschreitet, wird eigentlich nie thematisiert.

Ich bin dieser Frage nachgegangen und habe mir z. B. die Meta-Studie angeschaut, auf der die dieses Jahr im Mai veröffentlichte Empfehlung der WHO [1] basiert, die maximal 60 Minuten ’sedentary screentime‘ pro Tag für Kinder ab 2 für gesund hält. Hier ist wenigstens nachvollziehbar wie die Empfehlung zustande kommt. Nämlich hauptsächlich willkürlich. Denn es zeigt sich, dass es keinen oder einen nur sehr geringen Zusammenhang zwischen der passiven Bildschirmzeit und den befürchteten gesundheitlichen Problemen gibt:

„There was no association between objectively measured sedentary time and adiposity or motor development. […] The overall quality of evidence was rated as very low.“

Auch Wissenschaftler des Oxford Internet Instituts [2] kommen zu dieser Erkenntnis:

„What did we find? Well, mostly nothing! In more than half of the thousands of statistical models we tested, we found nothing more than random statistical noise.“

Andrew Przybylski & Amy Orben

Nur: aus so einer Aussage ergibt sich irgendwie keine reißerische Schlagzeile. Alarmismus hingegen verkauft sich nach wie vor hervorragend und so wird daran festgehalten, dass viel Bildschirmzeit eben viel schadet. Es wird zur elterlichen Erziehungsaufgabe Bildschirmzeit ordentlich zu begrenzen und geht es um Schulen, soll das Internet am besten gleich ganz draußen bleiben.

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Erst die Digitalisierung, dann die Moral

Quelle: geralt@pixabay/So ein bisschen Kapitalismus hat noch keinem geschadet!

Mit Marcus Richter habe ich mich in Folge 1 des Podcasts „Nur 30 Minuten, dann ist aber Schluss„, die am 27.12. ausgestrahlt wird, über den Begriff Digital Natives unterhalten. Grundsätzlich ist erstmal eine Generation gemeint, die von Kindheit an mit Informationstechnologien und dem Internet aufgewachsen ist und eine Welt ohne digitale Medien nicht kennt. Der Gegensatz dazu ist der Digital Immigrant. (Gabler Wirtschaftslexikon).

Allerdings verschiebt sich diese Generation ständig nach vorne. Als 2007 die erste re:publica stattfand, wurden hier auch die Digital Natives begrüßt. Gemeint waren Menschen, die Anfang der 1970er geboren wurden. Pioniere insofern als dass sie schon seit Mitte der 1990er das Internet zu ihrem Zweitlebensraum gemacht hatten. Damals war das mit Kosten und Mühen verbunden. Ich erinnere mich gut an die Zeiten, in denen ich erst ab 22 Uhr mit meinem 56k-Modem online ging. Unvergessen der Sound:

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TikTok – was ist das denn jetzt schon wieder?

Update zum unten stehenden Artikel, der am 22.12.2018 veröffentlicht wurde für den Punkt „Welche Probleme gibt es bei TikTok?“ (s.u.)

Weiter unten im Artikel wurde es bereits angesprochen: TikTok sammelt exzessiv Daten. In diesem Zusammenhang wurde der Hersteller im März 2019 in den USA bereits verklagt und hat 5,7 Millionen Dollar Strafe gezahlt. TikTok richtet sich eben in erster Linie an Teenager (Nutzung laut AGB ab 13 möglich), prüft im Gegenzug aber nicht, ob die Kinder schon 13 sind und holt auch keine Genehmigung der Eltern ein. Auch in Deutschland dürfte das problematisch sein, da es laut Artikel 8 der DSGVO erst mit 16 Jahren möglich ist, der Nutzung personenbezogener Daten zuzustimmen.

(Mir ist bewusst, dass das kein TikTok-orginäres Problem ist. Andere Netzwerke wie WhatsApp z. B. umgehen das rechtlich indem sie das Nutzungsalter laut AGB auf 16 festlegen. Natürlich wird da das Alter auch nicht verifiziert.)

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Make Bedenken great again!

Gratis Digital Detox gibt es breitflächig in Brandenburg z. B.

Alle Monate wieder geht irgendein Text durch das Netz, der die Geißel Internet beklagt. Wie es uns abhängig macht, unfrei, alle Kommunikation unterbindet, uns vereinsamen lässt, 24 Stunden zum Arbeiten zwingt. Früher als es noch keine Smartphones gab, war natürlich alles besser. Wir sprangen über Wiesen, Hand in Hand, uns in die Augen blickend, dem Sonnenuntergang entgegen.

Hundertfach geteilt und enthusiastisch kommentiert. Endlich hat es mal jemand erkannt. Endlich sagt es jemand. Digital-Detox! Internet abschalten – das würde uns allen helfen.

Ich meine: WTF? Internet abschalten weil es jemand nicht schafft auf seinem Handy die Push-Nachrichten abzustellen? Apps zu löschen? Das Handy zuhause liegen zu lassen?

Das digitale Leben macht uns krank und wir wissen das. Wir müssen es beenden! […] Wie viel ich aus mir machen könnte. Wie viel ich entdecken könnte. Doch stattdessen scrolle ich auf Facebook rum.

Mangelnde Selbstregulation nennt man das.

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Die verlorenen Kindheitsorte

Kind im Baum? Das ist viel zu gefährlich! //Quelle: Pezibear @Pixabay

Ich bin auf dem Land [1] großgeworden. Bis ich ca. 13 Jahre alt war, durfte ich einfach so draußen rumstreunen. Ich bin nach der Schule los und habe die Gegend erkundet. Entlang an einem Bach, an dem ich Staudämme gebaut habe, durch Wälder, wo ich eine Fischart entdeckt habe, der nach einigen Tagen Beine wuchsen (!), die Taschen voller Schnecken, die Knie stets blutig. Oft hatte ich unseren Hund dabei, bin über Felder gelaufen, habe Kornblumen gepflückt, interessehalber an Stromzäune gefasst, habe auf Grashalmen gepfiffen und meine Mückenstiche mit Spucke eingerieben. An Straßenübergängen, die mit versetzten Stangen gesichert waren, habe ich mich hochgestützt und einen Umschwung gemacht. Ich bin auf Bäume geklettert – den besten Kletterbaum gab es nahe der Kläranlage, wo es furchtbar stank – und es gab eine sehr hohe Mauer, die bin ich nur runtergesprungen, wenn ich meinen Lieblingsrock anhatte, der sich beim Springen wie ein Fallschirm aufplusterte und mich abbremste.

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Kinder und digitale Medien?

Du bist über den August Newsletter von „Gutes Aufwachsen mit Medien“ auf dasnuf.de gestoßen? Das freut mich. Herzlich Willkommen. Hier eine kleine Auswahl an Artikeln zum Thema, alle zusammengefasst unter Medienmomente.

Eine Auswahl an Artikeln zum Thema

Ihr wollt lieber zuhören?

Ich halte auch Vorträge und gebe Workshops zum Thema „Kinder und digitale Medien„. Kontaktiert mich gerne bei Interesse, z.B. per Mail patricia.cammarata@dasnuf.de.

Folgt mir auf  Twitter Facebook oder Instagram. Ich müsste außerdem auch dringend wieder mal einen Preis verliehen bekommen, weil ich brauche einen Anlass mir ein Maxikleid zu kaufen.

Podcast: Kitarechtler-Plauderei

Kitarechtler Plauderei
Klick aufs Bild um zum Podcast zu gelangen

Wohooo! Sabbatical haben, heisst nicht nur Buch schreiben, sondern auch für unterschiedliche Magazine schreiben UND endlich mal Zeit zum Podcasten haben. Deswegen habe ich mich sehr über die Einladung der Kitarechtler gefreut. Mit denen spreche ich in Folge 14 ihres Podcast über „Kinder und digitale Medien“ (wer hätte es erraten!?).

Wir sprechen u.a. darüber wann man mit Medienerziehung anfangen sollte, welche Computerspiele ich gut finde und welche nicht, ob man Kinder alleine YouTube schauen lassen sollte, warum ich ein Biene Maja bei den Ameisen-Trauma habe, warum man Julien Bam kennen sollte, was (Cyber)Mobbing ist und was man dagegen tun kann, was Klassenchats damit zu tun haben und warum „Keep talking and Nobody Explodes„-Spaß macht.

P.S. Wer mich zu seinem Podcast einladen will: Immer gerne dienuf@posteo.de

ZEIT LEO „Ich hab mein Handy im Griff“

Im aktuellen ZEIT LEO Magazin „Ich hab mein Handy im Griff“ habe ich für den Elternbeileger einen Artikel geschrieben. Dass ein Heft zu dem Thema „Kinder und digitale Medien“ gemacht wird und dass ich dazu beitragen durfte, hat mich sehr gefreut.

Mein Text ist ein Appell zum Dialog. Eine medienkompetente Familie wird man nicht, wenn Eltern digitale Medien verteufeln oder YouTube bashen. Es hilft einzig und allein sich mit den Themen auseinanderzusetzen und die kindlichen Bedürfnisse zu verstehen und im Gespräch mit seinen Kindern zu bleiben. Dann verlieren Eltern vielleicht auch ihre Angst und klammern sich nicht mehr an starre Medienzeitbegrenzungen.

Wenn ihr meinen Text lest, es haben sich zwei Fehler und ein Tippfehler eingeschlichen, die ich gerne richtig stellen möchte, weil sie nicht aus meiner Feder stammen.

1.) Twitch ist keine Gaming-Plattform (sondern ein Live-Video-Streaming-Portal, das oft genutzt wird, um Videospiele zu spielen und andere daran teilhaben zu lassen).

2.) Metadaten aus WhatsApp haben nichts mit Amazon-Einkäufen zu tun.

3.) Korrekt heisst die Plattform „YouNow“.